Die Christen sind nicht an die sozialpolitische Ordnung des Mose oder die eines anderen Volkes gebunden. Vielmehr sollen wir jeweils an unserem Ort der Obrigkeit und den gegebenen Gesetzen gehorchen, soweit sie mit dem Naturrecht übereinstimmen und nichts gegen die Gebote Gottes vorschreiben.
Wie wir uns in verschiedenen Ländern an unterschiedliche Zeiteinteilungen halten, so können wir auch in unterschiedlichen staatlichen und gesetzlichen Ordnungen leben. Die einzige Voraussetzung ist, dass sie nicht zu Verstößen gegen die Gebote Gottes verpflichten. Wie zu Athen die Gesetzestafeln Solons oder zu Rom die der Decemviri unter veränderten staatlichen Verhältnissen ihre Geltung verloren, so sind die Zeremonial- und Gerichtsgesetze des Mose, die für eine bestimmte Zeit gegeben wurden und nach der Zerstörung des mosaischen Gemeinwesens niemanden verpflichten sollten, außer Kraft.
Schwieriger ist die Antwort auf die Frage nach der Geltung des Moralgesetzes. Sie wird von Christus und den Aposteln entfaltet, aber von gottlosen und unbußfertigen Menschen nicht verstanden. Denn das Moralgesetz ist kein veränderliches Gesetz wie Zeremonialvorschriften oder die Gesetzestafeln der Decemviri, sondern es ist eine ewige und unveränderliche Richtschnur im Bewusstsein Gottes. Sie gebietet, was getan werden soll; sie verbietet und stellt unter Strafe, was nicht getan werden darf.
Die Aussage ist ewig und unveränderlich: Gott ist weise, gut und gerecht. Ähnlich ewig und unveränderlich sind auch die weiteren Aussagen: Gott erachtet es als gerecht, dass er als Schöpfer von dem vernunftbegabten Geschöpf geliebt und allem anderen vorangestellt wird. Gott beurteilt das schweifende, keine Grenzen achtende Triebleben als schlecht. Sein Wohlwollen gilt dem, der den geforderten Gehorsam leistet, sein Zorn dem, der sich hartnäckig widersetzt.
Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind den vernunftbegabten Geschöpfen eingegossen und können so wenig abgeschafft werden wie das Wissen um die Gesetzmäßigkeit der Zahlen.