Müller, Georg - Die Taufe

(Originaltitel: Georg Müller, Gründer des Waisenhauses in Bristol, über die Taufe.)

Die große Waisenanstalt nahe bei Bristol, von G. Müller einzig und allein durch Glauben und Gebet gegründet und unterhalten, hatte ihren Ursprung in dem von Gott ihm verliehenen ernstlichen Wunsche, seinem Herrn treu zu dienen und Ihm zu vertrauen, daß Er dann gewiß seine Verheißungen erfüllen werde. Ein Gegenstand, zu dessen Prüfung dieser Wunsch ihn führte, war derjenige der Taufe. Hören wir seinen eigenen Bericht dieser Prüfung und das Resultat derselben.

„Anfang April des Jahres 1830 - 25 Jahre alt - kam ich nach Sidmouth, um dort zu predigen. Während meines dortigen Aufenthalts hatten drei Schwestern in Christo in meiner Gegenwart eine Unterhaltung über die Taufe. Eine derselben hatte sich taufen lassen, nachdem sie gläubig geworden war. Nachdem sie eine Zeitlang über diesen Gegenstand gesprochen hatten, ward ich um meine Meinung gefragt.
Meine Antwort war: „Ich glaube nicht, daß ich nöthig habe, noch einmal getauft zu werden.“
Die getaufte Schwester fragte: „Aber sind Sie denn getauft?“
„Ja wohl, als Kind.“
Sie entgegnete dann: „Haben Sie jemals in Bezug auf diesen Gegenstand die heilige Schrift gelesen und gebetet?“
„Nein.“
„Dann,“ sagte sie, „ersuche ich Sie, lieber Bruder, nicht mehr über diese Sache zu sprechen, bis Sie es gethan.“

Es gefiel dem Herrn, mir die Wichtigkeit dieser Bemerkung zu zeigen; denn während ich zu derselben Zeit Jedermann ermahnte, nichts anzunehmen, was nicht durch das Wort Gottes bewiesen werden könne, hatte ich wiederholt gegen die Taufe der Gläubigen gesprochen, ohne ernstlich in dieser Beziehung die heilige Schrift durchforscht und um Erkenntniß der Wahrheit gebetet zu haben. Nun beschloß ich, mit Gottes Hülfe in dieser Weise den Gegenstand zu prüfen, und wenn ich die Kindertaufe schriftgemäß fände, sie eifrig zu vertheidigen; sei dagegen die Taufe der Gläubigen recht, so wollte ich ebenso tapfer für diese streiten und mich taufen lassen.

So bald ich Zeit hatte, machte ich mich an die Untersuchung. Ich schlug dabei folgenden Weg ein: Wiederholt bat ich Gott, mich recht zu belehren über diesen Punkt, und ich las in Betreff desselben das neue testament von Anfang an. Aber nun ich die Sache mit solchem Ernst betrieb, traten mir eine Menge Einwürfe entgegen.

  1. „Haben wir nicht darin, daß so viele heilige und erleuchtete Männer in ihren Ansichten über die Taufe von einander abweichen, einen Beweis, daß wir nicht erwarten dürfen, in diesem unvollkommenen Zustande der Kirche eine völlig befriedigende, bestimmte Antwort auf diese Frage zu finden?“ Dieser Einwand ward folgendermaßen beseitigt: „Wenn die Bibel diese göttliche Anordnung vorschreibt, weshalb sollte ich sie nicht verstehen können, da der heilige Geist noch ebenso wie zu Anfang der Lehrer in der Gemeinde Christi ist.“
  2. „Nur wenige meiner Freunde sind getauft, die meisten sind gegen die Taufe der Gläubigen, und sie weerden mir den Rücken kehren.“ Antwort: „Wenn auch alle Menschen mich verließen - nimmt mich der Herr Jesus nur auf, so weerde ich glücklich sein.“
  3. „Du wirst die Hälfte deiner Einnahme verlieren, wenn du dich taufen läßt.“ Antwort: „So lange ich nur trachte, dem Herrn treu zu sein, wird Er mich keinen Mangel leiden lassen.“
  4. „Die Leute werden dich einen Baptisten nennen und du wirst zu einer Körperschaft gerechnet werden, an der du nicht Alles billigst, was ihre Mitglieder unternehmen.“ Antwort: „Wenn ich auch getauft wurde, so folgt nicht daraus, daß ich in allen Punkten mit Denen übereinstimme, die die Taufe der Gläubigen angenommen haben.“
  5. Du hast nun schon mehrere Jahre lang gepredigt und wirst öffentlich bekennen müssen, daß du im Irrthum warst, falls du zu der Ansicht geleitet würdest, daß die Taufe der Gläubigen schriftgemäß sei.“ Antwort: „Es ist weit besser, zu bekennen, daß ich über diesen Punkt im Irrthum gewesen bin, als in demselben zu beharren.“
  6. „Selbst dann, wenn die taufe der Gläubigen richtig wäre, ist es zu spät, sie an dir vollziehen zu lassen, da du gleich hättest getauft werden sollen, als du gläubig wurdest.“ Antwort: „Es ist besser, einem Befehl des Herrn Jesu zu gehorchen, wenn auch erst so spät, als in Vernachlässigung desselben weiter fortzuleben.“ ….

Kaum war ich zu diesem Herzenszustand gelangt, so sah ich klar und deutlich aus der heiligen Schrift, daß Gläubige die einzigen für die taufe geeigneten Personen sind und daß Untertauchung die einzig wahre, schriftmäßige Art und Weise ist, in welcher sie vollzogen werden soll. Die Stelle, welche besonders von Ersterem mich überzeugte, ist Ap-Gesch. 8, 36-38, und von Letzterem: Röm. 6, 3-5. Basld nachher ward ich getauft. Ich fühlte darüber großen Frieden und habe diesen Schritt nie einen Augenblick bereut.

Ehe ich diesen Gegenstand verlasse, möchte ich noch einige Worte über den Erfolg sagen in Bezug auf obige Einwürfe, die mir innerlich entgegentraten, als ich im Begriff war, die heilige Schrift in Betreff der Taufe zu untersuchen.

  1. Was den ersten Einwand betrifft, so ist jetzt meine Ueberzeugung die, daß von allen geoffenbarten Wahrheiten keine deutlicher im Worte Gottes ausgesprochen ist, sogar nicht die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben, und daß der Gegenstand nur verdunkelt worden ist durch Menschen, welche die heilige Schrift nicht allein entscheiden lassen wollten.
  2. Kein einziger meiner wahren Freunde in dem Herrn hat sich von mir abgewandt, wie ich fürchtete, und beinahe alle sind seitdem auch getauft worden.
  3. Obgleich ich einerseits in folge meiner Taufe an geld verlor, so ließ der Herr mir einen wirklichen Verlust nicht zu, sogar nicht in zeitlichen Dingen, indem er mir das Verlorene reichlich ersetzte. Und schließlich hat mein Beispiel Viele veranlaßt, die Tauffrage näher zu prüfen und sich aus Ueberzeugung dieser Anordnung zu unterwerfen. Da ich diese Wahrheit einsehe, bin ich vom Herrn dahin geleitet worden, über dieselbe ebensowohl zu sprechen, als über andere Wahrheiten, und während meines langjährigen Aufenthalts in Bristol sind über tausend Gläubige unter uns getauft worden.„

Quelle: Niederlage der Christlichen Traktatgesellschaft. Druck von J.G. Oncken Nachfolger G.m.b.H., Kassel