Text:
Epistel St. Pauli an die Römer 1,1-4.
Paulus, ein Knecht Jesu Christi, ein berufener Apostel, zum Evangelium Gottes abgesondert, welches er zuvor durch seine Propheten in den heiligen Schriften verheißen hat, von seinem Sohne, der nach dem Fleische aus dem Samen Davids geboren und nach dem Geiste der Heiligung kräftig erwiesen ist als Sohn Gottes, durch die Auferstehung von den Toten, nämlich von Jesu Christo, unserm Herrn.
Mit dem Ostergruße, andächtige Zuhörer, teure Brüder! trete ich in Eure Mitte, mit dem Gruße: Der Herr ist auferstanden! und es ist mir so, als vernähme ich von Eurer Seite den festlichen Gegengruß: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!
Auf diese Weise pflegen sich die Christen der morgenländischen Kirche nach einer alten Sitte am Osterfeste zu begrüßen. Zwischen uns aber soll diese gegenseitige Begrüßung Statt finden zum Zeichen unserer kirchlichen Gemeinschaft, unserer Verbrüderung in der Kirche und an dem Evangelium unsers Herrn Jesu Christi. Derselbe Gast, der draußen den meisten unter Euch noch als ein Fremdling erscheinen muss, steht hier als ein Vertrauter unter Euch, weil er Euch von Herzen den Ostergruß bringt, das gewisse Zeugnis von der Auferstehung Christi, und aus Eurer kirchlichen Osterfeier tönen ihm die befreundeten Stimmen der Heimat entgegen, weil er in ihr den Gegengruß vernimmt, der aus vielen Herzen kommt: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden! Diese herrliche Gewissheit, welche wir haben von der Auferstehung unseres Herrn, ist das Band unserer Gemeinschaft.
Woher aber haben wir diese Gewissheit, dass Christus wirklich auferstanden sei von den Toten? Diese Frage beantwortet uns der Apostel Paulus hier in dem Zwischensatze einer längeren Erklärung über sein Apostelamt mit einem höchst bedeutsamen Worte, indem er nämlich bemerkt, Jesus sei nach dem Geiste der Heiligung kräftig erwiesen als der Sohn Gottes durch die Auferstehung von den Toten, oder in Folge seiner Auferstehung. Er kommt auf diesen Gedanken, indem er von seiner Berufung redet. Das Evangelium Gottes, sagt er, zu dem er abgesondert, zu dem er auserwählt und bestimmt sei, sei ein Evangelium von Jesu Christo, dem Herrn. Dieser sei nach seiner menschlichen Abstammung, nach seiner geschichtlichen Erscheinung aus der Nachkommenschaft Davids; nach dem Geheimnisse seines höheren Wesens aber sei er der Sohn Gottes; denn als solcher habe er sich tatkräftig erwiesen und bewährt, indem er seit seiner Auferstehung den Geist der Heiligung ausgegossen und verbreitet habe. So ist es also der heilige Geist, der heiligende Geist Christi, welchen der Apostel als den großen und entscheidenden Zeugen seiner Herrlichkeit bezeichnet; wie sich diese in seiner Auferstehung offenbart und wie sie in seiner göttlichen Natur beruht. Lasst uns denn diese Wahrheit zu unserer Erbauung mit einander betrachten, wie sich Christus durch den Geist der Heiligung kräftig erweist als der Herr; nämlich erstlich als der Auferstandene, und zweitens als der Sohn Gottes.
Die Auferstehung unsers Herrn Jesu Christi ist eine Tatsache, die sich einst im Lande Judäa zugetragen hat, eine historische Begebenheit; sie gehört also, nach ihrer äußern Seite, der Geschichte an. Und insofern, als dieses Ereignis der Geschichte angehört, kann es einer Untersuchung unterworfen werden, ob es sich wirklich also verhalte, wie es berichtet wird. Was aber geprüft wird, das kann bezweifelt werden, und wenn es in sich bewährt und gewiss ist, so wird es gegen die Zweifel festgestellt durch Beweise. So verhält es sich denn auch mit der Wahrheit der Auferstehung; sie ist durch die stärksten Beweise festgestellt. Denn niemals haben treuere Menschen, reinere Zeugen, als die Jünger des Herrn waren, für eine Begebenheit gezeugt, und die Auferstehung unsers Herrn steht also unter den Tatsachen da, welche geschichtlich ganz entschieden beglaubigt sind.
Allein die Christengemeine wartet nicht auf solche Beweise, um zu glauben, sie ist nicht verlegen darum, und ihre Zuversicht, dass Christus auferstanden sei, ist über den eigentlichen Beweis hoch erhaben. Denn sie weiß es durch ihre Erfahrung, ja durch ihr Dasein selbst, dass sich Christus durch den Geist der Heiligung tatkräftig, dass er sich durch große Wirkungen als der Auferstandene erwiesen hat, und fortwährend also erweist. Diese kräftige Erweisung der Auferstehung Christi aber liegt auf einem ganz andern Gebiete, als der Beweis für dieselbe; sie beseelt die Kirche, sie ruft die Osterfeste hervor und gibt uns auch an diesem Feste unsere Festfreude. Das ist die Natur der lebendigen Erweisungen, sie beweisen durch Tatsachen. Der Beweis ist bloß für das Wissen, für den Zweifler; die Erweisung ist für den Glauben; sie teilt sich Allen mit. Der Beweis lässt die Herzen kalt; die Erweisung ist Leben, und ruft das Leben hervor. Man kann es dir wohl auch an dem trübsten Regentage, wenn der ganze Himmel bedeckt ist von dunklen Wolken, beweisen, dass die Sonne am Himmel steht; man beweist es dir etwa mit der Uhr, aus dem Kalender, oder durch Bestimmungen der Sternkunde.. Aber das ist etwas ganz Anderes, wenn die Sonne tatkräftig erweist, dass sie auf. gegangen ist, wenn ihr Lichtglanz erweckend und belebend auf der Erde ruht, die Erde küsst und ihr Bild aus allen Bächen, Flüssen und Seen dir entgegenleuchtet. So erweist es Christus, dass er auferstanden ist von den Toten, er erweist es tatkräftig durch den Geist der Heiligung, der seit seiner Auferstehung von ihm ausgeht in die Welt.
Der Geist der Heiligung ist wirksam und offenbar in der christlichen Kirche. Die Kirche ist sein Werk und seine Werkstätte, in welcher er immerdar fortarbeitet in seiner Kraft. Welche Wirkungen erblicken wir, wenn wir die Kirche Christi genauer betrachten nach ihrem Kern, nach ihrem reinen, innern Wesen? Wir erblicken eine neue Schöpfung, die der Geist des Herrn bewirkt in der alten; eine neue Menschheit wird herausgearbeitet aus der alten durch den Geist der Wiedergeburt und Erneuerung, eine neue Welt wird emporgehoben aus den alten wüsten, finstern, schrecklichen Zuständen des Menschenlebens - ja es ist so, als sähen wir einen gefallenen, versunkenen Stern durch unsichtbare, aber gewaltige Kräfte langsam, aber sicher, wieder emporgezogen werden aus dem Abgrunde, und frei werden von seiner Verdüsterung, um wiederum in dem reinen Äther des Himmels zu glänzen.
Wie wird uns dieses himmlische Leben der Kirche so klar enthüllt, wenn wir die einzelnen gewaltigen Wirkungen des Geistes der Heiligung ins Auge fassen! Außer der Gemeine Christi finden wir die Welt von Schuldbewusstsein erfüllt, voll dunkler Furcht und scheuer Angst vor dem Walten der ewigen Gerechtigkeit Gottes. Daher wollen Viele sich vor Gott versöhnen durch selbsterwählte Opfer oder Büßungen; Andere wollen den Himmel erstürmen durch das vermeintliche Verdienst ihrer Werke; wieder Andere wollen das Lächeln der Huld Gottes, das Gefühl der Seligkeit sogar auf dem Wege der sündlichen Lust, im Dienste der Eitelkeit zu gewinnen suchen. Denn oft hat sich die Angst, der Unfriede des Schuldbewusstseins auf die seltsamste Weise verhüllt und verlarvt. Aber nur in der Gemeine Christi waltet der Geist der Versöhnung, nur in ihr ist der wahre Seelenfriede zu finden. Denn der Geist der Heiligung beruhigt die Seelen der Gläubigen vor Gott durch den Trost, dass ihnen ihre Sünden vergeben sind in dem Namen Jesu. Der Tröster ist gekommen zu den über ihre Schuld gebeugten Herzen von dem hohen Throne der Gnade. Und nun gibt es viele Christen überall, die seines Trostes froh geworden sind, die den Frieden der Versöhnung erlangt haben, und tief beruhigt sind vor Gott, in der Liebe Gottes; Viele, die mit ihrem innersten Gefühle sich in die Tiefe der göttlichen Erbarmung versenken, wie Kinder im Schoß ihres Vaters ruhen, die im kindlichen Zuge freier Liebe zum Vater kommen und auch in ihrem Unglück den Segen aus Gottes Hand mit Vertrauen annehmen, wie Jesus den bitteren Kelch aus der Hand des Vaters annahm in Gethsemane. Diese Gemeine des seligen Gottvertrauens aber vermehrt sich auf Erden immerfort, denn es strömt der Geist der Gnade und des Friedens immer reichlicher von oben her in die Herzen der Gläubigen, und durch sie in die Welt, und einst sollen sich nach dem Worte des Propheten alle Kniee beugen und alle Zungen schwören: in dem Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke!
Betrachten wir nun diese Gemeine von einer andern Seite, so erscheint sie uns als ein Verein, der die Liebe, die vom Himmel ist, auf Erden verkündigt, übt und ausbreitet. In dem natürlichen Leben der Menschen fehlt diese Liebe; da waltet die Selbstsucht, da vergiftet kranke Eigenliebe alle Verhältnisse, und der Eigennutz droht, die ganze Gemeinschaft der Menschen zu verderben. Freilich werden diese dunklen Mächte gebändigt durch einen hellen Lichtstrahl von oben, das ist das Recht, das Gesetz, wie es aus dem Gewissen der bessern Menschen hervorgeht und Ordnung und Segen stiftet auf Erden. Und wohl wächst auch unter dem mächtigen, allwaltenden Hauche der Huld Gottes überall auf Erden Menschenfreundlichkeit, Wohlwollen und Billigkeit auf dem Gebiete des natürlichen Lebens zwischen den Dornen der Selbstsucht auf. Allein in diesen zerstreuten Zeichen der Liebe erscheint uns noch nicht das Reich der himmlischen Liebe, jener Liebe, in welcher Christus für seine Feinde das Kreuz erduldete. Dieses Reich aber ist wirklich vorhanden, ein verborgener Himmel auf Erden, ein Verein von Menschen, die so zu sagen das Reichsgesetz von einem schöneren Sterne her in ihrem Herzen tragen. Es sind wirklich Seelen da, überall, die ergriffen sind von der Macht der Liebe, die sich selbst verläugnen können, um dem Nächsten zu dienen, die in Wahrheit beten für ihre Feinde, und sich den Elenden und Notleidenden zuwenden mit freiem Erbarmen. Darum ist es aber gewiss aus dem Wesen dieses Geistes: er wird nicht ruhen, bis sein Hauch die Erde erfüllt, verwandelt und zum Himmel verklärt hat, bis alle Menschen wieder verbrüdert stehen vor dem Angesichte des Vaters im Himmel.
Dieselbe Gemeine Christi aber, wenn wir sie wieder von einer andern Seite betrachten, so erscheint sie uns als eine Schar von Helden, die dem Tode mit festem Siegesgefühl entgegen gehen, in der Gewissheit, dass sie ihn überwunden haben. Die Welt ist erfüllt von offenbarer und heimlicher Furcht des Todes; eine finstere Wolke bedeckt den Sterblichen die Sonne des ewigen Lebens. Freilich eine kühne, verwegene Todesverachtung finden wir manchmal auch bei edlen oder starken Heiden. Der Mensch ist zu geisterhaft in seinem Wesen, als dass er sich nicht spannen könnte gegen das Naturgefühl der Todesangst, und selbst über dieses Gefühl emporschwingen. Aber in solchen Fällen ist das Gefühl der Todesverachtung um einen viel zu teuren Preis erkauft, nämlich mit der Verachtung des Lebens; ein versteckter Wurm der Verzweiflung ist die Seele dieses Mutes, wenn er nicht im Zusammenhang steht mit der Siegesfeier über den Tod, welche die Gemeine Christi unvergänglich beseelt. Wie wunderbar aber ist diese Erscheinung, die Zuversicht des ewigen Lebens, in der Hülle von Staub, in dem Gewande der Sterblichkeit! Diese Zuversicht aber finden wir bei allen wahren Gliedern der Gemeine Christi, da gibt es Kranke, die im Herzen des Lebens gewiss sind, als ständen sie in der schönsten Blüte des Lebens; zitternd Schwache, die sich stark fühlen in der Freude eines unvergänglichen Daseins; Sterbende, denen die selige Hoffnung aus den Augen leuchtet, dass sie einschlafen werden im Schoß des Vaters, um jenseits zu einem reichern, reineren Leben zu erwachen. Einst aber wird die Zeit erscheinen, wo auch die letzten Todesschrecken von der Erde verschwinden müssen vor dem Geiste der Heiligung, der sein Belebungswerk in der Menschheit fortsetzen wird bis zu ihrer Auferstehung. Der letzte Feind, welcher aufgehoben wird, ist der Tod. -
Woher aber weht dieser Geist der Heiligung? woher ist er gekommen? Das bekennt jeder Christ, das neue Leben habe er nicht aus sich selber, sondern es sei ihm zu Teil geworden als ein Gottesgeschenk von oben her. Das bezeugt die ganze Kirche Christi, sie verdanke ihr himmlisches Leben nicht sich selber, es sei ihr zugeströmt durch den Geist der Heiligung aus einer himmlischen Quelle. Wo ist nun die Quelle dieses heiligen Stromes, der immer breiter, immer tiefer durch die Welt fließt, um die Menschheit gesund zu machen? Darauf antwortet uns der Apostel in unserm Text, indem er sagt, aus der Auferstehung Jesu Christi sei diese neue Schöpfung hervorgegangen durch den Geist der Heiligung. Diese Gemeine Christi in ihrer verborgenen Herrlichkeit und das Leben dieser Gemeine, von seinem stillen Anfang an bis zu seiner herrlichen Vollendung am Weltende, da, es alle Welt erfüllen soll: das bezeichnet der Apostel als den lebendigen Beweis, die große, tatkräftige Erweisung der Auferstehung Jesu Christi. Jede Wirkung muss ihre Ursache haben; diese große, wunderbare Wirkung aber kann keine geringere, keine andere Ursache haben, als die, welche uns in der Auferstehung Jesu Christi verkündigt ist. Denken wir uns einen Augenblick, Christus sei nicht auferstanden, so können wir uns das himmlische Leben der Kirche, das neue Leben der Gläubigen durchaus nicht erklären. Wäre Christus den Menschen nicht wieder gegeben worden von Gott, wäre er nicht mit dem Gruße des Friedens wieder zu uns gekommen aus dem Allerheiligsten, in welches er hinein gegangen war, uns zu versöhnen; wäre er also nicht auferweckt um unserer Gerechtigkeit willen, dann fehlte uns das große, gewisse Siegel der Versöhnung, der Zugang zum Gnadenthrone wäre uns noch durch das Drohen der Gerechtigkeit verborgen, und es könnten nicht so viele tausend Herzen selig sein, im Gefühle des Friedens mit Gott, und in der Freudigkeit des kindlichen Geistes beten zum Vater. Oder wenn es dem Hasse der Welt, nachdem er Christum an das Kreuz geschlagen, vergönnt geblieben wäre, diesen heiligen Raub, so zu sagen die Liebe selbst, in ihrer sichtbaren Gestalt für immer eins zuschließen in das Gefängnis des Grabes, wenn die Liebe nicht triumphierend hervorgegangen wäre aus den Todesbanden, mit welchen der Groll und Gram der Welt in ihrer Blindheit sie gefesselt, dann könnten unmöglich so viele Seelen in dem Lichte der Liebe wandeln, in ihrer Kraft alle Reizungen des Hasses und der Bosheit überwinden und die Zukunft aller Seligkeit des Himmels durch die Werke der Liebe auf Erden ansagen. Wäre es endlich dem Tode verstattet gewesen, auch das Leben Christi in seinen dunklen Tiefen festzuhalten, das heilige Bild der reinen Menschheit, in welchem der Abglanz Gottes geleuchtet, den Leib des Herrn, durch die Verwesung zu zerstören: wie könnte dann eine so wunderbare Gewissheit des ewigen, des neuen Lebens, der Auferstehung die Kirche erfüllen und so viele Sterbende über die Furcht des Todes hoch empor tragen? So erweist sich also der Auferstandene und so erweist er die Kraft seiner Auferstehung fort und fort durch den Geist der Heiligung, den er in der Welt verbreitet. Aber sollte es nicht möglich sein können, dass dieselben Wirkungen ausgegangen wären von einer Vorstellung der Auferstehung in der Seele begeisterter Menschen, statt von der Tatsache der Auferstehung selbst? Nein, meine Brüder, dem Irrtum ist diese Tatkraft, diese Siegesmacht und Segensmacht in Gottes Welt nicht gegeben; eine solche Vorstellung aber, welcher die Wirklichkeit nicht entsprochen hätte, wäre jedenfalls ein Irrtum gewesen. Nur der Wahrheit gehört das Leben; nur sie kann das Leben verbreiten.
Es gibt freilich Irrtümer, welche gewaltig gewirkt haben auf Erden, aber nur deswegen konnten sie so gewaltig wirken, weil ihnen irgend eine Wahrheit beigemischt war, und immer wirkten sie doch in demselben Maß verderblich, als in ihnen die Wahrheit verderbt war. Hier aber werden wir von einem unendlichen Strome reiner, guter, seliger Wirkungen, von den Anfängen des Himmels auf Erden; davon, wie hier im geistlichen Sinne die Toten auferstehen aus den Gräbern aus den Gräbern des Schuldbewusstseins, der Angst, des Grames, der Selbstsucht und Fleischeslust, und zu einem schöneren Leben im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe erwachen. Diese wunderbaren Wirkungen können nur aus einem ganz entsprechenden ersten Wunder der Offenbarung des neuen himmlischen Lebens auf Erden in geschichtlicher Tatkraft, sie können nur aus der herrlichen Begebenheit der Auferstehung unsers Herrn Jesu Christi hervorgehen. Ja, nicht nur davon, dass Christus auferstanden ist, sondern auch da von, dass er immer noch lebt und wirkt in der Kraft seiner Auferstehung, zeugt uns der heiligende Geist, der von ihm ausgeht. Wohl uns, dass seine Kraft auch unter uns wirksam ist. So erfahren wir es in der höheren Wirklichkeit: Christus lebt; als ob er in unsre Mitte träte in der Kraft seiner Auferstehung mit dem Gruße: Friede sei mit euch! So rückt er uns seine Auferstehung aus der Vergangenheit in die Gegenwart herüber durch die Wirkungen seines Geistes. Lasst uns Alle dadurch, dass wir um seinen Geist bitten und seinen Geist aufnehmen, diese selige Gewissheit seiner Auferstehung erfahren, und so Alle miteinander Zeugen werden seines Sieges, Bürgen dafür, dass er lebt als der Herr, dass er der Auferstandene ist und in der Kraft seiner Auferstehung sich als der Sohn Gottes erweist.
Seit seiner Auferstehung erweist sich Christus tatsächlich und kräftig als der Sohn Gottes. Dass er der Sohn Gottes ist: dies ist ein Lehrsatz seiner Kirche. Die kirchlichen Lehrsätze aber als solche können, wie alle Lehrsätze, erörtert, sie können geprüft, sie können bezweifelt werden; und gegen die Zweifel können sie festgestellt werden durch Beweise. So wird denn auch die Lehre von der Gottheit Christi durch die kirchliche Wissenschaft bewiesen. Aber auch hier wartet seine Gemeine nicht erst auf solche Beweise, um von seiner Herrlichkeit, von seiner göttlichen Würde getrost und fröhlich zu zeugen. So wie er sich einst seinen Jüngern allmählig, durch wunderbare Tatsachen und durch die Worte des ewigen Lebens in seinem himmlischen Wesen offenbarte, bis Petrus begeistert ausrief: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, so hat er auch seiner Gemeine durch sein Wort, seinen Geist, seine beseligenden Wirkungen einen unauslöschlichen Eindruck von seiner göttlichen Herrlichkeit gegeben. Und auf dieser lebendigen Erfahrung beruht ihr freies, entschiedenes Bekenntnis. Was könnte der Lehrsatz uns geben, was der Beweis uns nützen, wenn uns die große Erweisung des göttlichen Wesens und der göttlichen Kraft Christi fremd geworden wäre, aus welcher die Lehre hervorgegangen ist! Nur durch diese Erweisung wird das Bekenntnis der Ehre Christi zu einem gewissen, lebendigen Zeugnis von einem wahrhaftigen Verhältnis, von der schönsten, herrlichsten Wirklichkeit, die sich im gemeinen Menschenleben kund gegeben, von der Offenbarung Gottes im Fleisch.
Wie aber erweist sich Christus als der Sohn Gottes? Lasst uns bedenken, wie genau der Apostel Paulus die Erweisung seiner göttlichen Herrlichkeit in Verbindung seht mit seiner Auferstehung. Nicht lange nach seiner Auferstehung, von dem Pfingstfeste an, fing der heilige Geist, der sich in seinem Leben kund gegeben und ausgesprochen hatte, an, zu strömen; er kam herab auf seine Jünger, und machte sie ganz zu seinen Geistes- und Lebensverwandten, in denen die Übereinstimmung und Gemeinschaft mit ihm in der Gesinnung, die Ähnlichkeit seines Lebens immer leuchtender offenbar würde. Die Jünger aber stifteten in der Kraft dieses Geistes die Gemeine; so hatte er eine Stätte gefunden in der Welt, um der Welt sich mitzuteilen. Dieser Geist aber zeugte zunächst von der Auferstehung Christi, und durch dieses Zeugnis gerade beglaubigte er es, dass Christus der Herr sei, der Sohn Gottes. So muss also seine Herrlichkeit und Gottheit durch seine Auferstehung selber sich erweisen.
Wenn wir ihn betrachten als den, der auferstanden ist von den Toten, dann muss der Gedanke unsere Seele ergreifen: Gott ist mit ihm in einem ganz einzigen Sinne. Freilich waltet Gott in seinem Erbarmen über allen Menschen; er ist mit jedem Einzelnen seiner Kinder auf wunderbare Weise; die Führung jeder einzelnen Seele ist ein besonderes Meisterwerk seiner Güte und Treue. Aber dennoch erscheint uns Christus in seiner Auferstehung als das heilige Kind der Vorsehung Gottes vor allen Andern. Wohl hat ihn der Vater dahingegeben in die Not und Nacht des Kreuzes, weil er tragen wollte die Last der Welt zu unserer Versöhnung. Aber dann hat er ihn auch erhöht, und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, weil er gehorsam geblieben ist bis zum Tode am Kreuz. Und unter dieser glorreichen Führung, durch den Tod zur Auferstehung, durch die Kreuzestiefe zur Herrlichkeit, erscheint uns Christus als das geliebte Kind des Vaters. Nun steht er da als der verherrlichte Bote vom Vater, als der treue Zeuge, als der große Sieger über Welt, Sünde und Tod: Gott hat ihn zum Mittelpunkt der Zeiten und der Völker gemacht; die Blicke des Menschengeschlechtes sind auf ihn gerichtet. Nun steht er da als der Auferstandene, welcher sagen kann: ich war tot, und stehe, ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit, als Lebensfürst, von dem großen Geschlecht der Sterblichen umgeben, und er wird Allen, die ihn aufnehmen, ein Bürge der Auferstehung. So hat ihn Gott emporgezogen über den Staub der Erde, über das Dunkel der Gräber hinauf in seinen Himmel; Gott war mit ihm.
Er war aber mit ihm in der höchsten Offenbarung seiner Güte und Treue, weil er in ihm war und sich durch ihn offenbarte der Welt. Von Christo ist das göttliche Leben durch den Geist der Heiligung ausgegangen in die Welt seit seiner Auferstehung. Von ihm geht der große Tag der Offenbarung aus, die Erkenntnis des Vaters. Niemand, sagt Johannes, hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt. Von ihm geht der Trost der Versöhnung aus, der Friede des Vaters. Denn Gott war in Christo, sagt Paulus, und versöhnte die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. Von ihm geht nach seinem eigenen Worte das neue, königliche Gebot der Liebe aus, dass sich die Seinen unter einander lieben sollen und die Feinde lieben sollen, wie er sie geliebt hat bis in den Tod. Ja, von ihm gehen alle Kräfte und Segnungen des neuen Lebens aus; er ist es, der den Seinen den Geist der Heiligung verheißen hat und der ihn sendet vom Vater. Überall, wo Menschenherzen zu Leben sind durch den neuen Glauben, da wird über ihnen der Name Jesu Christi gepriesen, und ihm geben sie die Ehre dafür, dass er sie von der Finsternis des Lebens in der Sünde berufen hat zu seinem wunderbaren Lichte. Alle die, deren Herzen beruhigt, gestillt und beseligt sind durch den Frieden Gottes, die in dem Geiste der Kindschaft leben und Gott loben, die den Vatersegen annehmen können in dem Kreuzesleiden: sie Alle bezeugen es dem Erlöser, dass er sie erquickt habe mit seinem Frieden, dass er sie getränkt habe aus seinem Kelche und dadurch ihre Seelen beruhigt und himmlisch erfreut. Und Alle, welche die Macht der Finsternis besiegt haben durch die Kraft des Glaubens und gekommen sind zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes und nun die gewisse Zuversicht haben, dass sie nach dem ersten Siege, nach ihrer Befreiung von den Banden der Sünde, durch Gottes Treue von Sieg zu Sieg werden hinaufgezogen werden bis zur Vollendung: alle diese bezeugen es, dass der Name Jesu ihre Losung sei in dem heiligen Kampfe und dass sie ihm, als dem Siegesfürsten und Führer zur Seligkeit, folgen.
Ja, was uns irgend wahrhaft Göttliches berührt hat in unserm Leben, was uns gestraft hat, oder getröstet, beschwichtigt im Grunde der Seele, oder tief aufgeweckt, den Herrn zu loben in der Demut und in der Liebe: das war immer im Grunde ein Segen des Sieges Christi; von ihm ist es ausgeflossen, durch sein treues Herz ist es uns zugeflossen aus den Tiefen der Gottheit. O wie unendlich strömt also die Fülle des göttlichen Lebens von ihm aus! Darum ruft auch Paulus, tief ergriffen und anbetend, das Work aus: In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Dieser aber, der alle Segnungen und selbst die edelsten Schätze des Vaterhauses verteilen kann, ja die herrlichsten Gaben der Geistesgemeinschaft, der Liebe, Kraft und Seligkeit aus dem Vaterherzen verleihen kann und der dazu ganz eigentümlich berufen und berechtigt ist das ist der Erbe im Hause, der Eingeborne im Schoß des Vaters, das ist der Sohn. Durch seine göttlichen Wirkungen und Segnungen hat er sich kräftig erwiesen als der Sohn Gottes, und so erweist er sich immerfort. Wenn wir uns aber in diese tiefe Wahrheit versenken, dass Christus so ganz der Mittler ist zwischen Gott und den Menschen, dass Gott die Menschheit ansteht und segnet in ihm, dass wir die Gottheit ansehen und finden in ihm, dann ahnen wir die Tiefe des Wortes: Alle Dinge sind zu ihm und durch ihn geschaffen; wir tauchen uns mit dem Mute des Glaubens in das königliche Geheimnis hinab, dass Gott nach diesem Bilde des Lebens Christi die Welt geschaffen und dass er in diesem Bilde sich selber angeschaut von Ewigkeit, dass Christus der Sohn Gottes ist, weil er sein Ebenbild ist von Ewigkeit her und der reine Abglanz seines Wesens in der Welt. Seine herrlichen Erweisungen lehren uns ahnen die Herrlichkeit seines Wesens.
So erfahren wir es denn durch die erleuchtende und erlösende und heiligende Kraft Christi, dass er der Sohn Gottes ist. Wenn sein Geist uns berührt oder anregt, wenn wir einen Eindruck bekommen von der Kraft seines Sündenhasses, von dem reinen Himmelsglanz seiner Heiligkeit, oder von der Tiefe seines Gottesfriedens, oder von der Macht seiner Liebe, oder von der Innigkeit seines Vertrauens und der Festigkeit seiner Treue, dann berührt uns allemal ein Strahl seiner Majestät, ein Sonnenstrahl seiner göttlichen Herrlichkeit entzündet, belebt unser Herz. Dann aber fühlen wir es, wie er die Millionen des Menschengeschlechtes aufwiegt und überwiegt vor Gott in seiner Gerechtigkeit, wie Gott Völker geben kann um seine Seele, nach dem Worte des Propheten, und Völker segnen und retten durch sein treues Herz, wie durch ihn die Gottheit gekommen ist in die Menschheit. Und wenn wir in einer heiligen, stillen Stunde des Gebetes eine Ahnung bekommen von der heiligen Lebenstiefe der Stunden Jesu, jener Stunden, in denen er in den Nächten mit dem Vater redete von dem Weh und von dem Heile der armen, sündigen Welt; jener andern Stunden, in denen er die großen Gotteswerke der Hülfe und Erbarmung wirkte in seinem Volk, und jener allerheiligsten Stunden, in denen er in den größten Versuchungen unser Heil erstritt, in Gethsemane und auf Golgatha, dann fühlen wir, wie durch ihn die Ewigkeit gekommen ist in die Zeit, wie seine Stunden Menschen. Und nun wird es uns so klar, dass seine Zeit nicht vorbeigegangen ist im Laufe der Zeiten, dass er uns ewig gegenwärtig ist durch die Macht seines Geistes und von seinem Throne vom Himmel herab mächtiger auf uns wirken kann, als tausend Andere in unserer nächsten Umgebung, dass er lebt in Ewigkeit und sein Werk vollführt auf Erden, bis in seinem Namen sich alle Kniee beugen und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes, des Vaters. So lasset uns Alle Zeugen seiner Würde werden durch die Erfahrung seiner Kraft. Wer seine Kraft nicht kennt, wie will er seine Würde bekennen können in der Wahrheit? Seine Kraft aber ist in seinem Geiste, und sein Geist kommt zu uns mit seinem Worte. Mit seinem Worte also wollen wir immer wichtiger sind, als die Jahrhunderte gewöhnlichere mehr vertraut werden. Und wenn dieses Wort uns dann die Herrlichkeit Christi enthüllt, dann fühlen wir, wie arm wir sind in uns selber und wie reich in ihm. Wenn die Kraft seines Zeugnisses von der Gnade des Vaters über uns, das er gezeugt hat mit seinem Worte und mit seinem Blute, unsere Seele ergreift, dann treibt uns der Geist der Kindschaft, dass wir mit freiem, kühnem Vertrauen in seinem Namen zum Vater gehen, und wir versenken uns in die Seligkeit seines Friedens. Und fühlen wir uns dann berufen, in der Liebe Gottes zu wandeln und uns in dem Lichte der Wahrheit zu heiligen durch sein Wort, um das Reich Gottes mitzubauen in unserm Leben, in unserm Kreise, dann wird es uns zur erhebenden Gewissheit, dass er der König ist in diesem Reiche des göttlichen Lebens, der Gottesarbeit zur Beseligung der Menschen, der König im Namen des Vaters, und dass wir stehen in seinem Dienste. Nun aber wird es uns auch immer mehr enthüllt, dass er ein großes Volk hat, das ihm geheiligt ist in allen Landen, und wie groß das Werk der Heiligung ist, das er immer fortsetzt in der Stille bis zur Verklärung der Welt. So wird denn unser Bekenntnis ganz von der Kraft seiner Erweisungen beseelt, ein lebendiges Zeugnis, dass er der Auferstandene sei, der Sohn Gottes, und darum Christus, unser Herr. Amen.