Mathesius, Johann - Eine Trostpredigt

dass, die im Herrn entschlafen, mit Freuden wieder zusammenkommen und Eins das Andere nach der Auferstehung kennen wird, und die Seligen in ewiger Freude und englischer Keuschheit und himmlischer Freundschaft bei einander bleiben werden. Aus dem Evangelio von der Wittwe Sohn zu Nain. Durch den alten Herrn Mathesium selbst geschrieben und drei Stunden vor seinem seligen Abschied geprediget. Lucae am VII. Christus gab den erweckten Jüngling seiner Mutter wieder. Gedruckt zu Nürnberg durch Ulrich Neuber. MDLXVII. 4.

(Mathesius hatte beschlossen, diese Predigt dem Münzmeister zu Joachimsthal, Georg Geytzkhöfen, der seine Gattinn durch den Tod verloren hatte, zu widmen und bei der Abfassung geäussert: „Weil ich nun, ob Gott will, bald in ein besseres Leben gedenke zu kommen, will ich diese Trostpredigt Herrn Georg Geytzkhöfen zuschreiben, ihm zum Trost und mir zum Zeugniss, dass ich gute Freundschaft und empfangene Wohlthat in kein Vergessen gestellt habe. Es soll Freundschaft unsterblich sein und Wohlthat hier und in Ewigkeit gerühmet werden.“ Mathesius’ Vorhaben wurde von seinen Erben erfüllt, indem sie die gedruckte Predigt dem Georg Geytzkhöfen zueigneten.)

Geliebte Freunde im Herrn, aus diesem Evangelio seid ihr oftmals berichtet von den Wundertaten des Herrn, und dass Jesus Christus allmächtiger, wahrer Gott und ein Herr des Todes, sein Evangelium ein Wort des Lebens, und dass dieser Herr ein Vater und Schutzherr der armen Wittwen sei, der sich ihrer herzlich annehme und sie aufnehme. Item, dass wir Alle den Tod am Halse tragen und gleich so viel Junge, als Alte sterben, und dass die Alten ihre Verstorbenen fein ehrlich und mit Thränen zu Grabe begleitet, in Hoffnung der fröhlichen Auferstehung, und dass sie mit Vernunft und Bescheidenheit die Verstorbenen hinaus vor die Städte an die Wasser begraben, damit die Freidthöfe zufrieden sein und die Luft sich desto besser wechseln und reinigen könne. Item, vor einem Jahre hat man euch aus diesem Evangelio vorgehalten die traurige Todtenprocession, welcher der Sohn Gottes mit der Procession des Lebens und ewigen Sieges unter dem Trostthore zu Nain begegnet, und wie der Herr Christus aus diesem Wunderwerk für den grossen Propheten erkannt und im ganzen Lande gepriesen ist. Auf dieses Mal, ihr Geliebten, wollen wir gleich aus diesem Text „der Herr Jesus gab der betrübten Mutter ihren Sohn wieder“ diese Lehre kürzlich handeln:

Dass, die in wahrer Zuversicht und Anrufung Jesu Christi seliglich entschlafen, nach der gemeinen Auferstehung wieder zusammenkommen, und dass Eins das Andere kennen, in himmlischer Freud und Freundschaft, wie die Engel Gottes, vor dem Angesicht Gottes ohne Ende bei einander sein und bleiben werden.

Von diesen Artikeln will ich zum Trost dies Mal reden allen betrübten Ältern, Eheleuten und guten Freunden, die von ihrem liebsten Kinde und Gemahl zuvor eine Zeit lang geschieden sind, mit denen wir billig ein herzliches und sehnliches Mitleiden tragen.

Hilf, Herr Jesu, der du aller Betrübten Tröster bist, dass ich etwas Tröstliches meinen Pfarrkindern und Freunden aus deinem tröstlichen Worte und Wunderwerke könne vorlegen. Darum sollt ihr mir herzlich mit einem andächtigen Vaterunser zum Vater unseres Herrn Jesu Christi seufzen und beten helfen.

Geliebte im Herrn und ihr Betrübten im Herzen, als der leibhaftige Sohn Gottes mit der herrlichen Procession des Lebens der betrübten Wittwe zu Nain und ihres Sohnes Bahre und Leiche unter dem Thore zu Trostdorf begegnet, jammert ihn vom Herzen, dass Sünde und Tod solchen Jammer und Noth unter dem menschlichen Geschlechte anrichtet. Da tröstet er erstlich die weinende Wittwe und heisst sie ein gutes Herz haben und greift daneben den Todten an. Darauf stehen die Träger stille. Christus aber, das wesentliche und ursprüngliche Leben, fähet an, durch sein lebendiges Wort mit dem steintodten Jüngling wie ein allmächtiger Gott zu reden: Jüngling, Ich, der ewige Sohn Gottes, der Wahrheit und Leben ist und von und in dem Alles, was sich reget, das Leben hat, sage und gebiete dir: Stehe auf, sei nicht mehr todt, sondern lebe! So bald dem gestorbenen jungen Menschen diese kräftigen Worte Christi in seine todten Ohren und Herz schallen, bringen sie Leben und Bewegung wieder in den Verstorbenen, und der Aufgebahrte und Eingewickelte richtet sich wieder auf und fähet an zu reden und den Herrn Christum zu bekennen und zu danken. Darauf stellt dieser allmächtige Tröster den erweckten Jüngling seiner armen und betrübten Mutter wieder zu.

Dieses, liebe Freunde, ist einmal zu Nain in der rechten Troststadt geschehen, und wird nun Dieses 1500 Jahr im Wort öffentlich der ganzen Christenheit vorgehalten zum seligen Trost allen Betrübten und Trostlosen. Denn wie der Sohn Gottes hier seine göttliche Majestät an dem Verstorbenen beweiset und diesen Jüngling seiner alten Mutter mit Freuden überantwortet, also wird eben dieser Herr des Lebens und Überwinder des Todes am jüngsten Tage alle Menschen durch seine Stimme und Feldgeschrei aus dem Grabe erwecken und sie wieder zum Leben rufen, und wenn ihr Leben offenbar wird, alle Gläubigen, so im Herrn eingeschlafen und zu ewiger Ehre und Herrlichkeit gerufen, ein Jedes den Seinigen wieder zustellen und überantworten, dass eine jede gottselige Mutter ihr getauft und gläubig Kindlein, ein jeder christliche Hauswirth sein gottesfürchtiges Weib, ein jeder guter Freund seine Bekannten, die hier mit einander Christum erkannt und beharrlich angerufen, wieder ansehen, und bei ihnen wohnen werden. In diesem Evangelio spricht der Sohn Gottes: Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Also wird dieses Erzengels Stimme am jüngsten Tage klingen: Ihr begrabenen Menschen, ich, der Sohn Gottes, sage euch Allen, guten oder bösen, stehet auf, und zu dieser Stunde, auf dieses Wort werden nicht allein die Lebendigen in einem Nu verwandelt, sondern was unter der Erde schläft, wird aufwachen und aufstehen, Etliche, wie Daniel sagt, zu ewiger Freude und himmlischem Leben, Etliche zur ewigen Schmach und Schande.

Wenn nun die Schafe von den Böcken vor dem Gerichtsstuhle Christi abgeschieden sind, alsdann wird auch der Richter alles Fleisches einem jeden Gläubigen das Seinige wieder zustellen. Allda werden, die sich hier in Leid und Betrübniss geschieden, in Lieb’ und Freude sich wieder zusammenfinden, und ein Jedes wird zu dem Seinigen kommen.

Diesen Artikel haben alle Gottesfürchtigen geglaubt, und auf diesen Freudentag und diem restitutionis omnium, da uns Alles wieder eingeräumt wird, sehnlich und tröstlich gehofft und geharret und sich dieses Tages getröstet. So oft sie an den Tag der seligen Hoffnung und unserer Erlösung und Erquickung geacht, haben sie sich auch der Restitution, das ist, dass wie wieder zu den Ihren kommen werden, mit Freuden erinnert; wie sich Hiob, der elende, in seinen höchsten Nöthen auch herzlich tröstet, dass er am Ende vom Tode erweckt und seinen Heiland und Erlöser mit menschlichem Fleische in der Fülle der Zeit bekleidet, mit sichtigen Augen in seinem neuen Fleische wahrhaftig ansehen und mit ihm in alle Ewigkeit leben werde. Ich glaube, sagt Hiob, dass mein Erlöser jetzt lebet und regirt, der wird von meines Schwähers Enkelein zur letzten Zeit menschlich Fleisch an sich nehmen und darin für unsere Sünde sterben und wieder vom Tode mit seinem unverweslichen Fleische erstehen, und als der Erstling unter Denen, so da schlafen, mit sich alles Fleisch erwecken, in seiner Ordnung, und all mein Gebein wird erneuert und wie das grüne Gras wieder blühen, und ich werde meinen Erlöser und Heiland sehen eben mit meinem Augen, die zu der Zeit erneuert und gescheuert werden sein, und wie ich meinen Herrn in seinem Fleische anschauen werde, also will ich auch alle meine Freunde, so auf den verheissenden Weibessamen, die liebe Leibesfrucht, gehofft und geharret haben, wieder anschauen und mit ihnen in ewigen Freuden essen und trinken, ohne Ende und in alle Ewigkeit. Also tröstet sich auch der betrübte König David, da ihm sein liebes Kindlein verschieden; denn er spricht 2. Samuelis am 12.: Ich kann mein liebes Kind nicht wieder zu mir in dies Elend bringen; aber Das weiss ich , dass ich hernach zu ihm fahren muss. Denn wenn ich nun den Weg aller Welt gehen werde, komm’ ich wieder zu ihm, wenn mir der Heiland aller Welt nach der Auferstehung dasselbe wieder zustellen und überantworten wird. Hier glaubt und bekennt auch der Prophet David unsern Artikel, dass er wieder zu seinem Söhnlein kommen werde, wenn ihn der Sohn Gottes ihm wiedergeben wird, wie er hier der Mutter zu Nain ihren Sohn und dem erleuchteten Schulmeister (Schulmeister nennt ihn Mathesius, weil er ein Oberster der Synagoge (Schule) war; erleuchtet, weil Jair zu Deutsch Erleuchteter heisst.) sein Töchterlein und den Schwestern zu Bethanien ihren lieben Bruder in diesem Leben eine Zeit lang überantwortet.

Dies ist nun heute ein seliger Trost für Alle, so die Ihrigen zu Grabe schaffen, dass sie gewiss seien, so wahr Gott und Christus Gottes Sohn und sein Wort die wahrhaftige Wahrheit ist, und so gewiss Christus ein Richter der Lebendigen und der Todten sein wird, und alles Fleisch vor seinem Gerichtsstuhle in den Lüften erscheinen muss, so wahrhaftig werden auch Alle, die nach der Christenheit einander verwandt, als auf dem rechten Kirchentage vor dem Angesichte Jesu Christi erscheinen, und einem jeglichen Gläubigen werden die Seinigen wieder zugestellt werden, eben wie hier der Sohn Gottes der armen Mutter ihren Sohn überreichte. David konnte seines beschnittenen Kindleins vergessen, auf starke Hoffnung, dass er wieder zu ihm käme, weil es auf’s künftige Blut des verheissenen Samens in seiner Unschuld abgeschieden war. Absalom, seines Blutes und Fleisches, konnte er nicht vergessen, weil er diesen nimmer in Ehren und Freuden sehen würde.

Darum, wenn unser Gott christlichen Ältern ihre getauften und gläubigen Kinder abfordert oder einem gottesfürchtigen Ehegemahl seinen liebsten Schatz in wahrer Erkenntniss und Anrufung Christi aus diesem Elend fordert, und ihm ein Stück von seinem Herzen weggerissen wird, oder sonst gute Freunde, die in Ehren Freundschaft gestiftet und erhalten, sich mit Schmerzen scheiden müssen, sollen sie sich dieses Wortes trösten: Ich weiss, es kommt nicht wieder zu mir, ich aber will zu ihm kommen und es wiedersehen und in unzertrennter Beiwohnung bei ihm bleiben. Dieses Wiederkommen macht, dass ich zeitlich Trennen nicht achten soll und will. Komm, Herr Jesu, und bring mich und meine Allerliebsten durch deine Zukunft bald zusammen und gieb mir die Meinigen auch wieder, wie du heute dieser Wittwe in dies vergängliche Leben ihren lieben Sohn wiedergegeben hast!

Also kann sich ein christlich Herz trösten und zur seligen Geduld und fröhlicher Wartung dieser fröhlichen und verhofften Zeit warten.

Zum Andern, aus diesem Stück erfolgt, weil Christus einem Jeden das Seine wieder zustellen wird, und wir gewisslich einander vor dem Richterstuhle des Herrn sehen, dass Eins auch das Andere kennen wird. Denn das ist nicht das geringste Stück des ewigen Lebens, wenn Sünde und Tod ganz von uns weg ist, und wir zum Leben und zur Gerechtigkeit gekommen sind, dass auch eine völlige Erkenntniss Gottes und der Unsern und aller Creaturen sein wird. Kannte doch Adam, ehe er in’s ewige und geistliche Leben versetzt war, seine Eva, dass sie aus seinem Fleisch und Bein erbauet wäre, die er vorher nie gesehen hatte. So kennen auch die drei Apostel, die bei der Verklärung des leibhaftigen Sohnes Gottes auf dem heiligen Berge waren, Mosen und Eliam, die bei Christo erschienen und ihn trösteten; wie auch Maria Magdalena den erstandenen Christum an seiner Rede kannte, ob er wohl dies Mal sich in Gärtners Gestalt verborgen hatte; wie auch St. Stephan den Herrn Christum in seiner Herrlichkeit zur Rechten seines Vaters siehet stehen und erkennt ihn. Dessgleichen kennen die Gläubigen die Heiligen, so mit Christo erstanden und ihrer Vielen erschienen. Denn die Schlafenden erstehen und behalten ihr Fleisch und Blut, dass sie zuvor gehabt, ob es wohl verneuert und in einen geistlichen und unverweslichen Leib verwandelt wird. So denn ein sterblicher Mensch die Erstandenen in ihren geistlichen Leibern mit natürlichen Augen siehet und erkennt, sollten nicht die Erweckten in ihrem neuen Leibe und völligen Kräften die Ihrigen im ewigen Leben kennen?

Moses wird seine Juden vor Gottes Angesicht beschuldigen und bezeugen. So werden die von Corinth St. Pauli Ehrenkranz sein am jüngsten Tage, wie alle Gottseligen Die rühmen und preisen werden, durch welche sie zum Glauben und Erkenntniss Christi, zum seligen Leben gekommen sind. Darum kann die Erkenntniss unserer Nächsten und Verwandten nicht ausbleiben. Der heilige Geist nimmt nicht die natürlichen Kräfte und eingedruckten Affecte und Sehnlichkeit aus unserm sterblichen Leibe, sondern reinigt sie also, obwohl Gott in all den Seinigen Alles sein wird, und die Erweckten den Zehnten und die Fülle des Geistes Gottes bekommen und durchaus an Leib, Seele und ihrem Geiste vollkömmlich rein und neu sind, werden sie doch nicht ohne Gedanken, Gesicht, Erkenntniss sein. Was wäre das für ein ewiges Leben, so Einer seine Allerliebsten nicht kennen sollte? Siehet und erkennt doch der reiche Fresser, der in der höllischen Qual lag, Abraham und den armen Lazarum in seinem Schooss, obwohl eine grosse Kluft zwischen ihnen befestigt war, daraus die Gelehrten schliessen wollen, dass die Seligen auch der Verdammten in ihrer Qual kennen und der rechten Gerechtigkeit Gottes recht geben werden. Ob es wohl dem sterblichen David Gedanken macht, dass er sein Fleisch und Blut in dem ungehorsamen und gottlosen Absalom in der ewigen Verdammniss sehen muss, so wird doch die Erkenntniss der Gerechtigkeit Gottes alle natürliche Liebe und Sehnlichkeit überwiegen, wie auch in der Welt die grossen Affecte die kleinen überwiegen. Item, dass die Unseligen auch die Seligen in ihrer Freude erkennen, damit ihre Pein und Qual desto grösser werde, wenn sie die Ihrigen in ewiger Wonne und Freude sehen, die sie untertreten und für der Welt Schabab und Fegteufel gehalten haben.

Hiob tröstet es über Alles, dass er in der Auferstehung mit neuem Leibe, geistlichen Augen seinen Herrn und Heiland sehen und mit ihm reden und umgehen werde, und dass er in seinem verjüngten Fleische den verklärten und leibhaftigen Sohn Gottes anschauen solle.

Desshalb sollen die Christgläubigen an dem Artikel gar nicht zweifeln. So wahr wir in diesem unsern Fleische und Leibe werden auferstehen, in gleicher Verklärung und Herrlichkeit des Leibes Christi, dem wir in Ewigkeit gleich und ähnlich sein werden, und als wir zu ihm kommen, ihn sehen und ihn erkennen und preisen werden als die höchste Person unter menschlichem Geschlecht: so wahr werden wir auch alle Christgläubigen zusammenkommen und einander wiederkennen.

Dies ist nun ein lieblicher Trost für Die, so der Ihrigen eine Zeit lang entbehren müssen. Hier auf dieser Erde kommt keiner hernieder, wir sehen auch einander hier nimmer, obwohl der Teufel Menschengestalt im Gespenst an sich nehmen und in Samuelis oder Scipionis Gestalt im Gespenst und Gespuk sich kann sehen lassen. Aber Dies ist nicht recht geredet: Heute sehet ihr mich zum Letzten und forthin nimmermehr. Also sagen die Heiden und Ungläubigen, wir aber sprechen in Todesnöthen: Gesegn’ euch Gott, meine Allerliebsten, hier sehen wir einander nimmer; aber dort, will’s Gott, kommen wir in Ehren und Freuden (ob Gott will) wieder zusammen und bleiben bei einander ungetrennt und ungeschieden in alle Ewigkeit, wenn uns der Sohn Gottes wieder erwecken und zusammenbringen wird.

Traun, liebe Freunde, wer mit diesen Gedanken umgehet und befestigt Solches aus Gottes Wort, Der kann sich trösten lassen und zufrieden geben und stark und gewiss auf diesen fröhlichen Tag warten, da wir einander wieder anschauen, einander kennen, in Freud’ und Ehren, in Lieb’ und Freundschaft bei einander sein und bleiben werden. Denn von diesem dritten Stück sollt ihr nun euch auch berichten lassen, dass wir nicht allein bei Gott und vor seinem Angesichte in Freud’ und ewigem Leben zusammenkommen, Eins das Andere kennen und ansprechen werden, sondern dass auch die alte christliche Freundschaft, so in der Erkenntniss Christi hier angerichtet und bis an’s Ende erhalten und mit in’s Grab gebracht ist, auch mit uns wiedererstehen, neu, ganz und vollkommen sein und bleiben wird in alle Ewigkeit.

Die höchste und seligste Freundschaft wird dort durchaus vollkommen werden, da wir mit Gott dem Vater, seinem Sohne und heiligen Geiste, auch allen Gottes Engelein, in Liebe, Gunst und guter Freundschaft stehen und väterliche Lieb’ und Treu als seine angenommene liebe Kurkinder in Ewigkeit fühlen werden. Da wird sich’s finden, was Gott für ein Vater sei, und wie seine väterliche Treue und Liebe über Alles geht, was Vater oder Vaterschaft oder väterliche Lieb’ und Treue heissen kann und mag.

Jetzt hat es noch kein Ohr gehört, kein Auge gesehen, und ist in keines Menschen Herz kommen, wie herzlich und mütterlich uns unser lieber Vater um und in seinem geliebten Sohne geliebet. Da wird sich erst die brüderliche Treue unseres Herrn und Bruders Jesu Christi eräugen und empfinden lassen, warum er sein blut für uns vergossen und in seinem Leibe getragen hat. Da wollen wir erst die wesentliche Flamme des heiligen Geistes sehen und vollkommen in unserem Herzen durchgeistert und mit reiner und göttlicher Liebe und Brunst angezündet und durchflammet werden.

Wie nun solche Liebe, des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes, die wir nur im Glauben ein wenig gekostet, in jenem Leben in uns erst empfindlich vollkommen sein wird, also wird auch erst der Liebe Band, womit Gott Mann und Weib, Ältern und Kind, Brüder und Schwestern und andere Blut- und Schwägerfreundschaft, so die Natur zusammengeknüpft, vollkommen werden, wenn Sünd’ und Tod und alle Unordnung und Unfreundlichkeit, Argwohn und Misstrauen (so der leidige Satan in uns eingeschlichen) im neuen und heiligen Leibe ausgefegt und die angefangene Freundschaft ganz verneuert und bekräftigt sein wird.

Lieb’ und Freundschaft ist nicht die mindeste Partikel unserer vernünftigen und unsterblichen Seele, die Christus erkauft und selig gemacht. Wie nun die Seele errettet und ewig leben wird, also auch Alles, was in die Seele gepflanzt oder gebildet, wird kein Verderben oder Aufhören haben. Weil denn nun Lieb’ und Freundschaft, neben allen sehnlichen Affecten, zum Wesen der unsterblichen Seelen gehören, so ist’s gewiss und unwidersprechlich, Alles, was hier auf Erden in Erkenntniss Jesu Christi mit sehnlichen Liebesgedanken gegen einander verbunden und allhier seine Freude und Ergötzlichkeit in ehrlicher und rechtschaffener Freundschaft gehabt, Das wird wieder im ewigen Leben in steter und himmlischer Liebe und Freundschaft mit und bei einander vor Gottes Angesicht ewiglich leiben und sich alles Leides (so die Lieben in dem Jammerthal in viel Angst und Noth und endlich im Scheiden mit Schmerzen gefühlt) mit ewiger, lieblicher und freundlicher Beiwohnung ergötzen. Denn hier auf Erden ist das Sprüchwort wahr: Was liebt, das betrübt. Es haben fromme Ältern und Kinder, Mann und Weib und gute Freunde nicht eitel Freude in dem Elende an einander, es läuft oft viel Betrübniss mit unter, da sich Eins über des Andern Widerwärtigkeit und Unfall herzlich betrübt, und wird die Freude in rechten Freundschaften oft mit Unglück versalzen; aber in der Auferstehung der Gerechten wird Lieb’ und Freude ewig und vollkommen sein, da wir lauter Freude und Wonne, Ehre und Freundschaft an einander haben werden.

Wir müssen aber dieselbe neue himmlische Freundschaft und ewige Beiwohnung der Lieben nicht verstehen wie die Sadducäer zu Christi Zeiten, da sie von einem Weibe fragten, so bei ihnen sieben Männer nach einander gehabt, wessen Weib sie in der Auferstehung sein würde? und wie die schändlichen Türken heutiges Tages davon denken und reden, die von keiner anderen Freude wissen, denn Schlemmen und Prassen und auf ein Mal viele Weiber haben und allein mit Wollust dieses sündlichen und verderbten Fleisches umgehen. Solche Leute nennt unser Herr Christus gottlose Narren, Spötter und Verächter Gottes und seines Wortes, so die Schrift und Kraft Gottes nicht verstehen und gehen nun mit fleischlichen und epikuräischen Gedanken um. Es ist ihnen eben wie der Sau. Da ihr die Thiere von einem herzlichen Banket sagten, wie sie beim Löwen zu Gaste gewesen und herrlich und wohl gelebt, fragt die unflätige Sau, ob sie auch Kleie und Träbern gehabt. Also sind die verzweifelten Spötter und Epikuräer, sie achten Christi Blut und Tod nicht, schänden und lästern sein Wort, darum blendet und bezaubert sie der garstige und unsaubere Geist, dass sie anders von Gott und künftigem Leben nicht denken, noch reden, denn wie es in ihrem epikuräischen und unflätigen Herzen steckt. Wir wissen aber (Gott sei Lob und Dank) aus Christi wahrhaftigem Worte und Bericht, dass die künftige und gehoffte Seligkeit ein englisch, himmlisch und geistlich Leben ist, in einem unsterblichen, geistlichen und unverweslichen Leibe, da wir keines Ehestandes, noch einiger Creaturen nothdürftig sein werden, sondern Gott wird Alles in allen Seligen sein und bleiben, wie Christus sagt zu den spöttischen Sadducäern: Die Kinder dieser Welt freien und lassen sich freien; welche aber würdig sind, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Todten, Die werden weder freien, noch sich freien lassen; denn sie können hinfort nicht sterben und werden gleich sein den Engeln Gottes im Himmel.

Denn wie Moses schreibt und St. Paulus die Worte Mosis auslegt, hat Gott uns Menschen zu zweierlei Leben erschaffen, erstlich zum natürlichen, danach zum geistlichen. In diesem natürlichen Leben hat Gott den Ehestand verordnet und eingesetzt, da ihrer Zwei mit einem unauflöslichen Band zusammen mit Gottes Wort verbunden, dass sie in dem Fleisch nach Gottes Ordnung wachsen und sich mehren sollen, damit die Erde erfüllet und das Himmelreich erbauet werde, aus welchem menschlichen Geschlecht sich Gott auf die ewige Fürbitte und Verdienst seines Sohnes eine ewige Kirche und himmlische Gemeine durch’s Wort und Sacrament sammelt und die Zahl der gefallenen Engel erstattet. Wenn aber die Menge der Auserwählten erfüllet und Christus, der Richter alles Fleisches, mit seiner fröhlichen Zukunft in den Wolken erscheinen und alle Lebendigen im letzten Feuer in einem Augenblick verwandeln und durch die letzte Posaune alle Todten erwecken wird, da wird das Wesen dieser Welt vergehen, das natürliche Leben aufhören, Lehramt, Regiment, Ehestand und das ganze Hauswesen abgeschafft und ein neu himmlisch, geistlich und englisch Leben bei den Auferweckten angehen. Da wollen wir bei Gott ewig sein und sein Angesicht in vollkommener Freude anschauen und wiederum zu unseren Allerliebsten kommen und in ewiger Freude und rechter göttlicher Charität in dem neuen Himmel und der neuen Erde ohne Aufhören bei einander leben. Und ob nach Gottes gnädigem Wohlgefallen mancher arme Wittwer oder Wittwe zwei oder drei eheliche Weiber oder Männer nach einander gehabt, so wird es doch im künftigen Leben nicht sein, wie jenes vernünftige Weib sagt, der lebendige wäre ihr am liebsten gewesen. Es wird dort kein Unterschied gehalten, kein Neid, noch Missgönnen gebraucht. Er wird sie alle wiedersehen und kennen, und werden ihm alle (doch im englischen Leben) von Herzen lieb sein, weil ihre Herzen durch Gottes Wort in einander verbunden und sie in ihrem züchtigen Ehebette den Herrn Christum erkannt und ihn im Glauben beständig angerufen haben.

Es wird auch ein schöner Dank und Freude sein, da die Andere oder Dritte ihrer Vorfahrinn Mann und Kinder herzlich gemeinet und sie zu Gottesfurcht, Zucht und Tugend treulich erzogen hat. Denn da wird der Vers erfüllet werden: Crescit amor verus vera pietate fideque, Est pietas verae nervus amicitiae. Was hier in wahrer Erkenntniss Jesu Christi, in rechtem Glauben und Freundschaft beharret und auf’s lebendige Wort Gottes zusammen verbunden ist, Das wird beständige und ewige Freundschaft und Gemeinschaft behalten. Da will ich meine lieben Pfarrkinder, so Gottes Wort mit Ernst von mir gehört, angenommen und bewahret, mein liebes Weib, Kinder und gute Freunde in allen Ehren wiederfinden, dass ich zu ihnen und sie zu mir kommen werden, wir einander sehen, kennen und freundlich ansprechen und in dem seligen Freudenthal eine rechtschaffene, gliedganze und fröhliche Freundschaft erhalten werden, in vollkommener Freude und Gerechtigkeit, vor dem Angesichte Gottes, aller heiligen Engel und Auserwählten. Dahin freue ich mich, der ich auch alt und schwach und alle Stunde um ein seliges Stündlein bete, und wollte von Herzen gern ausgespannt sein; ich habe mich eben müde gezogen.

Dies, Geliebte im Herrn, soll nun euer und mein Trost sein, die wir unsere Lieben zuvor heimgeschickt und bald (ob Gott will) auf unsern Herrn und Heiland hinnach gedenken, dass wir gewiss seien, dass Jesus Christus am jüngsten Tage uns Alle wieder zusammenbringen wird, und, was er von uns mit Schmerzen eine Zeit lang gerissen, mit Freuden und Ehren restituiren und wiedergeben. Da wollen wir Freude und Liebe ohne Aufhören haben und behalten.

Komm, Herr Christe, komm und bringe uns Alle mit Freude vor deinem Angesichte zusammen! Amen.


Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters