Luther, Martin - Brief von den Schleichern und Winkelpredigern

an Eberhard von der Tannen, Amtmann zu Wartburg, vom Jahre 1532

Das Schreiben ist gegen die Wiedertäufer gerichtet, überhaupt gegen Nichtachtung des geordneten Predigtamts, Mißbrauch der herrlichen Lehre vom Priesterthum aller Christen, welcher zum Theil in dem Irrthum seinen Grund hat, als wären Priesterthum und Predigt- oder Prophetenamt ein und dasselbe. Da auch in unserer Zeit jeder Unberufene im Namen christlicher Freiheit und allgemeinen Priesterthums sich wie ein berufener Diener des Wortes und der Gemeinde geberdet, so geben wir hier Luthers Meinung darüber.

Ich hab vernommen, mein lieber Herr und Freund, wie bei und um euch die Wiedertäufer auch gern herein schleichen und die Unsern mit ihrem Gift beschmeißen wollten: - Darum hab ich mit diesem Briefe an euch alle andern Amtleute, Städte und Herrn auf's Meue bitten und vermahnen wollen, solchen Schleichern zu wehren, auf daß wir das Unsere thun.

Und erstlich sind sie damit wohl und leichtlich zu ergreifen, wenn man sie fragt um ihre Vocation 1), wer sie habe heißen herschleichen oder kommen und im Winkel so preidgen, so mögen sie keine Antwort geben noch ihren Befehl anzeigen. Und ich sage fürwahr, wenn solche Schleicher sonst kein Unthätlein an sich hätten und eitel Heilige wären, so kann doch dies einige Stück (das sie ohne Befehl und ungefordert kommen geschlichen) sie für Teufelsboten und Lehrer mit Gewalt überzeugen. Denn der heilige Geist schleicht nicht, sondern fleugt öffentlich vom Himmel herab. Die Schlangen schleichen, aber die Tauben fliegen: darum ist solch Schleichen der rechte Gang des Teufels, das fehlet nimmermehr. Ich hab hören sagen, wie sich die Schleicher können finden zu den Arbeitern in der Ernte und auf dem Felde unter der Arbeit predigen, also auch zu den Köhlern und einzelnen Leuten in den Wäldern, und allenthalben ihren Samen säen und Gift ausblasen, wenden die Leute ab von ihren Pfarrkirchen. Wären sie von Gott und rechtschaffen, so würden sie zu allererst sich zum Pfarrer finden und mit demselbigen handeln, ihren Beruf anzeigen, und erzählen, was sie glaubten, und ob sie derselbige wolle zulassen, öffentlich zu predigen. Würde sie der Pfarrherr alsdann nicht zulassen, so wären sie entschuldigt vor Gott, und möchten alsdann von ihren Füßen den Staub abschlagen. Denn der Pfarrherr hat ja den Predigtstuhl, Taufe, Sakrament innen und alle Seelsorge ist ihm befohlen. Aber nun wollen sie den Pfarrherr heimlich ausbeißen mit all seinem Befehl, und doch nicht anzeigen ihren heimlichen Befehl; das sind rechte Diebe und Mörder der Seelen, Lästerer und Feinde Christi und seiner Kirche.

Hie ist nun wahrlich kein anderer Rath, denn daß beide Aemter, geistlich und weltlich, dazu thun mit allem Fleiß. Das geistlich muß wahrlich das Volk stets und mit Fleiß unterrichten, diese obgenannte Stücke einbilden, daß sie keinen Schleicher zulassen, und lerne sie fragen: Woher kommst du? Wer hat dich gesandt? Wer hat dir befohlen, mir zu predigen? Wo hast du Siegel und Briefe, daß du von Menschen gesandt seist? Wo sind deine Wunderzeichen, daß dich Gott gesandt hat? Warum gehst du nicht zu unserem Pfarrherr? Warum schleichst du so heimlich zu mir und kreuchst in die Winkel? Warum trittst du nicht öffentlich auf? Bist du ein Kind des Lichts, warum scheuest du das Licht? Mit solchen Fragen (acht ich) soll man ihnen leichtlich wehren; denn sie können ihren Beruf nicht beweisen; und wenn wir das Volk in solchen Verstand des Berufs könnten bringen, so wäre solchen Schleichern wohl zu steuren. Ein Pfarrherr kann ja rühmen, daß er das Predigtamt, Taufe, Sakrament, Seelsorge öffentlich und mit Recht inne hat und ihm befohlen sei; bei dem man auch solches suchen und gewarten soll; aber die fremden Schleicher und Meuchler können solches nicht rühmen, und müssen bekennen, daß sie fremd herkommen und in ein fremd Amt greifen und fallen. Das kann ja nicht der heilige Geist sein, sondern muß der leidige Teufel sein. Das weltlich Amt muß auch drauf sehen, und, wie das geistlich Amt, auf den Beruf dringen; und auch den Wirth fragen: Wer hat dich heißen diesen Schleicher herbergen, seine Winkelpredigt hören? Woher weißt du, daß er Befehl habe, dich zu lehren, und du von ihm zu lernen? Warum hast du es nicht dem Pfarrherr oder uns angesagt? Warum lässest du deine Kirche, da du getauft, gelehrt, berichtet bist und dahin du gehörst durch Gottes Ordnung, und kreuchst in den Winkel? Warum richtest du ein NEues an, heimlich und unbefohlen? Wer hat dir Macht gegeben, dieses Kirchspiel zu trennen und unter uns Rotten anzurichten? Wer hat dir befohlen, deinen Pfarrherr zu verachten, zu verurtheilen, zu verdammen im Rücken, ehe er verhört oder verklagt ist? Woher bist du solcher Richter über deinen Pfarrherrn, ja auch dein eigen selbst Richter worden?

Darum heißts also: Entweder beweiset den Beruf und Befehl zu predigen, oder kurzum still geschwiegen, und das Predigen verboten. Denn es heißt ein Amt, ja ein PPredigtamt. Ein Amt aber kann Niemand haben außer und ohne Befehl und Beruf. Darum spricht auch Christus im Gleichniß Luc. 19, 13.: Daß der Hausherr seinen Knechten nicht gab die Centner, damit sie handeln sollten, er berief sie zuvor und befahl ihnen zu handeln. Also gingen auch die Arbeiter nicht in des Hausherrn Weinberg, bis sie der Hausherr dinget und hieß sie gehen, Matth. 20. Also spricht Gott auch von solchen Schleichern Jer. 23, 21.: „Sie laufen, und ich habe sie nicht gesandt; sie predigen, und ich habe ihnen nichts befohlen.“ Es hat noch große Mühe und arbeit, daß die recht predigen und bei rechter Lehre bleiben, so von Gott selber oder durch Menschen an Gottes Statt gewissen Beruf und Befehl haben: was sollts denn sein ohne Gottes Befehl, ja wider gottes Befehl und Verbot, aus lauter treiben und Hetzen des Teufels predigen? Ich habs oft gesagt und sag es nocht, ich wollt nicht der Welt Gut nehmen für mein Doctorat; denn ich müßte wahrlich zuletzt verzagen und verzweifeln in der großen, schweren Sache, so auf mir liegt, wo ich sie als ein Schleicher hätte ohne Beruf und Befehl angefangen. Es geben wohl Etliche vor, St. Paulus habe 1 Cor. 14, 29 ff. einem Jeglichen Freiheit gegeben, in der Gemeine zu predigen, auch wider den ordentlichen Prediger zu bellen. Aber das ist weit, weit gefehlt. St. Paulus redet an dem Ort von den Propheten, die da lehren sollen, und nicht vom Pöbel, der da zuhört (dem Volk, der „Gemeine“ V. 4. 12, den „Laien“ V. 16. 17). Propheten aber sind Lehrer, so das Predigtamt in der Kirche haben: warum sollt Einer sonst ein PProphet heißen? (die Propheten sind gewest der Kirchenrath, die Schrift zu lehren und die Gemeine zu regieren und versorgen.)

Welch ein fein Muster sollt mir das werden, wenn ein Pfarrherr predigt, und ein Jeglicher hätte Macht, ihm in die Rede zu fallen und sich mit ihm zu schelten? Weiter sollte den Beiden abermal ein Anderer in die Rede fallen und den Andern auch heißen schweigen, darnach etwa eine volle Bieramsel aus einem Kruge (Bierschank) daher laufen und diesen allen Dreien in die Rede fallen und den Dritten heißen auch schweigen; und zuletzt die Weiber auch wollten solch Recht haben als die Sitzerinnen (1 Cor. 14, 30.), und die Männer heißen schweigen, darnach immer ein Weib das andere. O welch eine schöne Kirchweih, Kretzschmer (Schenke) und Jahrmarkt sollt da werden!

Sollt man leiden, daß ein fremder Landläufer daher schleichen möcht, oder ein Bürger unberufen sich in den Rath dringen wollt, den Bürgermeister zu strafen oder meistern? Da würde nichts Gutes aus. Viel weniger ists zu leiden, daß in einen geistlichen Rath, d. i. ins Predigtamt oder der Propheten Sitz ein fremder Schleicher sich dringe, oder ein Laie unberufen sich des Predigens unterwinde in seiner Pfarrkirche. Wie kanns ehrbarlich oder ordentlich zugehen, wo ein Jeglicher dem andern ins Amt greift? 1 Cor. 14, 40.

Will aber Gott außer und über solche Ordnung der Aemter und Berufung etwas Sonders machen und Einen erwecken über die Propheten, das wird er mit Zeichen und Thaten beweisen. Wo er das nicht thut, da sollen wirs halten und lassen bleiben bei den geordneten Aemtern und Befehl. Lehren sie nicht recht; was geht dich das an? darfst du doch nicht Rechenschaft dafür geben.

Paulus klagt allenthalben über Schleicher und Winkelprediger, 2 Tim. 3, 6. 7. Darum sei gewarnt und vermahnt geistlich Amt, sei gewarnt und vermahnt weltlich Amt, sei gewarnt alles was Christ und unterthan sein soll, daß man sich vor ihnen hüte und höre sie nicht. Ich hab das Meine gethan und über den 82 Psalm auch davon gesagt: ich bin entschuldigt. Eines Jeglichen Blut, der nicht folget gutem, treuem Rath, sei auf seinem Kopf.

Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin

1)
Berufung