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Krummacher, Friedrich Adolph - Der Hauptmann Cornelius - VII.

„Nachdem vor Zeiten Gott manchmal und auf, mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet, durch den Sohn.“. So lautet der Anfang des apostolischen Sendschreibens an die Hebräer. Welch eine Gnade und Wohltat Gottes verkündigen diese einfachen Worte. Gott hat zu den Menschen, zu dem sündigen, von ihm abgefallenen Menschengeschlecht geredet! Nachdem sie seinen Bund gebrochen und sein Licht und seine Gemeinschaft verloren hatten, hat er dennoch sich zu ihnen herabgelassen, hat ihnen, da sie sein Angesicht nicht mehr sehen konnten, sein Wort gegeben, und ist mit ihnen, den Abtrünnigen, verbunden geblieben. Das Wort, die wundersame Rede des Mundes, ist das Mittel jedes geistigen Verbandes der Menschen unter einander, zugleich das Mittel aller menschlichen Ausbildung und Entwicklung. Ohne es keinen Glauben und keine Hoffnung, keine Freundschaft und Liebe, keine Teilnahme und gemeinsame Freude, kein Verhältnis der Eltern und Kinder, keine menschliche Gesellschaft; wir wären gleich den stummen Tieren des Feldes, ohne Trost und Freude. Wunderbare Einrichtung, dass Gott der Herr alles dieses, alle unsere menschlichen Vorzüge und selbst unsere Vernunft, an den Atem unseres Mundes und den Hauch unserer Lippen geknüpft hat! Wie nun das Wort zwischen Menschen und Menschen das vermittelnde Band ihres Geistes und Herzens, ihrer Gedanken und Gesinnungen ist, so sandte Gott dem sündigen Menschen sein Wort, damit wir an seiner Gnade und Erbarmung nicht zweifeln, und uns, als die verirrten Kinder, wieder zu Ihm finden möchten. Denn das ist der Zweck, wozu er uns sein Wort gegeben und vor Zeiten durch die Propheten, und in den letzten Tagen durch den Sohn zu uns geredet hat; der Zweck seines Gesetzes und seiner Verheißung und seines Evangeliums.

Auch das ist herablassende Gnade Gottes, dass, nachdem er anfangs durch die Propheten, dann durch seinen eingeborenen Sohn und dessen von seinem Geist erfüllten Boten geredet hatte, er fortan die Verkündigung seines Wortes den Menschen anvertraut, um sie mit sich selbst und gegenseitig unter einander, als die Hausgenossen Gottes, zu verbinden.

Apostelgesch. X,36.
Ihr wisst wohl von der Predigt, die Gott zu den Kindern Israel gesandt hat, und verkündigen lassen den Frieden durch Jesum Christum, welcher ist ein Herr über alles.

Jetzt beginnt der Apostel seine eigentliche Predigt. Sie ist kurz und einfach, aber in dieser Einfalt und Kürze wie inhaltsreich und umfassend. Ihr Inhalt ist Jesus Christus, der Herr über alles, und sein Friedenswerk, Friedenswort und Friedensreich. Zunächst redet der Apostel von dem, was auch schon Cornelius vernommen hatte, von dem Wort der Verheißung, welches Gott zu den Kindern Israel gesandt, und ihnen habe verkündigen lassen den Frieden durch Jesum Christum.

1)

Ihr wisst wohl, fährt Petrus fort, von der Predigt, die Gott zu den Kindern Israel gesandt hat. Unsere Bibelübersetzung weicht hier von dem Grundtext in der Verbindung der Worte des Apostels etwas ab. Die Worte: Ihr wisst sind aus dem folgenden Vers herüber gezogen, und eigentlich musste unser Vers noch mit dem vorigen verbunden werden, folgendermaßen: Nun erfahre ich mit Wahrheit verstehe und begreife das Wort, welches Gott zu den Kindern Israel gesandt hat, da er ihnen verkündigen (evangelisieren) ließ den Frieden durch Jesum Christum, das Wort: „Dieser ist ein Herr über alle!“ - nämlich sowohl Heiden als Juden. Jedoch macht diese verschiedene Stellung der Rede in der Sache selbst keinen Unterschied; denn was der Apostel in Beziehung auf sich selbst sagte, das redete er auch für Cornelius und seine Hausgenossen. Er redet zuerst von dem Wort, dem Friedenswort, welches Gott zu den Kindern Israel gesandt habe. Der Ausdruck senden wird in der Schrift mehrmals, nicht ohne Bedeutung, von dem Wort Gottes und dessen Verkündigung gebraucht. So spricht der Herr selbst durch seinen Propheten, indem er es mit dem vom Himmel fallenden, die Erde befruchtenden Schnee und Regen vergleicht: „Also soll das Wort, so aus meinem Munde geht, auch sein: Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, wozu ich es sende1)“. Nachdem die Menschen gesündigt und das Ebenbild und Antlitz Gottes verloren hatten, sandte ihnen Gott, der Erbarmer, gleichsam aus der Ferne, sein Wort, das Wort der Verheißung, dass er ihnen, obwohl sie sich von ihm entfernt, auch in dem Kampf mit dem Schlangensamen, nahe bleiben, und immer mehr, bis zum Sieg, sich ihnen nahen wolle. Gleichwie das Wort und die Rede des Mundes das wunderbare Band ist, welches das Menschliche in dem Menschen entwickelt, und die Menschen unter einander verbindet, so kann auch nur durch das Wort Gottes das Göttliche dem Menschen mitgeteilt und er wieder mit Gott vereinigt werden. Dies ist der Zweck der gesamten Gottesoffenbarung an das gefallene Geschlecht, und wie in der allerersten Verheißung eher des Sieges als des Fersenstichs gedacht wird, so ist auch das Wort der Verheißung überall das Vorwaltende, und das Gesetz tritt erst, weil es nicht anders sein kann, später ins Mittel.

Also auch blieb. der „Mund Gottes“ anfangs den Menschen näher; und sein Wort kam unmittelbarer zu ihnen, wie zu Adam, Seth, Henoch, Noah und zu den Erzvätern; auch noch zu Moses, dem Mittler des alten Bundes, „redete der Herr, wie ein Freund zu dem anderen.“ Als aber die ganze Menschheit sich von dem lebendigen Gott je mehr und mehr entfernte, da ward bloß dem Volke Israel das Wort der Verheißung anvertraut, und teils verhüllt in Bildern, Zeichen und Schatten, teils durch menschliche Boten, die Propheten, ihnen gesendet, bis die Fülle der Zeit herbeikam, und das ewige selbständige Wort Fleisch ward, und voll Gnade und Wahrheit unter den Menschen seine Wohnung nahm2). Das Wort des alten Bundes und dessen Sendung an Israel war erfüllt durch die Sendung des Sohnes Gottes; und als nun durch ihn und sein Opfer der neue ewige Bund geschlossen war, da ward die große Gottestat wieder zum Wort der Versöhnung, unter uns aufgerichtet. Das ist das Wort, welches unter uns verkündigt wird, und wonach Cornelius sich sehnte.

2)

Der Apostel bezeichnet den Inhalt und Zweck dieses Wortes durch den Zusatz: „und hat verkündigen (evangelisieren) lassen den Frieden durch Jesum Christum. Friede! O welch ein liebliches Wort! Es bezeichnet die Vereinigung alles Wahren, Guten und Erfreulichen. Darum war es auch das Wort, womit das alte Israel, und bis auf den heutigen Tag dessen Nachkommlinge, die Juden sich begrüßen und einander Gutes wünschen. Aber wo ist der Friede? Seitdem die Sünde und durch sie der Tod in die Welt gekommen und zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, ist der Friede der Erde entwichen und an dessen Stelle der Unfriede getreten. In dem Zustand der ersten gefallenen Menschen erblicken wir das Bild des Unfriedens der ganzen Menschheit. Anstatt des frohen Aufblicks zu dem Gott der Liebe, der sie zu seinem Bild erschaffen und sich väterlich ihnen genaht hatte, bemächtigte sich ihrer Furcht und Entsetzen, als vor einem verzehrenden Feuer, dem sie zu entfliehen und vor dessen Angesicht sie sich zu verbergen suchten. Statt der kindlichen Unschuld, womit sie ihren Schöpfer erkannten, liebten und in seliger Gemeinschaft mit ihm lebten, empfanden sie nun die Verdammnis des eigenen Herzens; die ursprüngliche Einfalt und Harmonie ihres Wesens war gestört, Leib und Geist entzweit und wider einander gelüstend, so dass sie ihres menschlichen entstellten Wesens sich schämten. Und wenn sie zurückblickten, sahen sie statt des verlorenen Edens den Cherub mit dem hauenden Schwert; vor sich den Tod und die Verwesung; und in der Mitte den Acker voll Dornen und Disteln, Schweiß des Angesichts, Krankheit, Schmerz, Leid und Geschrei. Dazu kam - und wie sollte der innere Zwiespalt nicht den äußeren erzeugen? - Unfriede und Feindschaft unter und gegen einander; Selbstsucht, Neid, Grimm, Bosheit. Abels Blut schrie um Rache gegen den unsteten und flüchtigen Brudermörder.

Welch ein Jammerbild! Aber es ist der Zustand des sündigen Menschengeschlechts, der Erde und ihrer Geschichte. Wie kann denn Friede sein, wo die Sünde, diese. Ausgeburt der Finsternis, die das Licht hasst, ihren Wohnsitz hat, und der Mensch aus seinem Verband mit Gott, dem Urquell alles Lichts und Lebens, und zugleich aus seinem eigenen Wesen herausgetreten, mit Gott und mit sich selbst entzweit ist? Wohin wir blicken, über uns und unsere Erde hinauf zu den ewigen Wohnungen des Lichts, in unser eigenes Herz und Leben, um uns her auf das eitle Treiben und Suchen, Seufzen und Sehnen der Menschen, und endlich der Blick in die Zukunft auf Tod und Grab, Gericht und Ewigkeit - welche Zeugnisse, dass wir, wie Adam, den Bund gebrochen und den Frieden Gottes verloren haben!

3)

Aber, heil uns, wir können und sollen wieder zu diesem Frieden gelangen. Denn Er, der Gott des Friedens, der Vater aller Gnaden hat verkündigen lassen, den Frieden durch Jesum Christum, denen, die nahe und die da ferne waren. Das ganze Alte Testament enthält die Präliminarien, die Voranstalten, zu diesem Friedensbund. Noah sah in dem Ölblatt der Taube und in den Wolken des Himmels über der zerrissenen Erde das Zeugnis dieses Friedens. Abraham sehnte sich, den Tag des Herrn zu sehen und sah ihn, und freute sich, und dem sterbenden Israel umleuchtete das Heil, das da kommen sollte. Und mit welchen lieblichen Farben zeichnen die Propheten, besonders der Evangelist des alten Bundes, das Bild der verheißenen erfreulichen Zukunft! Um diesen Friedensbund zu stiften, dazu bedurfte es einer Gnadentat Gottes, die über alles menschliche Denken und Verstehen so weit hinausreicht, als der Himmel höher ist, denn die Erde; nämlich der Offenbarung Gottes im Fleisch; der Sendung seines eingebornen Sohnes. „Gott war in Christo, und versöhnte die Welt mit ihm selber! - Er sandte seinen Sohn, damit wir die Kindschaft empfingen! Also hat Gott die Welt geliebt!“ Ein Werk Gottes, nach welchem, wie Petrus schreibt3), die Propheten, die von der zukünftigen Gnade durch den Geist Christi, der in ihnen war, weissagten, geforscht haben, und welches selbst die Engel gelüstete zu schauen, und das, als es nun erschienen war, sie mit ihren Lobgesängen feierten: „Ehre Gott in der Höhe, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen!“

4)

Und worin besteht denn dieser Friede und des Friedens Frucht? Das sagt uns der Apostel Paulus4) gar schön, wenn er spricht: Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Friede mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christ, durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darinnen wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll. Also, der Stifter des Friedensbundes ist Gott, der Gott, der seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse, über Gerechte und Ungerechte. Der Mittler des Bundes ist Jesus Christus, der in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen. Der Bund ist da, wie die Sonne am Himmel da ist, und ohne unser Zutun uns feuchtet. Und wie wir des Sonnenlichts und ihrer Wärme genießen, dadurch, dass wir durch ihre Strahlen uns mit ihr vereinigen, so bedarf es auch nur der Annahme der Gnade unseres Gottes und Heilandes des Geistes- und Herzensbündnisses mit Ihm, welches die Schrift Glauben nennet. Dadurch treten wir in ein ganz neues Verhältnis zu Gott, zu dem Gesetz und zu der Welt; ein neues göttliches, Leben geht in uns auf, welches der heilige Geist in uns wirkt. Wir empfangen die Gewissheit der Vergebung unserer Sünden und angeborenen Sündhaftigkeit, die Zuversicht und das Gefühl unserer Gotteskindschaft, und das Unterpfand und Siegel unseres göttlichen Erbes und der Miterbschaft Jesu Christi. „Alles ist euer, heißt es von diesem Gnaden- und Friedensstande, denn ihr seid Christi, und Christus ist Gottes.“. Wie dieser Friede Gottes höher ist denn alle Vernunft, so übersteigt er auch alle Sprache und menschlichen Ausdruck.

Ja dieser Friede Gottes ist die Wurzel und der Brunnquell aller Seligkeit. Denn mit ihm ist verbunden der Friede des Gewissens; unser Herz! verdammt uns nicht mehr, und wir haben die Freudigkeit zu Gott, dass wir alles von ihm empfangen werden, was wir bitten. Wir haben steten Zugang zu seiner Gnade, und dürfen, wenn durch unsere Schwachheit, Schuld und Untreue unser Herzensbündnis getrübt wurde, ihm uns vertrauensvoll nahen, ihm unsere Gebrechen bekennen, und von seiner Treue neue Gnade und Vergebung erwarten. Er ist größer als unser Herz, und so wir sündigen, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christ, und derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünde. Er fragt uns nur: Hast du mich lieb? und ist bereit, dass gestörte Bündnis noch inniger zu knüpfen. Mit diesem Frieden ist ferner verbunden der Friede mit allen Menschen. Denn wie könnte in einem Herzen, welches weiß, wie viel ihm vergeben und gegeben ist, Neid und Hass, Zorn und Bitterkeit wohnen? Im Hinblick auf den Frieden, den der Herr den Seinigen geben und lassen wollte, sprach er: „Ich sage euch: Liebt eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ Und hatte denn Stephanus auch nur Einen Feind unter denen, die zähneknirschend auf ihn einstürmten, und ihn steinigten? den Himmel in ihm konnten sie nicht trüben.

Wer in dem Frieden mit Gott steht, hat auch Frieden mit aller Kreatur. Freilich den Garten Eden empfangen wir auf Erden nicht wieder, sondern bleiben Pilger und Fremdlinge unser Leben lang, müssen immerdar im Streit leben und unsere Tage sind wie eines Tagelöhners. Aber wenn Adam und Eva den Verlust ihres verschlossenen Edens, das hinter ihnen lag, zwischen den Dornen und Disteln der Erde betrauerten, so sind diese uns, im Hinblick auf den himmlischen Adam, vielmehr Zeichen und Zeugen eines viel herrlicheren Edens, das aufgeschlossen vor uns liegt und uns erwartet. So rühmten sich die Apostel und Alle, in deren Herzen die Liebe und der Friede Gottes ausgegossen war durch den heiligen Geist, der Trübsal, und selbst der Tod erschien ihnen nicht mehr alle Vollstrecker des göttlichen Urteilsspruchs, sondern als ein himmlischer Friedensbote und Führer zu dem ewigen Eden, wo alle Fehde ein Ende hat.

5)

Und worauf gründet sich nun dieser Friede und Friedensbund? Antwort: Auf die Herrlichkeit und Herrschaft Jesu Christi des Heilandes. Darum setzt der Apostel hinzu: Welcher, oder, dieser ist ein Herr über Alles oder, wörtlich, Aller, nämlich Dinge und Wesen. Nachdem er das Werk der Erlösung vollbracht hatte, ist er eingegangen in seine Herrlichkeit, und ihm ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Dazu ist er gestorben und auferstanden, dass er über Tote und Lebendige Herr sei. Gott hat, ihn gesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Fürstentümer, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was genannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.“5) Dieser von Gott erhöhte Herr der Herrlichkeit ist unser Erlöser und Versöhner, unser Friedefürst und König! „Wir haben nur Einen Gott, den Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir zu ihm; und Einen Herrn Jesum Christum, durch welchen alle Dinge sind, und wir durch ihn.“6) Nachdem er als der einige Mittler zwischen Gott und den Menschen sich selbst gegeben und das Werk der Versöhnung vollbracht hat, wirket er immerdar durch sein Wort und seinen Geist, auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende.

Dieses Friedensevangelium verkündigt nun der Apostel Petrus der ersten Heidenversammlung zu Cäsarien, die es gläubig und freudig aufnehmen, und bald darauf in die Gemeine der Heiligen auf Erden aufgenommen und zugleich - denn beide sind innigst verbunden - der Gemeine der vollendeten Gerechten, die droben ist, zugezählt werden sollten. Was dem Cornelius und seinem Hause geschah, ist das Vorbild von der Gnade, die unseren Vorfahren wiederfahren sollte. Der allergrößte Segen, der jemals, unserem Vaterland gegeben wurde, ist der, dass auch die Füße solcher Boten, die da Friede verkündigen und sagen: Dein Gott ist König! auf unserem Boden wandelten, und den unvergänglichen Samen des Wortes der Wahrheit ausstreuten, damit wir würden Erstlinge einer Kreatur. Seitdem wohnt das Evangelium des Friedens, und der Friedefürst wandelt unter uns, und ruft uns zu: Kommt her zu mir; bei mir sollt ihr Ruhe finden für eure Seelen!

„Wie wollen wir entfliehen, so wir solcher Seligkeit nicht achten, die, nachdem sie erstlich von dem Herrn gepredigt ist, ist sie auf uns gekommen, und Gott hat ihr Zeugnis gegeben.“ .“Sucht Wahrheit und Frieden!“ ruft der Prophet uns zu, und gibt uns dadurch zu erkennen, was wir verloren haben.

Dadurch, dass wir von Gott abgefallen sind, befinden wir uns, nach unserem natürlichen Zustand, in stetigem Fallen. Ja, alle Menschen haben ein, wenn auch dunkles Gefühl, dass es sich also mit ihnen verhalte; sie suchen alle einen Haltpunkt. Aber hier tritt nun leicht die Selbsttäuschung hinzu, wie wenn ein versinkender nach einem Strohhalm greift. Der Apostel Johannes warnt vor diesem gefährlichen Selbstbetrug, wenn er seinen ersten Brief mit den Worten beschließt: „Kindlein hütet euch vor den Abgöttern.“; Er meint damit nicht die Götzen und Götzenbilder der Heiden, vor welchen sich zu hüten nicht schwer ist, sondern eine viel gefährlichere Abgötterei, gegen welche auch die Kinder des Lichts zu kämpfen haben; die Selbst- und Weltvergötterung, Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen. Diese feinere Abgötterei ist eine nicht geringere, wenn auch verstecktere, Lüge, als die grobe und gröbste Abgötterei der Heiden, und führt das Herz des Menschen eben so weit, wo nicht weiter, von dem lebendigen Gott ab, als jene weniger übertünchte. Denn es ist gefährlicher, seinen Abgott in sich selbst, in seinem Herzen, als ihn äußerlich vor Augen zu haben. Ach, wie traurig, wenn wir nun das Wesen und Treiben der meisten Menschen ins Auge fassen, wie sie freilich alle den Frieden suchen, aber in der Welt und ihren vergänglichen Gütern, wo er nicht zu finden ist; oder, wenn einmal das Gefühl ihres Unfriedens lebendiger vor ihre Seele tritt, sie dasselbige durch sogenannte Zerstreuungen zu verbannen suchen, und so in freiwilliger Selbsttäuschung und Verblendung, immerdar im Fallen und Greifen bleiben, bis sie am Ende mit Schrecken den Betrug der Sünde gewahren, und ohne Frieden dahinfahren!

O, lasst euch versöhnen mit Gott, und seht zu, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. O liebliches Vorbild jener Heidenfamilie zu Cäsarien, welche nicht ruht noch rastet, bis sie den Friedefürsten, und in Ihm und durch Ihn den Frieden gefunden hat. Der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu. Amen.

1)
Jes. 55,10-11
2)
Joh. 1,14; Off. 21,3
3)
1. Pet. 1,10-12
4)
Röm. 5,1 f.
5)
Röm. 14,9. Eph. 1,20. f.
6)
I. Kor. 8,6.