Wie wir von Natur nicht sind, aber durch das Wort der Wahrheit werden sollen.
Über Jak. 1,19-21.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.
Jak. 1,19-21:
„Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. Darum so legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit, und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen.“
„Darum, liebe Brüder,“ schreibt Jakobus. Darum, meint er, weil euch Gott gezeugt hat nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf dass wir wären Erstlinge seiner Kreaturen, darum, liebe Brüder, sei ein jeglicher Mensch schnell zu hören, langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist“. Das ist euer Christenberuf, welchen ihr habt, schnell zu hören, langsam zu reden und langsam zum Zorn“ zu sein, und das die Probe, welche ihr abzulegen habt, durch welche ihr bewähren sollt, dass ihr „nach dem Willen Gottes durch das Wort der Wahrheit gezeugt seid zu Erstlingen seiner Kreaturen“, und zu neuen Menschen wiedergeboren. Denn von Natur und als Adamskinder sind wir so nicht, sondern vielmehr langsam zu hören, und schnell zu reden und zum Zorne geneigt, und können diese Adamsnatur in uns nicht anders überwinden, als indem wir das Wort der Wahrheit, durch welches wir wiedergeboren sind zu neuen Menschen, und das in uns gepflanzt ist, mit Sanftmut annehmen, und uns von ihm sagen lassen, damit es immer mehr Kraft und Leben in uns gewinne; darum Jakobus auch fortfährt zu schreiben: „Darum legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit, und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen“. So lasst uns denn unter Gottes Beistand und Segen aus diesen Worten des Jakobus lernen:
Wie wir von Natur nicht sind, aber durch das Wort der Wahrheit werden sollen.
Du aber, heiliger Vater, heilige uns in Deiner Wahrheit; Dein Wort ist die Wahrheit! Amen.
„Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören!“ schreibt Jakobus. „Schnell zu hören!“ Das sind wir von Natur und als Adamskinder nicht. Ja, wenn es gilt, mit offenem Ohr auf die Stimme der Schmeichelei, auf die Lockungen des Verführers zu hören, da fehlt es uns an Willigkeit nicht; da sind wir schnell zu hören, wie es Eva war, als sie auf das Lügenwort der Schlange hörte: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, und werdet sein wie Gott!“ (1 Mos. 3,4.5.) Oder wo es auf ein offenes Ohr ankommt für Tagesgeschwätz und Klatschereien oder böse Nachrede, da gleichen wir den Athenern, welche auf nichts Anderes gerichtet waren, denn etwas Neues zu sagen oder zu hören. Aber wie, wenn es darauf ankommt, auf die Stimme der Wahrheit zu hören, sich von seinem Gewissen beraten, von Gott sagen zu lassen, was recht ist, und was sein heiliger Wille uns gebeut? Wie, wenn es gilt, auf den Rat einsichtiger, wohlmeinender Freunde zu achten, oder aus den vielleicht unfreundlichen und herben Urteilen der Widersacher doch, was in ihren Worten wahr ist, herauszuhören, und sich gesagt sein zu lassen? Da haben wir nur zu oft taube Ohren; wir gehen der lästigen Mahnung aus dem Wege, und sind den Kindern gleich, welche fühlen müssen, weil sie nicht hören wollen.
„Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden.“ „Langsam zu reden!“ Auch das sind wir von Natur und als Adamskinder nicht. Vielleicht, wenn es gilt, den Lästerern das Maul zu stopfen, frei, offen vor aller Welt, auch dem Mächtigeren gegenüber, für die Wahrheit zu zeugen, da sind wir langsam zu reden, und schweigen aus Menschenfurcht, oder kommen blöde und zögernd mit der Sprache heraus. Aber wenn wir in unserer Eigenliebe verletzt sind, wenn es darauf ankommt, den eigenen Vorteil wahrzunehmen, wenn Gedanken des Grolls und der Bitterkeit die Seele erfüllen, wie beredt ist da der Mund, und die Worte fließen über die Lippen, wie gewandt stellen wir Alles an das Licht, was geeignet ist, uns zu entschuldigen und die Anklage zurückzuweisen! Wir können die Worte nicht scharf und spitz genug wählen, um uns für die Verletzung unserer Eigenliebe zu rächen, und sagen leicht mehr, als wir eigentlich sagen wollten, und nach Recht und Wahrheit sagen durften, und vergessen so, was schon der weise Salomo in seinen Sprichwörtern gesagt hat: „Wo viele Worte sind, da geht es ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen hält, der ist klug!“ (Sprichw. 10,19.) schreibt das Wort über die Türen eurer Versammlungsräume, in denen ihr zusammen kommt, um mit einander zu raten und zu tagen; zur Warnung für Alle, welche berufen oder unberufen das Wort nehmen, und vielleicht gar meinen, es könne keine Sache gedeihen, ohne dass sie für dieselbe gesprochen haben! Ruft es hinein in alle Gesellschaftskreise, in denen sie zu eitlem Geschwätz oder zu lieblosem Gericht über die Brüder beisammen sitzen! Ist das Leben nicht kurz, ist der Tod nicht gewiss genug, dass ihr eure Tage wie ein Geschwätz zubringt? Oder meint ihr, es sei ohne Grund, dass der Schöpfer euch zwei Ohren zu hören, aber nur einen Mund zum Reden gegeben hat? Vergesst das Wort nicht, das der Mund der ewigen Liebe gesagt hat: „Ich sage euch, dass die Menschen müssen Rechenschaft geben am jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Worte, das sie geredet haben!“ (Matth. 12,36.)
„Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn!“ - Auch das noch: „langsam zum Zorn“, schreibt Jakobus, und fügt die mahnenden Worte hinzu: „Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist!“ Ja, wäre des Menschen Zorn, wie der Zorn Gottes! Denn auch Gott zürnt; aber sein Zorn ist ein heiliger Zorn, sein heiliger Eifer wider das Böse! Wäre des Menschen Zorn also, dann täte auch er, was vor Gott recht ist; sein Zorn wäre der Eifer heiliger Liebe für die Ehre Gottes und das Heil der Brüder. „Nun aber tut des Menschen Zorn nicht, was vor Gott recht ist“; er ist der Zorn gekränkter Eigenliebe, getäuschter selbstsüchtiger Erwartungen. Wie rasch und wie leicht mischen sich auch in die edleren Regungen unseres Zorns die Aufwallungen unreiner Leidenschaft! Wir eifern für die Wahrheit, aber mit Unverstand. „Zürnt und sündigt nicht!“ mahnt darum Paulus. (Eph. 4,26.) Der Zorn ist ein Doppelmörder. Der Zornmütige wütet gegen sich selbst und gegen das Leben des Bruders. Darum „lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen!“ Wer mag sich mit einem Mörder schlafen legen? Und was weißt du, wenn du Abends zu Bette gehst, ob du am Morgen hier auf dieser Erde noch wieder aufwachst? Oder möchtest du wirklich mit einem zornmütigen, unversöhnten Herzen in die Ewigkeit hinüberschlummern? Der Zorn ist ein Bruder des Wahnsinns; so haben ihn schon die Alten genannt. Wie der Wahnwitzige ist auch der Zornmütige der Herrschaft über seine Vernunft und seine Sinne beraubt. Er weißt nicht, was er redet, und sieht nicht, was er tut. Wie jählings fährt dem Zornigen das böse Wort über die Lippen, und seine Hand erhebt sich zur blutigen Gewalt! Nicht sein Verdienst, Gottes Gnade ist es, wenn er in seiner blinden Wut vor dem Äußersten bewahrt bleibt, und nur mit den Gedanken seines Herzens, nicht auch mit der Tat den Bruder mordet.
„Darum so legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit, und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen“, schreibt Jakobus. Es ist ja kein Wunder, dass eitle, bittere, giftige Worte über die Lippen gehen, wenn der Grund des Herzens mit Unsauberkeit erfüllt, von dem üppigen Auswuchs boshafter Gedanken und Begierden überwuchert ist. Darum heraus aus dem Herzen mit diesem Geniste1) der Unsauberkeit, dem üppigen Wucherwuchs dieser boshaften Gedanken und Begierden! Aber wie mag Solches zugehen? Wie können wir dies Geniste der Unsauberkeit, diesen üppigen Auswuchs boshafter Gedanken und Begierden aus dem Herzen los werden? Wir können es doch mit den bösen Gedanken und Begierden des Herzens nimmer machen, wie es der Mensch macht, wenn er die Kleidung wechselt, und das alte unsaubere Kleid ablegt, um ein neues sauberes dafür anzuziehen. Dies Geniste der Unsauberkeit, dieser Wucherwuchs boshafter Gedanken und Begierden weicht nur dadurch und nur in dem Maße aus dem menschlichen Herzen, als „das Wort, das in uns gepflanzt ist“, in ihm Kraft und Leben gewinnt, „das Wort der Wahrheit“, wie Jakobus es nannte, weil es uns beides, die Macht der menschlichen Sünde, wie die Übermacht der göttlichen Gnade bezeugt. Und auch du dieser sündigen Menschen Einer, durch das Lügenwort des Satans in den Tod verdirbt; aber auch du der begnadigten Sünder Einer, die durch das Wort der Wahrheit in Christo zu einem neuen, seligen Leben berufen sind! Das ist das Wort, welches unsere Seelen selig machen kann, weil es eine Kraft Gottes ist, die da selig macht Alle, die daran glauben. Das ist das Wort, das in uns gepflanzt wird, wenn wir das Herz dem Geiste Gottes öffnen, und es im Glauben annehmen. Wohl Allen, in deren Herzen es also gepflanzt ist, und nun wächst und reift und selige Frucht bringt! Soll aber das geschehen, so musst du dir immer wieder von ihm sagen lassen, und es mit Sanftmut annehmen, was es dir zur Strafe deiner Sünden und zum Frieden deiner Seele zu sagen hat. Anders kann es deine Seele nicht selig machen. Aber je mehr ihr es also annehmt ohne Widerbellen2) gegen seine richtende Wahrheit, sanftmütig und mit willigem Herzen, um so mehr werdet ihr seine Kraft, euch zu neuen Menschen an Herz, Mut, Sinn und allen Kräften zu machen, auch an euch erfahren. Da verschließt sich das Ohr gegen die Stimme der Versuchung, gegen das eitle Geschwätz des Tages, die hohle, friedelose Weisheit der Welt, und wird „schnell zu hören“ auf das Wort der Wahrheit, auf den Ruf der himmlischen Weisheit. Wir haben so viel zu tun, um uns selbst zu richten, uns in die heiligen, seligen Gedanken des Wortes Gottes zu versenken und hineinzuleben; wo bliebe da Zeit und Neigung, auf das eitle Tagesgeschwätz zu hören, oder in das lieblose Gericht über die Brüder mit einzustimmen! Wer täglich das Herz dem Wort der Wahrheit auftut, und sich von demselben sagen lässt, der fährt nicht mehr so rasch zu in seinem Urteil über Andere, sondern ist „langsam zu reden“, und auch, wo er um der Wahrheit willen das Unrecht als Unrecht richten muss, ist er doch still und zurückhaltend mit seinem Wort. Da wird der Mensch auch „langsam zum Zorn“, und wo das zürnende Wort nicht fehlen darf, da ist es der Ausdruck eines heiligen Zorns, der zürnenden Liebe. Wir zürnen, wie der Herr Jesus zürnte, da er das „Wehe!“ rief über die verblendeten Blindenleiter seines Volkes, über Bethsaida und Kapernaum, die Städte, in welchen so viele Taten Gottes umsonst geschehen waren!
Nun wohlan denn, liebe Brüder, so „nehmt das Wort mit Sanftmut an, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen“, auf dass ihr seine beseligende Kraft zu neuem Leben erfahrt! Das walte, allmächtiger, barmherziger Gott, und dazu regiere Du selbst uns mit Deinem heiligen Geiste, auf dass wir mit neuen Ohren Dein Wort hören, und mit neuen Zungen Deinen Namen loben, und mit neuen Herzen uns in Deiner Liebe unter einander tragen und vertragen, als die Erstlinge Deiner Kreaturen zu Lobe Deiner herrlichen Gnade! Amen.