Echte Jüngerschaft liebt allein Christus über alle Dinge. Allein die Liebe zu Christus lehrt das Wort Christi halten. „Wer mich liebt, der wird meine Worte halten.“ Mit diesen Worten antwortete Christus auf die Frage des guten, frommen Judas. Dieser fragt den Herrn beim Abendmahl, was das heiße, daß Christus sich nur seinen Jüngern offenbaren wolle und nicht der Welt; er verstand nicht, was das bedeuten sollte. Darauf antwortete Christus: „ Wer mich liebt, der wird mein Wort halten.“ Hiermit wird das Urteil gefällt: Es ist nicht möglich, daß einer die Worte des Herrn bewahre, außer die Sache stehe so, daß er Lust und Liebe dazu hat. Mit diesen Worten ist voneinander gesondert, was ein Christenmensch heißt und ist, und was nicht. Wer ,ihn nicht liebt und seine Worte' nicht hält, kann zwar über sie schwätzen und schreiben; aber wenn er ihn nicht liebt, sind so viele Dinge da, die ihn vom Herrn abziehen, daß er des Wortes nicht wirklich achten kann. Es gibt jetzt viele, die wollen Christi Worte lehren und evangelisch sein; und doch bringen sie's nicht weiter, als daß sie davon schwätzen; sie haben weder Liebe noch Lust zu Christus. Christus aber sagt: „Man muß zu mir Liebe haben, sonst wird ,mein Wort' nicht gehalten.“
Christus ist nicht Gold oder Ehre oder Macht in der Welt; sonst würde er viele Liebhaber haben. Um es kurz zu sagen: Christus ist nichts von alledem, was in der Welt geliebt wird. Darum ist's ein großes Wort: Christus lieben oder Lust zu ihm haben; denn wir wären dann allem andern abgestorben. Es folgt daraus: Wer den Mammon liebt usw., der kann das Evangelium wohl hören und sich brüsten, er sei evangelisch; aber hier hört er, daß er es nicht halten kann. Ebenso, wer Gewalt und Ehre auf Erden sucht, wer Lust und Freude und alles, was sanft tut in diesem Leben, begehrt, hat Christus nicht lieb. So bleibt zuletzt ein so abschreckendes Bild ,von Christus', daß die ganze Welt ihn verschmäht. Das ist die Antwort, die der Herr dem Judas gab auf die Frage, warum er sich nicht der Welt offenbaren werde, ,sondern allein seinen Jüngern': „Die Welt ist verblendet und steckt in der Liebe und Lust zum Mammon, zu Freude und Wollust und allem, was auf Erden ist. Wenn sie nicht Geld und Lust sieht, sieht sie nichts. Daher kommt's, daß ich vor ihr verborgen bleibe; da wird nichts andres draus. Aber ihr, die ihr mich aufnehmet ,und lieb habt', ihr werdet mich hören, wenn ich euch predige, daß man sich wegen des Kreuzes keine Sorgen zu machen braucht. Solche Leute werden imstande sein, mein Wort zu halten und alles aufs Spiel zu setzen und allein das Wort zu bewahren.“ Und was könnte ihnen auch genommen werden, da Satan, Welt und Fleisch keinen Raum bei ihnen haben? Wenn ich mich gar nicht um diese Dinge kümmere, so wird mich die Anfechtung ,von ihrer Seite' auch in Ruhe lassen. So sorge ich mich nicht um Ehre, Macht und Freude; und so kann ich bei dem Wort bleiben. Warum fallen denn die Menschen vom Wort ab? Weil sie nicht Reichtum und Ehre preisgeben wollen. So bleibt ihnen das Wort verborgen.
Diese Anfechtung ist dann noch größer, wenn es um die große Weisheit, ,große' Frömmigkeit und große Gelehrsamkeit geht. Das ist der rechte Gott, der nicht davon abläßt, daß auch unsre Weisheit vernichtet wird. Es gab einst viele Heiden, die das Gold verachtet und sich von Machtstellungen t ferngehalten und ihrem Leib durch angestrengte Übungen wehgetan haben. Aber man hat noch keinen gefunden und kann auch keinen finden, der nicht Lob und Ehre darin sucht, daß er so fromm, weise und klug sei. Heiligkeit und Weisheit lassen sich mit keinen vernünftigen Gründen verwerfen. Solche Menschen lieben erst recht etwas anderes als Christus. Christus sagt: „Wer mich haben will, der darf nicht seine Weisheit ,und Heiligkeit lieben'.“ Da verwirft er mit dürren Worten alle meine Ehre, Gewalt und Heiligkeit. Darum bleibt Glaube, Evangelium und Geist nicht oder wird nicht bewahrt, wenn man nicht Lust zum Herrn hat.
Darum liegt auf diesem Wort „mich lieben“ der Nachdruck. Lieben ist ein Wörtlein, das gebräuchlich ist. Aber „mich lieben“, das ist ein seltenes Kraut. Denn Christus stellt sich zu abstoßend; Christi Anblick ist zu unfreundlich. Der Welt Anblick dagegen ist überaus angenehm und einladend; denn Satan ,vermag sich auch in einen Engel des Lichts zu verwandeln. Darum sagt Christus zu Judas: „Daß ich mich nicht der Welt offenbare, hat den Grund, daß sie mich nicht hören und sehen mag.“ Das Verständnis für Christus ist etwas, was nicht auf dem Boden des Fleisches und des natürlichen Herzens wächst, ,sondern vom Heiligen Geist gegeben werden muß'.
Echte Jüngerschaft ist allein an Christi Wort gebunden. Keine Menschenlehre hebt die Bindung an Christi Wort auf, „Mein Wort ,wird halten, der mich liebt',“ Damit, daß er das sagt und das Wörtlein „mein“ betont, tut er abermals so viel, wie wenn er sagt: „Wer mich liebt.“ Wie er sich durch das Wörtlein „mich“ von all dem scheidet, was nicht Christus ist, so scheidet dieser Ausdruck „mein Wort“ von allen Worten und Lehren, die nicht Christi Worte und Lehren sind. Alle ,andern' Lehren und Worte sind leichter zu fassen als diejenigen Christi. Du siehst ja, wie alle Lehren Hörer in Menge finden. Darum liegt's wiederum an dem Fürwort „mein“; es gilt kein Wort als dasjenige, welches aus seinem Munde kommt. Und so hängt er uns durch dieses Wort an seinen Mund.
So will der Herr dem Jünger geantwortet haben, der ihn fragte: „Warum ich mich nicht ,der Welt' offenbare, das hat den Grund: die Welt kann mich nicht lieben, noch mein Wort halten. An mir fehlt es nicht; ich will mich kreuzigen lassen und mich gewiß der Welt zeigen. Aber sie wird ,mich' nicht aufnehmen: darum will ich mich euch zeigen; d. h. euch, die ihr eher alles fahren lasset als mein Wort.“ Am Jüngsten Tag sieht man' s, wozu Christus wert ist. ,Dann werden sie heulen': „Ach hätten wir doch ,ihn aufgenommen'!“
Es folgt darauf der Gegensatz: „Wer mich ,nicht liebt', der hält meine Worte nicht.“ Das heißt: „Wer seine Lust an etwas anderes hängt, dem bleibe ich verborgen, dem kann ich mich nicht offenbaren.“
Weiter: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen.“ Ich bin zu gering, diese Worte auszulegen. Da will es Christus nicht allein auf sich nehmen; denn das Gewissen sagt: „Was hilft es denn, der Satan drängt einem immer die allerschlimmsten Gedanken auf.“ Das hat Christus wohl gewußt. Darum predigt Christus bei Johannes so, daß er die Rede sofort auf den Vater bringt und Christus und den Vater zusammennimmt. Wo das nicht erkannt ist, ist Satan ein solcher Meister, daß er (wie er es Christus gegenüber gemacht hat.: Matth. 26, 36 ff.), aus Gott eine furchtbare Majestät macht. Hier hilft dir die Erkenntnis: „Philippus, wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Darum sagt er hier: „Mein Vater wird ihn lieben“; er sagt nicht bloß: „Ich will ihn lieben.“ Das heißt: „Wer mein Wort hält, braucht keine Sorge zu haben; ihn darf nichts mehr abhalten von der Gewißheit, daß der Vater ihn liebt; denn ich und der Vater sind eins.“ Wenn einer das feiste ,Glück' der Welt verachtet und den Christus in seiner Schande und seiner Kreuzesgestalt liebt, wird er dafür das bekommen, daß der Vater ,ihn lieben wird'.
Christus sagt nicht: „Der Vater wird ihm ein Königreich geben“, sondern: „er wird ihn lieben“, es wird kein Zorn mehr dasein. Dazu gehört freilich, daß man ,seinem Worte glaubt'. Daher sagt er unten: „Die Worte, die ihr höret, sind nicht mein, sondern des Vaters.“ Nichts darf mehr da sein im Himmel und auf Erden, keine Kreatur, welche dir zürnen dürfte; wenn du mein Wort hältst, so laß alle Welt zürnen!„ Hier steht's: „Der Vater wird dich lieben.“ Die Welt sieht das nicht. Es heißt nicht umsonst „geoffenbart“, aber nicht für die Welt, die an Reichtümern hängt.