Krummacher, Gottfried Daniel - Der Regenbogen (3)

Dritte Predigt

Moses nach seiner Flucht vom Hofe Pharaos ward von dem Priester Jethro aufgenommen. Dieser brauchte ihn als den Hirten seiner Schafherden, welche bisher seine sieben Töchter hatten versorgen müssen, dabei aber manche Ungelegenheit ausstanden. Dieser gelehrte Mann mußte also jetzt ein Geschäft besorgen, wozu weiter keine Klugheit noch Gelehrsamkeit erforderlich ist, dieser königliche Prinz sich unter gemeinen Leuten umhertreiben und auf all' die Bequemlichkeiten und die Üppigkeit verzichten, worin er erzogen war. Sollte dies also das armselige Ziel sein, um deswillen er so wunderbarer Weise war am Leben erhalten worden? Sollte er dazu so viel erlernt haben, um es in der Wüste Midian zu vergraben, und die Welt bloß deswegen in ihrem höchsten Glanze kennen, um seine Verleugnung zu schärfen? Wunderbarer Wechsel! Rätselhafte Führung! In diesen armseligen Verhältnissen brachte er vierzig Jahre zu und wurde so achtzig Jahre alt. Nur die Religion stärkte ihn. Sein Ungemach wurde ihm durch die Gewißheit erleichtert, daß er in der Gemeinschaft des Volkes Gottes leide, und sein Reichtum, der ihm mehr galt als Ägyptens Schätze, bestand in der Erkenntnis Christi. Hinlänglicher Ersatz.

Achtzig Jahre alt, aber noch munter und frisch, hütete er seine Herden weit hinten in der Wüste Midian und sah mit einmal einen Brombeerstrauch brennen, ohne daß er verbrannte. Dies kam ihm wunderbar vor, ja er nennt's ein großes Gesicht, ohne Zweifel weil sein Gemüt ganz eigen dabei bewegt wurde. Er beschloß, es näher zu untersuchen, was es denn sei. Es war etwas ganz Übernatürliches. In dieser Flamme war der Engel, der Gesandte Gottes. Dieser Engel war nicht einer von den erhabenen Geschöpfen, deren die Schrift mehrmals Erwähnung tut, denn er wird bald darauf Jehova und Gott genannt und doch von Gott unterschieden. Es ist kein anderer als der nachher im Fleisch geoffenbarte Gott, den wir unter dem Namen Jesus Christus näher kennen. Auch die jetzigen Juden haben noch eine Ahnung davon und nennen diesen Engel den Engel des Angesichts, den Metatron, den sie bei gewissen Festen oft mit vielen Tränen und großem Geschrei anrufen, der ihnen aber ein unbekannter Gott ist. Derselbe war in dem Busch, der davon brannte, ohne daß er verbrannte.

Moses nennt dieses ein großes Gesicht. Groß war es aber nicht so sehr an sich, als in seiner Bedeutung. Diese Bedeutung ist reich und von großem Umfange, sintemal dadurch besonders die Menschwerdung Christi abgebildet wird. Wir berühren aber bloß einen zu unserm Zweck dienenden Umstand, und das ist dieser: Der Busch, welcher brannte, ohne daß er verbrannte, war ein Bild des damaligen Volkes Gottes, welches sich in so großen Drangsalen befand, daß man hätte meinen sollen, es müsse aufgerieben werden, und doch geschah es nicht, obschon Pharao den Befehl gegeben hatte, alle Knäblein gleich nach ihrer Geburt zu ermorden, welches beinahe dem Moses selbst widerfahren wäre. Das Volk Gottes ist oft in ähnlichen Umständen gewesen. Oft hat dieser Busch gebrannt, ohne zu verbrennen. Es ist bisher erhalten worden und wird ferner erhalten werden; darüber laßt uns weiter nachdenken!

Denn solches soll mir sein wie das Wasser Noah; da ich schwur, daß die Wasser Noah sollten nicht mehr über den Erdboden gehen. Also habe ich geschworen, daß ich nicht über dich zürnen, noch dich schelten will.
Jesaja 54,9.

In dem vorhergehenden Kapitel predigt der Prophet den leidenden Christen, in diesem aber zeigt er einige kostbare Früchte seiner Leiden, besonders breitet er die Worte weiter aus: Ich will ihm eine große Menge zur Beute geben. Er verheißet eine große Ausbreitung der Kirche und ein sehr bedeutendes Wachstum derselben, wie an innerer Gnade so an Zahl der Glieder. Sie soll deswegen den Raum ihrer Hütte weit machen und ausbreiten die Teppiche ihrer Wohnung, denn sie werden ausbrechen zur Rechten und zur Linken, und dein Same wird die Heiden erben. Weg denn mit aller Furcht und Blödigkeit! Diese erwünschten Zeitumstände werden auf große Bedrängnisse folgen. Die Kirche war eine Zeitlang in dem Ruf eines verlassenen und von Herzen betrübten Weibes. Sie war eine Elende und Trostlose, über die alle Wetter gingen, denn der Herr hatte sein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor ihr verborgen und sie einen kleinen Augenblick verlassen. Jetzt aber will er sich gleichsam beeifern, ihr das wieder zu erstatten, denn mit großer Barmherzigkeit will er sie sammeln und mit ewiger Gnade sich ihrer erbarmen. Dieses Gedränge soll der Sündflut gleichen, von welcher der Herr geschworen hat, daß sie nicht wieder kommen soll, nicht bloß durch einen mündlichen sondern auch durch einen sichtbaren Eidschwur, nämlich den Regenbogen.

In der Hoffnung, daß ihr euch des nicht verdrießen laßt, will ich jetzt nochmals von dessen Bedeutung reden nach Anleitung unserer Textesworte, die euch hoffentlich ein Anlaß sein werden, das herrliche Kapitel, woraus sie entlehnt sind, samt dem vorhergehenden und folgenden, in der Stille nachzulesen. Wir haben den Regenbogen als ein Bild der Kirche und sodann als ein Unterpfand ihrer Ausbreitung betrachtet. Jetzt ist uns noch übrig, ihn als ein Siegel ihrer Erhaltung anzusehen. Die Erde geht nie wieder im Wasser unter. Nie wird die Gemeine Jesu Christi untergehen, weder in ihrer Gesamtheit, noch im Einzelnen. Das besiegelt der Regenbogen.

Bemerket auch die Ähnlichkeit dieser Worte mit den ursprünglichen. Gleich nach der Sündflut bei Einsetzung des Regenbogens versprach der Herr: Er wolle die Erde nicht mehr verfluchen um der, oder eigentlich des Menschen willen, nämlich um des einen Menschen willen, durch welchen nach Röm. 5,18 die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen ist. Dies wird hier in den Worten ausgedrückt: Ich will nicht über dich zürnen, noch dich schelten, nachdem des einen, dem wir dies verdanken, im vorigen Kapitel reichlich als eines solchen gedacht worden ist, der den Übeltätern gleich gerechnet worden, der für sie gebetet, der ihre Sünde getragen hat und durch seine Erkenntnis Viele gerecht macht und nun eine große Menge zur Beute bekommt.

Die Summe dessen, wovon wir reden, ist demnach diese: Der Herr erhält seine Kirche auf Erden, sowohl in ihren einzelnen Gliedern, als in ihrer Gesamtheit. Dessen hat sie einen alten, göttlichen Eidschwur zur Versicherung und den Regenbogen zum Unterpfand. Denn wie er geschworen und diesen Schwur durch diesen Zeugen in den Wolken bestätigt hat, daß die Wasser der Sündflut den Erdkreis nicht mehr bedecken sollen, so hat er seiner Kirche eine ewige Gnade und einen beständigen Schutz zugeschworen, weshalb er auch gleich nach unserm Text sagt: Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. Wie nun unser Text die Versicherung enthält, es werde nie auf Erden ein so allgemeines Gericht hereinbrechen, daß auch die Gemeine Jesu Christi dadurch über den Haufen werde geworfen werden, so gibt er zugleich mehrere andere Belehrungen. Dazu gehören folgende: Die Kirche Christi wird sich über die ganze Erde verbreiten, und das nicht nur nach und nach, sondern auch gleichzeitig. Es können aber schwere Umstände über sie im ganzen oder über einzelne Glieder hereinbrechen, seien es Gerichte wegen vorgängiger Verderbnis, Entartung, Trägheit und Lauheit, wie es dort heißt: Ich werde dir bald kommen; seien es Verfolgungen, welche gewaltigen Überschwemmungen gleichen, die alles umzukehren und zu verschlingen drohen, wie es bei den Wassern Noah wirklich geschah. Doch wird Gott, so lehrt unser Text, diese wütenden Fluten also zu dämpfen und zu regieren wissen, daß sie die Kirche eher fördern als verdrängen, eher ausbreiten als unterdrücken, nicht schaden, sondern nützen. Hiervon haben wir den alten Bund des Regenbogens, den man eher wie eine Krone auf dem Haupte des Herrn, deren grüne Sapphirfarbe ein Sinnbild der Gnade, als wie einen Bogen anzusehen hat. Hat der Herr sogar den Tieren der Erde, die zum Teil so garstig und so lästig sind, Erhaltung zugesichert, wie sollte er solches nicht vielmehr euch tun, o ihr Kleingläubigen! Sollte Gott nicht retten seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien? Ich sage euch, er wird sie retten in einer Kürze. Doch wenn des Menschensohn kommen wird, meinst du, daß er werde Glauben finden auf Erden (Luk. 18,8)?

Die Erhaltung der christlichen Kirche durch göttliche Dazwischenkunft ist eben so notwendig als gewiß. Dies sind die beiden Punkte, um welche sich unsere diesmalige Betrachtung dreht, die Notwendigkeit und Gewißheit der Bewahrung durch göttliche Vermittlung. Zuerst bemerken wir einiges von der Bewahrung selbst und dann von ihrer Notwendigkeit und Gewißheit.

Die Bewahrung hat zu ihrem Gegenstande die Kirche überhaupt und einzelne Glieder derselben insbesondere. Denn unter der Kirche verstehen wir sowohl ihre Lehre als deren Bekenner. Wenn nun derselben die Bewahrung zugesichert und namentlich durch den Regenbogen bestätigt wird, so verstehen wir darunter keineswegs eine vollkommene Sicherstellung gegen alle Leiden, Versuchungen und Gefahren, ja selbst gegen allen Irrtum und Sünde, sondern eine solche, vermöge welcher sie gegen den gänzlichen Untergang gesichert, immer wieder empor kommt, eben weil der Herr geschworen hat, nicht mit ihr zu zürnen oder sie zu schelten. Sollte die Kirche vor Leiden, selbst vor schweren Leiden, gesichert sein, sie, die nach der Versicherung ihres Hauptes selbst, in der Welt Angst hat; sie die nach seiner Anweisung ihr Kreuz täglich auf sich nehmen soll, sie, die für Schlachtschafe geachtet und täglich in den Tod gegeben wird, sie, dir nur unter der Bedingung mit ihm leben soll, wenn sie mit ihm stirbt, und mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden, wenn sie mit leidet? Redet nicht unser Textkapitel von Elenden, von Trostlosen, über die alle Wetter gehen, von Verlassenen, Betrübten, Verstoßenen, von solchen, vor denen Gott in dem Augenblicke des Zorns, der übrigens lang genug werden kann, sein Angesicht verborgen? Ja, ein Christ hat so wenig Ursache zu glauben, er werde vor Leiden gesichert sein, daß er sich vielmehr auf neue und ungewohnte gefaßt halten mag, und muß eher auf Zu- als Abnehmen derselben denken. Wie sollte er auch nur begehren, der Leiden in der Gemeinschaft Christi überhoben zu bleiben? Dann müßte er ja Verzicht tun auf eins der deutlichsten Zeichen der göttlichen Liebe und Kindschaft, Verzicht tun auf eine Hauptähnlichkeit mit Christo und auf eine ewige, über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, welche die Trübsal wirkt. Die Kirche rühmt sich auch der Trübsale (Röm. 5,3). Versuchungen sind eine sehr schmerzhafte Art von Leiden, mag gleich Gott kein Versucher zum Bösen sein, sondern ein jeglicher von seiner eigenen Lust versucht werden. Sie bestehen in Reizungen zum Bösen, welche einem wahren Christen ein um so empfindlicheres Leiden sind, je mehr er in der Heiligung gefördert ist. Davon befreit zu sein, würde ihm der Himmel auf Erden sein, wie ihm der Himmel eben mit aus dieser Ursache so köstlich ist. Es gibt mancherlei Versuchungen, und unter diesen manche erschreckliche. Doch es ist nicht nötig, sie näher zu bezeichnen. Genug, es gibt keine Lehre der Verheißung, oder der Christ kann zum Bezweifeln, kein Gebot, oder er kann zu dessen Übertretung, nichts Verbotenes, oder er kann zu dessen Begehrung gereizt, heftig versucht werden. Davon wäre nun ein jeder Christ ungemein gern frei. Aber diese gänzliche Befreiung ist für diese Welt nicht zugesagt. In welche Versuchung kamen Abraham, Jakob, Joseph, Hiob, ja unser Herr selbst! Aber der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen (2. Petr. 2,8). Jakobus redet seltsam, wenn er will, seine lieben Brüder sollen es für lauter Freudigkeit achten, wenn sie in mancherlei Anfechtung fallen. Er setzt mit Recht hinzu: Wem Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich jedermann, und rückt es niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden. Er preiset den Mann selig, welcher die Anfechtung erduldet, denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. Christus aber lehrt uns beten: Führe uns nicht in Versuchung. Was wollen wir von den geistlichen Gefahren dieses Erdenlebens sagen? War nicht Assaph nach dem 73. Psalm in Gefahr, irre an Gott, an seinen Führungen und an seinen Kindern zu werden? War nicht Petrus in Gefahr, daß sein Glaube aufhörte, so wie die Galater, von der Gnade zu fallen und Christum zu verlieren? In welcher Gefahr hat sich nicht schon die Kirche überhaupt durch Juden, Heiden und Mohammedaner, ja durch die ausgearteten Christen selber, mehrmals befunden! Welche Gefahr steht ihr noch bevor, daß auch die Auserwählten gewiß mit in den Irrtum würden verführt werden, wo es möglich wäre; welche Gefahr, wenn nun bald der Teufel losgelassen wird, um alle zu verführen, die auf Erden wohnen (Offenb. 13.14)! In welcher Gefahr schwebt ein jeder in dieser argen Welt, da er nicht bloß mit Fleisch und Blut, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel zu kämpfen hat, da der Teufel umher geht wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge, und da uns unser eigen Herz unablässig Fallstricke legt, und die Sünde uns nach Hebr. 12,1 leichtlich umringt! Wie nötig sind da die Aufforderungen zum Wachen, ist da die Aufforderung Johannis in seiner 2 Epistel Vers 8, wo er sagt: Sehet euch vor, daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen! Wir wandeln wie Petrus auf dem Meere, und die göttliche Bewahrung erweiset sich eben mitten in der Menge, Größe und Mannigfaltigkeit der Gefahren, nicht aber eben in gänzlicher Beseitigung derselben. Wir sehen uns genötigt, unser Vertrauen ganz auf den zu setzen, der am Schlusse unsers Textkapitels sagt: Aller Zeug, der wider dich zubereitet wird, dem soll es nicht gelingen. Die Kirche ist in beständiger Gefahr und in beständiger Sicherheit wie Noahs Arche. Ist's denn zu verwundern, wenn sich auch innerhalb Zions manche Kranke und Verwundete finden, und ein reißender Bär des Irrtums und der Sünde hie und da ein Schaf von Davids Herde zauset und mit fortreißt, bis dieses tapfern Hirten Stab ihm auf den Nacken fährt? Einen unsündlichen Stand mögen wir wohl sehnsuchtsvoll begehren, aber so wir sagen: Sünde haben wir nicht, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wer dürfte sagen: Irrtum haben wir nicht? Wie wir allesamt mannigfaltig fehlen, so irren wir nicht weniger und stellen uns viele Dinge (wir reden hier aber von der Religion) nicht so vor, wie sie sind. Unser Wissen ist Stückwerk, und wir sehen wie durch einen Spiegel in ein dunkles Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Wir dürfen uns derhalben nicht verwundern, wenn wir gewahr werden, wie manches Unheil, sowohl durch Irrtum als Sünde, angerichtet wird. Alles aber, was aus Gott geboren ist, kann nicht sündigen, und der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet. Durch die Bewahrung wird zwar nicht bewirkt, daß du nicht durchs Wasser müßtest, wohl aber, daß dich die Fluten nicht ersäufen, nicht bewirkt, daß du nicht durchs Feuer müßtest, wohl aber, daß dich die Flamme nicht anzündet; es wird nicht verhindert, daß nicht allerlei Zeug wider dich zubereitet werde, wohl aber bewirkt, daß es ihm nicht gelingt; nicht abgewehrt, daß sich keine Zunge wider dich setze, wohl aber bewirkt, daß du sie im Gericht verdammest. Der Feind kann daher gehen wie ein Wasserstrom, alsdann aber wird der Herr ein Panier dagegen aufrichten (Jes. 59,19). Das Wasser kann bis an die Lippen, und Wellen übers Haupt gehen, doch ertrinkt man nicht. Das geistliche Leben wird erhalten. Meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. Ich will nicht über dich zürnen, noch dich schelten.

Dies von der Bewahrung selbst. Erwägen wir jetzt ihre Notwendigkeit durch göttliche Vermittlung; daß es nicht genüge, einen Anfang im Guten gemacht zu haben, wofern man nicht beharret, ist selbstredend. Wie kläglich lautet es, wenn es von Seelen heißt: Eine Zeitlang glauben sie, dann fallen sie wieder ab; wenn es von einem Demas heißt: Er hat die Welt wieder lieb gewonnen. Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig. Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer überwindet, der soll alles besitzen. Wir sind Christi teilhaftig geworden, so wir anders das angefangene Wesen und den Ruhm der Hoffnung bis ans Ende festbehalten (Hebr. 3,14). Das alles redet von selbst. Wir reden hier aber von der Notwendigkeit einer von Gott, einer von dem Bischof unserer Seelen ausgehenden Bewahrung. Ihre Notwendigkeit erhellet sehr deutlich aus der Beschaffenheit der Lage, worin sich die Kirche auf Erden befindet, und die sehr richtig in den Worten des Liedes angegeben wird: Ich lieg' im Streit und widerstreb', drum hilf, o Herr, dem Schwachen! Christus entwarf uns ein Bild davon, wenn er seine Kirche, seine Jünger, in ein Schiff trieb, wo Wind und Meer ihnen zuwider, der Herr aber zurückgeblieben oder doch fest eingeschlafen war. Die Bedenklichkeit und Gefahr ihrer Lage liegt teils in-, teils auswendig. Sie gleicht einer Festung, welche von außen belagert und beschossen wird, der man alle Zufuhr abschneidet, und die der Feind auf alle Weise zu ruinieren sucht, einer Festung, welche auch in ihrem Innern gefährliche Verräter nährt, die mit denen draußen bedenkliche Einverständnisse unterhalten und die Gefahr sehr steigern. Man kennt sie wohl. Aber sie sind zu mächtig und zu verschlagen, als daß man sich ihrer entledigen könnte. So steckt sie wie zwischen Tür und Angel. Von außen Furcht, von innen Streit (2. Korinth. 7,5). Welche Wachsamkeit und Vorsichtigkeit ist denn hier erforderlich, welche Klugheit, Besonnenheit und Umsicht, welche Tapferkeit, welche Unerschrockenheit, welcher Mut, aber auch welche Kraft und Überlegenheit, um endlich doch das Feld zu behalten! Vielleicht ist die Welt, was ich jedoch keineswegs an sich behaupten, sondern nur vergleichsweise aufstellen will, der am wenigsten bedeutende Feind, mag er die Gemeine Jesu Christ mit Schmach überschütten, oder mit seinen Scheingütern reizen, oder dar mit Feuer und Schwert verfolgen. Aber gewiß ist sie kein verächtlicher Feind, zumal da er seine Minen, wodurch er alles in die Luft sprengen will, mit einer Weisheit maskieren versteht, die die Gefahr verdeckt. Gewiß ist es nichts geringes, sich dieser Welt nicht gleich zu stellen, von ihr auszugehen, sich von ihr unbefleckt zu bewahren, sonst brauchte Paulus es nicht als eine große Wohltat vorzustellen, daß Christus uns erlöset hat von der gegenwärtigen argen Welt (Gal. 1,4), und Johannes würde die Gläubigen nicht mit der Warnung ermahnen, die Welt und das, was in der Welt ist, nicht lieb zu haben, weil in solchen die Liebe des Vaters nicht sei. Dazu gesellet sich aber noch ein wichtigerer Feind, der sich, um seinen Zweck nur desto sicherer zu erreichen, am liebsten ganz versteckt, absichtlich sich selbst und seine Wirkungen leugnen läßt und sich ganz unvermerkt in alles zu mengen, selbst sich in einen Engel des Lichts zu verstellen weiß. Ihr hört schon, wen ich meine; jenen mächtigen Bösewicht nämlich, jene listige Schlange, jenen bezaubernden Drachen, der bald wie ein feiger, bösartiger Wolf der Herde nachschleicht, um, was krank und müde zurückbleibt, wegzuschleppen, bald als ein fürchterlicher Löwe sie anbrüllt; jenen Philosophen meinen wir, der seine Methoden hat, wie Paulus 2. Korinth. 2,11 sagt, die er nach Beschaffenheit der Personen, Sachen und Umstände, abwechseln läßt, um seinen Zweck auf eine andere Weise zu erreichen, wenn es in dieser fehlschlägt, wie denn der Apostel den Fall anführt, daß er durch allzu große Traurigkeit zugrunde zu richten suchte, und, um mit einem Worte alles zu sagen, den Gott dieser Welt meinen wir, wie der Apostel 2. Korinth. 4,4 schrecklicherweise den Satan nennt. Würden diese Widersacher aber wohl so gefährlich sein, wie sie sind, fänden sie nicht in unserm eignen Herzen eine nur allzu bereitwillige Unterstützung? Ist es deswegen nicht schwer, ja ist es nicht unmöglich, genau zu bestimmen, was bei uns von innen heraus, was von außen hereingeht, ob dieser Brand von innern Verrätern angelegt oder von den Belagerern verursacht ist. Des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wir haben keinen schlimmern Feind als uns selbst, und wer seines Mutes Herr ist, ist größere denn der Städte gewinnt.

Beurteile man nun selbst, ob eine göttliche Bewahrung notwendig sei. Was? Meinen wir, die Klugheit und Geschicklichkeit, den Mut, die Unverzagtheit und Tapferkeit, die Kraft und Ausdauer aus uns selbst zu schöpfen, die hier erforderlich sind? Dies zu meinen, wäre schon einer großen Niederlage gleich, zumal da wir in diesem Kriege nicht bloß das Geschäft eines gemeinen Soldaten, sondern die Obliegenheiten eines Häuptlings haben. Die Kriegskunst ist ein großes Studium, und der wird's im Geistlichen am besten verstehen, der mit Josaphat sagt: Wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir.

So notwendig die Erhaltung der Kirche in allen ihren Stücken und Teilen, so gewiß ist sie auch. Die Wasser Noah, die eine allgemeine Verwüstung anrichteten, sollen nicht noch einmal den Erdkreis bedecken und verderben. Das hat Gott beschworen und seinen Schwur mit dem Regenbogen bekräftigt. Dies bezieht sich aufs Geistliche. Denn eben so hat er der Kirche geschworen, daß er nicht über sie zürnen, noch sie schelten will. Er kann sein Angesicht im Augenblick des Zorns verbergen; die Wasserwogen erheben sich wohl, sie erheben sich und brausen. Dem Kleinglauben scheint die Erhaltung einer zweifelnden Seele, eines so schwachen und zerbrechlichen Gefäßes, das durch die Sündflut der Versuchungsstunde hin und her geworfen wird, bedenklich. Doch ist sie gewiß. Gott wird das Zeugnis seines Zeugen in den Wolken nicht unwahr machen und sich von demselben der Unwahrheit zeihen lassen. Er hat immer Recht, zu zürnen. Aber er versichert mit einem Eidschwur, es nicht tun zu wollen. Trägt er einen ganzen Erdboden mit seinen Greueln, wie viel mehr wird er Geduld haben mit den Schwachheiten seiner Kinder, die sie beweinen. Bis hieher hat der Herr geholfen. Daher rühmt die Kirche auch, sie wolle sich nicht fürchten, und wenn die Welt unterging. Die Stadt Gottes wird doch fein lustig bleiben mit ihrem Brünnlein drinnen, wo die Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie wohl bleiben (Psalm 46).

So hat's sich von Anfang ausgewiesen und bestätigt, daß die Kirche noch immer mit dem 66. Psalm singen kann: Der unsere Seelen lebendig erhält und lässet unsere Füße nicht gleiten. Du hast uns lassen in den Turm werfen. Du hast eine Last auf unsere Lenden gelegt. Wir sind in Feuer und Wasser kommen, aber du hast uns ausgeführet und erquicket.

Welcher Streit und Widerstand erhob sich schon alsbald gegen das Haupt der Kirche! Kaum war er geboren, so wollte man ihn auch schon umbringen, und man mußte mit dem Kindlein bis nach Ägypten flüchten. Nach seinem öffentlichen Auftritt war er fast keinen Tag seines Lebens sicher, bis er endlich wirklich getötet wurde. Seine Boten durften sich kaum hören und sehen lassen, so lief alles wider sie zusammen, als ob sie die ärgsten Unheilstifter gewesen wären, und man schrie: hinweg mit diesen. Es ist nicht erlaubt, daß sie leben. Sie alle, nur den Johannes ausgenommen, starben auch durch Scharfrichters Hand. wie entsetzlich ging es nach ihrem Tode über die von ihnen gestifteten Gemeinen her, und das ganze 300 Jahre nach einander! Meint ihr aber, sie hätten sie vertilgen, ja nur vermindern können? Im Gegenteil nahmen sie an Zahl beständig zu. Späte ränderte der Satan seine Art, die Kirche zu bestreiten. Das Geheimnis der Bosheit, das sich schon zur Apostel Zeit geregt hatte, kam zu mehrerer Entwicklung. Ein einziger Mensch stellte sich an die Spitze der Kirche als deren sichtbares Oberhaupt, das sie an Christi Statt mit unumschränkter Macht regierte. Der finsterste Aberglaube bedeckte den ganzen christlichen Erdkreis, und das Evangeliums erlosch. Es entglomm zwar in einzelnen Häuflein, die aber von den entarteten Christen grausamer verfolgt wurden, als ehemals die Heiden getan hatten. Ausrotten konnten sie sie nicht, und die Reformation förderte das in tiefem Schacht verborgene Gold des Evangeliums wieder ans Licht. Aber wie suchte man es unter den Scheffel zu bringen, und wie steht es in einem großen Teil der Christenheit wirklich drunter! Aber es brennt sich durch. Es strahlt wieder heller und wird scheinen und fortgehen bis auf den vollen Tag.

So gewiß nun die göttliche Erhaltung in Absicht der ganzen Kirche, so zuverlässig ist sie auch in Absicht der einzelnen wahrhaften Glieder derselben, woraus sie ja eben besteht. Ich habe geschworen, sagt der Herr, und diesen Eidschwur läßt er durch den Regenbogen sichtbar werden. Es ist ohnehin unmöglich, daß Gott lüge; damit er aber den Erben der Verheißung überschwenglich bewiese, daß sein Rat nicht wanke, hat er einen Eid hinzugetan. Ein Eid aber ist das Ende alles Haders und hier alles Unglaubens, dessen hartnäckige Wellen sich an diesem Felsen brechen müssen. Die Hauptsache, worauf es ankommt, ist die, daß du wirklich durch die enge Pforte hindurch gegangen seiest, daß wirklich ein göttlicher Same in dir sei, daß du wirklich durch wahren Glauben mit Christo verbunden seiest. Ist dies nicht Einbildung, sondern Wirklichkeit, so gilt alsdann auch die gute Zuversicht, daß, der in euch angefangen hat das gute Werk, es auch vollführen werde bis an den Tag unsers Herrn Jesu Christi. Der euch gerufen hat, ist treu, und wird es auch tun. Es kann, es wird allem Vermuten nach geschehen, daß ihr auch mit dem Psalmisten sagen müßt: Wir kamen in Jammer und Not, das Wasser ging uns bis an die Lippen, und die Wogen bis über unser Haupt; es kann, und allem Vermuten nach wird es geschehen, daß ihr klagen müßt: Unsere Missetat drückt uns hart; daß Gott sein Angesicht vor euch verbirgt und einen Augenblick zürnt und schilt. Aber noch viel gewisser, ja unbezweifelter ist es, daß er sich mit ewiger Gnade dein erbarmet und mit großer Gnade dich sammelt. So stehet denn fest und unbeweglich, und nehmet immerdar zu in dem Werke des Herrn! Seid völlig im Glauben und lasset dessen Gold in der Dunkelheit der Trübsal am meisten glänzen! Verleugnet die Welt und beweiset durch euren himmlischen Sinn, wie nahe ihre dem Himmel verwandt seid! Tut all euren Fleiß, euren Beruf und Erwählung fest zu machen, denn wo ihr solches tut, werdet ihr nicht straucheln, und also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reiche unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi. Amen.

Quelle: Krummacher, G. D. - Gesammelte Ähren