Text: 4. Buch Mosis 21, 16-17.
Und von dannen zogen sie zum Brunnen. Das ist der Brunnen, davon der Herr zu Mose sagte: Sammle das Volk, ich will ihnen Wasser geben. Da sang Israel dieses Lied, und sangen um einander über dem Brunnen.
Israel, dessen Reise uns auch heute beschäftigen wird, munterte sich einst bei der Gelegenheit, die wir gleich näher betrachten werden, einander auf: Singt in die Wette über dem Brunnen. Wir kennen nur einen Brunnen, welcher ist Christus. Über diesem Brunnen singt die Gemeinde so fröhlich und gläubig, wie sie nur kann, und wenn sie darüber nicht rühmen könnte, wovon wollte sie sonst rühmen? Sie singt um die Wette. Einer suche es im Rühmen dieses Brunnens dem anderen zuvorzutun; jeglicher werde so gelehrt, dass er nichts mehr wisse, als Jesum Christum den Gekreuzigten, wiewohl er selbst nichts ist. Sie singt in die Wette. Dieser rühmt seine Gnade, seine Freundlichkeit, seine Gerechtigkeit, seine Stärke, mit einem Wort seine Allgenugsamkeit und Alleinheit noch lieblicher, noch gläubiger, noch fröhlicher, wie der Andre. O, schönes Lied! O, dass wir seinen Inhalt und seine Weise immer besser lernen, und der Herr uns die rechte Stimme und den rechten Ton dazu verleihe, wozu er auch diese Abendstunde segne.
Auch heute beschäftigen wir uns noch mit dem Bericht aus dem Büchlein von den Streiten des Herrn, woraus uns Moses ein Bruchstück mitteilt. Das Büchlein von den Streiten des Herrn tut Meldung von einem Brunnen. Es gibt wohl nichts Köstlicheres, als einen Wasserbrunnen in einer dürren Einöde, so wie gänzlicher Wassermangel eben so schrecklich ist, als eine gänzliche Hungersnot; beide sind tödlich. Wasser ist daher in der Schrift auch ein Bild der köstlichsten Güter, ja des dreieinigen Gottes selbst, welcher sich die lebendige Quelle nennt. Seine Vortrefflichkeit wird erst über dem Mangel desselben offenbar. Bei dieser Gelegenheit hören wir, dass der Herr dem Volke einen Brunnen gegeben habe, wiewohl wir die Umstände des Orts und der Zeit nicht wissen, und uns in der Reisegeschichte nichts darüber gemeldet wird. Zweimal hatte Gott ihnen Wasser aus einem Felsen gegeben: das erste Mal vermittelst eines Schlages mit dem Stabe Mosis, das andere Mal geschah es zwar auch so, jedoch wider den Willen des Herrn, welcher Mose befahl, den Felsen bloß anzureden, an dessen Statt schlug er ihn. Hier war's nun das dritte Mal, dass Gott ihnen Wasser gab. Er versprachs vorher, ich will ihnen Wasser geben, und befahl, das Volk zusammen zu rufen. Israel war sehr gläubig und sehr fröhlich, so dass sie ein kleines Lied um die Wette sangen: Spring, Brunnen, spring! sagten sie; das ist der Brunnen, den die Fürsten gegraben haben, die Edlen im Volk haben ihn gegraben durch den Lehrer und ihre Stäbe.
Sie hatten wohl schon größere Wohltaten empfangen, und Wunder gesehen, ohne so fröhlich und dankbar darüber zu werden. Aber das hängt nicht grade von der Größe und Vortrefflichkeit, sondern von dem Eindruck ab, den es aufs Gemüt macht. Eine satte Seele zertritt wohl Honigseim, aber dem Hungrigen ist auch das Bittere süß. Wir haben hier auch einen Beweis der mannigfaltigsten Weisheit und Güte Gottes, der das Nämliche auch auf verschiedene Weise geben kann, dort durch einen Schlag, hier mussten sie den Brunnen graben. Er kann uns nicht nur dadurch vergnügt machen, dass er einen Druck, eine Widerwärtigkeit, ein Leiden von uns nimmt, sondern er kann es fortdauern lassen, aber unseren Willen beugen, und so unser Herz trösten und vergnügen. Billig sollten wir daher dem Herrn keine Regeln vorschreiben. Er kann uns auf mancherlei Weise helfen. Gott gab ihnen Wasser, jedoch nicht unmittelbar, sondern, wie sonst Mosis Hand und Stimme das Mittel dazu hatte sein müssen, so jetzt die Fürsten und Edlen im Volke, durch den Lehrer und ihre Stäbe. Gott erwählt und bereitet sich seine Leute, wodurch er das, was er will, ausführt. Wie es nun töricht und sündlich ist, wenn man Gott seine Ehre raubt, und ihn nicht als den Ursprung alles Guten anerkennt, so ist es auch verkehrt, wenn man sich in seine Ordnung nicht fügen und die Mittel verschmähen wollte, welche er angewendet wissen will. Der große Auserwählte Gottes aber, durch den er Alles ausrichten will, ist sein Sohn, Jesus Christus. Er ist es, von dem schon dem Abraham verheißen wurde, dass durch ihn alle Völker sollten gesegnet werden; durch ihn segnet uns der Vater mit geistlichen Segnungen in himmlischen Gütern. Ihn hat er zum Herrn und Christ gemacht, ihn hat er versiegelt. Alle Gewalt, alle Dinge, alle Güter sind ihm übergeben, sind in seine Hände niedergelegt. Alle Fülle wohnt in ihm, er ist der eigentliche Brunnen, und die Samariterin hatte nicht Ursache, ihn zu fragen: Woher hast du Wasser? oder sich zweifelnd zu erkundigen: Bist du mehr, als unser Vater Jakob? denn wohl war er mehr. Er hat das köstlichste Wasser; Wasser, das lebendig macht, das reinigt, das für immer den Durst löscht, das sogar ein Quell des Wassers wird in dem, der's trinkt, und welches in das ewige Leben fließt. Dies Gottes-Brünnlein hat Wassers die Fülle, wo nur leere Herzen sind. Nur die Vollen bleiben leer, Leere werden voll. Sie haben aus ihrer sie beugenden Leere nicht die Fortdauer derselben, sondern ihr endliches Aufhören zu schließen. Gott hat das große Wort: Ich will ihnen Wasser geben, erfüllt, und dieser Brunnen war Christus, wie Paulus von dem Felsen sagt: Der Fels aber ist Christus. Wir haben glücklicherweise den Brunnen: was von Gott gegeben ist, das ist doch gewiss und ohne allen Zweifel und alle Bedenklichkeit gegeben. Und er hat uns den Brunnen des Heils, den Born wider die Sünde und Unreinigkeit frei geschenkt. Ist es denn nicht gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus in die Welt kommen ist, Sünder selig zu machen. Sollen wir uns denn nicht billig in der Kraft des Heiligen Geistes mit Abraham ermannen, aufs gewisseste zu glauben und nicht zu zweifeln? Haben wir denn nicht die zwei Stücke, die nicht wanken, und deren jedes fester ist, als Himmel und Erde? haben wir nicht einen starken Trost und festen Hoffnungsanker durch die Verheißungen und eben darin durch den Eidschwur Gottes? Es ist der einzige Brunnen. Rings umher ist nichts, als eine dürre Sandwüste, wiewohl dieser Brunnen Umfang genug hat, dass alle, die nur wollen, hinzutreten und umsonst Gnade für Gnade schöpfen können. Wir haben anders keinen Brunnen, so wenig als Israel. Meint ihr, ihr wolltet ohne ihn was Taugliches ausrichten? Glaubt ihr, ihr werdet anderswoher etwas nehmen können, wenn es euch nicht daraus gegeben wird? Hofft ihr durch irgendetwas weise, gerecht, geheiligt und erlöst zu werden, auch außer dem, der uns zur Weisheit geworden ist von Gott, und zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung? Ach! dann gleicht ihr jenen Wanderern in Sandwüsten, welche meinen, sie sähen in einiger Entfernung einen See voll des klarsten Wassers; aber da sie nun darauf zueilen, zieht sich das Truggebilde immer weiter zurück. Dieser aber ist ein reicher und reich machender Brunnen. Zwar sagt der Herr dort tadelnd zu dem Engel von Laodicea: Du sprichst: ich bin reich, und habe gar satt und bedarf nichts, und weißt nicht, dass du bist elend jämmerlich, arm, blind und bloß; aber dem zu Smyrna schreibt er: Ich weiß deine Armut, du bist aber reich. Und Paulus trägt kein Bedenken, den Korinthern zu schreiben: Ihr seid durch Christum an allem Stück reich gemacht in aller Lehre und Erkenntnis, wie denn die Predigt von Christo in euch kräftig geworden ist, also, dass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe, und wartet nur auf die Offenbarung unsers Herrn Jesu Christi, welcher euch auch festbehalten wird bis an das Ende, dass ihr unsträflich seid auf den Tag unsers Herrn Jesu Christi, denn Gott ist getreu, durch welchen ihr berufen seid zur Gemeinschaft Jesu Christi, seines Sohnes, unsers Herrn. Als so reiche Leute behandelt Paulus diese Christen. Johannes tut es auch, wenn er sagt: Ihr bedürfet nicht, dass euch jemand lehre, denn ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und wisst Alles. Welch einen Reichtum an Kraft gibt dieser Brunnen, also, dass keiner, der daraus trinkt, sagt: Ich bin schwach, sondern vielmehr: Ich vermag Alles! - welch einen Reichtum von Gerechtigkeit, also, dass sie fragen dürfen: Wer will beschuldigen, wer verdammen? welch eine Sicherheit, also, dass ihnen unter den grauenerregendsten Umständen auch kein Haar gekrümmt werden darf! welch einen Trost, also, dass sie jeden Augenblick überschwänglich in Freude geraten können, sollten sie auch mitunter traurig sein in mancherlei Anfechtungen! Was ist dieser Brunnen für ein schöner Brunnen. O, du Schönster unter den Menschenkindern, o, du alte, und immer neue Schönheit, warum habe ich dich so spät erkannt! rief Augustin. Man kann ihn nicht erkennen, ohne dass sich alle Begierden der Seele daran fesselten, und eine unaussprechliche Liebe an ihn kettet. Man frage sie: Wollt ihr auch weggehen? sie werden antworten: Herr, wohin? Du hast Worte des ewigen Lebens.
Wir sehen die Kinder Israel sehr fröhlich. Wir hören sie munter in Wechselchören singen; „Spring, Brunnen, spring,“ singen sie. Der feste Glaube, Gott werde ihnen Wasser aus dem dürren Sande geben, wie er ihnen verheißen, macht sie schon im Voraus so fröhlich, ehe sie es noch hervorquellen sehen; denn das ist des lebendigen Glaubens Art, dass er das Herz fest und fröhlich macht, vertrauend, was Gott verheißt, sei so gut, als hätten wir's schon im Besitz. Jesus ist ein gemeinschaftliches Gut, und so ist's eine gemeinschaftliche Freude ohne Neid und ohne Streit. Alle armen Sünder haben gleiches Recht an ihn, der eine nicht mehr, der andre nicht weniger, oder, wenn jemand vor dem anderen her mehr Recht hat, so hat's der Ärmere; weniger, so hat's der, welcher sich mehr zu sein dünkt, denn der Größere soll dem Ärmeren dienen.
Das Vergnügtsein, welches wir in Israel mitten in der Wüste und unter den Feinden mit Wohlgefallen gewahr werden, dies Vergnügtsein, wovon David sagt: Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde - ist eine Abbildung des Vergnügens einer Gott liebenden Seele, welches ihr durch die Entdeckung Christi zu Teil wird, nachdem sie eine Weile in der Wüste der Angst und Anfechtung hat aushalten müssen. Wer kann das Wohlsein beschreiben, was dann eine Seele empfindet! Man sieht ihr dies innere Wohlsein in den Gesichtszügen und ihrer ganzen Haltung an. Ihr Mund ergießt sich in Lobgesängen und Danksagungen; ihre Klage verwandelt sich in einen Reigen: denn du hast meinen Fuß vom Gleiten errettet, mein Auge von Tränen, mein Leben vom Verderben. Alle meine Sünden hast du mir vergeben, heilest alle meine Gebrechen, frönest mich mit Gnade und Barmherzigkeit. O! wie selig findet sie's in ihrer eigenen Erfahrung bestätigt, was der königliche Dichter in seinen Ängsten zu seiner Seele sagte: Du wirst ihm noch danken! Wie dankt sie ihm nicht nur für den Trost, sondern sogar dafür, dass du mich so treulich gedemütigt hast, dass du mir eine Last auferlegt hast, und sie tragen halfst, ja, den Frieden dadurch einleitetest. Sobald die Seele Jesum entdeckt, wie er voll Gnade und Wahrheit ist, verschwindet aller Gram und alle Sorge, wie Nebel vor der Sonne. Es kann kein Jammer sein so schwer, dein süßer Nam' erfreut viel mehr. Man trinkt auf dem Weg nach Kanaan nicht immer Wein, und ist nicht immer davon voll; aber man bekommt auch nicht immer Wasser, sondern bald dies, bald jenes, auch oft vermischt. Und so ist's heilsam! Spring, Brunnen, spring, so betet die Gemeine; denn wenn ich dich habe, so habe ich wohl genug. Wir wandeln hier aber im Glauben. Endlich werden sie getränkt werden mit Wollust, wie mit einem Strom.
Sie sagen von demselben: Diesen Brunnen haben die Fürsten gegraben, gegraben haben ihn die Edlen im Volk durch den Lehrer mit ihren Stäben. Wir wenden dies auf den echten Brunnen, Jesum Christum, an, von dem dies ganz eigentlich gesagt werden kann. Das Wort graben wird etliche Male von ihm gebraucht. So sagt er Ps. 40: Opfer und Gaben hast du nicht gewollt, aber die Ohren hast du mir durchbohrt, durch welches Leiden sich ein frei geborener Israelite als ein freiwilliger Knecht hingab. Der Apostel nimmt es Hebr. 10 in einem weiteren Sinne, indem er übersetzt: Dein Leib hast du mir zubereitet, welcher Leib eben das Opfer ist, wodurch wir geheiligt werden. Psalm 22, 17 aber klagt der leidende Messias: Sie haben mir Hände und Füße durchgraben. Dieser Heilbrunnen würde uns durch schwere Leiden ausgegraben, wozu die Fürsten und Edlen die Losung gaben. Ihre Stäbe, die Auszeichnung ihrer Würde und Ämter, machten sie zu Richtern des Messias, den sie zum Tode verurteilten, ja als den gräulichsten Verbrecher aus der Welt schafften. Das Ganze geschah in der Wüste durch den Lehrer, d. i. Mose, der Alles verordnete. Dieser Brunnen wurde demnach mit vieler Umständlichkeit und Zeremonien gegraben, und nach einem genauen Programme, wie man jetzt zu reden pflegt. Auch als Moses am Horeb durch einen Schlag mit seinem Stabe Wasser aus dem Felsen bringen sollte, musste er einige Weitläufigkeiten machen, wie einige Ältesten mitnehmen. Und die hier ebenfalls beobachtete Umständlichkeit bei Grabung dieses Brunnens deutet auf die Wichtigkeit desselben, nicht so sehr an sich, als Brunnens in der Wüste, sondern vielmehr als Bild dessen, der sich uns als die lebendigmachende Quelle darstellt. Das hier gebrauchte Wort: Machokes, Lehrer, kommt auch dort in der Weissagung Jakobs vor, wo der sterbende Erzvater sagt: Juda, du bist's, dich werden deine Brüder loben; mein Sohn, du bist hoch kommen durch große Siege. Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, noch ein Machokes, Meister, von seinen Füßen, und Jes. 33, 22: Jehova Machkenu, der Herr ist unser Meister oder Gesetzgeber. Zwar schien es, als ob die Leiden Jesu wie ein wilder Sturm über ihn dahergebraust seien, der, ohne Regel und Plan, gräuliche Verwüstungen anrichtet. Es war ihre Stunde und die Macht der Finsternis. Es erschien in dem Ganzen nichts Geordnetes und Planmäßiges, sondern es wurde mit Jesu umgegangen, wie Knaben mit einem Balle umgehen, den einer dem anderen zuwirft. Wer eben Lust hatte, griff zu, schlug zu, spie, spottete, schalt, wie er wollte, bald einzeln, bald alle durcheinander. Aber also dürfen wir die Sache nicht ansehen; nicht als ein wildes Ergebnis roher, zügelloser Leidenschaften; nein, es stand ein Machokek, ein Meister, ein Ordner an der Spitze, der auch hier die Haare zählte, wie wüst es zuging. Darum heißt es so manchmal: Auf dass die Schrift erfüllt würde; darum heißt es: Er war aus vorbedachtem Rat und Willen Gottes ergeben, zu tun Alles, was Gottes Hand und Rat zuvor versehen. Durch den Lehrer ward sowohl der vorbildliche Brunnen in der Wüste, als der wirkliche auf Golgatha gegraben. Das Wort bedeutet zunächst Linien ziehen, um eine Figur zu bilden, womit sich besonders die Mathematik, d. i. Lehre, beschäftigt, bezeichnet also die genaue Abwägung der Leiden Christi, dass ihrer nicht zu viel, nicht zu wenig, nicht fremdartige seien, weshalb ihm auch die Beine nicht zerbrochen wurden, obschon man im Begriff war, es zu vollziehen. Das Lösegeld wurde genau gewogen, gezählt und richtig befunden. Tröstet euch desselben, es ist bezahlt; dein Jesus Rechnung tut.
Lasst mich noch bemerken, dass das Wort graben auch kaufen bedeutet. So heißts 5. Mos. 2: Speise sollt ihr von Esau um Geld kaufen. Es heißt auch ein Gastmahl zurichten, wie 2. Kön. 6, 23 auf Befehl des Propheten Elisa den Syrern geschah. Ich brauche beide Bedeutungen dieses Wortes nur zu nennen, um ein angenehmes Nachdenken in uns zu erregen. Wir sind erkauft, wir sind teuer erkauft. Das für uns bezahlte Lösegeld ist der Grund unsers Heils. Um desselben willen heißt es: Lasst diese los. Von allen unseren Sünden und von der Gewalt des Teufels hat er uns ihm zum Eigentume erlöst und erkauft. Ein Eigentum Jesu zu sein welch ein Glück! Er hat keine Sklaven, keine geplagten Tagelöhner, sondern lauter Kinder und Freunde! Nach und nach vernichtet er alle fremden Ansprüche, Alles, was noch fest halten und binden will, und breitet seine beseligende Herrschaft immer weiter aus, über Seele und Leib. Dies geschieht teils durch die gerechtmachende Kraft seines Blutes; denn Christus ist hier, der gestorben ist; wer will noch verdammen? Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer ist, der Recht zu mir hat? Es geschieht teils durch seine verwandelnde Kraft, wodurch Leib und Seele in sein Bild vergestaltet wird. Liegt der Verstand noch bedeckt mit Dunkel das von ihm ausstrahlende Licht wird ihn schon erleuchten, dass er Jesum Christum erkenne, nachdem er von ihm erkannt ist. Muss das Herz noch klagen; Ich bin fleischlich unter die Sünde verkauft, das Gute, das ich will, das tue ich nicht usw.; ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen, aber ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern: er wird es stärken und beides wirken, Wollen und Vollbringen, und es so mächtig machen, dass es Alles vermag. Ist das Gewissen einer Wunde ähnlich, die bei jeder Berührung schmerzt, und einem Kranken, der durch jeden harten Ton erschreckt, zusammenfährt: er wird es mit dem sänftigenden Balsam seines Bluts schon stillen, ja, es dahin zu bringen wissen, dass die Seele kein Gewissen mehr hat von den Sünden, sondern mit lauter Freudigkeit hinzutritt zum Gnadenthron; ohne eigene Gerechtigkeit zu haben, begehrt sie auch keine, sondern lässt sich in Christo erfinden, um die Gerechtigkeit zu haben, welche von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Überdies kann denen, die Christo angehören, nichts schaden, sondern Alles muss ihnen nützen; denn wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommt und als solche, die Christo angehören, euer Fleisch samt den Lüsten kreuziget? Sind's Leiden, die euch drücken, sie sind ja nicht wert der Herrlichkeit, die an uns soll offenbart werden. Sind's Anfechtungen, haltet es mit Jakobus für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. Sind's Züchtigungen? Sie sind ja Zeichen eurer Kindschaft. Gott erbietet sich euch dadurch als Kindern. Wäret ihr ohne Züchtigung, so wäret ihr Bastarde und nicht Kinder. Müsst ihr Anfälle von der Macht der Finsternis erleiden, so wird er euch nicht versucht werden lassen über Vermögen. Ja, widerfährt euch das Schmerzhafteste von Allem - verbirgt die Gnadensonne ihr liebliches Angesicht, so wird euch doch das Licht wieder desto lieblicher aufgehen. Sollt ihr endlich sterben, so mag der Tod noch wohl für eure schwache Natur sich als der letzte Feind erweisen; aber es ist dann auch der letzte, und zugleich die größte Wohltat, weil ihr vermittelst desselben erlöst werdet aus aller Trübsal und Anfechtung. Das Mittel aber, um in diesen glückseligen Stand zu gelangen, ist der wahre Glaube. Auch du, o Seele, kannst, ja wirst zu demselben gelangen, so du anders glaubst. Hast du Lust zu solchem Herrn, bist du begierig, abzulegen den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verdirbt, und anzuziehen den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit? So siehe denn nicht an deinen erstorbenen Leib, und zweifle nicht durch Unglauben, sondern glaube aufs gewisseste, was Gott verheiße, das könne er auch tun; ja, glaube auf Hoffnung, da nichts zu hoffen ist. Einen anderen Weg gibt es auch nicht, um an dem Gastmahl teil zu nehmen, was uns dadurch zubereitet ist, dass sie ihm Hände und Füße durchgruben. Dies zubereitete Gastmahl besteht mit Einem Worte in dem neuen Menschen, in Gerechtigkeit, Friede und Freude, in Leben und guten Tagen. Es wird teils hienieden schon genossen, nicht nur in der beseligenden überwältigenden Empfindung der Liebe Gottes, sondern auch in den stillen, bald mehr, bald weniger merkbaren Zuflüssen und Mitteilungen des Geistes, und der dadurch dargereichten Tüchtigkeit zum Verstande des Evangeliums, zum Gebet, zum Glauben, zur Liebe, zum Streit, zur Geduld, zur Verleugnung, zum Frieden und was sonst zum göttlichen Wandel dient. An diesem Tisch ist es Alles zu holen, wovon David sagt: Du bereitest mir einen Tisch gegen meine Feinde. Greift denn zu und esst, oder, wenn ihr auch dies nicht könnt, so lasst euch speisen. Gibts denn auch hier noch manche Hungerstunde, so wird das Mahl denn in einer anderen, besseren Welt vollständig, ohne bittere Beimischung, und ununterbrochen genossen werden. Eya, wären wir da! „Spring denn, o Brunnen, spring!“ so singen auch wir um die Wette. Quill, o Brunnen, quill! den die Fürsten gegraben haben durch den Lehrer und ihre Stäbe. Gib dich, so sind wir satt; ergieße dich über uns, o lebendes Wasser, in dieser Wüste, dass sie grüne wie Libanon! Spring, Brunnen, spring! so sang das alte Israel, und sang es mit Recht. Es sang so über dem Vorbilde; denn dies war nicht der rechte Brunnen, sondern nur der Schatten eines zukünftigen. Guts; der Körper selbst ist in Christo. Er, er ist der rechte Brunnen; er quillt lauter Licht, lauter Leben, Gerechtigkeit und Weisheit, lauter Kraft, Frieden und Freude. Fängt er an zu springen, zu quillen, so regnets über uns Gerechtigkeit, wie es Hosea 10, 12 heißt. Ja, dieser Brunnen will in uns selbst quillen, und quillt in unseren Herzen, und wenn er das tut, macht er uns zu ganz anderen Menschen, so wie die Toten lebendig, die Schwachen stark, die Unreinen rein, die Traurigen fröhlich; der Herr Christus selbst kommt in den Stall unserer Seele.
Wer wollte denn nicht mit einstimmen, wenn Israel singt: Spring, Brunnen, spring? - wer nicht aus Jes. 45 schreien: Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken regnet Gerechtigkeit; die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit zu.
O! dass ein solcher Platzregen sich stromweise ergieße über die ganze Erde, welche auch die Verheißung einer Gnadensündflut hat, wo die Erlösten des Herrn wiederkommen mit Jauchzen. Dann wer den Juden und Heiden ihn erkennen. Und wie sollten wir nicht so schreien, die wir in uns selbst arm, dürr und elend, nichts haben, des wir uns getrösten mögen, als den Herrn allein und seine Gnade, die dann sammeln, wenn Er seine milde Hand auftut. Ergieße dich über uns, wie ein Regen des Lichts und des Lebens, und quille in uns als unser Alles, dass nicht mehr wir leben, sondern du in uns, und wir in dir. Spring, o ewiger Lebensborn, spring! Amen.