Drei schlimme Eigenschaften eines Glaubens, welcher nicht Werke hat.
Über Jak. 2,14-19.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.
„Was hilft's, liebe Brüder! so Jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen? So aber ein Bruder oder Schwester bloß wäre, und Mangel hätte der täglichen Nahrung, und Jemand unter euch spräche zu ihnen: Gott berate euch; wärmt euch und sättigt euch!' gäbt ihnen aber nicht, was des Leibes Notdurft ist; was hilft sie das? Also auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er tot an ihm selber. Aber es möchte Jemand sagen: Du hast den Glauben, und ich habe die Werke!' Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken, so will ich auch meinen Glauben dir zeigen mit meinen Werken! Du glaubest, dass ein einiger Gott ist; du tust wohl daran; die Teufel glauben es auch, und zittern.“
Zum anderen Male, meine Lieben! stehen wir heute vor diesen Worten, welche bereits den Gegenstand unserer Betrachtung bildeten. Wir fragten: Wie kommt es, dass Jakobus so ernstlich auf die Werke dringt als für die Gerechtigkeit und Seligkeit des Menschen erforderlich, während Paulus lehrt: „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben?“ (Röm. 3,28.)
Der tote Glaube, so antworteten wir, gegen welchen Jakobus eifert, der Glaube, welcher nicht Werke hat, ist dem Paulus gar klein Glaube, und die Werke, gegen welche Paulus kämpft, Werke, welche nicht aus dem Glauben kommen, haben auch nach der Lehre des Jakobus keinen Wert. Aber, während Paulus, wenn er lehrt, dass der Mensch durch den Glauben gerecht werde, auf den Anfang des Christenlebens zurückblickt, da der Mensch Christum im Glauben als seinen Heiland ergreift, und um dieses Glaubens willen von Gott in Gnaden angenommen und für gerecht erklärt wird, blickt Jakobus, wenn er sagt, dass der Mensch durch die Werke gerecht werde, nicht durch den Glauben allein, dabei vorwärts auf das Ziel unseres Christenlaufes, da wir vor dem Herrn der Herrlichkeit offenbar werden sollen, um aus den Werken als der Frucht unseres Glaubens gerichtet, und entweder für gerecht erklärt, oder verdammt zu werden. Darum warnt Jakobus mit solchem Ernste vor einem toten Glauben, welcher keine Werke hat, und den Menschen nicht gerecht und selig machen kann, und stellt die Nichtigkeit und die Gefahr eines solchen Glaubens in immer neuen Weisen bald durch Vergleichungen aus der Natur und dem Leben der Christen, bald durch Beispiele aus der Geschichte, an das Licht. Es sind
drei schlimme Eigenschaften eines Glaubens, welcher nicht Werke hat, auf welche Jakobus uns heute warnend hinweist.
Das denn der Gegenstand unserer weiteren Betrachtung.
Ein Glaube, welcher nicht Werke hat, hat nur den Schein des Glaubens ohne Wesen und Wahrheit! „Was hilft's“, sagt Jakobus, „liebe Brüder! so Jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen?“ Es bleibt bei einem bloßen Sagen vom Glauben, während die Bewährung durch die Tat fehlt. Wie ein gemaltes Feuer nur den Schein des Feuers hat, aber kein wirkliches Feuer ist, weil ihm Kraft und Wirkung des Feuers fehlen; es leuchtet nicht, es wärmt nicht; so ist auch der Glaube ohne Werke kein wirklicher Glaube; es fehlt ihm die Kraft und die Wirkung des Glaubens; er vermag dir nicht zu geben, was du zum Frieden deiner Seele bedarfst. Das sucht Jakobus durch eine Vergleichung näher ans Licht zu stellen. „Nimm an, sagt er, dass Jemand zu einem bedürftigen Bruder, einer notleidenden Schwester, statt sie mit Nahrung und Kleidung zu versorgen, nur spräche: „Gott berate euch!“ geht hin mit Frieden!“ wie die Worte in genauer Übersetzung lauten „wärmt euch, und sättigt euch!“ So wenig ein solches Wort, ein solcher Wunsch ohne die Tat der Hilfe eine wirkliche Liebe ist, so wenig ist ein Glaube ohne Werke ein wirklicher Glaube; und so wenig dem Notleidenden mit einer Liebe, welche nur Worte hat, aber keine Werke, geholfen ist, so wenig ist der heilsbedürftigen Seele mit einem Glauben geholfen, welcher nicht Werke hat. Vom bloßen Sprechen und Versprechen, Trösten und Vertrösten wird kein Bedürftiger warm oder satt; es ist wie Spott auf die Liebe und auf das Elend des Bedürftigen, wenn Jemand ihn mit Worten des Trostes von sich gehen lässt, ohne dass er Anstalt macht, ihm zu helfen. So wird auch deine Seele von einem Glauben, welcher keine Werke hat, weder warm noch satt; er ist vielmehr ein Spott auf den Glauben und auf die Not der heilsbedürftigen Seele. Es ist, als sprächest du zu ihr: „Gehe hin mit Frieden! wärme dich! sättige dich!“ während du ihr nichts gibst von dem, was sie zu ihrem Frieden, ihrem Leben, ihrer Seligkeit bedarf. Sie kann das Heil nicht fassen; es kommt von Allem, was sie bedarf, um nicht zu darben und zu verderben, nichts in sie hinein. Wie magst du so mitleidslos und unbarmherzig mit ihr deinen Spott treiben, indem du sie mit einem solchen Schein des Glaubens ohne Wesen und Wahrheit abspeist!
Ein Glaube, welcher keine Werke hat, ist ein bloßer Schein des Glaubens ohne Wesen und Wahrheit; er ist eben darum auch unfähig zu einem lebendigen Zeugnisse von der Kraft des Glaubens. „Aber es möchte“, fährt Jakobus fort, „Jemand sagen: Du hast den Glauben, und ich habe die Werke. Zeige mir deinen Glauben“ - nicht, wie Luther in seiner Übersetzung sagt: „mit deinen Werken“, sondern nach der ohne Zweifel richtigeren Lesart: „ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben mit meinen Werken aus meinen Werken zeigen.“
In lebendiger Anschauung sieht Jakobus den vor sich, der sich etwas auf seinen Glauben weiß, obwohl er nicht Werke hat, und die Werke des Anderen zur Seligkeit unnötig erachtet. „Hüte dich, ruft er ihm zu, dass der Andere nicht zu dir spreche: Wohlan, du hast, wie du sagst, den Glauben, und ich habe, wie du geringschätzig meinst, nur die Werke! So zeige mir denn deinen Glauben ohne die Werke! Kannst du es? Ich aber will dir aus meinen Werken, der Frucht des Glaubens, meinen Glauben zeigen!“ Wer sagt, dass er den Glauben habe, und hat keine Werke, spricht eine Behauptung aus, für welche er den Beweis schuldig bleibt, während die Werke, wenn sie rechter und echter Art sind, auf den Glauben, aus welchem sie hervorgingen, wie die Frucht auf die Wurzel, zurückweisen.
Lasst uns denn die ernste Mahnung, welche in diesen Worten für uns und für die Gläubigen aller Zeiten enthalten ist, nicht gering achten! Nichts verdächtigt und schädigt den Christenglauben so sehr, als wenn das Leben derer, welche sich vor Anderen ihres Glaubens rühmen, und zu den Gläubigen in besonderem Sinne des Wortes gerechnet werden wollen, nicht von der Kraft und Echtheit dieses Glaubens Zeugnis gibt, eine tote Rechtgläubigkeit, bei welcher die Bande der Zucht und der Sitte gelockert, die Liebe erkaltet, und die Gemüter in Hass und Hader wider einander entbrannt sind. Aber das ist ein gutes Zeugnis für unseren Glauben, wenn seine Lebenskraft sich in Werken der Geduld und der Liebe, in dem rechten Ernst der Heiligung offenbart. Nach dem Beweis unseres Glaubens sollen wir ringen im Kampf wider die Kirche, welche den Anspruch erhebt, die allein rechtgläubige und seligmachende zu sein, und sich für ihre Werkgerechtigkeit gerade auf den Jakobus so gern beruft. Wir sollen in Beweisen des Geistes und der Kraft davon Zeugnis geben, dass auch wir evangelischen Christen von diesem Knechte Gottes und des Herrn Jesu Christi gelernt haben, und immer wieder bereit sind, zu lernen, was von ihm zu lernen ist, nämlich dass wir unseren Glauben aus den Werken zeigen sollen, damit er an seinen Früchten als ein lebendiger erkannt werde. Durch solchen lebendigen Beweis des Glaubens ist schon mancher wohldenkende katholische Christ zu der Überzeugung gebracht worden, dass trog aller Bannflüche und Verdammungsurteile Roms Christen evangelischen Glaubens unmöglich ewig verdammt sein könnten, die mit solchem Ernst eines gottgeheiligten Wandels, mit solcher Geduld opferwilliger Liebe von der Kraft ihres Glaubens Zeugnis zu geben bereit sind.
Und solchen Beweis von der lebendigen Kraft unseres Glaubens sind wir nicht minder der ungläubigen Welt schuldig, welche die Geheimnisse unseres Christenglaubens als Ammenmärchen verspottet. Wie in den Anfängen der Kirche Christi die Heiden staunten, wenn sie die opferwillige Freudigkeit sahen, mit welcher Christen um ihres Glaubens willen die bittersten Martern erduldeten, und dem blutigen Tode durch Henkershand, als gälte es eine Siegesfeier, entgegengingen, wie sie, von der Liebe, mit welcher die Christen ohne Ansehen der Person, des Standes, des Volkes, sich als Brüder liebten, und in brüderlicher Liebe einander dienten, überwältigt, ausriefen: Siehe, wie lieb sich die Christen haben!“ so gilt es auch für die Gläubigen unserer Tage, in Beweisen des Geistes und der Kraft danach zu ringen, dass die dem Glauben noch Fernstehenden oder wieder Entfremdeten zu dem Bekenntnisse genötigt werden, es müsse doch etwas sein um einen Glauben, der solche sittliche Kraft, solche Aufrichtigkeit der Gesinnung, solche Reinheit des Wandels, solche Geduld hingebender Liebe zu wirken vermöge, und, von solchem Strome eines gottgeheiligten Lebens auf die Quelle zurückgewiesen, zu dem Brunnen des lebendigen Wassers kommen, welcher allen Durst der Seele stillt, und in welchem allein für jeden Einzelnen, wie für die ganze Welt der Sünder und der Kinder des Todes, Heil, Rettung von dem drohenden Verderben und Erneuerung des Lebens zu finden ist. Gott der Gnade helfe uns denn, je länger, je mehr Ernst zu machen mit solchem Zeugnisse von der lebendigen, Leben schaffenden Kraft unseres Glaubens!
Aber noch einmal wendet sich Jakobus gegen den, der sich des Glaubens rühmt, ohne die Werke zu haben. Ein Glaube, welcher nicht Werke hat, macht uns nicht selig, sondern er wirkt in uns die Angst des Gerichts. „Du glaubst“, ruft er aus, „dass ein einiger Gott sei; du tust wohl daran; die Teufel glauben es auch, und zittern.“ „Du tust wohl daran“, es zu glauben, dass ein einiger Gott ist. Wie solltest du nicht? Bezeugst du doch damit, dass du besser unterrichtet bist, als die Heiden, welche glauben, dass eine Menge von Göttern sei. „Du tust wohl daran“, es zu glauben. Gewiss! Denn dieser einige Gott lässt sich auch an denen nicht unbezeugt, die nicht an ihn glauben, auch an den Toren nicht, welche sprechen: „Es ist kein Gott!“ und doch dem Bewusstsein, dass ein Gott sei, sich nicht entziehen können. Darum tust du wohl daran, es zu glauben. Aber hast du auch Ursache, dich bei diesem deinem Glauben zu beruhigen, und dich desselben zu rühmen? „Die Teufel glauben es auch, und zittern.“ Ihr Glaube kann sie nicht selig machen. Ja, ob du nicht nur mit dem ersten Artikel unseres christlichen Glaubens bekennst, dass ein einiger Gott sei, sondern auch mit dem zweiten deinen Glauben an Jesum Christum, Gottes einigen Sohn, und mit dem dritten den Glauben an den heiligen Geist bekennst; „auch die Teufel glauben es, und zittern!“ Sie riefen es aus dem Munde der Besessenen Jesu zu, dass sie es wüssten, er sei Gottes Sohn; aber sie zitterten dabei, und schrien: „Was haben wir mit dir zu schaffen?“ Sie glauben an Gottes Macht und Weisheit und Gerechtigkeit; aber ihr Glaube kehrt sich wider sie zum Gericht. Ist Gott allmächtig, weise, gerecht, so vermag er auch, sie zu treffen, und weiß Wege, sie zu treffen, und wird sie gewisslich treffen mit dem Arm seines Gerichts.
Die Wirkung hat der Glaube, welcher nicht Werke hat, auch am Herzen und im Leben des Menschen. Selig machen kann er dich nicht; Vertrauen auf Gott, Frieden, Kraft im Leben, Trost und Geduld und Hoffnung im Leiden, Freudigkeit im Blick auf das Grab und die Ewigkeit vermag er nicht, dir zu geben. Aber er macht dich zittern; er wirkt in dir die Angst des Gerichts. Vielleicht nicht sogleich; vielleicht, dass der Selbstbetrug deines Herzens eine Weile vor solcher Angst dich schützt; du täuscht dich über dich selbst und den Zustand deines Herzens; du verbirgst dir in eitlem Wahne deine Gottentfremdung und Feindschaft wider Gott. Aber auf die Dauer nicht! Es kommen Zeiten, in welchen die Erkenntnis der Wahrheit die Hülle des Selbstbetrugs durchbricht; unter der Wucht schwerer Schicksalsschläge, überwältigt von dem Ernst des göttlichen Wortes, kannst du es dir nicht länger verbergen, wie nichtig dein Glaube ist. Du zitterst vor der Nähe Gottes, an welchen du glaubst; du möchtest ihm entrinnen; aber dein Glaube bezeugt dir, dass das unmöglich ist. Was will erst werden, wenn das Leben mit seinem täuschenden Scheine zerrinnt, und die Hand des Todes die trügerische Hülle zerreißt, mit welcher du dir den wahren Zustand deiner Seele verbargst, und du stehst da, wie du bist, vor dem Gerichte deines Gottes, im unerbittlichen Lichte der Ewigkeit! Wehe, wenn dann dein Glaube richtend wider dich auftritt! Du glaubtest, und rühmtest dich deines Glaubens, und widerstandest dennoch der Wahrheit, und hattest die Werke nicht; nun wird die Nähe Gottes dir zum verzehrenden Feuer, und du erfährst es: „Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!“ (Hebr. 10,31.)
Gott der Gnade bewahre uns vor solchem Selbstbetrug eines toten Glaubens, welcher nicht Werke hat! - „Die Teufel glauben, und zittern!“ Sie können nicht mehr glauben und selig werden, auch wenn sie es wollten. Wir aber können es noch, wenn wir es wollen. Darum wohlan, in dem Herrn Geliebte! Dass nicht das Wort, welches uns zu unserer Seligkeit gesagt ist, uns am jüngsten Tage richten, und mit der Anklage wider uns aufstehen möge: „Ihr habt nicht gewollt!“ kommt, öffnet dem Werke des Herrn eure Herzen, damit sein heiliger Geist euch erneuere, und ihr in seiner Kraft bis ans Ende fest behalten werdet in dem lebendigen Glauben, welcher Werke hat, und uns gerecht und selig macht! Amen.