Eher noch würde ich dem König gestatten, eine andere Königin zu der ersten hinzuzunehmen und nach dem Exempel der alten Väter und Könige zwei Frauen zugleich zu haben
Ratschlag betreffs der Doppelehe Philipps von Hessen (10. Dez. 1539)
Gott hat die Ehe also eingesetzt, daß es allein zweier Personen Gesellschaft sein sollt' und nicht mehr. Aber Lamech hat das Exempel eingeführt, mehr Weiber zu haben, welches von ihm in der Schrift gemeldet ist als eine Einführung wider die erste Regel. Darnach ist es bei den Ungläubigen gewöhnlich geworden, bis daß Abraham und seine Nachkommen mehr Weiber genommen, und ist wahr, daß hernach solches im Gesetz Mosens zugelassen; denn Gott hat um der schwachen Natur etwas nachgegeben. Daß etwa in einem Fall eine Dispensation gebraucht würde, so in solchen Fällen der Mann noch ein Weib nehme mit Rat seines Pastors, nicht ein Gesetz einzuführen, sondern seiner Notdurft zu raten; dieses wissen wir nicht zu verdammen. Denn was vom Ehestand zugelassen im Gesetz Mosens, ist nicht im Evangelio verboten, welches nicht die Regiment im äußerlichen Leben ändert, sondern bringt ewige Gerechtigkeit und ewiges Leben und fänget an einen rechten Gehorsam gegen Gott und will die verderbte Natur wieder zurechtbringen.
Martinus Bucerus zeigte an, wie der Landgraf auf etlich Mängel an seinem Gemahl sich nicht wüßte keusch zu halten, hätte bisher auch so und so gelebt, das nicht gut ist, und sollt evangelisch, dazu der vornehmsten Häupter eins sein. Demnach nahm ers aufs höchst und teuerst bei Gott und auf sein Gewissen, er könnte hinfurt solch Laster nicht meiden, wo ihm nicht zugelassen würde, noch ein Weib zu nehmen. Wir aber erschraken solcher Narration fast sehr um des wüsten Ärgernis, das folgen würde, und baten S.F.G. wolltens ja nicht tun. Darauf uns weiter gesagt ward,, er könnte es nicht lassen; wo wirs nicht wollten zulassen, so wollte ers dennoch uns unangesehen tun und von Kaiser oder Papst erlangen. Wir aber, solchs zuvorkommen, baten wir demütiglich, wo es S.F.G. ja tun wollte oder, wie er sagte, auf Gewissen und vor Gott nicht anders zu tun wüßte, S.F.G. wolltens doch heimlich halten, weil solche Not S.F.G. dazu zwinge; denn vor der Welt und des Reichs Rechte wäre es nicht zu verteidigen. welches uns also ist zugesagt. Demnach wollten wirs vor Gott mit Exempeln als Abraham u.s.w. helfen so viel möglich zudecken. Solches ist alles beichtweis geschehen und gehandlet, daß man uns nicht kann schuldgeben, als hätten wirs willentlich und gern getan. Es ist uns herzlich schwer genug gewest; aber weil wirs nicht haben können wehren, dachten wir doch, das Gewissen zu retten, wie wir vermöchten. Ich hab wohl mehr Sachen beide unter dem Papsttum und hernach beichtweis empfangen und Rat geben, welche, so sie offenbaret werden sollten, müßte ich Nein sagen dazu oder die Beicht auch melden. Solche Sachen gehören nicht ins weltliche Gericht noch offenbar zu machen…
Hätte ich aber gewußt, daß der Landgraf solche Notdurft unlängsther wohl gebüßet und büßen konnte an andern, als ich nu erst erfahre: an der zu Eschweg, sollte mich freilich kein Engel zu solchem Rat gebracht haben. Ich hab die unleidliche Nor und Schwachheit, auch die Fährlichkeit seines Gewissens angesehen, die M. Bucerus vortrug. Viel weniger hätte ich dazu geraten, daß es sollt eine öffentliche Hochzeit werden, dazu (das auch ganz verschwiegen ward) eine Prinzipissa und junge Landgräfin daherkommen sollte, welches freilich nicht zu leiden ist, auch dem ganzen Reich unträglich. Sondern ich verstund und hoffet, weil er sich des gemeinen Wesens aus Schwachheit des Fleisches brauchen müßte mit Sündenund Schanden, er würde etwa ein ehrlich Maidlin heimlich auf einem Haus halten in heimlicher Ehe (obs gleich vor der Welt ein unehelich Ansehen hätte), zu seiner großen Notdurft des Gewissen halben, auf- und abreiten, wie solchs wohl mehrmal auch von großen Herren geschehen. Gleichwie ich auch etlichen Pfarrherrn unter Herzog Georg und den Bischöfen solchen Rat gab, sie sollten ihre Köchin heimlich ehelichen. - Solcher Bericht schäme ich mich nicht, wo sie auch vor alle Welt kommen sollte, ohne daß ichs um Unlust willen, wo es möglich sein wollt, lieber will verschwiegen wissen.
Ich will den Ratschlag geben und es leiden, daß der Landgraf die Metze behalte heimlich und auf Leugnen: er soll keine Beschwerung tragen, der Metzen wegen eine Lüge zu tun (sie sei nur Konkubine) um der Christenheit und aller Welt Nutz willen (Notlüge, Nutzlüge – zu andrer Nutzen! - Hilfslüge).
Philipp: Ich will nicht lügen, denn lügen lautet übel, hats auch kein Apostel nie keinen Christen gelehret, ja wohl Christus aufs höchste verboten.
Luther an Philipp (17. Sept. 1540): Ich will tun mit gutem Gewissen wie ein frommer Beichtvater, der soll und muß sagen öffentlich und vor Gericht, er wisse nichts darum, was er von heimlicher Beichte gefragt wird.
Tischreden (Juni 1540)
Es sei ferne, daß die Tat (Philipps) mir gefiele! Könnte ich sie ändern, so litt ichs; da ichs nicht kann, muß ich sie mit Gleichmut tragen und will solche Ärgernisse Gott befehlen … Fällt er ab, so steht Christus bei uns … Christus hat uns wohl aus größerer Not geholfen. - - Also tun unsre Widersacher: was an uns böse ist, das mutzen sie auf; des andern Guten schweigen sie. - Meine Person taste an, wer will; ich geb mich für keinen Heiligen.
Quelle: Meltzer, Hermann - Kirchengeschichtliches Quellenlesebuch