Melanchthon, Philipp - Ob allein der Glaube gerecht mache?

Antworte ich mit klaren und deutlichen Worten. Dieser Satz ist wahr, und soll festiglich gehalten werden: Der Mensch wird allei ndurch den Glauben gerecht, als nämlich vor Gott. JUnd das ausschließende „Allein“ ist klar vom heiligen Paulo in dem Wort „ohne Verdienst“ ausgedrückt. Und wird also dieser Satz nicht auf eine andere Weise in unsern Kirchen verstanden, denn wie dieselbe in S. Pauli Worten wird begriffen, da er zu den Römer 3, 24. 25. also sagt: „Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade, durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl, durch den Glauben in seinem Blut.“

Aber es ruft und schreiet die ganze heilige Schrift, aller Propheten und Apostel, daß die Menschen in diesem Leben gewiß und wahrhaftig aus Gnaden und Barmherzigkeit um des Mittlers willen gerecht sind. Und dieselbe Barmherzigkeit wird allein durch den Glauben ergriffen, durch welchen, wenn wir die Verheißung von der Versöhnung mit Gott annehmen, und den Sohn Gottes, den Mittler anschauen, wir uns in den wahrhaftigen Schmerzen und Angst aufenthalten und trösten können, wie im 6. Psalm gesagt wird: „Hilf mir um deiner Barmherzigkeit willen“. - Und durch denselben Glauben wird der Trost und die Erlösung aus der Höllenangst durch den heiligen Geist in uns angefangen, davon zum Römer am 5. gesagt wird: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott, durch unsern Herrn Jesum Christ“. - Und eben derselbe Glaube und Friede, das ist Freude, dadurch wir uns in Gott zufrieden geben, sind Regungen, welche vom heiligen Geiste angezündet sind, in welchen Regungen Gott, der ewige Vater, der die Sünde vergibt, mit seinem Sohne, dem Mittler, um welches willen die Sünde vergeben und die Gerechtigkeit zugerechnet wird, und darnach mit dem heiligen Geiste wahrhaftig erkannt wird, der die Herzen erfreuet und lebendig macht, wie denn Paulus sagt Römer 8, 13. 14.: „Ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater!“ Item, Eph. 1,13.: „Durch welchen auch ihr gehöret habt das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit; durch welchen ihr auch, da ihr glaubtet, versiegelt worden seid mit dem heiligen Geist der Verheißung, welcher ist das Pfand unseres Erbes zu unserer Erlösung, daß wir sein Eigenthum würden, zu Lobe seiner Herrlichkeit“.

Für's Letzte soll man auch diese Gegenlehre hier betrachten; die Päbstlichen verdunkeln und löschen den wahrhaftigen Trost ganz und gar aus, welcher eigentlich und gewißlich in der Predigt des heiligen Evangelii wird gelehret. Denn sie heißen für und für den Menschen im Zweifel stecken bleiben, ob er bei Gott in Gnaden sei. - Dieweil denn derselbe Zweifel gar wider Gottes Wort ist, so ist hoch von Nöthen, daß die Gegenlehre, die solcher papistischen Meinung zuwider ist, beständig gelehret und erhalten werde, daß nämlich der Mensch in der Bekehrung zu Gott durch den Glauben Vergebung der sünden empfange und glauben müsse, daß ihn Gott zu Gnaden annehme. Und eben derselbe Glaube stehet gar allein auf der Barmherzigkeit Gottes, die er uns um des Mittlers willen verheißen und zugesagt hat, wie der Spruch Pauli, Röm. 4, 16., bezeugt: „Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf daß sie sei aus Gnaden und die Verheißung fest bleibe allem Samen, nicht allein dem, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der des Glaubens Abrahams ist, welcher ist unser aller Vater“.

Quelle: Klaiber, Karl Friedrich - Evangelische Volksbibliothek, Band 1