Inhaltsverzeichnis

Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Siebenzehnte Betrachtung.

Kommt wieder zu mir! spricht der Herr.

Über Jak. 4,7-10.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.

Jak. 4,7-10:
So seid nun Gott untertänig; widersteht dem Teufel, so flieht er von euch! Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch! Reinigt die Hände, ihr Sünder! und macht eure Herzen keusch, ihr Wankelmütigen! Seid elend und tragt Leid und weint; euer Lachen verkehre sich in Weinen, und eure Freude in Traurigkeit! Demütigt euch vor Gott, so wird er euch erhöhen!

„Woher kommt Streit und Krieg unter euch?“ hatte Jakobus ausgerufen, und seinen Lesern die böse Wurzel alles Unfriedens unter ihnen aufgedeckt, indem er sie auf den inneren Unfrieden, auf ihre ehebrecherische Untreue gegen Gott und ihren Abfall von ihm, hinwies. Mit ernsten und gewaltigen Worten hatte er ihnen diese ihre Untreue und ihren Abfall von Gott vorgehalten; mit nicht minder ernsten, aber zugleich freundlich lockenden Worten ermahnt er sie nun, wieder umzukehren zu Gott. Was in menschlichen Verhältnissen durch den Ernst des Gesetzes dem Manne seinem untreuen Weibe gegenüber nicht erlaubt war, verheißt der Herr nach seiner reichen Gnade, in seinem Verhältnisse zu seinem untreuen Volke zu tun. „Wenn sich ein Mann“, so lesen wir im dritten Kapitel des Propheten Jeremias, im ersten Verse, „von seinem Weibe scheiden lässt, und sie zieht von ihm, und nimmt einen anderen Mann, darf er sie auch wieder nehmen?“ Er durfte es nicht nach dem Gesetz. (5 Mos. 24,4.) „Du aber,“ heißt es dann weiter, „hast mit vielen Buhlern gehurt. Doch komm wieder zu mir! spricht der Herr.“ Was der Herr hier zu seinem Bundesvolke alten Testamentes geredet hat, ist Kern und Summa aller Ermahnungen zur Umkehr, welche er in unseren Textesworten an uns, die an den Herrn Jesum Gläubiggewordenen, das Bundesvolk des neuen Testamentes, richtet.

Kommt wieder zu mir! spricht der Herr.

  1. So seid nun Gott untertänig, und widersteht dem Teufel!
  2. Naht euch zu Gott, aber mit gereinigten Händen und mit keuschen Herzen!
  3. Tragt Leid um eure Sünden, und demütigt euch vor Gott!

Gott der Gnade sei mit uns, und helfe uns, diese drei Ermahnungen seines Wortes zu unserem Segen zu betrachten, und in das Herz zu fassen! Amen.

1.

„So seid nun Gott untertänig!“ mahnt Jakobus im Anschluss an die letzten Worte des vorhergehenden sechsten Verses: Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade“. So seid nun Gott untertänig“, und bittet ihn mit demütigem Herzen, dass er sich eurer in Gnaden annehme, und euch wieder aufnehme in den Bund seiner Gnade! Kommt wieder zu ihm, und unterwerft euch ihm, des ihr seid, und der allein ein Recht hat auf eure Liebe, aber darum auch das Recht, eure ganze Liebe von euch zu fordern! Kommt wieder zu ihm, und übergebt euch ihm zu neuem, willigem Gehorsam, dass euer Wille ihm allein untertan, und er allein euer Herr sei!

„So seid nun Gott untertänig, und widersteht dem Teufel!“ Jakobus weiß, wer der eigentliche Hauptfeind ihres Bundes mit Gott ist, der Urheber aller Untreue des Menschen gegen Gott und alles Abfalls von ihm. Er weiß wohl, dass der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist; er weiß, dass ein „Jeglicher versucht wird, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird“; (Kap. 1,14.) aber er weiß auch, dass es der Teufel, der Fürst dieser Welt ist, durch welchen alles Feuer der sündlichen Lust und der eitlen Weltfreundschaft im Herzen des Menschen geweckt und geschürt wird seit dem Tage, da er den ersten Menschen durch sein: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben,“ „und werdet sein, wie Gott!“ (1 Mos. 3,4.5.) zur Untreue gegen Gott und zum Abfall von ihm verführte. Der ist's, der immer wieder der Hoffart des Menschen schmeichelt, und seine Lust kitzelt. Der ist's, der ihn an seiner Leidensscheu und seiner Furcht vor der Kreuzigung seines Fleisches fasst, ihm eine Freiheit in seinen Wollüsten vorspiegelt, um ihn in seiner Knechtschaft zu erhalten, oder ihn in dieselbe zurückzuführen; gleich viel, ob er dem Einen als gleißende Schlange, dem Anderen als brüllender Löwe sich nahe! „Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist; auf Erd'n ist nicht sein's Gleichen!“

„Auf Erd'n“, unter den Erdgeborenen nicht; aber im Himmel wohnt, der gewaltiger ist, als alle Mächte der Hölle, und auf die Erde gekommen ist, dass er die Werke des Teufels zerstöre, und der nun zu denen steht, die an ihn glauben, also dass der Fürst dieser Welt nichts an ihnen hat, wie er an ihm selbst, da er auf Erden wandelte, nichts hatte. Lasst denn ihn eure Kraft sein, und macht in dieser seiner Kraft Ernst, dem Teufel zu widerstehen, und euch loszureißen von den Banden, mit welchen er euch gefangen hält, und euch hindern will, zu Gott umzukehren, und euch in neuem, willigem Gehorsam ihm zu unterwerfen, und ihm untertänig zu sein! Widersteht ihm in inbrünstigem Gebete zu Gott, und gebrauchet das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes, wie es der Herr Jesus selbst getan hat, da er mit dem: „Es steht geschrieben!“ die listigen Anläufe des Teufels zurückschlug! Dann werdet ihr es erfahren:

„Der Fürst dieser Welt,
Wie sau'r er sich stellt,
Tut er uns doch Nichts;
Das macht: Er ist gericht't;
Ein Wörtlein kann ihn fällen!“

„Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch!“

2.

„Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch! Reinigt die Hände, ihr Sünder! und macht eure Herzen keusch, ihr Wankelmütigen!“ So schreibt Jakobus an Solche, welche bereits die Nähe Gottes, seine zuvorkommende Gnade erfahren hatten. Wie war er ihnen einst, wie waren sie ihm so nahe! Warum ist es denn so anders gekommen? Warum sind sie ihm, warum ist er ihnen so fern geworden? - Weißt auch du, mein Bruder! vielleicht von einer solchen Zeit deines vorigen Lebens, da du der gnadenreichen Nähe deines Gottes gewisser und getroster warst, als jetzt? O, dann „gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Buße!“ (Offb. 2,5.) „Komm wieder zu mir! spricht der Herr.“

„Kehre wieder, du abtrünnige Israel; so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen; denn ich bin barmherzig, und will nicht ewiglich zürnen.“ (Jerem. 3,12.) „Kehrt euch zu mir, so will ich mich zu euch kehren.“ (Sach. 1,3.) Er sehnt sich nach eurer Umkehr, und naht sich zu denen, die sich zu ihm nahen, wie der Vater, welcher dem verlorenen Sohne, da er ihn von ferne kommen sah, entgegeneilte, und ihn wieder an sein Herz schloss.

Oder, wenn du es nicht also erfuhrst; du suchtest ihn wieder in seinem Worte; aber er ließ sich nicht finden von dir; du nahtest dich zu ihm im Gebet; aber es war, als wäre sein Ohr dir verschlossen, und er blieb so ferne von dir! - War es nicht vielleicht, weil du wohl zu ihm umkehrtest; aber deine Umkehr war doch nicht, wie die des verlorenen Sohnes? Du nahtest dich zu Gott mit betenden Händen; aber deine Hände waren von Sündenwerken befleckt; oder die Hände blieben rein von Sündenwerken, aber das Herz war voll unsauberer Lust und hoffärtiger Gedanken, zwischen Gott und der Welt, Christus und Belial geteilt! Was Wunder, dass es da nicht Friede werden wollte in dir, und du seine gnadenreiche Nähe nicht spürtest? „Reinigt eure Hände“, ehe ihr sie im Gebet zu Gott emporstreckt, „ihr Sünder“! Macht eure Herzen keusch“, dass eine reine Liebe zu Gott in ihnen wohne, „ihr Wankelmütigen“! wörtlich: ihr Doppelherzigen; ihr zwiespältigen Seelen, deren Liebe zwischen Gott und der Welt geteilt ist!

Freunde! Welch eine ernste Mahnung für das Geschlecht unserer Tage, für Alle, welche es immer wieder vergessen, dass Niemand zwei Herren dienen kann! Schlimmer fast und dem Reiche Gottes hinderlicher, als die offenbare Feindschaft der Welt und ihres Fürsten, ist dies halbherzige, doppelherzige Christentum! Auch von unserem Christenstande gilt es, dass, was nicht vorwärts geht, zurückgeht; und wie Viele, mit deren Christentum es nur darum nicht vorwärts geht, weil ihr Herz zwischen Gott und der Welt geteilt ist, weil sie zwar ohne einen Gott und Heiland nicht leben, aber auch die Welt und ihre Lust nicht lassen mögen; und selbst in die heiligsten Augenblicke des Lebens, selbst in das Gebet, mit welchem sie sich zu Gott nahen, drängen sich unsaubere Gedanken, Gedanken der Hoffart, der Eigenliebe, des Ehrgeizes und des Geizes, der Genusssucht und der sinnlichen Lüste! Armer Mensch, dessen Herz also zwiespältig, in seiner Liebe zwischen Gott und der Welt geteilt ist!

Aber auch wir Alle, in dem Herrn Geliebte! auch die in ihrem Christenstande Gefördertsten unter uns, was sind wir vor Gott, als arme, immer aufs Neue seiner Gnade und der „Reinigung unserer Herzen und Hände bedürftige Sünder“; „Wankelmütige“, in denen, je ernster sie nach ganzer Treue gegen Gott ringen, um so mehr immer wieder das Bewusstsein ihrer Untreue lebendig wird; und kein Weg des Heils, als dass wir nach jeder Erfahrung unserer Sünde und Untreue immer wieder umkehren zu dem Gott, an welchem wir gesündigt haben, und Leid tragen um unsere Sünde, und uns demütigen vor ihm!

3.

„Seid elend und tragt Leid und weint“; schließt darum Jakobus. „Euer Lachen verkehre sich in Weinen, und eure Freude in Traurigkeit! Demütigt euch vor Gott, so wird er euch erhöhen!“

„Seid elend und tragt Leid und weint; euer Lachen. verkehre sich in Weinen, und eure Freude in Traurigkeit!“ Das Wort des Jakobus gilt, wie einst, da er angesichts des über Jerusalem hereinbrechenden Gerichtes also schrieb, noch heute Allen, welche, unbekümmert um den Ernst der Ewigkeit und des drohenden Gerichtes, mit der Sünde spielen, und unter Scherz und Narrenteidingen lachend und in leichtfertiger Sicherheit mit der Welt ihre Straße ziehen. „Wehe euch“, spricht der Herr, „die ihr voll seid; denn euch wird hungern! Wehe euch, die ihr hier lacht; denn ihr werdet weinen und heulen“! (Luk. 6,25.) Wie mag ein Mensch ohne Gott und Heiland, ohne die Gewissheit seines Heils und ohne eine ewige Hoffnung, auch nur eine Stunde lachen und seines Lebens froh werden! Und wie mögen Christen, welche beides, den Ernst und die Güte Gottes, geschmeckt haben, sich dazu hergeben, Mitlacher zu werden mit der Welt, Genossen ihrer törichten und eitlen Freuden? Gibt es doch für uns Alle nach jeder Untreue im Dienste des Herrn, nach jedem Abfall von der einen, reinen Liebe, welche wir ihm schuldig sind, und die wir ihm gelobten, keinen Weg, unsere Herzen und Hände vor ihm zu reinigen, als indem wir immer wieder von seinem Geiste uns strafen und zur göttlichen Traurigkeit über uns selbst betrüben lassen; und wehe denen, welche meinen, keiner Einkehr in sich selbst, keiner Umkehr zu Gott, vom Lachen und von der Freude zum Weinen und zur Traurigkeit, mehr zu bedürfen!

Nein, „demütigt euch vor Gott“! In die Ermahnung fasst Jakobus schließlich noch einmal Alles zusammen, was er seinen Lesern zu sagen hat. „Demütigt euch vor Gott“ in aufrichtiger Buße; „tragt Leid“ um eure Sünde, und sucht Gnade bei ihm; so wird er euch erhöhen“, indem er euch eure Sünde vergibt, und euch in Gnaden ansieht, und erhebt vor seinem Angesicht! „Demütigt euch vor Gott“ in willigem Gehorsam unter seinen Willen, und bittet ihn, dass er selbst „allen bösen Rat und Willen des Teufels, der Welt und eures Fleisches breche und hindere, welche euch sein Reich nicht wollen kommen, und seinen Namen nicht heiligen lassen“, so wird er euch erhöhen, indem er durch seine Gnade euch von einer Kraft zur anderen stärkt im Kampfe wider den Teufel, die Welt und die Lust eures Fleisches! „Demütigt euch vor Gott“ in stiller Geduld der Ergebung unter seinen Willen und des Wartens auf seine Stunde und die Offenbarung seiner Herrlichkeit; „so wird er euch erhöhen zu seiner Zeit“, und euch geben, was ihr durch kein Ungestüm eurer Begierde, durch kein übles Bitten von ihm erlangt! Denn sie reift am Herzen unter der währenden Züchtigung bei denen, die dadurch geübt werden, die friedsame Frucht der Gerechtigkeit; und „selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben!“ (Kap. 1,12.)

Darum wohlan, in dem Herrn Geliebte! „Wer Ohren. hat, zu hören, der höre“, und öffne sein Herz der rufenden Stimme Gottes! Kommt wieder zu mir! spricht der Herr. So seid nun Gott untertänig, und widersteht dem Teufel! Naht euch zu Gott; aber mit gereinigten Händen und mit keuschen Herzen! - Tragt Leid um eure Sünden, und demütigt euch vor Gott! auf dass er euch erhöhe zu seiner Zeit, und ihr völlige Hoffnung habt auf den Tag seiner Zukunft und der Offenbarung seiner Herrlichkeit, da die Ersten werden die Letzten, und die Letzten die Ersten sein! Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“ (Luk. 18,14.) Amen.