„Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid. Prüft euch selbst; oder erkennt ihr in euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, dass ihr untüchtig seid.“
2 Kor. 13,5.
Steht ihr im Glauben? Diese Frage möchte ich heute mit euch prüfen. Beteiligt euch an dieser Prüfung, Jeder für sich selbst und so, als ob er allein auf der Welt wäre.
Bedarf es noch des Beweises, wie ernst diese Frage ist? Es handelt sich hier um eure Seligkeit. Denn es steht geschrieben: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm“ (Joh. 3,36). Erscheint euch aber diese Frage vielleicht überflüssig? Wissen, ob wir im Glauben stehen, heißt so viel, als wissen, ob wir Christen sind. Gewiss; oder was sind wir denn? Liebe Brüder, die Korinther waren auch Christen und vermutlich bessere als wir; und doch hält es der Apostel nicht für unnötig, ihnen zu schreiben: „Prüft euch, ob ihr im Glauben seid.“ Denn man kann dem äußeren Bekenntnis nach Christ sein, ohne es im Herzen zu sein. Du bist Christ, mein lieber Zuhörer; es fragt sich aber, ob du ein wahrer Christ bist.
Seid ihr eurer so gewiss, dass ihr kein Bedürfnis fühlt, euch hierüber zu prüfen, so beweist dies nur, dass ihr dieser Prüfung mehr bedürft als andere. Könnte sie für irgend Jemand unnötig sein, so wäre sie es für denjenigen, welcher in seinem Herzen spricht: Das ist Etwas für mich! Wann werde ich genau wissen, woran ich mich in Bezug auf den Zustand meiner Seele zu halten habe? Wie kann ich, der ich so unwürdig, so ungläubig, so treulos bin, glauben, dass ich ein wahrer Christ bin? So misstraute jeder Apostel sich selbst, als der Herr sagte: „Einer von euch wird mich verraten;“ denn sie fingen an traurig zu werden und sprachen zu einander: Bin ich es? Selig ist der Mann, der beständig in Furcht und Zittern lebt; wer aber sein Herz verhärtet, der gerät ins Verderben. Verhärten wir darum unser Herz nicht; gehen wir in einer Sache, wo die Täuschung so schrecklich und zugleich so leicht ist, mit Zittern und Zagen an die vom Apostel Paulus vorgeschlagene Prüfung! Diesen heilsamen Schrecken, den ich mit euch als Christ teile, fühle ich auch als Prediger; darum keine Redekünste; sprechen wir vor Gott ganz einfach. Und Du, o Herzenskündiger, zeige uns uns selbst, nicht so wie wir uns gern sehen möchten, sondern so wie wir sind!
Die erste Prüfung, zu der jene Frage: „Seid ihr im Glauben?“ auffordert, bezieht sich auf die Glaubenslehre; denn Niemand kann anders als durch die Wahrheit selig werden. Nehmt ihr diese Wahrheit an, glaubt ihr an Jesus Christus? Glaubt ihr das Zeugnis, welches die Heilige Schrift über Jesus ablegt und das Christus sich selber gegeben hat, ganz einfach, so wie es ist, ohne es durch eure Deutungen zu vernichten; nehmt ihr das Heil als Heil und die Gnade als Gnade? Glaubt ihr, dass Jesus Christus der eingeborne Sohn Gottes ist und der einzige Mittler zwischen Gott und uns? „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Keiner kommt zum Vater als durch mich.“ Glaubt ihr, dass Jesus Christus wahrhaftig der Heiland der Welt ist, gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist, und zwar euch zuerst? Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin. Glaubt ihr, dass Jesus Christus, der Gerechte, für uns, die Ungerechten, für einen Zachäus, für eine Maria Magdalena, für einen gekreuzigten Missetäter, für dich und für mich gelitten hat? Wir sind umsonst aus Gnaden gerecht worden durch die Erlösung, die da ist in Jesu Christo.“ Glaubt ihr, dass ihr ohne Jesum Christum rettungslos und unausbleiblich einer ewigen, durch eure bösen Werke verdienten Verdammnis verfallen gewesen wäret? „Wir waren von Natur Kinder des Zorns wie die anderen.“ Glaubt ihr, dass ihr in Jesu Christo den Keim eines neuen, heiligen, göttlichen Lebens, der das Prinzip jedes guten Werkes vor Gott ist, empfangt? „Wir sind Sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken.“ Glaubt ihr endlich, dass die Erlösung, die Rechtfertigung, die Heiligung und jedes andere für unsere Seele erworbene Heil sich ganz und allein in Jesus Christus dem Gekreuzigten findet? „Zu wem sollen wir gehen, o Herr? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Habt ihr diesen Glauben? fragte ich; ich hätte aber mit Paulus besser sagen sollen: „Seid ihr in diesem Glauben?“ Eine sinnreiche Ausdrucksweise, die vollkommen ausreicht, um ein Christentum des äußeren Bekenntnisses, des Gottesdienstes oder des Sakraments auszuschließen. Der Apostel fordert einen Glauben des Herzens, den wir weniger besitzen, als dass wir von ihm besessen sind, einen Glauben, in welchem wir gegründet sind, in welchem wir leben, weben und sind. - Nun prüft euch selbst; habt ihr diesen Glauben nicht, so seid ihr nicht im Glauben, und seid ihr nicht im Glauben, so habt ihr auch das ewige Leben nicht.
Bleiben wir jedoch hierbei nicht stehen, Paulus selbst tut es nicht. So gewichtig auch diese erste Frage ist, so reicht sie doch nicht aus; so sehr fürchtet der Apostel unsere Geschicklichkeit, uns selbst durch nichtige Meinungen zu verführen. Auch die festeste, untadeligste Lehre besteht oft ohne Leben, namentlich in unsern Tagen, wo diese kaum erst aus langem Schlaf erweckte Lehre Gegenstand einer sehr ausschließlichen Vorliebe werden kann. Der Apostel fordert uns weniger zu einer Prüfung der Lehre als des inneren Lebens auf. Daher beeilt er sich, seinen Gedanken klarer auszusprechen, indem er der ersten Frage eine zweite, und zwar eine lebendigere folgen lässt: „Erkennt ihr in euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist?“, als ob er sagen wollte: Hütet euch vor Selbsttäuschung, überlegt euch die Sache noch einmal, prüft euch wohl, und damit euch keine Ungewissheit bleiben kann, so fragt euch, ob Jesus Christus, Er selbst, in euch ist oder nicht. Das ist der Punkt, auf welchen Paulus seine ganze Aufmerksamkeit konzentriert, und das ist auch der Punkt, den wir mit allem Ernst erwägen wollen.
Jesus Christus in uns: seltsamer Gedanke! Seltsam für uns Kleingläubige, aber nicht für Paulus, der davon spricht wie von einer so einfachen Sache, dass jeder seiner Leser die Frage hätte vor ihm tun können: „Erkennt ihr Ihn nicht in euch selbst?“ Jesus Christus in uns: ist das nicht eine bildliche Redeweise? Nein, nein; fern seien von uns jene elenden Erklärungen der Schule, die in dem Wort des Heiligen Geistes nur bildliche Reden zu sehen wissen? Lasst uns Gott nicht als Philosophen, sondern als Kinder hören! Jesus Christus in uns: das ist zwar eine unsichtbare Wahrheit, weil sie dem Geist angehört, aber dennoch eine darum nicht minder wirkliche und lebendige Wahrheit; ja sie ist mehr. Die unsichtbaren Dinge sind allein ewig, während die sichtbaren Dinge als ein bewegliches Bild derselben nur eine Zeitlang währen und nur einen flüchtigen Schatten, nicht das innere und tiefe Wesen der Dinge ausmachen. „Möge euch Gott die Kraft geben, schreibt Paulus an die Epheser, stark zu werden durch Seinen Geist für den inwendigen Menschen, also, dass Christus wohne durch den Glauben in eurem Herzen.“ Durch den Heiligen Geist, ja; für den inwendigen Menschen, abermals ja; aber dennoch wahrhaftig und ohne Bild: der innere Mensch ist keine eingebildete Sache, und der Heilige Geist ist etwas anderes als die Begeisterung. Hört abermals den Apostel Paulus: „Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein; so aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen“ (Röm. 8,9 u. 10). Hört den Herrn selbst in den letzten Reden, in denen Er nicht bildlich spricht, wie Er Seine Jünger ermahnt:
„Bleibt in mir und ich in euch.“ Wolltet ihr euch unterstehen, diese Worte durch die verwegenen Erläuterungen menschlicher Weisheit zu verdunkeln, so solltet ihr wenigstens euch scheuen, jenes Gebet, welches der Sohn an den Vater richtet, anzutasten: „Auf dass sie Alle Eins seien, gleich wie Du, Vater, in mir und ich in Dir, dass auch sie in uns Eins seien, auf dass sie vollendet seien in Eins.“ Um zu zweifeln, ob Jesus Christus in den Seinigen sei, müsste man hiernach zweifeln, ob Gott in Jesus ist. Liebe Brüder, denkt groß von dem christlichen Glauben: dieser Glaube vereinigt uns so mit Christo, dass wir durch denselben mit ihm zusammenhängen wie die Glieder des Körpers mit dem Haupt, wie die Reben mit dem Weinstock. Das sind zwar Bilder, denn die sichtbaren Dinge sind Bilder der unsichtbaren; aber es sind nicht Bilder eines Bildes, sondern einer lebendigen Wirklichkeit. Und sind wir denn nicht durch diese wirkliche Einigung gerettet worden? Sicherlich, was uns rettet, das ist nicht ein Begriff unsers Verstandes, noch auch ein Gefühl unsers Herzens, sondern Jesus Christus, der in uns also kommt, dass wir mit dem Apostel sprechen können: „Ich lebe, nicht aber ich, sondern Christus in mir.“
Wollt ihr deshalb wissen, ob ihr im Glauben seid, so untersucht, ob Christus in euch durch Seinen Geist wohnt. Stellen wir die Frage also, dann schließt sie von selbst viele Christen des äußeren Bekenntnisses aus; man kann nicht fragen, ob Christus in solchen Namenchristen ist, ohne Seinen Namen zu entweihen. Wie? Christus sollte in diesem Jüngling sein, der sich zwar Christ nennt, aber den laxen Grundsätzen der Zeit und den Lüsten des Fleisches sich ergeben hat? Christus sollte in diesem Mann sein, der zwar dem Namen nach Christ ist, aber nur lebt, um sein Vermögen zu vergrößern und dessen Zufriedenheit mit seinem Schatz steigt und fällt? Christus sollte in diesem Weib sein, die zwar dem Namen nach Christin ist, aber den flüchtigen Vergnügungen der Welt nachläuft und mit ihnen schimpflichen Götzendienst treibt? So bleiben uns nur noch die wenigstens dem Scheine nach religiösen Menschen übrig; nur in Bezug auf sie kann man jene Frage tun, und es ist Zeit, dass wir mit ihnen nach den Merkmalen, die uns die Schrift selbst bieten soll, diese Frage prüfen.
Ist Jesus Christus in euch, so wird Er in euch leben, und das erste Zeichen, woran ihr erkennen könnt, ob ihr im Glauben seid, ist das eurer Seele mitgeteilte Leben Jesu Christi. „In Ihm ist das Leben“, Er heißt „der Fürst des Lebens“; „wer den Sohn hat, der hat das Leben“, der Sohn selbst ist unser Leben, und der Gott, mit welchem Er uns vereinigt, ist nicht bloß der wahre Gott, sondern auch der lebendige Gott, der auch in der Welt, aber vor allen in den Herzen Seiner Kinder lebt.
Worin besteht nun dies Leben Christi in uns? Denken wir nicht daran, hiervon eine genaue Erklärung geben zu können: das Leben wird empfunden, lässt sich aber nicht erklären. Wir können uns übrigens von dem Leben Christi in uns keine bessere Rechenschaft geben, als wenn wir dem Bild folgen, welches in dem Namen selbst, mit welchem der Heilige Geist es genannt hat, verborgen liegt. Wenn Er den Zustand einer Seele, in welcher Christus wohnt, Leben nennt, so tut Er es, weil dieser Zustand einige Züge der Ähnlichkeit mit dem Leben des Leibes hat, welches Gott den Organen des ersten Menschen einblies und durch das Er einen organisierten Staub in eine lebendige Seele umwandelte. Könnt ihr das Leben des Leibes erklären? Versucht es, das Leben anders als durch den Tod, oder den Tod anders als durch das Leben zu erklären: ihr kommt nie aus diesem Kreis heraus und ihr werdet das Leben nie anders begreiflich machen, als wenn ihr einen lebendigen Menschen neben einen toten stellt. Wie groß ist die Ähnlichkeit unter diesen Menschen und doch, wie groß ihre Verschiedenheit! Was aber unterscheidet sie? Die Seele ist's, das heißt, dieser Atem, der zwar unsichtbar ist, aber nichts desto weniger die Stütze und das unsichtbare Band, ohne dass der Körper sich sofort auflöst und sogar seine äußere Gestalt verliert. Könnte es einen Menschen geben, der diesen Unterschied nicht zugeben wollte, weil der tote Mensch ebenso gut wie der lebende Augen, Hände und Füße hat, was wolltet ihr ihm antworten? Eine solche Rede würde nur beweisen, dass der, welcher also spricht, keinen Begriff von dem hat, was Leben ist; alle Erklärungen der Welt könnten denselben nicht ergänzen. - Dies ist ein passendes Bild des geistigen Lebens, welches der Geist, d. h. der Atem Gottes, einer Seele mitteilt, in der Christus wohnt. Stellt neben einander zwei Menschen, einen, in welchem Christus lebt, und einen anderen, in welchem er nicht lebt, wie groß ist die Ähnlichkeit unter ihnen, und doch, wie groß die Verschiedenheit! Das leibliche Leben haben sie mit einander gemein, Beide essen und trinken, schlafen und erwachen, sprechen und bewegen sich; ebenso das geistige Leben, Beide denken, beobachten, urteilen, schließen; ferner das Gefühlsleben, Beide haben ein Weib, Kinder, Eltern, Freunde, die sie mit der innigsten Liebe umfassen; sodann das sittliche Leben, Beide haben ein Gewissen, welches ihnen Zeugnis gibt, und Gedanken, die sich einander anklagen oder entschuldigen; selbst ein religiöses Leben, Beiden sind gewisse Gewohnheiten der Frömmigkeit eigen, sie können die Bibel lesen, Morgens und Abends beten, dem Gottesdienst beiwohnen. Was trennt sie denn nun noch? Nichts als der Atem Gottes, von dem der Eine beseelt ist und den der Andere entbehrt; nichts als die Richtung des Herzens, die bei dem Einen dem Himmel und der Ewigkeit, und bei dem Andern der Erde und der Zeit zugewandt ist; nichts als die Gnade, die an die Stelle des Zorns, das ewige Leben, welches an die Stelle des ewigen Todes, die Herrschaft des Geistes, die an die Stelle der Tyrannei des Fleisches, die Tröstungen Gottes, die an die Stelle der Betäubungen der Welt getreten sind, nichts als der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, die hier zugegen sind, dort fehlen; nichts als Alles! Der nicht wiedergeborene Mensch, der keine Ahnung vom wahren Leben hat, verkennt diesen inneren Gegensatz, weil derselbe unsichtbar ist, und doch ist selbst die Welt, so sehr sie auch Welt ist, zuweilen genötigt, ihn zu fühlen und in ihrer Art zu bekennen. Der geistliche, durch den Heiligen Geist und Sein Wort unterrichtete Mensch aber erkennt in dem Gläubigen ein ihm eigenes Leben, ein Leben, so neu, dass er nur durch eine neue Geburt, eine neue Schöpfung in dasselbe hat eingehen können. „Ist Jemand in Christo, der ist eine neue Schöpfung, er ist vom Tod zum Leben übergegangen.“ Übrigens empfindet der Gläubige in sich selbst, viel besser als Andere es beobachten können, eine Änderung von Grund aus, die sich in seinem Herzen zugetragen hat, und dies bezeugt er, indem er mit dem Blindgebornen spricht: „Ich war blind und bin jetzt sehend“, und mit dem auferweckten Heiland: „Ich war tot, aber jetzt lebe ich.“ Wie nun, meine lieben Zuhörer, habt ihr diese neue Geburt erfahren? Fühlt ihr dies Leben Jesu Christi in euch?
Habt ihr diese neue Geburt erfahren? Seid ihr euch einer innerlichen Umwandelung bewusst, die aus euch einen anderen Menschen mit anderen Grundsätzen, anderen Gesinnungen, anderem Geschmack, anderer Sprache, anderem Herzen, völlig anderem moralischen Gewissen geschaffen, euch nach dem kraft Ausdruck des Apostels von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott bekehrt hat? Diese neue Geburt kann sich jedoch so zugetragen haben, dass sie nicht augenfällig wahrgenommen wurde, namentlich, wenn sie in der allgemeinen Entwicklung der Kindheit oder der Jugend verborgen geblieben ist; kommen wir deshalb zu der Hauptfrage: Fühlt ihr dies neue Leben in euch?
Ist eure Buße lebendig, habt ihr gelernt, vor dem Kreuz Christi euch an die Brust zu schlagen und zu sagen: „An Dir allein habe ich gesündigt und übel vor Dir getan“; für mich, ganz besonders für mich bist Du gestorben? Ist euer Glaube Lebendig? Habt ihr das Wort Gottes gleichsam aus Christi Mund empfangen und mit euch durch den Glauben vereinigt, ist es wie ein Samenkorn himmlischen Lebens, das euch der göttlichen Natur teilhaftig gemacht hat, in euch gefallen? Sind eure Gebete lebendig? Bittet Christi Geist selbst für euch und in euch, bald durch mächtige Worte, die den starken Gott überwinden, bald durch unaussprechliche Seufzer, die von Ihm allein vernommen werden und still in Sein väterliches Herz eindringen? Ist eure Liebe lebendig? Liebt ihr euren Nächsten als euch selbst und wisst ihr zugleich der brüderlichen Liebe, der Liebe aller Liebe, eine besondere Stätte zu bereiten, der Liebe, die den Gläubigen mit dem Gläubigen vereinigt, weil Christus in dem Herzen des Einen dem Christus im Herzen des Andern entspricht? Sind die Zuneigungen eures Herzens für euch wie für Jesus Christus und Seine Gemeinde lebendig; ist für die, welche Gott mit euch durch die Bande des Bluts oder der Freundschaft vereinigt hat, das ewige Leben eure erste Sorge? Was soll ich noch weiter nennen? Ist eure Freude, sind eure Tröstungen, eure Unterhaltungen, ist euer ganzes Leben lebendig und im Einklang mit Jesu, der zu euch spricht: „Ich lebe, darum sollt auch ihr leben“, seid ihr gelehrt worden, mit Paulus zu sagen: „Christus ist mein Leben? „ Seht zu und prüft. Habt ihr Christi Leben nicht, so habt ihr Christum nicht in euch; habt ihr aber Christum nicht in euch, so steht ihr nicht im Glauben, so habt ihr das ewige Leben nicht.
Das Leben offenbart sich durch Handlungen, und zwar am unmittelbarsten durch Worte. Ist Christus in euch, so wird Er in euch reden, und darum ist das zweite Zeichen, woran ihr erkennen könnt, ob ihr im Glauben seid, das Zeugnis Jesu Christi, welches euer Herz gewiss macht, dass ihr Ihm angehört.
Diese Behauptung überrascht euch vielleicht; ihr findet in ihr ich weiß nicht welchen Anschein von Mystizismus. Aber hütet euch: „Sagt nicht Bund bei Allem, wo dies Volk von Bund redet“ (Jes. 8,12), nennt nicht überall Mystizismus, was die Menge Mystizismus nennt. Ein Gefühl ist darum nicht mystisch, weil es im Herzen verborgen ist und deshalb nicht erklärt werden kann; es verdient diesen Namen nur, wenn es jedes achtungswerten und festen Grundes entbehrt. Die Liebe einer Mutter für ihr Kind hat nichts mystisches, weil sie auf einer natürlichen, von Gott stammenden Anhänglichkeit beruht; die Gewissensbisse, die einem Verbrecher verfolgen, haben nichts mystisches, weil sie in dem Gewissen und in den Gesetzen der sittlichen Welt begründet sind; und auch das religiöse Gefühl hat nichts mystisches, wenn es in Gottes Wort ruht. Das Ansehen dieses untrüglichen Wortes ist das wahrhaftige Kennzeichen, welches in geistlichen Dingen die Wahrheit von dem Mystizismus unterscheidet. Von diesem Gesichtspunkt aus sind viele Dinge, welche die Welt Mystizismus nennt, durchaus fest bewiesen, während es andere gibt, die unzweifelhaft scheinen und auf die doch der Name „mystisch“ weit mehr passt. Erkennt das Wort Gottes dies innerliche Zeugnis Gottes an die treue Seele an? Das ist Alles, was wir zu wissen brauchen. Gewiss, die Bibel erkennt es auf das bestimmteste an. „Wer Seine Gebote hält, der bleibt in Ihm und Er in ihm. Und daran erkennen wir, dass Er in uns bleibt, an dem Geist, den Er uns gegeben hat“ (1 Joh. 3,24); denn „dieser Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“
Auch die Erfahrung der Gläubigen aller Jahrhunderte bestätigt das, was ich eben gesagt habe. Dies beseligende Zeugnis ist in allen Zeitaltern der Kirche gehört worden, selbst von den Heiligen des Alten Bundes, nach dem Maß ihrer Erkenntnis. Es ist das Zeugnis, welches zu jeder Zeit das Volk Gottes beseligt, gestützt und gekräftigt hat; das Zeugnis, aus welchem Alles, was im Reiche Gottes, innerhalb einer Gott feindlichen Welt geschehen, geboren worden ist. Abraham befass es in seinem Inneren, als er den Tag Christi sah und sich desselben freute; Jakob, als er, seine Söhne in prophetischem Geist segnend, sich einen Augenblick unterbricht und wie von einer inneren Stimme gedrängt, spricht: „O Herr, ich warte auf Dein Heil“ (1 Mos. 49,18)! Hiob, indem er seinen Erlöser bekennt und spricht: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ich werde Ihn sehen, meine Augen werden Ihn schauen und kein Fremder“. (Hiob 19,25 u. 27) David, indem er seinen erbitterten Feinden dies zuversichtliche Wort eines betenden Herzens entgegensetzt: „Solches weiß ich, dass Gott für mich ist, denn Er hat meine Seele vom Tode erlöst und meine Füße vom Gleiten“ (Ps. 53, 10 u. 14). Nehemia, denn er unterbricht von Zeit zu Zeit seine Erzählung und schüttet sein Herz vor Gott aus: „Gedenke meiner, mein Gott, zum Besten“ (Neh. 13,31). Der greise Simeon, wenn er vor seinem Tod im Einklang mit dem alten Jakob nach achtzehnhundert Jahren das schaut, was der sterbende Patriarch erwartet hatte: „Nun lässt Du Deinen Diener in Frieden fahren, wie Du gesagt hast, denn meine Augen haben Dein Heil gesehen.“. Stephanus, indem er, voll Heiligen Geistes zum Himmel aufschaute und die Herrlichkeit Gottes sah und Jesum stehen zur Rechten Gottes; ferner Paulus, als er an Timotheus schrieb: „Ich kenne Den, an welchen ich geglaubt habe; ich weiß, dass Er mächtig ist, mein anvertrautes Gut zu bewahren“; endlich Luther, als er vor seiner Ankunft in Worms in seiner Herzensangst betete: Herr, diese Sache ist Dein, halte Dich zu mir, meine Seele ist Dein! Doch was rede ich von diesen großen Dienern Gottes? Der demütigste und geringste Christ kennt dies Zeugnis Gottes in seinem Inneren so gut wie sie; er schaut seinen Heiland mit den Augen des Geistes, hört Ihn mit den Ohren seiner Seele. Nein, keine Macht auf Erden, kein Teufel in der Hölle kann uns überreden, Du, o Herr Jesus, seiest nicht in uns, Du hörtest uns nicht, Du redetest nicht, liebtest nicht. hättest Dich nicht für uns dahingegeben!
Und du, mein lieber Zuhörer, besitzt du dies Zeugnis Jesu Christi? Hörst du deinen Erlöser in dir, wie Er durch Seine Vergebung versichert: „Du bist mein, ich habe dich erlöst, deine Sünden sind dir vergeben, gehe in Frieden“? Hörst du, wie Er dich ruft und kannst du, vor Ihm in die Kniee sinkend, zu Ihm mit David sprechen: „Mein Herz hält Dir vor Dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen. Darum suche ich auch, Herr, Dein Antlitz.“ Hörst du, wie Er dich, den Bittenden, erhebt und mit David dir antwortet: „Mit meiner Stimme rufe ich zum Herrn, so erhört Er mich von Seinem heiligen Berg.“ Hörst du, wie Er zu dir spricht, und kannst du, die Heilige Schrift befragend, zu Ihm mit Samuel sagen: „Rede, Herr, Dein Diener hört.“ Hörst du, wie Er dich hört, und erfährst du in deinem Herzen, wie „dein Geschrei vor Ihn kommt zu Seinen Ohren.“ Hörst du Ihn, wie Er dir deinen Weg vorschreibt, wie Er auf dein Wort: „Lehre mich den Weg, den ich gehen soll,“ dir antwortet: Ich will dich den Weg lehren, den du gehen sollst? Hörst du Ihn, wie Er dich tröstet, beruhigt, warnt, tadelt und stärkt? - Hast du von all diesen Dingen nichts gefühlt, hast du nie Seine Stimme gehört, noch Sein Angesicht geschaut, hast du, kennst du nicht einmal das Zeugnis Christi, so ist Christus nicht in dir; ist aber Christus nicht in dir, so bist du nicht im Glauben, so hast du das ewige Leben nicht.
Kommen wir endlich zu dem untrüglichsten und sichersten Kennzeichen des Lebens, zur Tat. Ist Christus in dir, so wird Er in dir wirken und schaffen; daher ist das letzte Merkmal, woran ihr erkennen könnt, ob ihr im Glauben seid, kein anderes als das, ob Christi Werk euer Werk geworden ist.
Christus kann durchaus nicht müßig und unfruchtbar bleiben; wie der Vater zu jeder Zeit wirkt, so wirkt auch der Sohn, und zwar in denen, „die an die Wirkung Seiner mächtigen Stärke“ glauben. Wer an Jesus glaubt, wird auch die Werke tun, die Er getan hat; wer da sagt, dass er in Jesu Christo bleibt, der muss auch leben, wie Jesus Christus gelebt hat. Meine lieben Brüder, ich sagte soeben: Denkt groß vom christlichen Glauben; jetzt sage ich: Denkt groß vom christlichen Leben. Es gibt kein christliches Leben als das Leben Christi in dem Christen, und es gibt keinen wahren Christen, als den, welcher so lebt, dass er Christus darstellt und das von Christo begonnene Werk fortsetzt. Man muss Ihn anschauen, wie Er in uns lebt und wie Er sagen konnte: Wer mich gesehen hat, der hat meinen Meister und Herrn gesehen. Welch eine Bestimmung, meine lieben Brüder! Wahrlich, so ruhmvoll und so schwer, dass man kaum an sie glauben kann! Aber der, der uns das Gebot gegeben hat: „Ihr sollt gesinnt sein, wie Christus gesinnt war“, der wird uns auch fähig machen, sie zu erfüllen; oder sagen wir lieber, wir sind es weniger, welche diese Aufgabe erfüllen sollen, als der Herr, der sie in uns erfüllen muss. Wir haben zu Christi Werk Christi Kraft, weil wir Christum selbst haben, wenn wir anders Ihn angenommen haben und in Ihm wandeln.
Sprecht nicht, dieser Gedanke erdrücke euch, ihr wolltet eure Blicke lieber auf das Vorbild der großen Diener Christi, als auf Christus selbst richten, weil sich doch bei diesen Dienern, so groß sie auch sein mögen, Schwachheiten und Niederlagen finden, die sie uns näher bringen; dieser Grund ist eines Christen wenig würdig. Gerade weil Christus allein uns ein vollkommenes Muster gelassen hat und Er das lebendige Gesetz Gottes ist, so müssen wir Ihn vor Allen als Gegenstand unserer Nachahmung erwählen. Tut ihr doch damit nur das, was die Heiligen, von denen ihr sprecht, getan haben, oder vielmehr das, was sie dazu gemacht hat: sie haben das Vorbild ihres Meisters und nicht das irgendeines Menschen erwählt. Wie sieht man das bei dem Apostel, welchem ich meinen Text entlehnt habe; auf den Apostel Paulus kommt man überhaupt immer zurück, wenn man den christlichen Glauben oder das christliche Leben in der Tat und Wahrheit schauen will. Wie hat sich dieser Jünger, der mehr gearbeitet hat als sie Alle und der bei aller Demut nicht ansteht zu sagen: „Seid meine Nachahmer wie ich Christi Nachahmer bin“, wie hat er sich gebildet? So, dass er sich Christum mit einer wahrhaft eifersüchtigen Sorgfalt zum Vorbild nahm; er scheint sogar geflissentlich seine Person und seine Geschichte mit der Person und der Geschichte seines göttlichen Meisters, selbst die ausschließlich dem Herrn vorbehaltenen Werke nicht ausgenommen, in gewisser Hinsicht zu verschmelzen! Ist es die Speise Christi, den Willen Des zu tun, der ihn gesandt hat, und Sein Werk zu vollenden, so ist es Paulus, „der Bande und Trübsale nicht achtet, auch sein Leben für sich selbst nicht teuer hält, auf dass er vollende seinen Lauf mit Freuden, und das Amt, das er empfangen hat von dem Herrn Jesu“ (Apostg. 20,24). Kann Christus am Ende Seines Lebens sagen: „Ich habe das Werk vollendet, das du mir zu tun gegeben hast“, so sagt Paulus am Vorabend seines Märtyrertums: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet und habe Glauben gehalten; hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit“ (2 Tim. 4,7 u. 8). Ja noch mehr: Ist Christus zum Fluch geworden für uns, so möchte Paulus wünschen, selber verbannt zu sein von Christo für seine Freunde nach dem Fleisch; und hat Christus unsere Sünden in Seinem Leib am Holz getragen, so wagt es Paulus die Staunen erregenden Worte zu schreiben: „Nun freue ich mich in meinen Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen Christi für Seinen Leib, welcher ist die Gemeinde“ (Kol. 1,24)! Erklären wir diese erhabenen, überschwänglichen Ausdrücke der Liebe nicht, fühlen wir sie lieber: die Aufgabe Pauli ist auch eure Aufgabe, wenn der Christus des Apostels auch euer Christus ist; Den, welchen man überall lebend im Leben Pauli findet, muss man auch in eurem Leben lebend wiederfinden.
Prüft euch nun, meine lieben Zuhörer, um zu sehen, ob ihr Christi Werk tut. Ich frage nicht, ob ihr es ohne alle Trübung und Untreue vollbringt; ach, wer könnte sich dann in die Zahl Seiner Nachahmer einreihen? Aber sind eure Werke wenigstens von Christi Geist beseelt, erkennt man euren Meister in dem Grund eures Lebens? Erkennt man in eurer Arbeit Den, welcher sich nach vollbrachtem Tagewerk, wenn Er von Ort zu Ort gegangen war, um Gutes zu tun, sich auf einen Berg zurückzieht, um zu beten, und die ganze Nacht im Gebet zubringt? Erkennt man in euren Vergnügungen Den, welcher auf der Hochzeit zu Kana eine so liebliche wie reine Freude verbreitet, und dem ein Familienfest Gelegenheit bietet zu mehr als einer heilsamen Unterweisung? Erkennt man in euren Trübsalen Den, welcher über den nahen Fall Jerusalems weinte, oder Den, welcher, um den Sündern einen noch entsetzlicheren Fall zu ersparen, die ganze Last des göttlichen Fluches trug? Erkennt man in dem, was ihr lest, euch als Solche, die ihre Freude haben an dem Gesetz des Ewigen und Tag und Nacht in demselben forschen und die nur in ihm die Waffen gegen die dreifache Versuchung in der Wüste suchen? Erkennt man in euren Reden Den, dessen Mund sich nur auftut, um Denen, die Ihn hören, die Gnade Gottes mitzuteilen, und der weder einem Gegenstand in der Natur noch einem Ereignisse im Leben begegnet, dem Er nicht eine Lehre vom ewigen Leben entnimmt? Erkennt man in eurem Handeln wie in eurem Ruhen, in eurem Wachen wie in eurem Schlafen, in eurem Eingang und Ausgang Den, welcher immer Dinge vollbrachte, die dem Vater lieb waren? Ach, warum erkennt man in dem Allen weit eher eure Erziehung, euer Temperament, eure Umgebung, euer Interesse, eure Selbstsucht, eure Lüsternheit, als Ihn. Jedoch ich vergesse mich, es ist eure Sache, euch zu beurteilen. Seht zu, prüft und erforscht euch genau. Steht ihr Christi Werke fern, so habt ihr Christum nicht in euch, habt ihr aber Christum nicht in euch, so seid ihr nicht im Glauben, so habt ihr das ewige Leben nicht.
Das sind die drei Merkmale, an welchen ihr erkennen könnt, ob Jesus in euch ist. Sein Leben, Sein Zeugnis, Sein Werk. Solltet ihr auch Gefahr laufen, euch über eins derselben zu täuschen, so ist es doch nicht möglich in Bezug auf alle drei; vereinigt lassen sie euch sicherlich den Zustand eurer Seele vor Gott erkennen. Eine Täuschung lässt sich vermeiden, und wollen wir nur uns selber richten, so kann uns Gott Seine Erleuchtung zu einer Prüfung, zu der Er uns zuerst einlädt, nicht versagen. Folgt daher, folgt dieser heilsamen Prüfung und bleibt nicht auf halbem Weg stehen, dass ihr am Ende nicht wisst, ob ihr in Christus seid oder außer Christus.
Bei dieser Prüfung müsst ihr zwei Klippen vermeiden. Vor allem hütet euch vor Selbsttäuschung; sprecht nicht: Friede, Friede, wo kein Friede ist, aber seid auch nicht strenger als der Herr selbst. Es gibt misstrauische und zaghafte Seelen, die, während sie alle Andern über ihren Zustand beruhigen, nie selber zur Ruhe kommen können. Ich möchte solche Seelen nicht entmutigen, denn ich weiß, dass mein und ihr Herr sie nicht entmutigt; aber ich sage ihnen: Seid einfältiger, liebe Freunde. Es handelt sich nicht darum, zu wissen, ob ihr in euch das Leben, das Zeugnis und das Werk Christi findet; sondern darum, ob ihr etwas von Seinem Leben, Seinem Zeugnis und Seinem Werk in euch findet; nicht dem Grad oder dem Maß, sondern dem Vorhandensein und dem Wesen ist das Versprechen gemacht. Hat der Herr Sein Gnadenwerk in euch begonnen? Nun wohl, so steht auch nicht an, Seine Ehre zu bekennen und in das demütige, aber feste Vertrauen des Apostels einzugehen: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu unserem Herrn.“
Ist dies das Ergebnis der Prüfung, zu der ich euch soeben eingeladen habe, führt es euch dahin zu erkennen, dass Christus in euch wohnt, dann empfindet euer Glück! Ermesst eure Verpflichtungen nach euren Vorrechten! Lebt ihr nur durch Ihn, so lebt ihr auch nur für Ihn. Übrigens, liebe Brüder, spricht der Apostel, „freut euch, werdet vollkommen, tröstet euch, habt einerlei Sinn, seid friedsam, so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.“
Sollte aber diese Prüfung ein entgegengesetztes Ergebnis haben, müsstet ihr euch überzeugen, dass ihr bis jetzt nur einen toten Glauben gehabt und fern von Christo gelebt habt - was soll ich euch dann sagen? Soll ich euch auf euren Weg ein beruhigendes Wort mitgeben? Soll ich euch die Gefahr verhehlen, der ihr entgegeneilt? Ach, meine Freunde, das hieße meinem Text ungetreu werden, der am Schluss euch sagt, was das Los derer ist, die nicht im Glauben sind. „Erkennt ihr in euch selbst nicht, dass Christus in euch ist? Es sei denn, dass ihr untüchtig seid. „Untüchtig“ - ein schreckliches Wort, untüchtig, verächtlich bei Seite geschoben, wie ein Fahrzeug, das man probiert, aber unbrauchbar findet; untüchtig, behandelt wie die unfruchtbaren Reben, die man abhaut, und „sammelt sie und wirft sie ins Feuer und müssen brennen“ (Joh. 15,6). Sagt mir nicht, es sei lieblos, euch so schreckliche Bilder vorzuhalten. Liebe Brüder, verstehen wir recht, was es mit der Liebe bedeutet: es gibt zwei Arten der Liebe. Eine Liebe Gottes und eine Liebe des Teufels; die Liebe Gottes spricht: „An dem Tag, wo du davon isst, wirst du sterben“; die Liebe des Teufels spricht: „Du wirst nicht davon sterben.“ Jene erklärt euch für verloren, aber nur, um euch zu retten; diese erklärt euch für gerettet, aber nur um euch zu verderben. Ich komme zu euch mit der Liebe Gottes im Herzen und kenne keine andere. Ich will die Gewissen nicht einschläfern, sondern zu ihrem Heil aufwecken. Ich will die Sterbenden nicht heilig sprechen, sondern die Lebenden retten. Wie glücklich wäre ich, o wie glücklich, könnte ich euch Alle wie einen einzigen Menschen in meine Arme und an mein Herz schließen, um euch in die sichersten Arme und an das treuste Herz zu legen! Ich weiß, ich verkündige euch die Wahrheit Gottes, ich weiß, Gott ist in Seinen Drohungen so beständig wie in Seinen Verheißungen, wollt ihr hartnäckig heute eure Augen schließen, so müsst ihr sie öffnen, wenn es nicht mehr Zeit sein wird. Aber ich will nicht, dass ihr zögert, bis es zu spät ist; jetzt ist der Tag, die Stunde, der Augenblick. Erkennt euch, erwacht, bedenkt euch, entscheidet euch, rettet euch, trennt euch von dem gottlosen Geschlecht und sprecht mit Jakob zum Herrn: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!“ Amen.