Melanchthon, Philipp - Rede über den Nutzen der Philosophie

gehalten (bei der Magisterpromotion einiger Studirenden) 1536.

Ich hoffe, mein Betragen ist Euch Allen aus eigener Beobachtung hinlänglich bekannt, um Euch leicht zu überzeugen, daß ich nicht aus Unbescheidenheit, oder Einbildung auf meine Fähigkeiten, oder aus einer gewissen unberufenen Geschäftigkeit abermals dieses Rednergeschäft übernommen. Denn als der vortreffliche Dekan unsers Collegium, Jakob Milichius, der mir wegen seiner ausgezeichneten Rechtschaffenheit, so wie wegen unserer, durch die Wissenschaft und vielfachen Freundschaftsdienste vermittelten Verbindung besonders theuer ist, mir dasselbe übertrug, bestimmte mich einige Rücksicht auf meine Verbindlichkeit gegen ihn, daß ich dem Wunsche des Freundes glaubte Folge leisten zu müssen. Denn ich bin nicht so sehr ein Sussenus1), noch besitz' ich eine solche lächerliche Selbstgefälligkeit, um zu verkennen, daß es in dieser Hochschule viele andere, sowohl von Natur zum Reden geschicktere, als auch mit Gelehrsamkeit trefflicher ausgestattete Männer gibt, als ich bin; und wahrlich, ich zolle ihnen reichlich den Ruhm der geistigen Fähigkeiten und der Gelehrsamkeit! Ich wollte aber nicht den Schein eigensinniger Weigerung auf mich laden, als mein werthester Freund diesen Dienst von mir erheischte. Doch keine weitere Rechtfertigung! Denn ich glaube von Seiten meines Betragens Euch hinlänglich bewährt zu sein. Und das ist's ja vornehmlich, worauf es nach jenem Verse ankommt, in welchem es heißt:

„Des Redners Wandel ist es, nicht die Rede, welche überzeugt.“

Es ist aber in weiser Absicht die Einrichtung getroffen worden, daß bei diesen Feierlichkeiten entweder über die Wissenschaften, oder über den Ruhm der Tugenden gesprochen wird. Um daher ein dieser Stätte angemessenes Thema vorzulegen, und Etwas über das Ansehen und den Nutzen der Wissenschaften zu sagen, welche die Philosophie sich zueignet, hab' ich mir in meiner Rede die Aufgabe gestellt, zu zeigen: Es sei der Kirche freie, gelehrte Bildung, und nicht nur die Kenntniß der Grammatik, sondern auch vieler anderer wissenschaftlicher Zweige, und namentlich Verständniß der Philosophie, Noch. Da wir nun überzeugt sind, daß dem so ist, so muß, wiewohl auch andre Gegenstande den Redner einladen, doch jeder Wohlgesinnte den Zweck vornehmlich, und zwar mit allem Eifer, im Auge haben, seine Bestrebungen der Förderung und Zierde der Kirche zu widmen; denn Nichts darf dem Edlen süßer sein, als der Ruhm der Kirche, Nichts darf ihm theurer sein, als sie. Dieser Grund muß uns ganz vorzüglich antreiben und erwecken, mit Aufbietung aller Geisteskräfte eine vollendete Gelehrsamkeit zu erstreben, aus welcher für den Staat, wie für die Kirche einiger Vortheil erwachsen könne. Wie es für uns Lehrer keinen würdigem Gegenstand einer Rede gibt, so ist auch für wohlgesinnte, aufstrebende Jünglinge Nichts nützlicher, als daß sie ein Ziel, und gleichsam eine Krone des ehrenvollsten Laufes im Geiste vor sich sehen, auf welche sie ihr Streben zu richten haben. Ueberdieß kann man auch den Werth der Wissenschaften selbst und ihren Einfluß nirgends mehr wahrnehmen, als wenn wir sehen, wie sehr sie der Kirche noth sind, unter welcher Finsterniß Unwissenheit die Religion vergräbt, welche Verwüstung, welche furchtbare Spaltungen der Kirchen, welche Barbarei und Verwirrung des ganzen Menschengeschlechts sie erzeugt. Will man dieß erwägen, so wird man erst beurtheilen können, wie groß der Einfluß und der Werth der Wissenschaften und der Gelehrsamkeit seien.

Obgleich aber keine Rede ersonnen werden mag, die solchen wichtigen Sachen entspräche, so müssen doch, da von unwissenden Menschen oft nachtheilige Meinungen in Ansehung dieses Gegenstandes verbreitet werden, die Jünglinge erinnert und verwahrt werden. Wiewohl nun solches täglich in den Vorlesungen von den Lehrern geschieht, so muß doch eine von dieser Statte herab im Namen Aller gesprochene Rede mehr Ansehen haben. Denn es ist das die gemeinsame Ueberzeugung aller dieser hochgelehrten Männer in diesem Kreise, welche zu verachten wahrlich die äußerste Anmaßung sein würde.

Da ich demnach über das, was dem Staate Bedürfniß und Euch selbst heilsam ist, sprechen, und diese meine Stimme die gemeinsame Ueberzeugung Aller Euch vortragen will, so bitte ich, daß Ihr mich, nach Eurer gewohnten Humanität, aufmerksam höret, und nach vernommener Ermahnung, gleich wie die Gefährten des Ulysses mit verstopften Ohren vor den Sirenen vorüber fahren, also auch Ihr nicht nur die albernen Urtheile derer, welche meinen, der Kirche sei freie, gelehrte Bildung nicht eben nöthig, flieht, sondern auch gegen solche Leute, wie gegen die furchtbarste Seuche und die scheußlichsten Ungeheuer, tiefen Abscheu hegt. Sodann soll auch der Umstand Euren Lerneifer schärfen und anfeuern, daß Eure Studien der Kirche, dem Staate angehören, und daß nicht der Einzelne nur für sich Vortheile und Vergnügen daraus schöpft.

Denn einmal ist überhaupt Theologie ohne Gelehrsamkeit Unglücks vollauf; denn sie ist dann eine Wissenschaft voll Verwirrung, in der wichtige Gegenstände nicht genau erklärt, das, was getrennt werden muß, unter einander geworfen, und hinwiederum das, was die Natur der Sache zu verbinden fordert, aus einander gezogen wird. Oft kommen widersprechende Behauptungen vor, das Aehnliche greift man statt des Wahren und Wesentlichen auf; die ganze Wissenschaft hat mit Einem Worte eine abenteuerliche Gestalt, ähnlich jenem Gemälde im Horaz:

„Wenn an ein menschliches Haupt der Maler den Hals eines Rosses
Fügen wollt', und zöge darüber ein buntes Gefieder.“

Nichts hat darin Zusammenhang; man kann weder Anfang, noch Fortgang, noch Ende unterscheiden. Eine solche Wissenschaft muß nothwendig unabsehbare Irrthümer, endlose Zersplitterung erzeugen, weil bei einer solchen Verwirrung Jeder etwas Anderes versteht, und indem Jeder seine Träumereien vertheidigt, entstehen Kämpfe und Spaltungen. Indeß werden die Gewissen dem schwankenden Zweifel überlassen. Und weil keine Erynnen die Seele furchtbarer peinigen, als Religionszweifel, so wirst man dann in einer gewissen feindseligen Stimmung alle Religion von sich, und die Gemüther werden irreligiös, und epikurisch gesinnt.

Da nun die unwissenschaftliche Theologie so viel Nachtheiliges hat, so kann man leicht beurtheilen, daß die Kirche vielfacher, wichtiger Zweige der Gelehrsamkeit bedarf. Denn um zu prüfen, um verwickelte und dunkle Sachen richtig und klar zu entwickeln, ist's nicht genug, jene allgemeinen Regeln der Grammatik und Dialektik zu kennen, sondern es bedarf vielseitiger Gelehrsamkeit. Denn Vieles muß man aus der Physik entlehnen, Vieles aus der Moralphilosophie mit der christlichen Lehre zusammen stellen.

Sodann gibt es zwei Dinge, welche zu erwerben es großer und mannichfaltiger Gelehrsamkeit und langer Uebung in vielen Theilen der Wissenschaft bedarf; nämlich die Methode und die Form der Darstellung. Denn Niemand kann Meister einer geschickten Methode werden, wofern er nicht wohl und tüchtig in der Philosophie, und zwar einer solchen bewandert ist, die, weit verschieden von der Sophistik, die Wahrheit in strenger Ordnung und auf geradem Wege erforscht, und dieselbe mittheilt. Diejenigen, welche in diesem Studium wohl bewandert, die Geschicklichkeit sich erworben haben, Alles, was sie kennen lernen, oder was sie Andern mittheilen möchten, methodisch zu behandeln, wissen auch Untersuchungen über religiöse Gegenstande durch Methode zu regeln, verwickelte Materien zu entwickeln, aus einander gerissene zusammen zu ziehen, und über das, was dunkel und zweideutig, Licht zu verbreiten. Große und reichhaltige Gelehrsamkeit ist, wie Jeder weiß, der nur ein Wenig in der Wissenschaft bewandert ist, zu dem zweiten, nämlich zur Anordnung der Gedanken erforderlich. Um aber diese Geschicklichkeit zu erwerben, bedarf es nicht geringeren Eifers. Ja sie wird Keinem zu Theil, der nicht in mehrern Fächern der Philosophie heimisch geworden, ohne deren fleißige Uebung auch diejenigen, welche sich etwas mit der Dialektik beschäftigt haben, doch nur einen Schatten von Methode sich aneignen. Und Niemand greift öfter das Fehlerhafte und Sophistische auf, als gerade Solche, und ungeachtet sie sich dünken, geschickte Methodiker zu sein, so gehen sie dennoch fern vom rechten Wege, und sind, um mich des Homerischen Ausdrucks zu bedienen, „blinde Wächter.“ Ferner bedarf es nicht nur wegen der Methode, oder wegen der unerläßlichen Kunst, wie sie Plato nennt, die Gedanken schriftlich darzustellen, der Philosophie, sondern es muß auch der Theolog, wie schon gesagt worden, Vieles aus der Physik2) entlehnen, in welcher die einzelnen Theile in einem solchen Verhältnisse stehen, daß es für diejenigen, welche eine vollkommene Wissenschaft erstreben, nicht genug ist, einiges Wenige auszulesen, sondern man muß die Wissenschaft, so viel möglich, in ihrem ganzen Umfange lernen. Ein großer Vorrath ist dem Theologen verschlossen, der jener gelehrten und tiefen Untersuchungen, über die Seele, über die Sinne, über die Ursachen der Begierden und Neigungen, über die Erkenntniß und über den Willen, nicht kennt. Und anmaßend handelt, wer sich für einen Dialektiker erklärt, wenn er nicht jene Theilungen der Materien kennt, die nur in der Physik gelehrt werden, und die man ohne Physik nicht verstehen kann. Ueberhaupt gibt es einen gewissen Kreis der Wissenschaften, in welchem alle eng unter einander verbunden und verknüpft sind, so daß man zu dem Verständniß Einzelner Vieles aus Andern aufnehmen muß. Darum bedarf die Kirche jenes ganzen Kreises der einzelnen Wissenschaften. Ich halte Niemand für so albern, daß er nicht einsehen sollte, daß diejenigen, welche mit Moralphilosophie ausgerüstet sind, auch viele Materien in der christlichen Religionswissenschaft glücklicher behandeln können. Denn da in beiden vieles Verwandte vorkommt, wie in Ansehung der Gesetze, der bürgerlichen Sitten, der Verträge und vieler Lebenspflichten, so kommt uns in der Philosophie nicht nur die Anordnung und Methode, sondern auch die tiefere Auffassung der Gegenstände selbst zu Statten; bei abweichenden Punkten aber bietet vergleichende Zusammenstellung wesentliches Licht. Ferner wie der Hinkende den Ball handhabt, so behandelt der die Moralphilosophie, dem die Kenntniß der Physik fehlt. Schon die Geschichte, genaue chronologische Berechnung, erfordert Mathematik. Aber auch dieser Zweig ist mit der Physik zu verbinden. Denn daraus geht, wie aus einer Quelle, fast Alles in der Physik hervor. So ist es auch, um nichts Schlimmeres zu sagen, eine gewisse Barbarei, jene herrliche Wissenschaft von der Bewegung der Himmelskörper, welche uns die Jahre und den Wechsel der Zeiten bezeichnen, und viele wichtige, zukünftige Ereignisse anzeigen, und uns heilsame Winke geben, zu verachten. Ich weiß recht wohl, daß eine andre Wissenschaft die Philosophie, eine andre die Theologie ist, und will keineswegs beide so vermischt wissen, wie der Koch viele Suppen zusammengießt, sondern der Theolog soll ein Hilfsmittel bei der methodischen Anordnung haben; auch wird er Vieles aus der Philosophie entlehnen müssen. Will Jemand dieser ausgesprochenen Ansicht nicht Glauben beimessen, der betrachte nur die Theologie unwissenschaftlicher Leute, und erwäge bei sich, ob er glauben kann, daß es für die Welt ersprießlich sei, wenn eine solche verwirrte Sophistik, eine solche zweideutig schwankende Theologie in die Kirche eingeführt wird. Unwissenschaftliche nenn' ich aber nicht bloß, die ohne alle wissenschaftliche Bildung sind, wie die Wiedertäufer, sondern auch jene Albernen, welche zwar in glänzender Sprache einher traben, jedoch nichts Zuverlässiges vorbringen, sowohl weil sie an keine Methode gewöhnt sind, als auch, weil sie die Quellen der Materien nicht genug inne haben; deßwegen, weil sie, unbewandert in der Philosophie, nicht genug einsehen, theils was die Theologie in sich begreife, theils in wie fern sie mit der Philosophie übereinstimme.

Es ist nicht nöthig, hier jene Alten aufzuführen, welche die Lehre des Christenthums unter den abgeschmacktesten Spitzfündigkeiten gänzlich vergraben haben. Philosophische Durchbildung mach' ich zur Forderung, nicht jene eiteln Künste, hinter denen Nichts ist. Deßhalb sagte ich, man müsse sich ein bestimmtes, philosophisches System wählen, das so wenig als möglich Sophistik enthält, und eine strenge Methode bewährt.- Ein solches ist das Aristotelische. Doch muß man zu diesem auch noch jenen herrlichen Zweig der Philosophie, die Wissenschaft von der Bewegung der Himmelskörper, hinzu fügen. Denn die übrigen philosophischen Secten sind voll Sophistik und abgeschmackter und falscher Meinungen, welche auch auf die Sittlichkeit nachtheilig wirken. Denn jene Uebertreibungen der Stoiker, daß Gesundheit, Reichthum und dergleichen nicht als Güter zu betrachten seien, sind rein sophistisch. Ihre kalte Indolenz ist eine Lüge, und ihr Wahn vom Schicksal ein falscher und verderblicher. Epikur philosophirt nicht, sondern schäkert, wenn er behauptet, durch Zufall sei Alles entstanden. Er hebt die erste Ursache auf, und ist mit der Wissenschaft der Physiker ganz und gar in Widerspruch. Auch vor der Akademie muß man sich hüten, die keine strenge Methode beobachtet, und sich eine ungezügelte Freiheit anmaßt, Alles umzustoßen; wer freilich diese Richtung verfolgt, muß Vieles sophistisch auffassen. Wiewohl es kann auch der, welcher vornehmlich dem Aristoteles als Führer folgt, und eine bestimmte, einfache und von Sophistik möglichst freie, philosophische Bildung erstrebt, bisweilen von andern Meistern Etwas aufnehmen. Denn gleich wie die Musen, nachdem sie mit den Sirenen um den Preis des Gesanges gekämpft und sie überwunden hatten, aus den Federn derselben sich Kronen machten, so mag man auch in Ansehung der philosophischen Secten, wenn auch die eine vorzugsweise unsern Beifall verdient, doch bisweilen auch aus den andern etwas Wahres entlehnen, um unsre Ueberzeugung damit zu schmücken.

Aber über die bestimmte Art der Philosophie und über die Verschiedenheit der Secten wird ein anderes Mal gesprochen werden müssen. Es scheint Mir auch für die Sittlichkeit ersprießlich, eine Secte sich zu wählen, welche nicht Zänkereien, sondern der Erforschung der Wahrheit ihr Streben widmet; seiner, welche gemäßigte Meinungen lebt, und nicht durch Gaukelkünste in Disputationen, oder durch abenteuerliche Behauptungen nach dem Beifall der Ungelehrten hascht. Die Gewöhnung an solche Dinge ist äußerst schädlich, Und die, welche sie auf die heilige Wissenschaft anwenden, wahrlich, die erregen ungeheure Stürme. Ueberdieß hat die einfache Philosophie, von der ich rede, das Bestreben, Nichts ohne Beweisführung zu behaupten; auf diese Weise vermeidet sie leicht ungereimte Meinungen, weil diese keine Beweise haben, sondern nur durch sophistische Gaukelkünste vertheidigt werden. Endlich ist der Kirche im Allgemeinen auch aus dem Grunde Wissenschaftlichkeit förderlich, weil unwissenschaftliche Menschen eben so keck und anmaßend, als nachlässig sind. Die Gelehrsamkeit legt einen Zaum an, und gewöhnt an Genauigkeit. Denn auch den Wissenschaftlichen kommen viele Dinge in die Gedanken, welche der Materie, von der es sich handelt, ähnlich sind; sie sehen, wie leicht es ist, zu irren und sich zu täuschen, und sind in andern Wissenschaften gewöhnt worden, die Quellen der Gegenstände aufzusuchen und scheinbare Schwierigkeiten zu lösen. Es gehen sodann wissenschaftliche Bestrebungen auf die Sittlichkeit über, daher gerade jene Sorgfalt, welche bei der Forschung angewandt wird, Bescheidenheit erzeugt: Welche große Gefahr ferner anmaßende Keckheit, verbunden mit Nachlässigkeit, verursacht, das zeigen die Beispiele aller Zeiten, in allen Staaten und in der Kirche selbst, welche von solchen unwissenschaftlichen Leuten, die unbesonnen nur einreißen möchten, nicht nur in der Vorzeit oft zerfleischt worden ist, sondern auch in unserer Zeit gräulich zerfleischt wird.

Darum, sehr werthe Zuhörer, vermahn' ich Euch zuerst, zu bedenken, daß Euer wissenschaftliches Streben in Wahrheit auf den Staat, wie auf die Kirche Einfluß hat. Denn die Reinheit und Eintracht der Wissenschaft erhalt das Wohl und die Eintracht der Menschen überhaupt, und vornehmlich der Kirche. Dann beschwör' ich Euch bei der Ehre Gottes, die wir allem Andern voranstellen müssen, und bei dem Heil der Kirche, die uns das Theuerste sein muß, daß Ihr Euch von Eurer Verpflichtung überzeugt, diese herrlichen Wissenschaften, welche die Philosophie in sich begreift, zu erhalten, und mit erhöhtem Eifer ihnen obzuliegen, damit Ihr Euch eine tüchtige und dem menschlichen Geschlechte nützliche Gelehrsamkeit erwerben wöget. Als Epaminondas gefragt wurde, was ihm das Angenehmste in seinem Leben sei, antwortete er, daraus hab' er sein größtes Vergnügen geschöpft, daß er bei Lebzeiten seiner Aeltern das Vaterland von der Knechtschaft befreit, indem er die Lakedämonier in einem gewaltigen Kampfe besiegt habe. Er bezeugte, Beides hab' ihm das höchste Vergnügen gewährt, sowohl die Rettung des Vaterlandes, als auch die Freude der Aeltern, die ihnen der Heldenmuth und der Ruhm des siegreichen Sohnes bereitet habe. O wären wir doch gegen die Kirche also gesinnt, daß wir es uns für unsre höchste Freude achteten, die Kirche, welche weit eigentlicher unser Vaterland, als jener Boden, und jener väterliche Herd ist, die uns bei unsrer Geburt aufnahm, blühend und ruhig zu sehen, und uns so zu bewähren, daß die Kirche, d. i. die himmlischen Engel und die gesammte Gemeinschaft der Frommen, die wir als die Aeltern achten und lieben sollen, aus unsern edlen Handlungen eine völlige Freude schöpfen könnten! Haltet aber auch keinen Schmerz für bitterer, als die Kirche zerrissen, und durch unsre Lüste die Engel und die Gemeinschaft der Frommen in Trauer und Schmerz versetzt zu sehen! Ich. rede hier nicht von einem Lohne; denn die Tugend an sich soll uns ermuntern; auch muß die Liebe der Kirche und die Rücksicht auf den Gott schuldigen Dienst Etwas bei uns gelten. Jedoch werden auch Belohnungen nicht entgehen denen, die tüchtig lernen. Denn Gott spricht „Wer Mich ehret, den will Ich auch ehren3) Und wenn wir Christen sind, so müssen wir unsre Pflicht in dieser Hoffnung thun, daß wir überzeugt sind, Gott sorge für uns, auf daß wir und unsre Kinder nicht darben. Ja wisset, um unsertwillen, nicht wegen der Tyrannen, nicht wegen Solcher, welche fromme Studien hassen, wird diese gesammte Natur von Gott erhalten, geht die Sonne hervor, und bestimmt den Wechsel der Zeiten, und befruchtet die Aecker. Richtig sagten die Stoiker: Alles gehöre Gott an; alle Philosophen aber seien Gottes Freunde, und darum gehöre auch Alles den Philosophen. So laßt uns denn mit kräftigem Geiste diese Studien vertheidigen, und in der Ueberzeugung, von Gott auf diesen Posten gestellt zu sein, mit größerer Sorgfalt unsere Pflicht thun, und den Lohn unsrer Mühe von Gott erwarten!

1)
ein eitler römischer Dichterling
2)
Die Physik ward damals zu den drei Haupttheilen der Philosophie gerechnet, und umfaßte auch metaphysische, so wie psychologische Ausgaben
3)
1. Sam. 2,30