Melanchthon, Philipp - Auslegung des sechzehnten Psalms.

Unter den übrigen Zeugnissen, daß die heilige Schrift das Leiden, den Tod und die Auferstehung des Messias vorherverkündige, führen die Apostel auch diesen Psalm an. Ohne jetzt zu untersuchen, ob David hier vom Leiden Christi, oder von seiner eigenen Person rede, wollen wir den Aposteln folgen. Mag auch Manches darin auf David passen, so deuten doch die Apostel denselben auf Christus; auf Christus wollen auch wir ihn deuten, weil er einige ganz besondere Angaben enthält, die auf einen Andern entweder gar nicht, oder doch nicht zunächst und in der Hauptsache Anwendung leiden; sondern durch den Messias und um des Messias willen ist auch dem David Erlösung zu Theil geworden.

Es führt aber dieser Psalm die Ueberschrift: „Ein goldenes Kleinod Davids.“ Er wollte schon durch die Aufschrift diese Weissagung auszeichnen. So hat er andere Psalme: Die Rose, u. a. überschrieben; und wie das Alterthum überhaupt seinen Gedichten gern besondere, eigenthümliche Titel gab, so soll auch diese Ueberschrift die Wichtigkeit dieses Psalms vor andern andeuten. Obgleich derselbe eine Weissagung ist, so ist doch diese in der Form eines Gebets und eines Dankliedes dargestellt. Der ganze Psalm ist Anfangs ein Gebet um Errettung, um Unterstützung in Trübsal und Leiden. Bald wird die Ursache angegeben, warum jener Betende leide; dann folgt eine Danksagung für empfangene Errettung, und eine Darstellung der Art und Weise derselben. Wenn man den Psalm so ganz einfach in seine Bestandtheile zerlegt, dann erst wird der schöne Zusammenhang in demselben sichtbar. -

Den Anfang macht das Gebet. Er selbst betet zu Gott! „Bewahre mich, Gott, denn ich traue auf Dich!“ Die Worte: „Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist ja der Herr!“ sind nur eine Wiederholung. Die folgenden Worte: „Ich muß um Deinetwillen leiden,“ enthalten den einfachen Sinn: Ich dulde um Deinetwillen; ich bin von Dir und um Deinetwillen zerschlagen worden. Ich leiste Gott diesen Gehorsam. Das stimmt überein mit der Stelle: „Siehe, ich komme; im Buch ist von mir geschrieben; Deinen Willen, mein Gott, thue ich gern“ ( 40, 8. 9.); d. h., das ganze heilige Buch, die ganze göttliche Offenbarung durch alle Propheten hindurch, redet vom Mir; sie versichert, dieser Messias werde gesendet, daß Er thue den Willen des ewigen Vaters. Darauf bezieht er sich; das Wahre stimmt zum Wahren; es ist ein Ruf zum wahren Gott, Den Er selbst verkündigt: „Du bist Mein Gott!“ nämlich, den Ich verkündigt habe, der Du Meinem Evangelium Zeugniß gegeben hast; Dich ruf Ich an; zu Dir flehe Ich, Du wollest Mir Hilfe gewähren! Das ist der Hauptgegenstand des Gebets. Nun folgt die Absicht: „Für die Heiligen, so auf Erden sind, und für die Herrlichen; an denen hab' Ich alles Mein Gefallen;“ d. h., Ich leide für die Heiligen, und habe Freude und Wonne an ihnen; diese sind der Gegenstand Meiner Liebe und Meiner Bestrebungen. Hiermit macht Er eine Unterscheidung zwischen der wahren Kirche und allen andern ungöttlichen Menschenvereinen. Es ist kein Grund vorhanden, die folgenden Worte: „Aber Jene, die einem Andern nacheilen, werden großes Herzeleid haben,“ bloß aus die Juden zu beziehen. Er will überhaupt soviel sagen: Ich leide für die Heiligen, d. i. Mein Leiden wird der auserwählten Kirche zu Gute kommen, und diese will Ich haben; für diese bete Ich; wie es Joh. 17. (V. 9. u. 20.) heißt: „Ich bitte für sie; - Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern für Alle, die durch Dein Wort an Mich glauben werden.“ Die Worte hier, in Ansehung des Zugutekommens des Leidens Jesu, sind ganz dieselben. „Für diese,“ spricht Er, „leide Ich; diese empfehl' Ich Dir.“ Es ist dieß ein Gebet für uns Alle. Deßhalb müssen wir dasselbe fleißig beherzigen. Unser Herr Jesus Christus bittet in diesen Worten für uns, und empfiehlt uns dem ewigen Vater, und das ist die Bitte und Stimme des Sohnes vom Anbeginn, vom Fall Adams bis zur Auferstehung der Todten: „An denen hab' Ich alles Mein Gefallen;“ Diese will Ich, für diese bitte Ich; diese empfehl' Ich Dir! So ist der ganz einfache eigenthümliche Sinn zu fassen. Wir wollen nicht einen Proteus aufstellen, und nicht aus einem Vers unzählige Gedanken oder vielmehr eben so viele Verstümmelungen herauskünsteln.

Er unterscheidet nun die wahre Kirche von der übrigen ungöttlichen Gesellschaft; „aber Jene, die einem Andern nacheilen.“ Es gibt der ungöttlichen Gemeinschaften, gar viele; welche Verwirrung herrschte im heidnischen Götzendienst, wo ein Theil die Venus, ein anderer den Prias, Andere den Bacchus anbeteten, und einen vielgestaltigen Götzendienst, verbunden mit den unvernünftigsten Gräueln in den verschiedenen Verehrungsweisen, einführten! Sehen wir ferner auf die Philosophen; da behaupten Einige, Gott sei Nichts; so Demokrit, Diagoras Melius. Andere sagten, Gott sei zwar Etwas, aber er kümmere sich nicht um die menschlichen Angelegenheiten; wie die Epikurer lehrten. Andere banden die Gottheit an Mittelursachen; noch andere Weise stellten endlich als Grundsatz auf, man müsse überhaupt zweifeln. Also sucht die Philosophie, die in der That Weisheit, und keineswegs durchweg Wahn und Thorheit ist, allerdings in einiger Hinsicht die letzten Gründe zu erforschen, jedoch was Gott und göttliche Wahrheiten anlangt, da ist sie voller Finsternis und Irrthum. So sind im Allgemeinen in den Gottesdiensten unter dem ganzen Menschengeschlechte solche Spuren des Wahns, des vernunftwidrigen Aberglaubens zu finden. Zu allen Zeiten bestehen abgöttische Kulten, wie verschieden sie auch in verschiedenen Zeiten genannt werden, weil zwischen der Verehrung des Bacchus und dem Heiligendienst kein Unterschied ist. Außerdem haften auch stets die Zweifel der Akademie1) im menschlichen Herzen. Viele halten an stoischem Wahne fest, und überaus groß ist die Menge der Epikurischgesinnten, und der Kyklopenähnlichen Barbaren. In Beziehung auf alle Diejenigen, welche in solchem Wahn beharren, heißt es: „Aber Jene, die einem Andern nacheilen.“ - Ich verehre Dich, Gott, der Du im Evangelium Dich geoffenbaret, der Du mir Deine Zeugnisse gegeben hast. Aber vielfach ist der Götzendienst, „das Herzleid,“ der Wahn anderer Gesellschaften; dergleichen der Wahn des Muhamedismus, des Heidenthums, und der abergläubische Wahn in dem Theile der menschlichen Gesellschaft ist, welche sich vorzugsweise „die Kirche“ nennt; wie denn der Papst, und die, so sich zu ihm halten, sich die Kirche nennen. Alle diese sie haben Namen wie sie wollen, eilen nicht zu dem Gott hin, der sich geoffenbaret hat, und beachten nicht, wie derselbe sich geoffenbaret hat: „Sie gehen nicht nach Meiner Stimme, sondern eilen und nehmen ihre Zuflucht zu andern Gottheiten, suchen andern Trost und andere Hilfe.“ Wie Er also vorher für die Kirche gebetet hat, so spricht Er nun den Fluch über die Gotteslästerer aus. Es ist dieser Fluch eben so traurig, als das vorhergehende Gebet: „An denen hab' Ich all' Mein Gefallen - sie sind Meine Wonne; Ich hab' daran Lust und Freude,“ süß und erhebend war. Von diesen hingegen sagt Er: „Ich will ihres Trankopfers mit dem Blut nicht opfern, noch ihren Namen in Meinem Munde führen.“ Ein trauriges Wort! „Für solche bitte Ich nicht, und nehme ihr Opfer nicht an.“ „Wie großartig und glänzend auch ihr Gottesdienst sei, welchen harten Prüfungen sich auch Manche derselben unterziehen mögen, - ich achte nicht dergleichen Nichtigkeiten.“ Es gibt unter den Muhamedanern viele treffliche Männer, die auch ihren Gottesdienst üben; dennoch gefallen sie Gott darum noch nicht. Dasselbe gilt von. den Uebrigen. Ich rede hier nicht nur von jenem Zurschautragen der Religion in äußerm Prunke, wie z. B. einer unter den römischen Kaisern (und es mag dieß wohl öfter geschehen sein,) eine dreifache Hekatombe, nämlich 100 Löwen, 100 Adler und 100 Stiere den Göttern opferte; es war das ein lächerlicher Pomp, nicht Frömmigkeit. Plato sagt: Die Gottheit will auf eine wahrhaft würdige Weise, d. h, nicht durch äußere Dinge, sondern durch richtige Vorstellungen von ihr, und durch lautere Gesinnung, nicht aber lediglich durch äußere Gebehrden verehrt sein; und das Gesetz des Zaleukus2) sagt, man müsse Gott durch Wahrheit und Gerechtigkeit, nicht durch pomphafte Schauspiele verehren. Wenn jetzt der Meßpriester das Hochamt hält, da gibt's ein großes Schauspiel; da wird den Augen der Leute ein großes Gepränge vorgemacht. Dieß Alles umfaßt Er in den Worten: „Ich will ihres Trankopfers nicht opfern,“ d. i., Ich will ihre Opfer nicht annehmen. Ein Trankopfer war es, wenn ein Becher voll Wein, oder Blut, oder Wasser über das Opferthier oder jede andere zum Opfer bestimmte Sache ausgegossen wurde.

Nun kehrt Er zu Seiner Kirche zurück, und versichert, daß die Kirche solle erhalten werden, und daß dieselbe um Seinetwillen erhalten werde: „Der Herr aber ist Mein Gut und Mein Theil;“ denn das hebräische Wort, welches eigentlich Becher, Kelch bedeutet, wird hier in der Bedeutung: ein bestimmter, zugemessener, zuerkannter Theil, genommen; ähnlich in den Worten: „Könnt ihr den Kelch trinken, den Ich trinken werde“ (Matth. 20, 22.)? wo es auch soviel ist, als: „„Mein sonderlich bescheiden Theil.““ Es wird im guten und übeln Sinne, öfter im letztern, hier aber im guten Sinne gebraucht. Der Herr ist Mein Gut und Mein Theil, d. i., der Mir beschiedene Theil ist ein Gegenstand der göttlichen Sorge;, denn so erklärt Er Sich in der Folge selbst: „Du erhältst Mein Erbtheil;“ d. i., die Kirche, eigentlich das Mir gefallene Loos, d. h., nach einem rhetorischen Begriffswechsel, das was mir durch's Loos zu Theil wird. So heißeres in einer andern Stelle: „Die Du Mir gegeben hast, die habe Ich bewahret in Deinem Namen, und ist Keiner von ihnen verloren.“ (Joh. 17, 12.) Diese Worte stimmen ganz mit denen unsers Psalms überein. Solcher Zeugnisse wollen wir uns erinnern, die so offenbar aussprechen, daß die Kirche in, alle, Ewigkeit erhalten werden soll. Hierauf hat ebenfalls jene Erklärung des Herrn Bezug: „Mein Leiden ist nicht ohne Absicht, sondern um der Kirche willen, und zum Heil der Kirche übernehme ich dasselbe. (V. 1.2.)

„Das Loos ist Mir gefallen aufs Lieblichste.“ Das hebräische Wort bedeutet, ein Seil, eine Meßschnur, weil die Ländereien nach der Meßschnur ausgemessen und vertheilt wurden. Der Sinn ist: Der Mir zuerkannte Theil ist ein herrlicher trefflicher TM. Also erklärt Er es bald selbst. Ueberhaupt kommt es in den Psalmen sehr häufig vor, daß zuerst ein bildlicher Ausdruck gebraucht, und derselbe dann durch die eigenthümlichen Worte erklärt wird. So Psalm 68, 10. 12: „Du gibst einen gnädigen Regen Deinem Erbtheil.“ Dieses Bild erklären die folgenden Worte: „Der Herr gibt das Wort Evangelisten. Doch wie in den Psalmen, so findet sich auch in den Propheten diese Darstellungsweise. Ueberhaupt liegt in den Psalmen, wenn man sie nur recht auffaßt, hohe Schönheit. Sie sind keineswegs ein geschmackloses, ungeregeltes Gemisch, wofür sie Manche erklären, die gegen die Lehre der heiligen Schrift eingenommen sind, Vielmehr sind die Gedanken aufs beste geordnet, und im reizendsten, lieblichsten Gewande dargestellt. So heißt denn die Figur, in unsrer Stelle: Mein Loos, der mir zugefallene Theil, ist ein kostbarer, werthvoller Theil. Daran fließen sich die Worte: „Mir ist ein schönes Erbtheil geworden,“ d. h., Ich habe ein auserlesenes Erbtheil; Ich habe Meine Kirche im menschlichen Geschlecht; - gleichsam die Blühte der Menschheit: „Ich will Mir Meinen Theil aus dem Menschengeschlechte auslesen.“ Laßt uns bedenken, welch ein Glück es ist, zur Gemeinschaft der Kirche berufen zu sein! Es ist eine hohe, unaussprechlich wichtige Sache. Und das eben ist der erste Theil des Psalms: Das Gebet, nebst der Angabe der Ursache, warum Er leide, und für wen Er bitte. Es folgt der zweite Theil, der ein Dankgebet, nebst einer Darstellung der Art und Weise der Errettung enthalt.

Er dankt für die Ihm zu Theil gewordene Errettung, wie denn in den Psalmen die Bitte und die Danksagung öfters so in einander verwebt werden, weil die Psalmen nach erlangter Errettung, oder nach der Gewährung derselben gefertigt wurden. „Ich lobe den Herrn, der Mir gerathen hat,“ der Mein Berather gewesen ist, d. h., Ich will dem Herrn danken. Ihn preisen und rühmen, daß Ich durch göttliche Macht errettet worden bin. Danken, heißt mit Herz und Mund bekennen, daß man von Jemand eine Wohlthat empfangen habe, demselben die Ehre geben, daß es Sein Geschenk sei, und nicht ein Verdienst sich zueignen, was Verdienst eines Andern ist. Das Bestreben, Jedermann das Seine zu gewähren, ist Gerechtigkeit; die Dankbarkeit ist Gerechtigkeit; sie möchte die empfangene Wohlthat dem Geber vergelten, und Gott hat dem menschlichen Geschlechte den Begriff der Dankbarkeit und der Undankbarkeit eingeschaffen, weil Er will, daß diese Tugend der Gerechtigkeit im menschlichen Thun hervortreten und fleißig geübt werden soll. So sollen die Kinder erkennen, daß sie das Leben, Nächst Gott, und dann den großen Mühen, und Schmerzen der Aeltern zu verdanken haben. Wer kann sich von den großen Mühen und Opfern einer Mutter, schon in den drei ersten Jahren der Kinder, und nicht von ihren Mühen nur, sondern vornehmlich von den damit verbundenen Gefühlen und Sorgen des mütterlichen Herzens, nur eine Vorstellung machen? Wer diese Mühen und Anstrengungen, diese zärtlichen Muttersorgen leichtsinnig verachten könnte, welche Rohheit und Verwilderung, welche häßliche Sinnesart würde er verrathen! Einen Jeden verletzt die, Undankbarkeit, und wir sind Alle undankbar! Beherzigt die göttliche Ordnung: Gott will, daß wir dankbar anerkennen sollen, woher uns Wohlthaten kommen. - So heißt es auch im Psalm: „Ich lobe den Herrn,“ d. h., ich will es dankbar rühmen, daß die mir zu Theil gewordene Rettung, das Geschenk des allmächtigen Gottes ist. Der Messias hätte, wenn Er nicht Gott wäre, jenes Leiden nicht tragen können, weil kein erschaffenes, Wesen den Zorn Gottes ertragen kann.

„Der Mir gerathen hat,“ der Mein Herz durch Seinen Rath geleitet, und Mich bestärkt, befestigt hat. So schließen oft die Wörter, die zunächst ein Erkennen ausdrücken, zugleich den Begriff der Gesinnung ein. Der Rathgeber bestärkt, ermuthigt, kommt zu Hilfe. Er, will sagen: Er hat in Mir Gottvertrauen und Gotteserkenntniß erhalten, und darin Mich, gekräftigt, daß Ich nicht von Gott weichen, wider Ihn nicht murren möchte. Wir wollen von unsern Anfechtungen reden, obwohl sie geringer sind. Wir wollen den David nehmen. David wird aus dem Lande vertrieben; sein Gewissen ist furchtbar durch Sünde Verwundet. Er hatte den wackersten Mann morden lassen; er hatte dessen Weib an sich gerissen; er hatte zu vielfachem Aergerniß Anlaß gegeben; wie vielfaches Unheil folgte nachher! Seine Frauen wurden geschändet, und es kann nichts so Trauriges genannt werden, was nicht zu der Zeit geschehen wäre. In diesen großen Nöthen ist jedoch Gott sein Rathgeber, d. h., er fühlt sich mit Trost erfüllt, er hält den Glauben fest, sein Herz fällt nicht ab von Gott; Gott macht ihn stark, daß er Glauben hält, und ihn nicht wegwirft; Er kräftigt sein Herz, daß er nicht zu Zorn und Lästerung gegen Gott hingerissen wird, wie Saul, der keinen Rath und keine Stärkung hat. Auch wir wollen um diesen Rath und diese Stärkung Gottes in unsern Nöthen bitten lernen. Im dritten Psalm heißt es: „Viele sagen von meiner Seele: Sie hat keine Hilfe bei Gott.“ Was für eine traurige Klage ist das! Und doch, spricht er: „Ich weiche nicht von Dir!“ Oder wie Hiob sagt: „Wenn mich auch der Herr tödten würde, so will ich doch auf Ihn hoffen“ (Hiob 13, 15.) Das also ist der Rath, von dem hier die Rede ist.

„Auch züchtigen mich meine Nieren des Nachts.“ Man hat hier nicht bloß jene beiden Theile unsers Körpers, welche eigentlich Nieren heißen, zu verstehen, sondern alle innern Theile überhaupt; er nennt aber darum diese, weil er hier von seinen Leiden redet, weil jene Theile der Sitz der 'schmerzlichen Empfindungen sind, die eben davon den Namen: Hypochondrische Leiden, haben. Es sind das große Schmerzen, bei welchen die ganze Gegend der Seitenweichen leidet. Bei heftiger Beklemmung des Herzens wird, unserer innern Einrichtung gemäß, in der Milz schwarze Galle erregt, und weiter verbreitet. Das wirkt störend auf alle natürliche Verrichtungen in den zunächst liegenden Theilen ein, wie alle Diejenigen wissen, welche einmal eine tiefere Niedergeschlagenheit und Traurigkeit empfunden haben. Manche wundern sich, woher jene schmerzhaften Empfindungen in der linken Seitenweiche kommen; wenn aber die Niedergeschlagenheit so groß ist, so ergießt sich jene Flüssigkeit in die benachbarten Theile; es verstopft sich der Canal, der nach der Leber, oder von der Leber nach der Milz führt; die Ausleerung, so wie die Verdauung wird gehemmt, und so wird das Leben zuletzt zerstört. Diese heftigen Schmerzen versteht er hier, und umfaßt zugleich das ganze Innere, nämlich das Herz, und alle die Theile, die mit der Bewegung des Herzens zusammenhängen, so wie auch die Seltenweichen, welche hauptsächlich der Sitz jener Leiden sind. Er fügt aber hinzu: „des Nachts,“ in jenen Leiden züchtigen mich meine Nieren während der Nacht; da litt Ich Unbeschreibliche Schmerzen; da empfand Ich die ganze Schwachheit der menschlichen Natur in dem Grade, daß ich fast unterlag. Das Alles umfaßt Er mit jenem Worte. Aber in jenen schweren Leiden spricht Er: „habe Ich den Herrn allezeit vor Augen.“ Dessen ungeachtet, will Er sagen, rief Ich dabei zu Dir, und behielt Glauben und Zuversicht. Wir wollen wiederum von uns reden. , David blickt in seinem schweren Leiden zu Gott auf, hält den Glauben fest, und erfährt also Hilfe. Darauf redet er von der Befreiung: „Darum freuete sich mein Herz,“ ich empfand Trost und Belebung. Die Freude des Herzens ist Leben; Traurigkeit ist Erschütterung, welche den Menschen allmälig aufreibt. Jeder Mensch lebt so lange, als er noch eine Freude sein nennt; hat aber die Traurigkeit sein Herz überwältigt, - das ist der Gang zum Tode. „Mein Herz freute sich,“ es fühlte sich neu belebt, „und meine Ehre ist fröhlich,“ d. h., ich freue mich der erlangten Hilfe, und will mit meiner Zunge diese Deine Wohlthat rühmend “

„Auch Mein Fleisch wird sicher liegen.“ Diese Worte beziehen sich ganz eigenthümlich auf die Person des Messias, sodann auch auf die übrige Kirche, jedoch nur in sofern, als ihr solches „durch den Messias zu Theil wird. „Mein Fleisch wird liegen.“ Er redet eigentlich von der menschlichen Natur, deren Erwähnung auch in jenen Aussprüchen eingeschlossen ist: „Des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten; in deinem Samen sollen alle Geschlechter gesegnet sein.“ „Sicher,“ in Hoffnung, d. i., mein Fleisch wird wieder aufleben. Jener Same muß leben, darum wird er den Tod überwinden. „Denn Du wirst Meine Seele nicht in der Hölle lassen.“ Ich will hierüber keine Streitfragen anregen. Die Schmerzen der Hölle bedeuten jene unsäglichen, furchtbaren Schmerzen, in welchen sich das Gefühl des göttlichen Gerichts kund thut; so heißt es in einer andern Stelle: „Denn es umfingen Mich des Todes Bande, - der Höllen Bande umfingen Mich.“

„Du wirst also Meine Seele nicht in jenen Schmerzen lassen, und nicht zugeben, daß Dein Heiliger verwese.“ Hier verkündigt er mit deutlichen Worten, daß der Leib des Messias nicht, gleich andern Körpern, in Auflösung übergehen werde. Sein Leib wird sogleich belebt werden, und, sodann auferstehen.

„Du thust Mir kund den Weg zum Leben.“ Er dankt nun, daß ihm nicht nur das Leben sei wiedergegeben worden, sondern daß auch dasselbe ein Leben in ewiger Freude sein werde: „Du zeigst Mir das Leben, und gibst es Mir wieder, und gibst Mir Freude die Fülle,“ d. i., Du wirst Mich sättigen mit Freude; „vor Dir,“ d. i. in Deiner Nähe, Deinem Anschauen. Er schildert hier das ewige Leben. Das ewige Leben ist jener innige Umgang mit Gott, in welchem wir, so wie Er, in unmittelbarer Nahe das Anschauen und die Liebe Gottes genießen werden. Es wird in uns göttliches Licht, göttliche Weisheit und Gerechtigkeit gesenkt werden, welche alle Vorstellung der Creatur übertreffen wird. Das sind die unermeßlichen Güter, welche der Kirche verheißen sind, und durch den Sohn uns zu Theil werden. Er fügt in Ansehung der Ewigkeit noch hinzu: „Liebliches Wesen ist zu Deiner Rechten ewiglich,“ d. i., ich werde solche Seligkeit in alle Ewigkeit, und zwar zu Deiner Rechten genießen. Der Herr ist ein mächtiger Herr; die göttliche Allmacht sammelt sich eine ewige Kirche, von der Er vorher gesagt: „Das Loos ist Mir gefallen aufs Lieblichste; Mir ist ein schönes Erbtheil geworden.“ Das wird jenes Gut sein, das die Kirche in alle Ewigkeit genießen wird, daß sie nämlich im Anschauen Gottes die Weisheit, Güte, Gerechtigkeit und Freude desselben genießen wird. So sehen wir, daß dieses kurze Gedicht fast alle Hauptpunkte der Lehre der Kirche in sich faßt.

1)
Die neuere Akademie, eine philosophische Schule im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus, aus den Grund der ältern Akademie, oder der platonischen Schule errichtet, charakterisirte sich dadurch, daß sie mit vieler dialektischer Kunst Zweifel gegen die bestehenden Ueberzeugungen hervorsuchte, und indem sie die Gewißheit der Vernunfterkenntniß auf bloße Wahrscheinlichkeit beschränkte, nicht selten an die Gränzen eines allgemeinen Skeptizismus streifte.
2)
Gesetzgeber der griechischen Kolonie Lokris in Großgriechenland, um das Jahr 600 vor Christus.