Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 4. Predigt (Wittenberg 1522)

Am Freitage nach Invocavit

Von den „Acht Sermone“ wider Dr. Karlstadt's Neuerungen in Wittenberg, daselbst gepredigt in der Fasten (Sonntag Invocavit bis Reminiscere), Anno 1522, theilen wir hier die vierte mit.

Bisher haben wir die Hauptstück gehandelt, und sind nun kommen zu dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi, davon wir gestern ein wenig gesagt; heut aber wollen wir etwas mehr sagen, wie man sich hierin halten soll, und welche zu der Empfahung des Sakraments geschickt sind und gehören.

Erstlich will hie groß von nöthen sein, daß ihr Herz und Gewissen wohl verständiget, einen großen Unterschied zu machen zwischen der äußerlichen Empfahung des Sakraments, und zwischen der innerlichen oder geistlichen Empfahung. Die leibliche und äußerliche Empfahung ist die, wenn ich den Leichnam Christi und sein Blut äußerlich mit dem Munde empfahe. Und solche Empfahung kann wohl ohne Glauen und Liebe geschehen von allen Menschen; aber diese Empfahung machet keine Christen. Denn das können böse und gute Menschen thun, und wäre ein schlecht Ding, Christen sein, wenn es damit wäre ausgericht.

Aber die innerliche, geistliche und rechte Empfahung des Sakraments, ist viel ein ander Ding. Denn sie stehet nicht allein in dem leiblichen Empfahen des Leibs und Bluts Christi, sondern in der Uebung und in den Früchten; welche Empfahung geschieht im Glauben. Wir Christen haben kein äußerlich Zeichen, damit wir von andern Völkern abgesondert sind, denn dieß Sakrament und die Taufe. Aber ohne den Glauben ist die äußerliche Empfahung dieser Sakramente nichts; der Glaub muß vorhanden sein, und die äußerliche Empfahung geschickt machen, und uns anzeigen vor Gott; sonst ist ein lauter Spiegelfechten und ein äußerlich Wesen, in welchem die Christenheit nicht stehet; sondern im Glauben stehet die Christenheit, der an kein äußerlich Werk gebunden ist noch gebunden sein will. Der Glaube aber ist dahin gerichtet und stehet darin, wollen wir anders dieß Sakrament würdig empfahen, daß wir festiglich glauben müssen, daß Christus Jesus Gottes Sohn sei und die einige Genugthuung für unsere Sünde: der da unsere Sünde und Missethat auf seinen Hals genommen hat, und am Kreuze für dieselbigen, durch sein Tod und Leiden, genug gethan, und sie dem Vater abgedienet, und nun vor Gott ohne Unterlaß stehe und versühne uns vor dem Vater, sei unser Mittler und Fürsprecher, und mache uns einen gnädigen, barmherzigen und gütigen Vater, der uns unsere Sünden vergeben wolle und derselbigen nimmermehr gedenken, durch diesen seinen einigen Sohn, unsern Herrn Jesum Christum; und daß dieser Sohn solchs Sakrament, da sein Leib und Blut, eingesetzt habe, unsern Glauben mit zu versichern und zu bekräftigen, und uns befohlen habe, solchs zu nehmen und zu genießen.

Wer den Glauben hat, der gehört eben hieher, und ist geschickt genug, zu empfahen dieß Sakrament, den Leib und das Blut Christi. Einem solchen Menschen, der das festiglich glaubet und gewiß dafür hält, dem kann weder Sünde noch Tod, weder Hölle noch Teufel schaden. Denn Gott ist mein Schutz und Rückhalter, Ps. 73, 23 ff. Wenn ich den habe, trotz aller Sünde, trotz dem Tode, trotz der Hölle, trotz allen Teufeln, daß sie mir schaden, ja irgend ein Härlin krümmen: denn Gott streitet für mich, schützet und schirmet mich, daß sie mir nichts anhaben können, ja müssen, wider ihren Willen, ihnen zu großem Nachtheil dienen. Das ist der hohe, köstlich, überschwengliche Schatz, der uns in Christo gegeben und geschenkt ist, welchen kein Mensch mit Worten erreichen, noch kein menschlich Herz begreifen kann; allein der Glaub muß es fassen.

Ein solchen Glauben aber haben nicht alle Menschen! darum soll man keine gemeine Ordnung aus diesem Sakrament machen: wie denn der Pabst mit seinen tollen, närrischen Gesetzen gethan hat; da er gebeut, es sollen alle Christenmenschen des Jahrs einmal zu österlichen Festen zum Sakrament gehen, und das sollt ihr Strafe sein, wenn einer nicht hingehet, daß man ihn nicht auf den Kirchhof begrabe. Ist das nicht ein toll närrisch Gesetz, vom Pabst aufgericht? Warum? Darum, daß wir nicht alle gleich sind, haben auch nicht alle Einen Glauben; denn einer hat ein stärkern Glauben, denn der andere: etliche springen davon, die andern können kaum hinnach kriechen. Derhalben ists unmöglich, daß es in eine gemeine Ordnung gebracht und gedrungen kann werden.

Hieraus könnt ihr nun leichtlich schliießen, daß durchs ganze Jahr nicht größere Sünden geschehen, noch erschrecklicher Gotteslästerung begangen wird, denn an österlichen Zeiten, allein dieses unchristlichen Gebots halben, daß man die Leute zum Sakrament zwingen und dringen will, Gott gebe, sie sind geschickt oder ungeschickt, lüstig oder unlüstig. Wenn gleich alle Räuberei, Mörderei, Ehebrecherei, Hurerei auf einen Haufen gerechnet würden, so übertrifft diese Sünde alle andere Sünden; und eben da, wenn es am allerschönst und heiligsten scheinet.

Daß aber der Pabst hierin närrisch und unchristlich gehandelt habe, ist am Tage: denn er hat die Herzen nicht erkannt, ob sie geglaubt haben oder nicht. Es kann ein Mensch des andern Menschen Herz nicht erkennen, ob es glaube oder nicht glaube. Wie kann ich wissen, ob du glaubest, Christus trete vor dich, und setze alles für dich, was er hat, auch sein Blut, und spreche zu dir; Tritt frisch hinan, es hat keine Noth, diese Feinde alle sollen dir nicht schaden. Laß Teufel, Tod, Sünde, Hölle und alle Creaturen wider dich stehen; wenn du mich hast, sie sollen dir nichts angewinnen, traue du nur mir, und hänge dich an mich, ich will dir frei hindurch helfen. Denn der in einem solchen Glauben stehet, der gehört hieher, und nimmt dieß Sakrament würdig, zu einer Sicherung und Wahrzeichen, daß er göttlicher Zusage und Versprechung gewiß sei. Ja, solchen Glauben aber ahben wir nicht alle. O wollt Gott, daß ihn der zehente Mensch hätte!

Derhalben muß man hie säuberlich fahren, und nicht eine gemeine Ordnung daraus machen, wenn und wie oft, auch daß jeglicher, ohne Unterschied, zu diesem Sakrament gehe. Denn solche unaussprechliche reiche Schätze, damit uns Gott begnadet hat, können nicht einem Jedermann gemein sein, denn allein denen, die in Anfechtungen, Verfolgung und Widerwärtigkeit stehen, es sei leiblich oder geistlich, äußerlich oder innerlich, es komme von Menschen oder vom Teufel. Als, wenn dir der Teufel dein Herz schwach, blöde und verzagt macht, daß du nicht weißt, wie du mit Gott daran bist, hält dir deine Sünde vor, und macht dich zappelnd und zagend: da siehe denn darauf, daß du dieses theuren edlen Schatzes theilhaftig werdest; ja, bis sicher, daß du ihn schon hast. Denn in einem solchen erschrockenen, zitternden Herzen will Gott wohnen und ruhen, wie Esaias 66,2. und auch David im Psalter saget, Psalm 51, 19. Denn wer begehret ein Schirm, Schutz und Rückhalter, denn dem wehe ist und ein Widerstand fühlet?

Darum, wer sich noch nicht also befindet, daß ihn seine Sünde beiße und der Teufel anfechte, der gehört noch nicht zu dieser Speise: denn diese Speise will einen hungerigen, verlangenden Menschen habe, und gehet gerne in eine solche hungerige Seele, die täglich mit den Sünden streitet und ihr gerne los wäre. Welcher Mensch sich aber noch nicht also fühlet, der enthalte sich eine Zeit lang von diesem Sakrament. Denn diese Speise will nicht in ein satt und voll Herze: kommet sie aber drein, so ist sie mit Schaden allda. Darum, wenn wir solch Gedrängniß des Gewissens und Blödigkeit unsers verzageten Herzens fühleten, würden wir wohl mit aller Demuth und Ehrerbietung hinzutreten, würden nicht also frech sein, und hinzulaufen, wie die Säue zum Troge, ohne alle Furcht und Demuth. Aber wir finden uns nicht allzeit geschickt: heut hab ich die Gnade darzu, morgen nicht; ja zu Zeiten kaum in einem halben Jahr einmal kömmet mich eine Andacht an, daß ich hinzu gehe.

Hieraus sollen wir nun beschließlich merken, daß die am besten geschickt sind zu diesem Sakrament, die ihre Sünde, der Tod und der Teufel anficht, die ohne Unterlaß mit diesen Feinden im Kampf liegen: denen wird es am bequemesten agegeben, und ist ihnen auch am nützlichsten: auf daß derselbige Mensch allda möge stehen, und glaube, daß ihm diese Feinde nichts schaden können; sintemal er den auf seiner Seite stehen hat, der dieser Feinde aller mächtig ist, und uns aus aller Noth, Angst, Widerwärtigkeit und Trübsal kann erretten.

Also that Christus, da er dieß Sakrament einsetzte. Erstlich erschreckete er seine Jünger über die Maßen sehr, und zerschütterte ihre Herzen fast wohl, in dem daß er sprach: er wollt von ihnen gehen, und daß einer unter dem Haufen wäre, der ihn verrathen würde. Das war ihne ein bitteres Salz, ein erschrecklich Ding, daß der von ihn gehen sollt, auf den sie allen Trost geworfen hatten; und daß ihr einer ihn sollt verrathen. Allda werden ihre Herzen gezappelt haben, und in großen überschwenglichen Furchten gestanden sein, daß sie nun erst sollten des Verräther sein, von dem sie so viel Wohlthat empfangen hatten, der mit ihnen so freundlich und väterlich umgangen war, als irgend ein Vater mit seinen Kindern. Da wird ein jeglicher gedacht haben: Ach Gott, willst du mich in eine solche große Sünde fallen lassen? Sind also da gesessen, die lieben Jünger, als wären sie alle Verräther und Bösewichte über ihrem Herrn und MEister. Darnach erst, da er sie wohl zitternd und bebend gemacht hatte, setzte er dieß Sakrament ein, zu einem Trost und Erquickung, tröstet sie also wiederum.

Daraus ihr wohl abnehmen könnt, welchen dieß Sakrament am bequemsten und nützlichsten ist: nämlich den betrübten, verzagten, bekümmerten, blöden Gewissen. Denn dieß Brod ist ein Trost der Betrübten, eine Arznei der Kranken, ein Leben der Sterbenden, eine Speise der Hungrigen, und ein reicher Schatz aller Dürftigen und Armen. Das sei genug gesagt auf dießmal vom Gebrauch des Sakraments, wie ihrs brauchen solltet, und wer nützlich hinzugehet. Dabei wollen wirs jetzt lassen bleiben, und Gott um Gnade anrufen.

Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin