“Ihr werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem, und in ganz Judäa und Samaria, und bis an das Ende der Erden.“ So sprach der Herr Jesus zu seinen Jüngern, als er, nach Vollendung seines Werks auf Erden, sie hinausgeführt hatte nach dem Ölberge, und nun aufgenommen ward in seine Herrlichkeit1). Hoch erfreut, mit Loben und Danken kehrten diese „Unmündigen,“ die bis zum letzten Tag in kindlicher Weise eine sichtbare Aufrichtung des Messianischen Königreichs in Israel gehofft hatten, gen Jerusalem zurück, und, nachdem sie die verheißene Kraft des heiligen Geistes empfangen hatten, vollbrachten sie. herrlich und wunderbarlich den Auftrag des erhöhten Herrn, und evangelisierten von nun an und fortwahrend bis an das Ende der Tage, die Völker durch das Zeugnis ihres Mundes und ihres geschriebenen Wortes.
Wie einfach und wie tief, wie menschlich und göttlich sind ihre Zeugnisse, sowohl von den Taten als den Reden des Herrn! Besonders lässt uns der Jünger, den der Herr lieb hatte, bei den Anfängen seiner Schriften: sowohl seines Evangeliums, als seines ersten Sendschreibens, und auch seiner Offenbarung einen Blick tun in sein und aller Apostel Gemüt. Merkwürdig sind in dieser Hinsicht besonders die Worte, womit er sein erstes Sendschreiben beginnt, welches er in seinem höheren Alter als Bischof zu Ephesus, mit Hinblick auf sein nun bald vollendetes Zeugenamt, verfasste. Wie im Anfang seines Evangeliums wallt ihm das Herz auf, und aus seinem väterlichen Ernst leuchtet das kindliche Gemüt, womit er an der Brust seines hochgeliebten, nun verherrlichten, Meisters lag. „Das da von Anfang war, schreibt er, das wir gesehen haben mit unseren Augen, das wir beschaut haben, und unsere Hände betastet haben, von dem Worte des Lebens was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch, auf dass ihr mit uns Gemeinschaft habet, und unsere Gemeinschaft sei mit dem Vater, und mit seinem Sohne Jesu Christo. Und solches schreiben wir euch, auf dass eure Freude völlig sei.“
Mit welcher innigen Empfindung redet der Apostel hier von seinem Amt und Beruf, ein Zeuge Jesu Christi und seines Evangeliums zu sein! Wie kämpft seine Sprache mit seinen Gedanken und Empfindungen, um die Würde seines Amts und die Herrlichkeit dessen, von dem er zeugte, auszusprechen! Das Wort, das von Anfang war, sagt er, das Leben das Leben, das ewig ist - sei ihnen, seinen Botschaftern, erschienen, sie hätten es gesehen mit ihren Augen, beschaut, mit Händen betastet - und was sie gesehen und gehört, das verkündigten, davon zeugten sie, damit alle, die es hörten und vernähmen, mit ihnen, den Aposteln Gemeinschaft haben gleichsam auch Apostel und ihrer Seligkeit teilhaftig werden möchten, in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne. Wie könnte das evangelische Zeugenamt und dessen Zweck und Würde einfacher und kräftiger dargestellt werden, als in diesen Worten? Sowie Johannes hier sich ausspricht, so dachten und empfanden sie alle, und durften auch sich selbst als Vorbilder in dem Bekenntnis und der Nachfolge des Herrn den Gläubigen darstellen2). Möge der Herr in unseren Seelen den lebendigen Wunsch erwecken, jenen ersten Zeugen des Einen „treuen und wahrhaftigen Zeugen, der da ist der Anfang der Kreatur Gottes3)“ in Einfalt des Herzens und treuer Liebe ähnlich zu werden, und uns dazu die Kraft seines Heiligen Geistes verleihen!:
Apostelgeschichte. X, 39.
Und wir sind Zeugen alles des, das er getan hat im jüdischen Lande, und zu Jerusalem.
Mit diesen Worten unterbricht der Apostel Petrus seinen Vortrag über die Taten und den Wandel des Herrn Jesu. Wir, sagt er, seine Jünger und Apostel, waren Augen- und Ohrenzeugen dieser großen, wunderbaren Gottesoffenbarung in seinem Sohne Jesus von Nazareth. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit, sagt Johannes. „Wir, die vorerwählten Zeugen von Gott, haben mit ihm gegessen und getrunken,“ spricht im 41sten Vers unser Apostel; und legt hiermit ein großes Gewicht auf sein und seiner Mitapostel gemeinsames Zeugnis. Mit Recht. Denn je größer und wichtiger die Sache selbst, um desto wichtiger das Zeugnis, aber auch um desto ernster und schwerer der Zeugenberuf. - Und diesem ersten Zeugnis verdanken wir das Wort von der Versöhnung, das unter uns aufgerichtet, und die Welt das neue Leben, welches über sie ausgegossen ist durch den heiligen Geist. Ja, diese heiligen Zeugen und ihre Zeugnisse sind und leben noch immerfort unter uns, als die fortrinnende unversiegbare Quelle: des Lebens, das aus Gott ist. Davon reden wir.
Wenn der Apostel sagt: wir sind Zeugen alles dessen, was er getan hat, so redet er zunächst von den Taten Jesu. Diese Taten des Herrn waren offenkundige Beweise und Zeugnisse, dass, wie der Herr selbst sich darauf beruft4), der Vater ihn, „den Sohn, gesandt habe, und dass der Vater. in ihm, und er in dem Vater, und beide, der Sohn und der Vater Eins seien.“ tue ich nicht, spricht er, die Werke des, der mich gesandt hat, so glaubt mir nicht; tue ich sie aber, so glaubt doch den Werken, die ich tue. Die Johannesjunger, die zu ihm gekommen waren, ihn zu fragen: ob er sei, der da kommen solle, oder ob sie Eines Andern warten sollten, verwies er auf seine Taten, zum Zeugnis, dass er sei Christus der Herr. Auf welche andere Weise und durch welche andere Mittel hätte denn auch Jesus von Nazareth in seiner einfachen Menschengestalt zunächst seine Herrlichkeit offenbaren können, als durch diese Taten der Allmacht und Liebe Gottes? Gehören sie nicht wesentlich zu jeglicher Offenbarung des unsichtbaren Gottes, und dass das Niedere vor dem Höchsten die äußere Natur vor der Wiedergeburt der Welt sich beuge?
Wie hätte Jesus anders erweisen - können, dass „Er das selbstständige Wort und Leben sei, und das Leben in ihm selber habe,“ als dadurch, dass er das erstorbene Auge und Ohr, und selbst den begrabenen Leib eines Lazarus in das Leben zurückrief? Woraus hätte man seine Gewalt über das geheimnisvolle Reich der Sünde und der Finsternis. erkennen, und wissen können, dass er, der Sohn Gottes, gekommen sei, die Werke des Teufels zu zerstören, als dadurch, dass er die, so vom Teufel überwältigt waren, gesund machte, und von den Banden der Sünde und des Todes erlöste? „Niemand kann solche Werke tun, es sei denn Gott mit ihm“ sprach schon Nikodemus, sowie es dem gesamten Altertum nie einfiel, die Verbindung göttlicher Offenbarung mit göttlichen Taten, als wesentlich zusammengehörend, zu bezweifeln. So bezeugen und erweisen die Wundertaten Jesu zunächst sein inniges, unerforschliches Verhältnis zu Gott, seinem himmlischen Vater, und, als göttliche Beglaubigungen, die unaussprechliche Würde seiner Person. Dann auch dienen sie, wie bei anderen Menschen ihre freien Handlungen, zur Darstellung seines göttlich-menschlichen Charakters und Wandels, und zur Vollendung seines Bildes, zugleich als symbolische Zeichen seiner die Welt von Sünde und Tod erlösenden Kraft und Bestimmung. „Alles dieses, schreibt Johannes am Schluss seines Evangeliums, ist geschrieben, auf dass ihr glaubt, Jesus sei der Christ, der Sohn Gottes, auf dass ihr durch den Glauben das Leben habet.“
Diese Gottestaten des Herrn geschahen in dem Lande Immanuels, im jüdischen Land und zu Jerusalem; also vor den Augen des Volks, unter welchem von altersher der Gott Israels so viele große Taten getan, und welchem er seinen starken Arm auf so mancherlei Weise offenbart hatte; vor einem Volk, von welchem Licht und Recht, Wahrheit und Gerechtigkeit über den ganzen Erdkreis ausgehen sollte, aber welches auch von jeher sich als ein widerspenstiges und abtrünniges Geschlecht erwiesen hatte, und von welchem der Herr selbst klagte: Wären in Sodom und Gomorra solche Taten geschehen, sie würden im Sack und in der Asche Buße getan haben! Hätte das auserwählte Volk nicht bloß die Taten Jesu, wovon das ganze Land voll war, flüchtig angestaunt, sondern Ihn, als den längst verheißenen und erwarteten, als den Weg, die Wahrheit und das Leben, anerkannt und gläubig empfangen; so würde ganz Israel eine Schar von Evangelisten, ein Apostelvolk, das Salz und das Licht der Erde, geworden, und durch sie das Kanaanitertum der Welt in sein Nichts zerfallen sein. Aber ach, Er kam in sein Eigentum, und die Seinen, die zuerst die Seinen und die Seinigsten werden sollten, nahmen ihr nicht auf, und verwarfen seine Zeugnisse. Dies scheint fast undenklich. Aber dieses eben so wunderliche als ausgezeichnete Volk war gleichsam verwöhnt durch die großen Taten Gottes, die unter ihren Vätern geschehen und in den heiligen Schriften aufgezeichnet waren, und welche sie von Jugend auf hörten und lasen. Und wie nun diese, gleich dem Gesetz und den Propheten, ihrem gemeinen verstockten Sinn zu bloß äußerlichen, alltäglichen Tatsachen erstarrt und versteint waren, bewunderten und priesen sie zwar die Taten Jesu, etwa wie vorübergehende Lufterscheinungen, mit flüchtigem Erstaunen, während sie seine Zeugnisse verschmähten, und an seiner Person sich ärgerten. Und so wars denn auch an ihnen nicht Abrahams Segen, sondern Moses Fluch erfüllt bis auf den heutigen Tag. Ein betrübender Beweis der Entfremdung des Menschen von dem Wesen, das aus Gott ist, und wie so schwer es hält, dass er, nachdem er aus seiner Bahn gewichen, zu seinem wahren Wesen, dem Leben in Gott, zurückkehre. In dem abtrünnigen und widerstrebenden Israel sehen wir den fortwährenden Fall des sündigen Menschengeschlechts. Doch die Führer und Obersten des Volkes sahen in den Wundern Jesu, die sie nicht leugnen konnten, lieber, sich selbst widersprechend, Satans Künste, als den Finger des lebendigen Gottes! Den Aufschluss solcher Erscheinung gibt das Wort des Herrn: „Wenn das Licht, das in dir ist, Finsternis ist; wie groß wird dann die Finsternis selber sein!“
3) Der Herr Jesus wusste wohl, dass es also geschehen, und nur wenige von den verlorenen Schafen des Hauses Israel ihn als den guten Hirten erkennen würden. Darum erwählte er selbst sich seine besonderen Zeugen, nach der Zahl der ungläubigen zwölf Stamme Israels, zwölf einzelne Männer zu Aposteln, und, nach der Zahl der siebzig ältesten des hohen Rats, auf welchen der Geist des Herrn jetzt nicht ruhte5), sondern die Ihn verwarfen, siebzig gläubige Jünger, die je zween vor ihm her zogen, ihm den Weg zu bereiten. Zu diesen sprach er: „Ihr sollt meine Zeugen sein, zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria, bis an die Enden der Erde.“ Und: „Ihr werdet zeugen, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen.“6) Unaussprechlich groß war die Gnade und die Würde, welche ihnen der Herr dadurch erteilte. Selig, spricht er, sind die Augen, die da sehen, was ihr seht. Denn ich sage euch: „Viele Propheten und Könige wollten sehen, das ihr seht, und haben es nicht gesehen; und hören, das ihr hört, und haben es nicht gehört.“7) Die höchste aller Gottesoffenbarungen, wonach die Propheten, die davon weissagten, geforscht hatten, und welche selbst die Engel gelüstete zu schauen, sollten sie sehen und hören, um sie als Augen- und Ohrenzeugen der Welt zu verkündigen. Was Johannes der Täufer von seinem göttlichen Beruf sagt, ein Mensch könne ihm selbst nichts nehmen, es werde ihm denn vom Himmel gegeben, dass galt auch von den Jüngern und Aposteln des Herrn in einem noch höheren Maße. „Nicht ihr habet mich, sondern Ich habe euch erwählt,“ spricht er selbst zu ihnen.
4) Wie erwählte der Herr seine Jünger? Gewiss nicht willkürlich oder versuchsweise; sondern, „da er nicht bedurfte, dass jemand Zeugnis gäbe von einem Menschen, und wohl wusste, was im Menschen war,“8) wählte er die Seinigen nach seiner göttlichen Weisheit und Gerechtigkeit. Er verfuhr dabei, wie einst bei der Wahl Davids zum König von Israel, sah nicht die äußere Person und Gestalt, sondern das Herz an. Nicht aus dem großen, weltberühmten Jerusalem, nicht aus den Schulen der hochgelehrten und feingebildeten Schriftgelehrten und Pharisäer berief er seine Zeugen, sondern aus dem finstern und übelberüchtigten Galiläa. Hier fand und erwählte er seinen Petrus, Johannes und Jakobus; auch sinnliche, schwache und sündige Menschen, wie andere, aber einfältiges Herzens und Sinnes, unverderbt durch die Geist und Glauben ertötende Üppigkeit der Hauptstadt, und die austrocknende und selbstsüchtige Schulweisheit der Gesetz- und Schriftgelehrten. Einzelne Vorurteile ihres Volks abgerechnet, waren ihre Seelen leere Gefäße, geeignet der Wahrheit Raum zu geben und sie in sich aufzunehmen und zu bewahren. Ihr Auge war noch einfältig und unverfälscht, also dass sie bei dem ersten Anblick Jesu etwas von seiner verborgenen Herrlichkeit ahndeten, empfanden und gewahrten. Darum bedurfte es auch nur eines einfachen, traulich väterlichen Worts: „Komm, folge mir! Ihr sollt Menschen fischen,“ und das Wort fand Raum in ihren kindlichen Seelen; sie verließen Kahn und Netz, und folgten ihm nach.
Nun wurde ihnen Jesus von Nazareth im Anschauen und Umgang allmählich vorerst ein lieber Meister und Lehrer; bald ein Prophet, mächtig in Worten und Taten; danach der verheißene Gottgesalbte und Herr, endlich der eingeborene Sohn des lebendigen Gottes. Allmählig ging die Sonne der Gerechtigkeit ihrem innern Leben auf. Sie mussten die drei Jahre, und was in diesem langen und gnadenreichen Zeitraum seines Erdenwandels geschah, mit dem Herrn durchleben; sie irrten und fehlten noch mannigfaltig; zuweilen, vor Allen, als die ernste Stunde der Leiden gekommen war, schien das noch schwache Licht in ihnen sich zu verdunkeln, aber die erste Liebe erlosch nur ach, in dem einen „Kind des Verderbens“, in den Anderen machte sie bald dem umwölkten Licht wieder Bahn, um nie wieder zu erlöschen. Sie sahen vierzig Tage lang den Auferstandenen, waren Zeugen seiner sichtbaren Aufnahme in die Herrlichkeit, und empfingen zuletzt aus seinem Munde die Verheißung: Siehe, ich bleibe bei euch alle. Tage bis an der Welt Ende. So wurden diese ersten Zeugen und Herolde des Reiches Gottes allmählich in menschlicher Weise von Ihm, dem Menschensohn, durch Liebe und Ernst erzogen, bis sie fähig waren, die Gaben des Heiligen Geistes in vollem Maß zu empfangen, und nun Ströme des lebendigen Wassers von ihrem Leibe flossen, die immerfort strömen, den wiedergewonnenen Garten des neuen Eden zu wässern.
5) Nun konnten und sollten sie aller Welt verkündigen: Wir sind Botschafter an Christi statt, Zeugen des Einen, der in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden! Wie der Herr selbst, in allem ihr Vorbild, im Lande Judäa, Samaria und Galiläa mit ihnen umhergezogen war, und überall seine Herrlichkeit offenbart und die Mühseligen und Beladenen zu sich eingeladen hatte, so zogen seine Boten nun in die weite Welt, und predigten Jesum Christum, den Gekreuzigten und Auferstandenen, und forderten Hohe und Niedere, Arme und Reiche auf, sich zu bekehren von der Finsternis zum Licht, und von der Gewalt des Satans zu dem lebendigen Gott. „Und das Wort wuchs und nahm überhand, auf dass die Erde voll wurde von Erkenntnis des Herrn, wie von Wassern des Meers bedeckt.“ So geschah es durch diese ungelehrten Leute und Laien von Galiläa, und durch den einen Paulus, welchen der Herr seiner eigenen Weisheit und Gerechtigkeit entkleidet, und aus einem wütenden Feinde in einen treuen Diener und Freund verwandelt hatte, also dass auch er nichts anders zu wissen sich rühmte, als allein Jesum Christum den Gekreuzigten. Wunderbare Wirksamkeit des einfachen Wortes, welches, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit, überall widersprochen ward, und das von Natur dem Menschen so zuwider ist, als das Kreuz, worauf es sich gründet, und durch dessen Nennung sich ein Römer zu entehren meinte. Aber der Herr, der da heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, war mit seinen Zeugen. „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn: darum wir leben oder, sterben, so sind wir des Herrn!“ Dies war ihre Losung und ihr Feldruf. Sie rühmten sich ihrer Trübsale und hatten zuletzt auch die Ehre, ihr Zeugnis mit ihrem Blut zu besiegeln, ihrem Erzhirten im Tod ähnlich zu werden, und dann aus seiner Hand die Krone Der Ehren zu empfangen.
So wurde durch diese einfachen, aber mit dem Geist Gottes und mit Kraft gesalbten Männer aus einem verachteten Winkel der Erde, das große Gotteswerk der Erlösung, „die verborgene Weisheit Gottes zu unserer Herrlichkeit,“ der Menschheit mitgeteilt, das Wort von der Versöhnung, wie das Kreuz auf Schädelstätte, unter uns, in der sündigen Welt, dem Wohnsitz des Todes und der Verwesung, aufgerichtet, und ein neues Leben über sie ausgegossen. Wir müssten Sinn und Gefühl für alles Große und Göttliche verloren haben, wenn der Hinblick auf diese Zeugen der Wahrheit, auf die anspruchslose Gestalt, worin sie einhergingen, und das einzige einfache Mittel, das Wort ihres Mundes, wodurch sie solches bewirkten, kurz, auf ihre menschliche Demut und ihren göttlichen Heldenmut, uns nicht mit tiefer Bewunderung und Verehrung erfüllte. Sind nicht unsere Kirchen und Schulen, unsere Taufe und Abendmahl, unsere Bibeln und Liederschätze, unsere Armen- und Waisenhäuser allesamt Zeugnisse von jenen Zeugen, die da zeugten von dem einen großen und treuen Zeugen, der da heißt Amen.
Aber nicht bei der flüchtigen Bewunderung dieser schwachen und doch so starken Werkzeuge des Herrn sollen wir es bewenden lassen, sondern um so mehr ihr Zeugnis als Gottes Zeugnisse annehmen. „So wir der Menschen Zeugnis annehmen, sagt Johannes9), so ist doch Gottes Zeugnis größer. Denn Gottes Zeugnis ist das, des er gezeugt hat von dem Sohn. Und wer da glaubt an den Sohn Gottes, der hat solches Zeugnis bei ihm, und hat das Leben in ihm.“ „Und, wie wollen wir entfliehen, spricht ein anderer Apostel10), so wir solcher Seligkeit nicht achten, welche, nachdem sie erstlich ist gepredigt durch den Herrn, ist sie auf uns gekommen, durch die, so es gehört haben. Und Gott hat ihr Zeugnis gegeben mit Zeichen, Wundern und mancherlei Kräften, und mit Austeilung seines Heiligen Geistes nach seinem Willen.“ Der Zeugnisse durch Zeichen und Wunder bedürfen wir nicht mehr; die Heilige Schrift gibt uns ihrer sattsam und genug, und sie selbst ist, in ihrem Ursprung und Umfang, ein eben so großes Wunderwerk. Gottes, als das, was sie zu Anfang und am Ende erzählt. Auch wandeln die Botschafter, welchen der Herr Mund und Weisheit verlieh, immerdar unter uns, und bitten und vermahnen: Lasst euch versöhnen mit Gott! und so wir ihr Wort annehmen, so wird in uns selbst ein Zeugnis entstehen, das uns der äußern überhebt. Es wird uns dann ergehen, wie jenem Lahmen von Mutterleib vor des Tempels Tür, die da heißt die Schöne, den Petrus im Namen Jesu Christi von Nazareth bei der rechten Hand ergriff und aufrichtete, dass seine Schenkel und Knöchel feststanden, und sprang auf, konnte gehen und stehen, und ging mit ihnen in den Tempel, wandelte und sprang, und lobte Gott; und es sah ihn das Volk wandeln und Gott loben11). „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, spricht der Herr, so seid ihr meine rechten Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.12)“
Das ganze Evangelium ist ein menschliches Zeugnis Gottes von seinem Sohn, gleichwie die Sprache, dem Menschen gegeben, dass er selbst es wie diese bewahre; mitteile und fortpflanze. Darum heißt es Evangelium, d. i. erfreuliche Botschaft, frohe Verkündigung, und menschlich oder fleischgewordenes Freudenwort. So kann es nicht anders, als von Mund zu Mund mitgeteilt und verbreitet werden, gleichwie das menschliche Wort und der ganze Wörterschatz der Sprache von Menschen auf Menschen vererbt wird; und wenn allen Mund und Ohr sich verschlosse, die menschliche Rede und mit ihr menschliches Denken und Empfinden ersterben würde. Also verhält es sich auch mit dem „Worte aus Gottes Munde.“. Es ist jedem Christen anvertraut, dass er zu dessen Erhaltung, Verbreitung und Fortpflanzung, als ein Gehilfe des Herrn und seiner Wahrheit, wirke und zeuge; Alle, welche die Salbung empfangen haben13), sind zu Evangelisten, wenn auch nur und zuerst, wie Cornelius, in dem Kreis ihres häuslichen Lebens berufen. In dem ersten kleinen Häuflein der Zeugen, die dem Herrn sich anschlossen, und erst in Judäa und dann in aller Welt von ihm zeugten, sehen wir das Urbild aller Christen und Christengemeinen.
Darum legte auch der Herr ein so großes Gewicht auf sein Bekenntnis: „Wer mich vor den Menschen bekennt, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater;“ und Paulus: „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig.“ Ihr seid, spricht Petrus, das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.