Der Herr fährt auf gen Himmel
Mit Hellem Jubelschall,
Mit jauchzendem Getümmel,
Und mit Posaunenhall.
Lobsingt, lobsinget Gott!
Lobsingt, lobsingt mit Freuden
Dem Könige der Heiden,
Dem Herrn Gott Zebaoth.
Ja, Lob sei Gott in Ewigkeit! Wohl mögen wir auch heute so anfangen, wohl mag auch heute ein Halleluja, ein dreifaches, ja ein ewiges Halleluja unter uns erschallen, denn nun ist Alles, wie es sein soll, vollendet, was zu unserm Heil gehört. - Christus, des Todes Ueberwinder, ist dahin zurückgekehrt, von wannen Er gekommen war, und kann nun auch in uns vollbringen, was Er für uns vollbracht; Er kann nun die Segenskräfte, die Er auf Erden für uns erworben, vom Himmel herab austheilen.
Und doch ist es ein anderes Gefühl, das uns heute erfüllt, ein anderes Halleluja, das heute ertönt, als am Osterfeste, es bricht nicht so plötzlich und gewaltig und laut hervor, sondern es ist als hörten wir es im Himmel erschallen, und dürften es nur leise anbetend, wenn auch unaussprechlich froh, wiederholen.
Das liegt in dem Unterschiede beider Feste. Jenes, das Osterfest, ist das Fest des Sieges selbst, dieses nur die natürliche Folge, die Fortsetzung und Vollendung jenes Sieges. Ist jenes da, so Muß dieses folgen; wir erwarten es, denn der Auferstandene, der Ueberwinder des Todes, kann nicht wieder in's Grab zurückkehren, nicht wieder sterben, und eben so wenig auf Erden, im Reich des Todes und der Sünde bleiben, sondern Er muß gen Himmel fahren, wie Er vom Himmel gekommen ist, und nur im Himmel kann Er bei uns sein alle Tage bis an der Welt Ende.
Aber auch diese Himmelfahrt selbst ist also nichts anders, als die Frucht Seines Todes, die höchste und letzte Stufe Seiner Erhöhung, und so muß Seine Erhöhung, und so muß Alles aus Seinem Leiden und Tode hervorgehen. Der Charfreitag bringt Ostern, Ostern bringt die Himmelfahrt, und diese das Pfingstfest. - Darum, Geliebte, wollen wir die Kraft und den Segen der Himmelfahrt Jesu genießen, so müssen wir erst der Kraft Seines Todes theilhaftig werden. Wohlan, das laßt uns heute bedenken; so möge unsre Feier sein. Darum laßt uns beten. Herr, du Erhöhter, du Erhabner, der Du in der Höhe und im Heiligthum wohnest, und bei denen, die demüthigen Geistes sind - Ja Herr, nun bist Du es ganz, nun kannst Du in uns, wie über uns, herrschen; nun Alles erfüllen und uns nahe sein. Darum kommen wir denn auch zu Dir voll Vertrauen, tiefgebeugt, und doch freimüthig, und bitten um Alles, was wir bedürfen, da Dir alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. O wie drückt uns noch das Leiden dieser Erde, die Angst und Macht der Sünde und des Todes! Wie haben wir aller Deiner Kraft und Herrlichkeit, wie aller Deiner Liebe und Barmherzigkeit nöthig! O Herr, gieb sie uns, lehre uns dich ganz erkennen und uns selbst, unsere Sünde und Deine Gnade. Ja sende Deinen heiligen Geist herab in unsere Herzen, wohne, herrsche, leuchte in uns, und segne diese Feier, diesen Tag, diese Stunde an unsern Herzen.
Text: Koloss. 3,1-4.
Seid ihr nun mit Christo auferstanden; so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben/ und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird; dann werdet Ihr auch offenbar werden mit ihm, in der Herrlichkeit.
In diesen herrlichen Worten beschreibt der Apostel die Kraft der Himmelfahrt Christi, und ihre Bedeutung für den Christen. Sie zeigt ihm nämlich die Aufgabe seines Lebens, und macht es ihm möglich, sie zu erreichen. Und was könnten wir wohl an diesem herrlichen Festtage Wichtigeres, sowohl Erhabeneres als Erbauenderes betrachten; ja was Anderes ruft dieses Fest selbst uns zu, als was der Apostel in unserm Texte sagt: „Trachtet nach dem, was droben ist?“ oder mit andern Worten: Euer Leben sei eine beständige Himmelfahrt.
Wie unser Text, so hat auch unsre Betrachtung zwei Theile; denn in den beiden ersten Versen wird uns der Grund angegeben, warum wir es sollen, in den beiden letzten, der Beweis, daß wir es können. Der Herr Selbst wolle uns dabei führen.
Der Grund, warum wir das suchen, oder nach dem trachten sollen, was droben ist, liegt in unserm Verhältniß zu Christo. Darum, weil wir Christen sind, können und dürfen wir nicht anders, giebt es für uns keine andere Aufgabe, als das Streben nach diesem hohen, himmlischen Ziel. Weil Christus gen Himmel gefahren ist, müssen wir auch gen Himmel fahret: d. h. nach dem Himmel trachten; wir müssen suchen da zu sein, wo Christus ist; erst innerlich mit unserm Herzen, dann auch äußerlich: „Schick dein Herz schon da hinein, wo du ewig hoffst zu sein.“
So sagt ja der Apostel: „weil Ihr mit Christo auferstanden seid, so suchet auch, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.“ Ihr seid, will er sagen, ja mit Ihm vereinigt, Ihr gehört Ihm an, denn Ihr seid Seine Glieder, und Er ist Euer Haupt, und wo das Haupt ist, müssen ja auch die Glieder sein, und nirgend anders sein wollen. Warum ist Er aber Euer Haupt, und seid Ihr Seine Glieder? Darum, weil Ihr mit Ihm auferstanden seid, oder eigentlich, weil ihr an Ihn glaubt und durch den Glauben Ihn angenommen habt, seid ihr mit Ihm gestorben und folglich auch auferstanden. Das Eine folgt aus dem Andern; denn so wenig wie Christus Selbst im Grabe bleiben konnte, so wenig könnt auch ihr, Seine Glieder, in dem Tode, d. h. in der Verdammniß, unter dem Fluch und in der Macht und Herrschaft der Sünde bleiben, wenn ihr nämlich wesentlich und wahrhaftig an Ihn glaubt, und durch Buße und Glauben Ihn angenommen habt, als Euren Stellvertreter und Bürgen; denn dann habt ihr Theil an Ihm und Allem, was Er gethan und gelitten, erstritten und erworben hat. In Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid vollkommen, heilig, gerecht und selig in Ihm, habt Theil an dieser, in Ihm wohnenden, Gottesfülle. Es war Euer Tod, den Er getragen, Eurer Sünde Sold; es ist also auch Eure Auferstehung; denn so wenig Er für Sich zu sterben brauchte, brauchte Er auch für Sich aufzuerstehen. Seine Auferstehung ist eigentlich nichts, als Eure Rechtfertigung, die Offenbarung und Erklärung Eurer Gerechtigkeit, und zwar eine Erklärung, die Gott selbst giebt, indem Er Euren Bürgen und Stellvertreter von den Todten auferweckt; wie der Apostel auch umgekehrt sagt: ist Christus nicht auferstanden, so seid ihr noch in euren Sünden. Ist aber der Tod der Sünde Sold, so ist die Auferstehung die Aufhebung dieses Soldes.
Der auferstandene Christus aber nahm nun Seinen natürlichen, Ihm von Ewigkeit gehörenden Platz wieder ein, den Er nur für eine Zeit um Eurentwillen verlassen hatte, damit ihr Theil an demselben haben solltet. Sein Platz ist zur Rechten Gottes, und seid ihr wahrhaftig mit Ihm auferstanden, so ist da auch euer Platz, und ihr werdet ihn einst einnehmen, so gewiß Er ihn eingenommen hat.
Aber eben darum müßt ihr denn auch darnach trachten, müßt suchen, was droben ist, wo Er ist. Was heißt das, Geliebte? Es heißt: ihr müßt Euer Herz von der Erde, und allem Irdischen, oder eigentlich allem Unreinen und Sündlichen - denn nur die Sünde macht den Unterschied, macht den Gegensatz zwischen Erde und Himmel, der Ort macht es nicht aus: Christus war auch hienieden im Schooße des Vaters - also von allem Unreinen, Ungöttlichen und Sündlichen, das nicht in den Himmel gehört, nicht dort eingehen und wohnen kann, müßt ihr Euer Herz abziehen und ausleeren; und eine solche Gesinnung, solche Triebe und Neigungen annehmen, wie dort allein gehören, die das Wesen, und das Lehen, und die Seligkeit der Himmelsbewohner ausmachen. Denn, wo euer Schatz, da ist auch euer Herz; da muß es, da wird es sein. Ist Jesus euer Schatz, eure Liebe, euer Himmel, euer Ein und Alles, so werdet ihr gewiß auch gerne so gesinnt sein wollen, wie es Ihm gefällt, wie Er ist, denn wahre Liebe macht gleichgesinnt. Er ist heilig, ihr seid es noch nicht, aber ihr müßt es werden; denn wäret ihr es schon, so wäret ihr auch schon im Himmel, eure Himmelfahrt wäre schon innerlich vollendet. Nun aber ist es eure Aufgabe, wie der Apostel sagt, „dieweil wir solche Verheißung haben, meine Brüder, so lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen, und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht Gottes.“ „Ein Jeglicher, der solche Hoffnung hat zu Ihm, der reiniget sich, gleichwie Er auch rein ist“; diese Reinigung und Heiligung nun ist unsere beständige Himmelfahrt.
Aber wie können wir das? Nicht wahr Geliebte. Diese Frage fällt Euch, wie mir, nun schwer aufs Herz; um so schwerer, je mehr wir uns selbst kennen, und je brünstiger wir darnach verlangen, einst da zu sein, wo Er ist. Was uns als eine Verheißung gegeben ist, erscheint uns als ein Gebot, wird uns befohlen, wenigstens werden wir dazu ermahnt und aufgefordert, als zu etwas, das wir selbst thun sollen. Noch einmal, wie können wir das? die Sünde wohnt ja in unsern Gliedern, und fesselt uns an die Erde. „Das Gute, das ich will“, müssen wir mit dem Apostel sagen, „thue ich nicht, aber das Böse, das ich nicht will, das thue ich; Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen des Guten finde ich nicht;“ und so müssen wir mit demselben ausrufen: Ich elender Mensch! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Aber wie, meine Brüder, können wir auch nicht mit ihm ausrufen: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, unsern Herrn.“
Das ist es ja eben, was uns dieser Tag verkündigt, dieses Fest zuruft, was unser Text uns nun in den beiden folgenden Versen ausdrückt: „ihr seid gestorben, und Euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott.“ Das, was noch sündlich an euch ist, ist nun nicht mehr das eure, wird euch nicht mehr zugerechnet, kann euch also auch nicht mehr verdammen; denn Christus hat es Alles abgebüßt; es sind gleichsam nur noch die Narben eures Falles, die Wunden sind geheilt, die Sünde ist ja nicht mehr euer eigenes Leben und Eigenthum; sie ist innerlich von euch, wie ihr von derselben geschieden und getrennt, so gewiß ihr sie von Herzen bereut, im Herzen ihr abgesagt, und euer Herz mit Christo vereinigt habt. Ihr, d. h. die Sünde, lebt nicht mehr, sondern ein neues Leben ist in euerm Herzen erweckt. Zwar noch nicht offenbar, sondern gleichsam wie ein noch nicht gebornes Gotteskind in dem Schooße des Vaters verborgen, mit Christo. So wie Er lebt, und wirkt, und herrscht, und für uns lebt, und in uns lebt. Denn Er Selbst ist unser Leben; Er lebt in uns, und darum auch für uns, und kann, und will, und wird sich auch einst in uns offenbaren.
Und Seine Offenbarung wird dann auch die unsre, Seine Herrlichkeit, unsre Herrlichkeit sein. - Darum also, weil wir die Seinen sind, wird Er uns auch nicht lassen, noch versäumen, und selbst uns zubereiten für Seine himmlische, ewige Gemeinschaft.
Wir aber sollen nur immer mehr dieser Gemeinschaft, d. h. dieses Seines Lebens in uns, inne zu werden, immer mehr mit Ihm vereinigt zu werden suchen, durch Buße und Glauben, im Gebet und Flehen. Dann wird Seine Kraft immer mehr in unsrer Schwachheit vollbracht werden, und unser ganzes Leben hienieden wird ein inneres Nahen zu Ihm, eine stete Heiligung, eine fortgesetzte Himmelfahrt sein. Amen.