„Die väterliche Sorge und rechte apostolische Ermahnung des Paulus ist etlichen von ihnen wenig und lose zu Herzen gegangen; denn viele hielten ihn nun nicht mehr für ihren Lehrer und Apostel, sondern zogen ihm die falschen Apostel weit vor. Dazu wird es nicht fehlen, es werden die falschen Apostel Paulus bei den Galatern auf solche Weise verleumdet haben, er sei ein halsstarriger, zänkischer Mensch, der um einer geringen und leichten Sache willen die christliche Einigkeit so liederlich zertrennet, um nichts anderem willen, als daß er allein wolle weise und hochgeachtet sein. Durch solche falsche Beschuldigung haben sie Paulus bei vielen verdächtig gemacht. Die andern, die da nicht ganz von Paulus' Lehre abgefallen waren, haben gedacht, es sei nicht viel daran gelegen, ob sie gleich in diesem einen Artikel, daß man vor Gott durch den Glauben gerecht werde, nicht ganz mit Paulus übereinstimmen. Darum, ob sie gleich etwa von Paulus' Lehre etwas abgetreten wären und ihm zu viel getan hätten, sollte er es ja billig übersehen, oder nicht so ein großes Wesen daraus machen, damit nicht um solcher geringen Ursache willen die Einigkeit der Gemeinden zertrennt würde. Denen antwortet Paulus mit diesem feinen Spruch, welcher sprichwortweise geredet ist (vgl.1.Kor.5,6): „Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig.“ Das ist eine Warnung, die Paulus groß achtet, davon wir billig auch viel,halten sollen…
… wenn es in Sachen ist, so die Seligkeit belangen, und die Schwarmgeister ihre Lügen und Irrtum unter dem Schein der Wahrheit lehren und damit viel Leute verführen: - da muß man wahrlich keine Lieb erzeigen, ihren Irrtum auch nicht billigen und recht sprechen. Denn da verliert man nicht eine Wohltat, einem Undankbaren erzeigt, sondern das Wort, den Glauben, Christus selbst und das ewige Leben. Darum habe darüber keinen Zweifel, wenn du Gott in einem Artikel verleugnest, so hast du ihn gewißlich in allen verleugnet; denn er läßt sich nicht stückweise zerteilen in viel Artikel, sondern ist ganz und gar in einem jeden und in allen zumal ein Gott. Darum ermahnt Paulus mit diesem Spruch beide, Lehrer und Zuhörer, daß sie nicht denken sollen, es sei die Lehre des Glaubens so eine geringe und leichte Sache, daß wir damit spielen und kurzweilen möchten unsers Gefallens. Sie ist ein Sonnenglanz, der vom Himmel herabkommt und uns erleuchtet, entzündet und regiert…
… Darum soll die Lehre sein gleichwie ein feiner ganz güldener Ring, daran kein Rißlein noch Bruch ist; denn sobald solcher Ring ein Rißlein oder Bruch bekommt, ist er nicht mehr ganz. Darum ist dieser Spruch fleißig zu merken wider ihr Argument, mit dem sie uns Unwahrheit auflegen, als zerissen wir die Liebe und Einigkeit in der Christenheit zu großem Schaden und Nachteil der heiligen Kirche. Wir sind wahrlich bereit und willig, Friede und Liebe ihnen zu erzeigen; doch so ferne sie uns die Lehre des Glaubens unverletzt und unverfälscht lassen. Wo wir solches bei ihnen nicht erhalten können, ist es vergebens, daß sie die christliche Liebe so hoch rühmen. Verflucht sei die Liebe in Abgrund der Höllen, so erhalten wird mit Schaden und Nachteil der Lehre vom Glauben, der billig alles zumal weichen soll, es sei Liebe, Apostel, Engel vom Himmel, und was es sein mag…
Darum geben sie damit, daß sie diese Sache so leicht und gering achten, genugsam zu verstehen, was sie von der Majestät und Herrlichkeit des göttlichen Wortes halten… Wo sie ernstlich und von Herzen glaubten, daß es Gottes Wort wäre, würden sie damit nicht so leichtfertig scherzen und spielen, sondern es in höchsten Ehren halten, und ohne allen Zweifel und Disputation glauben, was es ihnen sagt und vorhält: würden auch wissen, daß ein Gotteswort alle und wiederum alle Gottesworte eins wären; würden wissen, daß alle Artikel unseres christlichen Glaubens einer wären, und wiederum, daß einer alle wäre, und wo man einen fallen läßt, daß gewiß die anderen allesamt mit der Zeit einzeln hinterher fallen: denn sie hängen alle aneinander und gehören zusammen.
Darum lassen wir es geschehen, daß sie die christliche Liebe so hoch rühmen, wie sie immer mögen. Wir rühmen dagegen die Majestät und Herrlichkeit des Wortes und Glaubens.
Mit diesen Worten verdammt St.Paulus die falschen Apostel so gewaltig, als ob er solch Urteil über sie vom Richterstuhl Christi herab spräche, nennt sie mit einem sehr häßlichen Namen, der Galater „Irremacher“; so doch die guten Galater sie für die Allerheiligsten und für gar viel bessere Lehrer hielten, als eben St.Paulus selbst…
Man kann aus diesen Worten, „sie sein, wer sie wollen“ wohl abnehmen, daß die falschen Apostel müssen nach dem äußerlichen Ansehen sehr fromme und heilige Leute gewesen sein; und mag vielleicht sein, daß unter ihnen ein besonders großer, namhafter Mann gewesen ist… denn St.Paulus tut es fürwahr nicht ohne Grund, daß er so große und gewaltige Worte führt. Auf solche Weise redet er auch oben im ersten Kapitel (1,8):
„So auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, als wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ Auch ist kein Zweifel daran: viele von ihnen werden sich an den heftigen, geschwinden Worten des Apostels hart gestoßen und also gedacht haben: Wie handelt St.Paulus so geschwind gegen die Liebe? Warum ist er so steif und eigensinnig in einer so geringen und leichten Sache? Warum übergibt er so schnell dem Teufel dahin ins ewige Verderben die, welche gleichwohl Christi Diener sind, als er ist? Nach dem allen fragt er nichts; gibt ihm auch nichts zu schaffen, daß sie das Ansehen hatten als fromme, heilige, gelehrte Männer und deshalb hoch gehalten waren; sondern weil sie die Lehre vom Glauben verrücken, verflucht und verdammt er sie aufs allersicherste, zweifelt auch nicht ein Haarbreit daran, daß er ihnen recht tue…
Wir wollen kurzum alle Artikel der christlichen Lehre, sie seien groß oder klein (wiewohl uns keiner klein noch gering ist), ganz rein und gewiß haben und darin nicht einen Titel nachlassen. Und das muß auch sein. Denn die Lehre ist unser einziges Licht, das uns leuchtet und führt und den Weg gen Himmel weist: wenn wir uns dieselbe in einem Stück schwächen und matt machen lassen, ist es gewiß, daß sie ganz und gar kraftlos wird; versehen wir es hierin, wird uns die Liebe nicht helfen… Darum wollen wir gerne Liebe und Einigkeit haben mit denen, die mit uns christlich und gütlich in allen der christlichen Lehre halten und glauben. Ja, wir wollen, so viel an uns ist, auch mit unseren Feinden Friede halten, wollen für die bitten, die da unsere Lehre unwissentlich lästern und verfolgen; aber für die nicht, die da wissentlich wider ihr eigenes Gewissen einen oder mehr Artikel der christlichen Lehre anfechten. Und daß wir so steif und eigensinnig sind, lehrt uns St.Paulus hier mit seinem eigenen Exempel…