Epistel: 2. Kor. 11,19 bis 12,9.
Paulus braucht ein Meisterstück, daß er mit einerlei Worten1) die Korinther lobt und doch samt ihren Propheten damit heimlich schilt. Denn, daß er sie lobt von ihrer Geduld, das sind eitel2) Stiche, Schläge und Wunden wider die falschen Propheten; als sollte er sagen: Wohlan, ich habe euch das Evangelium mit meiner Kost3) und Gefahr gepredigt, und durch meine Arbeit seid ihr zu solcher Gnade und Ehren gekommen, dafür ihr mir nichts gethan, auch nichts von mir geduldet. Nun ich aber weg bin, kommen andere, und nehmen euch ein4), und suchen in meiner Arbeit die Ehre und den Gewinn; die wollen eure Meister sein, ich soll nichts gelten; sie rühmen sich, daß sie es alles gethan haben: derer Jünger und Schüler müßt ihr sein; ihr Predigen muß gelten, mein Evangelium muß stinken5): und geschieht mir gleich wie den Bienen, welche arbeiten und machen den Honig, darnach kommen die faulen Hummeln, die Dreckwürmer, und fressen den Honig, den sie nicht gemacht haben; und wird also in mir das Sprichwort auch wahr und voll, das Christus sagt Joh. 4, 37: „Einer säet, der andere schneidet“, und fällt immer einer dem andern in seine Arbeit, daß dieser muß arbeiten und die Gefahr bestehen, und jener den Genuß und Sicherheit haben.
Solche falsche Apostel könnt ihr tragen, ob sie wohl Narren sind und eitel Narrheit lehren; hier seid ihr klug und geduldig. Mich aber, der euch eitel Weisheit gelehrt hat, tragt ihr nicht also, und laßt mich's nicht viel genießen. Item, von jenen könnt ihr leiden, daß sie euch zu Knechten machen und heißen euch thun, als eure Herren, was sie nur wollen, und ihr gehorcht und thut's. Ich aber, der ich mich zu eurem Knecht gemacht habe und euch umsonst gedient, auf daß ihr Herren würdet mit Christo, muß jetzt nichts mehr sein, ist alles verloren, sie herrschen über euch und machen's, wie sie wollen. Item, von jenen leidet ihr, daß sie euch schinden, das ist, sie fressen euer Gut auf, denn ihr gebt ihnen reichlich; wie Psalm 14,4 sagt: „Sie fressen mein Volk“. Nun, solche könnt ihr mit Gut und Gaben überschütten, und laßt euch schinden, wie sie wollen; ich aber habe euer nie nichts genossen6) und alles umsonst gethan, daß ihr reich würdet in Christo.
Item, von jenen leidet ihr auch, ob sie euch nehmen mehr, denn ihr gebt; item, daß sie sich über euch erheben und besser sein wollen, denn ihr und ich, und ihren Hochmuth mit euch und unter euch treiben; mich aber nicht also, der ich das Meine dargestreckt habe für euch und von andern genommen, daß ich euch gepredigt habe, und habe mich bei euch über Niemand erhoben, sondern Jedermann zu Dienst und Willen unterworfen. Aber jene lassen sich von euch dienen und werfen euch unter sich. Item, daß euch jene in's Angesicht streichen, das ist, daß sie öffentlich euch schelten und schamroth machen, und behandeln euch mit greulichen, ungeschickten, unverschämten Worten, als wäret ihr Esel und Vieh, sie eure eigenen Herren; das leidet ihr alles. Aber, daß ich euch so väterlich und mütterlich habe behandelt, und noch, das ist aus und vergessen, S. Paulus muß nun zu Korinth nichts Gutes gethan haben7).
Lieber Gott, muß solchem großen Mann noch Anfechtung anhängen, daß er sich nicht überhebe der großen Offenbarungen8); wie sollten andere oder wir Gebrechlichen des Ueberhebens frei sein? Diesen Pfahl haben bisher viel Lehrer gedeutet, er sei des Fleisches Anfechtung gewesen in S. Paulo. Das hat der lateinische Text gemacht, der da lautet: Stimulus carnis, ein Spieß oder Stachel des Fleisches. Aber das mag nicht bestehen. Denn fleischliche Anfechtung heißt er nicht Stachel; sintemal Stachel vielmehr etwas Böses und Peinliches ist, und Stachel des Fleisches hier nicht ist, damit das Fleisch sticht, sondern damit es gestochen wird, dazu der griechische Text hält9): ein Pfahl dem Fleische, oder ein Pfahl an oder in das Fleisch, daß es gar nahe dem deutschen Sprichwort gleicht, da wir sagen: Der Knüttel ist dem Hunde an den Hals gebunden. Als wollte er sagen: Gleichwie man dem Hunde den Knüttel und dem Bären einen Ring in die Nase und dem Pferde einen Zaum in's Maul, der Sau einen Knebel in den Rachen bindet, daß sie nicht zu sehr laufen, beißen und muthwillig seien, also ist mir auch geschehen, daß ich einen Pfahl, das ist, einen großen Knüttel habe an meinem Leibe, daß ich mich nicht überhebe.
Was aber derselbige Pfahl oder Knüttel sei, deutet er selbst, und spricht: „Der Engel Satanä“, das ist, ein Teufel, „der ihn mit Fäusten schlage“, das ist, getrost auf ihn dresche und poche. Darum mag es nicht sein die fleischliche Anfechtung, und gefällt mir nicht übel, daß solch Dreschen und Pochen vom Teufel, der sein Knüttel ist, meine alle die Verfolgung und Leiden, die er droben10) erzählt hat, daß seine Meinung sei diese: Große Offenbarung habe ich, aber darum ist auch der Knüttel bei den Hund gelegt, nämlich, wie ich erzählt habe, die mancherlei Fährlichkeit und Unglück, damit meinen Leib der Engel des Teufels bläuet und demüthigt, daß ich des Ueberhebens wohl vergesse. Das ist der „Pfahl in meinem Fleische“, oder über meinen Leib, denn über die Seele läßt ihn Gott nicht kommen11).
Evangelium: Luc. 8,4-15.
Eure Liebe hört im heutigen Evangelio, daß viererlei Schüler sind, die das reine Wort Gottes hören, und doch allein die letzten es behalten, und Frucht bringen, auf daß ein jeder sich wohl umsehe und fleißig erforsche, unter welchem Haufen er sei, und sich also lerne schicken, daß er doch auch einmal zu denen komme, die ein gutes Land sind und bei denen das Wort Frucht schafft.
Die ersten, sagt der Herr, sind „der Same, der an den Weg fällt“; derselbe kommt nicht zur Frucht; denn er wird entweder zertreten, oder die Vögel fressen ihn auf. Die andern sind, „die es hören, und heben an“, nicht allein davon zu reden, sondern auch zu „glauben“, wachsen auch fein daher, als das Korn, so auf einen steinigen Acker fällt. Aber so bald ihm ein wenig ein heißer Sommertag kommt, fängt es an zu verdorren; denn es hat nicht Wurzel noch Saft. Also wenn Verfolgung und Anfechtung kommt, fallen solche Leute dahin, ehe die rechte Frucht des Glaubens durch Geduld folgt. Die dritten sind hier am kenntlichsten; das sind Christen, wie das Korn unter den Dornen, das, ob es gleich aufwächst, kann es doch nicht zur Frucht kommen, muß ersticken; denn die Dornen überwachsen es. Die vierten aber sind die frommen Schüler, da das Wort fällt in ein gutes Herz, und bleibt darin, bis es Frucht bringt durch Geduld; denn sie leiden über dem Wort, was ihnen zu leiden vorfällt, und üben sich in der Liebe und im Gehorsam gegen Gott, und bringen etliche hundertfältige, etliche sechzigfältige, etliche dreißigfältige Frucht.
Das sind die vielerlei Schüler. Da gehe nun ein jeder in sein Herz, bedenke sich, unter welchem Haufen er doch sei. Die ersten drei Theile sind nichts nütze; besonders aber die Ersten sind die ärgsten, die das Wort hören, und wenn sie es hören, spricht der Herr, so kommt der Teufel und nimmt ihnen das Wort vom Herzen, daß sie nicht glauben und selig werden. Das merke ja fleißig.
So hätte ich nimmermehr dürfen gedenken noch urtheilen, daß die Herzen mit dem Teufel sollten besessen sein, die das Wort hören, und achten doch sein nicht, vergessen es, und denken nimmer dran. Uns dünkt, es sei ohne Gefahr, Gottes Wort zu hören, und es doch nicht zu behalten; und die es thun, seien schlechte, unachtsame Leute, und gehe natürlich so zu, daß sie die Predigt hören, und dennoch vergessen. Aber Christus urtheilt hier ganz anders, und sagt, „der Teufel nehme den Leuten das Wort aus dem Herzen“.
Da siehst du, was man von den Leuten, Kindern und Gesinde halten soll, wenn sie Predigt hören und unachtsam hingehen, als hätten sie es nicht gehört, und dächten ungern einmal dran. Dieselben können sich des heiligen Geistes nicht rühmen, denn der Teufel ist ihnen so nahe, daß er ihnen in's Herz greift und nimmt ihnen das Wort daraus. Darum müssen auch andere Untugenden folgen, daß sie uns gehorsam, untreu, eigensinnig, eigennützig, stolz, unversöhnlich sind; denn wo das Wort im Herzen bliebe und sie es mit Fleiß hörten, würde es feine, gehorsame, willige, treue, demüthige, milde Herzen machen.
Das sind die ersten und ärgsten, und verdrießt solche Unart den Herrn sehr übel, schilt auch keinen Haufen so sehr als diesen. Denn er sagt: Die Teufel, die in den Lüften schweben, nehmen ihnen das Wort aus dem Herzen, daß sie des Wortes sich nicht annehmen und denken, es sei ohne Gefahr, daß sie die Predigt zu einem Ohre lassen ein und zum andern wieder ausgehen. Aber willst du wissen, wie eine große Gefahr es sei, so höre, was Christus sagt, der es eigentlich besser weiß, denn alle Welt: der spricht, der Teufel thue solches.
Darum, wo du einen Menschen siehst, der in sich läßt reden und predigen, wie ein Klotz, wie unsere geizigen Bürger und Bauern, und sonderlich wie unser Gegentheil12), die Papisten thun: was man ihnen predigt, singt und sagt, ist alles, als schlüge man in ein Wasser13); da denke nicht anders, denn daß der Teufel sei ihnen in's Herz gesessen und reiße den Samen, das Wort Gottes weg, daß sie nicht glauben und selig werden. Denn wenn der Teufel nicht da wäre, oder solches eine natürliche, angeborene Vergessenheit wäre, wie denn immer ein Mensch gelehriger ist, denn der andere, so würde doch das Verlangen da sein, daß ein Mensch gedächte: Ach Gott, daß ich so gar nichts merken kann! Gib mir doch auch deine Gnade, und thue mir mein Herz auf, daß ich darauf möge Achtung haben und behalten könne, was ich in der Predigt höre! Bei solchen Leuten, die ein Verlangen nach dem Worte haben und wollten's gern behalten, hat der Teufel keinen Platz noch Raum; sonst würde solch Verlangen wohl dahinten bleiben. Aber jene wendeten sich nicht drum; ja lassen sich dünken, wenn sie einen Groschen oder Pfennig oder etwas, das noch geringer ist, einer Predigt halben versäumen sollten, es wäre ein großer Schade. Dabei ist gewiß der Teufel, und denke nur Niemand anders.
Das ist nun der größte Haufe, die das Wort hören und achten es nicht, denn der Teufel reißt's ihnen aus dem Herzen.
Die andern zwei Haufen sind gar nicht so böse; aber schwach sind sie, heben ein wenig an und merken etwas, lassen's sich auch gefallen. Darum gibt sie der Herr nicht so gar dem Teufel, wie die ersten, obwohl die Frucht bei ihnen auch nicht folgt. Das sind nun die, so in der Verfolgung nicht beharren noch beständig bleiben; sondern, wie das wurmmäßige14) Obst am Baume hängen bleibt, weil15) es still ist, sobald aber ihnen ein Wind kommt, fällt es haufenweise ab. Also sind diese auch: „Eine Zeitlang“, spricht der Herr, „glauben sie“; aber sobald das Kreuz kommt, lassen sie sich schrecken, wollen und können nichts leiden. Da muß die Frucht des ewigen Lebens auch außen bleiben, samt andern guten Früchten, so aus dem Wort und Glauben herwachsen.
Der dritte Haufe sind, die vor Geiz, Sorge und vor Wollust dieses Lebens des Wortes nicht achten. Denn wer mit zeitlichen Sorgen umgeht, Scharren und Kratzen, und allein denken will, wie er hoch und reich werde, der beschwert das Herz, wie Christus sagt Luc. 21,34, daß also die rechte Frucht erstickt, wie das Korn unter den Dornen. Arbeiten soll man, und ein jeder in seinem Beruf auf das fleißigste und emsigste sich halten, das ist nicht verboten, sondern geboten. Aber daß man so scharrt und geizt, wie jetzt die Welt thut und allein darauf beflissen ist, wie man viel Gulden und Thaler sammle, reich und hoch empor komme: das sind die Dornen, die das Wort Gottes ersticken im Herzen, daß es nicht kann über sich wachsen noch Frucht bringen, denn man denkt nicht daran und läßt sich an Anderem mehr gelegen sein.
Bei diesen drei Haufen ist das Wort umsonst und vergebens. Das ist aber nicht ein geringer, sondern ein großer, greulicher Schade, den ein menschlich Herz bedenken kann. Darum vermahnt der Herr mit Fleiß uns alle und spricht: ,So seht nun drauf, wie ihr zuhört: denn wer da hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird genommen, auch das er vermeint zu haben„. Mit Worten gibt er genugsam zu verstehen, daß er nicht rede von den schlechten Sachen; denn es ist hier nicht zu scherzen, daß man wollte denken: O, ich will eine Weile so hingehen, sorgen und thun, was ich zu sorgen habe, will trotzdem noch wohl Gottes Wort hören und glauben, wenn ich einmal müßiger16) werde und zuvor gesammelt habe, was mir von nöthen ist.
Siehe aber mit zu, daß du dich selbst nicht täuschst. Wer weiß, wie lange du lebst? Wie lange du das Wort hören kannst? Oder wie dich Gott angreifen und heimsuchen werde? Dich allein kannst du täuschen und betrügen; Christum wirst du nicht täuschen, der dich fleißig und ernstlich genug vermahnt, da er spricht: „Wer Ohren hat zu hören, der höre“. Er will nicht, daß du es auf eine andre Zeit aufschieben sollst; wie wir doch gemeiniglich thun. Jetzt, spricht er, wenn du es hörst, so nimm es an, es wird dir sonst übel gerathen.
Darum laßt uns Fleiß ankehren17), daß wir unter dem kleinen vierten Häuflein erfunden werden; darum auch mit Ernst bitten, daß wir gute Herzen haben, Gottes Wort annehmen, behalten, und gute Früchte bringen mögen.
Dies Häuflein nun sind die lieben Heiligen; aber nicht des Papstes Heiligen, die Kappen und Platten tragen, Messe halten, fasten, sonderliche Kleider und dergleichen haben, sondern, die Gottes Wort hören, dessen ärgste Feinde und heftigste Verfolger der Papst mit seinem Anhange, wie man jetzt vor Augen sieht, sind. „Die aber das Wort hören, die bringen hundertfältige“, das ist, viele, unzählige „Früchte“. Ober, wie es Matthäus theilt, „etliche bringen hundertfältige, etliche sechzigfältige, etliche dreißigfältige Früchte“. Denn gleich wie die äußerlichen Aemter ungleich sind, also sind auch die Früchte ungleich. Ein Prediger dient der Kirche mehr, denn ein Handwerksmann, der nur seinem einzigen Hause vorsteht; und sind doch beide Christen, durch Christum von Sünden und Tod erlöst und Erben des ewigen Lebens. Unter dies Häuflein, das das kleinste ist, laßt uns auch kommen18).