Die Geschichte des Hauptmanns Cornelius ist nicht bloß deshalb so genau und umständlich beschrieben worden, weil er der erste Heide war, der von den Aposteln zum Evangelium bekehrt und getauft wurde; sondern auch, damit wir an diesen einen Menschen sehen sollen, wie hoch und werth geachtet und angesehen ein Mensch, und jeder einzelne Mensch in den Augen Gottes sei. In der äußern sichtbaren Beit ist ein Mensch nur ein sehr kleiner Theil des ganzen Menschengeschlechte. „Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.“1)
So ist's auch mit ganzen Menschengeschlechtern. Sie welken und fallen ab, wie im Herbst die Blätter von den Bäumen, und ihr Gedächtniß und Name verschwindet auf Erden, als ob sie nie dagewesen. „Wie nichts, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher wohnen.“
Wir können in der That nicht klein und demüthig genug von uns denken. Aber wir können auch nicht groß genug von uns denken, wenn wir zu Gott, dem Lebendigen, aufblicken, der uns, ehe der Welt Grund gelegt war, erwählet und zur Kindschaft gegen ihn selbst verordnet hat durch Christum. Darum auch fährt der königliche Sänger des 103ten Psalms, nachdem er den Menschen dem vergänglichen Grase und der Blume des Feldes verglichen hat, sogleich fort: „Aber die Gnade des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten, und seine Barmherzigkeit auf Kindeskind, bei denen, die seinen Bund halten, und gedenken an seine Gebote, daß sie darnach thun.“ Und so redet der Prophet in den rührenden Worten: „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und wenn sie dessen vergäße, so will ich dein doch nicht vergessen, spricht der Herr. Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet.“2)
Besonders, aber lehrt und überzeugt uns das Evangelium von dem Werth eines einzelnen Menschen in den Augen Gottes, wenn z. B. der Herr Jesus die Kindlein, die in den Augen der Jünger nicht viel galten, zu sich kommen läßt, sie nach einander herzet und segnet, und von ihnen sagt, ihrer sei das Reich Gottes; oder wenn er sich selbst als den treuen Hirten darstellt, der seine 99 Schafe auf der Weide läßt, um das eine verlorene aufzusuchen, und hinzusetzt, daß im Himmel große Freude sein werde über eine gerettete Menschenseele.
Das lehrt uns auch unsere Geschichte. Man möchte sich wohl wundern, welche große Anstalten getroffen, und, so zu reden, Himmel und Erde in Bewegung gesetzt werden - um eines heidnischen Menschen willen. Aber hat nicht Gott, der Herr, mit einem Menschen aller Menschen Geschlechter, die auf dem ganzen Erdboden wohnen sollten, begonnen? Hat er nicht den einen Abraham zu einem Vorbilde der Gerechtigkeit des Glaubens dargestellt, und durch einen Mose den Alten Bund gestiftet? Und, was das Höchste ist, wie durch Eines Menschen Sünde die Verdammniß über alle Menschen gekommen, also ist durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen.3)
So darf jeder einzelne Mensch im kecken Glauben über die Sonnen und Sterne am Himmel hinausblicken und sagen: Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war, und waren alle Tage auf dein Buch geschrieben, die da werden sollten, ehe keiner derselben noch da war!
Apostelgeschichte 10, 3-8.
Der sah, in einem Gesichte offenbarlich, um die neunte Stunde am Sage einen Engel Gottes zu ihm eingehen, der sprach zu ihm: Corneli. Er aber sah ihn an und sprach: Herr, was ist's? Er aber sprach zu ihm: Dein Gebet und deine Almosen sind hinaufgekommen in das Gedächtniß vor Gott. Und nun sende Männer gen Joppen, und laß fordern Simon, mit dem Beinamen Petrus, welcher ist zur Herberge bei einem Gerber, Simon, deß Haus am Meere liegt; der wird dir sagen, was du thun sollst. Und da der Engel, der mit Cornelio redete, weggegangen war, rief er zween seiner Hausknechte und einen gottesfürchtigen Kriegesknecht, von denen, die auf ihn warteten; und er erzählte es ihnen alles und sandte sie gen Joppen.
Jetzt beginnt die Geschichte, zu zeigen, wie Gott dem Cornelius, der ihn suchte, ob er ihn fühlen und finden möchte, sich nahet, um, nach seiner Verheißung, von dem suchenden sich finden zu lassen. Dies geschiehet allmählig, durch eine Offenbarung aus der unsichtbaren Welt.
1) Der gottesfürchtige, kindlich - gläubige Heide war nicht ohne Hoffnung, daß sein Verlangen nach dem Licht und Angesicht Gottes erfüllt werden würde, und wahrscheinlich wurde diese noch vermehrt durch die Nachrichten, die er vernahm von der Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums in der Nähe von Cäsarien, besonders in dem benachbarten Samaria durch Philippus und die von Jerusalem vertriebenen Christen. Ach, mochte er seufzen, käme doch auch zu mir einer der Gottesboten, die da Heil und Friede verkündigen! Er hielt an am Gebet und fastete täglich vom Morgen bis um die neunte Stunde, um frei von allem Irdischen der ersehnten Gnade und Offenbarung empfänglich zu werden. So strebte er, alle Forderungen des Gesetzes zu erfüllen, um zu einem höheren Leben und Frieden zu gelangen, als das Gesetz zu geben vermag; er hungerte und dürstete nach einer Gerechtigkeit, die er nur noch ahnete. Also hatte er nach seiner Gewohnheit abermals gefastet und gebetet bis um die neunte Stunde. Es war die Zeit, wo man, nach Jüdischer Sitte, pflegte in den Tempel zu gehen, zu beten, und wo das Abendopfer bereitet wurde. In seinem Herzen war der Wunsch Davids: „Mein Gebet müsse vor dir taugen, wie ein Rauchopfer, und meiner Hände Aufheben, wie ein Abendopfer!“4)
2) Da hatte er ein Gesicht, d. h., ein ganz besonderes Sehen wurde ihm zu Theil. Was das natürliche Sehen ist, wissen wir aus täglicher Erfahrung, und denken nicht daran, welche wunderbare Gabe unsers Schöpfers es sei, daß wir mit unsern Augen sehen können. Versetze dich einmal in Gedanken in die Stelle jenes Blindgeborenen, (Joh. 9.) welchen der Herr zu dem Teiche Siloam sandte, sich daselbst zu waschen, und der nun, als er sein Haupt erhob, sehend geworden war. Wie muß ihm gewesen sein, da er den blauen Himmel, die Sonne mit ihrem Licht, die Stadt Jerusalem, Den Berg Zion mit seinem Tempel, die Menschen, die Bäume sah - Alles dieses gleichsam in ihn hineinströmte, in ihm sich gestaltete und lebte! Wie ist's möglich, daß durch die beiden kleinen Oeffnungen des Hauptes, durch die zarten Augen, der große weite Sternenhimmel in uns einkehrt. Ja, fürwahr, der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen! Und der uns dieses, in seinem Wesen und Wirken unergründliche alltägliche Sehen gegeben hat, sollte der nicht ein anderes, ein höheres und tieferes Sehen für uns haben!
In unserer Geschichte ist von einem solchen Sehen die Rede, wozu Er, der das Auge gemacht hat, das Auge geben oder verklären muß. Er hat es verheißen, wenn er (4. Mos. 12, 6) spricht: „Ist jemand ein Prophet unter euch, dem will ich mich kund thun in einem Gesicht;“ und bei Joel und durch den Apostel Petrus: „Eure Söhne und eure Tochter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte haben.“ Er hat es auch oft an seinen Auserwählten im Alten und Neuen Bunde erwiesen; und zwar auf verschiedene Weise. Jakob sah im Traume, während das leibliche Auge verschlossen war, die Himmelsleiter, und Joseph, dem Pflegevater, erschien der Engel des Herrn im Traum; Petrus (v. 10) ward entzückt - gleichsam aus und über sich selbst emporgehoben - um den Rath Gottes zu vernehmen, desgleichen Paulus ins Paradies, um Worte zu vernehmen, die kein Mensch sagen kann. Andere, wie die Hirten zu Bethlehem, die Jüngerinnen am Grabe, die Jünger nach der Auffahrt des Herrn, sahen mit leiblichen Augen himmlische Wesen. So war es auch bei Cornelius, ein Gesicht mit leiblichen Augen und offenbarlich am Tage, in völlig wachem und selbstbewußtem Zustande.
3) Er sah einen Engel Gottes zu ihm eingehen. Die ganze heil. Schrift lehret und zeiget uns, daß der allmächtige Gott in seiner allumfassenden Weltregierung sich überall der Mittel und Vermittelung bedient, ohne daß dadurch seine Allmacht und Herrlichkeit beschränkt, sondern im Gegentheil solche den Menschen nur desto einleuchtender offenbar werden. Nachdem Gott der Herr gesprochen: Es werde Licht! und Licht geworden war, hätte es dessen nicht bedurft, eine Sonne an den Himmel zu heben, und durch sie das Licht austheilen zu lassen; aber er hat es doch gethan, und so haben wir in derselben ein Zeichen und Wunderwerk seiner Macht und Liebe, und zugleich ein sichtbares Vorbild unserer Liebe mehr und näher vor Augen. Er, der Allmächtige, bedarf der Hülfe der Engel nicht, um seine Absichten zu erreichen; aber seine Liebe wollte das Dasein solcher Wesen, die, ihm näher, an seiner Herrlichkeit Theil nehmen und selbstthätig in seinem Dienst ihrer göttlichen Natur in höherem Maße sich freuen sollten. Wie die Erde, so sollte auch der Himmel seine Apostel haben. Darum „stehen tausend mal tausend starke Helden vor ihm, und zehntausend mal tausende dienen ihm, und harren, seine Befehle auszurichten, daß man höre die Stimme seines Worts.“5) - Es sind Wesen, nicht wie wir arme Menschenkinder an die Erde gebunden, nicht, wie wir, von einem irdischen verweslichen Leibe beschwert, nicht Staub und Asche, sondern Kinder des Lichts, die immer das Antlitz des Vaters im Himmel schauen. Was sie sind, solche selige, freie, frohe, lichthelle und tugendreiche Gestalten sollen wir einst werden.6) Das wissen, das wünschen sie; dazu mitzuwirken, das ist ihr Beruf und ihre Freude. Sie freuen sich über jeden Sünder, der Buße thut, und haben ihre Lust an den Kindern, in welchen sie hoffend die künftigen Genossen des Himmelreichs erblicken. Kurz, „sie sind allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienste derer, welche die Seligkeit ererben sollen.“7) Darum heißen sie. Engel, d. i. Gesandte, Boten, Diener Gottes.
Das Wort Gottes hat uns von diesen Bewohnern der unsichtbaren Welt sowohl den guten, als den bösen, abgefallenen, mit väterlicher Weisheit gerade so viel und nicht mehr offenbaret, als wir zu unserm Heil zu wissen bedürfen und vermögen. Das Wort Gottes ist uns gegeben als eine Leuchte unserer Füße, die hier auf irdischem Grund und Boden stehen, und als ein Licht auf unserm Wege, der gen Himmel führt, aber noch nicht im Himmel ist. Wenn wir also das Wort Gottes annehmen in Demuth, und im Glauben en gebrauchen, dann werden wir uns in dem Besitz dessen, was uns von den Geheimnissen des Himmels mitgetheilt ist, glücklich preisen, und genügsam in Gottseligkeit, nicht wissen und erkennen wollen wie Gott. Wir wandeln nicht im Schauen, sondern im Glauben, und dies ist der Weg, worauf wir, gleich den Engeln Gottes, zum Schauen gelangen sollen, und auf welchem Glaubenswege uns die Engel Gottes umgeben und beobachten.
4) Der Engel Gottes, welchen Cornelius zu ihm eingehen sah, redete ihn an und sprach: Cornelius! Er nannte ihn bei seinem Namen, womit erst seine Eltern, und dann in weiterem Kreise Freunde, Verwandte und Bekannte ihn benannten, und als Person ihn unterschieden. So rief der Herr den Jüngling Samuel drei Mal bei seinem Namen, um ihm seinen Rathschluß über Israel und das Haus Eli zu offenbaren. Die Offenbarung geschah erst, nachdem Samuel geantwortet hatte: Herr, rede, dein Knecht höret. Der Anruf beim Namen ist, wie ein Gruß, ein vertrauliches Nahen zu demjenigen, welchem man etwas mittheilen oder entdecken will, und in dem Munde des Höheren eine Herablassung zu dem Niedern, eine besondere Auszeichnung seiner Persönlichkeit. „Maria“ sprach der Auferstandene zu der weinenden Jüngerin, und sie erkannte Ihn, und fiel mit dem Ausruf: Rabbuni! ihm zu Füßen. Simon, Jona Sohn! redete der Herr bedeutungsvoll drei Mal den Petrus an, als er zuerst nach seiner Auferstehung ihn wieder sah, und dem gefallenen Jünger die Sonne des neuen Lebens aus Thränen wieder aufgehen sollte. Welche Ehre für einen sterblichen Menschen, von einem Bewohner des Himmels mit Namen, als ein Bekannter, genannt zu werden. Selig, wer da weiß, daß sein Name im Buche des Lebens geschrieben steht, und von den Himmlischen mit Freude genannt wird. La Cornelius sah ihn an der Engel stand vor ihm in einem hellen Gewande er sah ihn an, und erschrak. So geschah es immer bei denen, welchen himmlische Wesen sichtbarlich erschienen. Also bei Moses, Gideon, bei den Hirten auf dem Felde, und Johannes, als er die Offenbarung empfing. Woher solches Erschrecken vor Wesen, die ja nicht kommen zu schaden, sondern zu segnen, und deren lichthelle Gestalt ja nichts furchterregendes haben kann? Ach, es ist nichts anders, als die kindische, mit ihrer Sündhaftigkeit auf uns vererbte Furcht unserer Stammeltern, die sich, ihres Abfalls bewußt, vor dem Angesichte Gottes zu verstecken suchten. Diese Furcht ist nichts anders, als das Gefühl, und zugleich ein Beweis, daß wir das Ebenbild und die ursprüngliche Gemeinschaft Gottes verloren haben. Als dem Petrus die Herrlichkeit des Herrn Jesu bei dem Fischfange plötzlich einleuchtete, fiel er ihm zu Füßen und sprach: „Herr, gehe von mir aus; ich bin ein sündiger Mensch.“ Abraham erkannte, als der Herr sich ihm nahete, sich selbst nur als Staub und Asche. - Eben diese, mit der Sündhaftigkeit, wie vielmehr mit der Sündenliebe, verwurzelte Scheu vor Gott und dem Göttlichen, ist die Quelle der über das ganze Menschengeschlecht sich verbreitenden Abgötterei gewesen, die die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild zu verwandeln suchte, um der furcht los zu werden.8) Wie die Sünder zu Zion bei dem Propheten9) dachten sie: „Wer ist unter uns, der neben dem verzehrenden Feuer wohnen möge? Wer ist unter uns, der bestehe vor der ewigen Glut?“ Nur in der Liebe ist nicht Furcht; die Liebe treibet die Furcht aus; wer sich fürchtet, ist noch nicht völlig in der Liebe. Aber durch die Furcht gehet der Weg zum Glauben und zur Liebe. Also auch unserm Cornelius. Zitternd und bebend, und mit inniger Ehrfurcht fragt er: Herr, was ist's?
5) Die Antwort des Engels enthält zweierlei: nämlich zuerst die Versicherung der Gnade Gottes, dann einen Befehl, was Cornelius zu thun habe. Dein Gebet und deine Almosen sind hinaufgekommen in das Gedächtniß vor Gott. Welche herablassende menschliche Rede! Das Gebet und die Liebesgaben des heidnischen Hauptmann's werden hier dargestellt als Opfer, von welchen mehrmals die Schrift sagt, daß sie zu Gott aufsteigen. Es war eine besondere Gnade Gottes, daß er dem sündigen, unter das Gesetz gestellten Menschen, ehe er die Kindschaft empfangen hatte und empfangen konnte, die Opfer gab und gestattete. Sie sollten dem abtrünnig gewordenen Geschlecht ein göttliches Wahrzeichen und Siegel sein, daß das Band zwischen ihnen und Gott nicht ganz aufgelöset sei, und zugleich sinnbildliche Verheißung einer zukünftigen vollkommenen Versöhnung. Sie waren ja ein gegenseitiges Geben und Nehmen; von Seiten des Menschen freilich ein Bekenntniß seiner Schuld und Entfernung von Gott, aber zugleich von Seiten Gottes ein sichtbares Zeugniß seiner Gnade und Erbarmung, ohne welches die Menschen des Alten Bundes unter dem Gesetz hätten verzagen und verzweifeln müssen. Darum redet auch das Wort Gottes, wo es von Opfern spricht, so überaus menschlich, wie: daß das Opfer zu ihm emporsteige, ihm ein süßer Geruch sei. Freilich konnte dieses nur dann sein, wenn sie mit einem heilsbegierigen, gläubigen Herzen dargebracht wurden, und der Rauch und die Flamme des Opfers das Bild einer dem Herrn geweihten, von dem Feuer seines Geistes erfüllten Seele war. Und nur dann kam der Segen des Opfers auf den zurück, der es darbrachte; wie der Prophet spricht:10) „Der Herr hat Lust an der Liebe, und nicht am Opfer; und an der Erkenntniß Gottes, und nicht am Brandopfer.“
Die Opfer, welche der Hauptmann mit seinen Lippen und Händen brachte, waren die eines gottseligen und gottesfürchtigen Herzens, Gebet und Almosen. Solche Opfer und Gaben gefallen Gott wohl, sie kommen zu ihm hinauf in sein Gedächtniß und sind da wohl verwahret. Das Gebet des Elenden,„ sagt Sirach sehr schön, „dringet durch die Wolken, und lässet nicht ab, bis es hinzukomme, und höret nicht auf, bis der Herr dareinsiehet.“ Und ebenso: „Der Herr bewahret die Wohlthat des Menschen, wie einen Siegelring, und seine guten Werke, wie einen Augapfel;“ und der Apostel sagt: „Gott ist nicht ungerecht, daß er vergesse eures Werkes und eurer Arbeit in der Liebe, die ihr bewiesen habt in seinem Namen, da ihr den Heiligen dientet und noch dienet.“11) Welche Ehre für uns Menschen! Er, der Herr Himmels und der Erde, höret nicht nur auf unser Gebet und Flehen - wir dürfen ihm Alles sagen und klagen, unser Herz und unsern Brodschrank ihm öffnen; sondern wir können und dürfen Ihm sogar auch geben! Und Er bewahret unsere Worte und unsere Gaben in seinem Gedächtniß. Da werden sie göttlich: gemeinsames Eigenthum und Verband des Vaterherzens unsers Gottes, und des betenden und liebenden Kinderherzens seiner Erwählten. Welche Gnade!
6) Cornelius, der Heils begierige Heide, hatte bisher, so zu reden, auf dem Wege des Alten Bundes, des Gesetzes und der Verheißung, sein Heil bei Gott treulich gesucht durch Fasten, Beten und Almosen; darum sollte ihm nun der Weg des Neuen Bundes, der Gnade und Wahrheit, geöffnet werden. Nachdem der himmlische Bote den erschrockenen Hauptmann durch seine liebliche Anrede getröstet und erfreuet hatte, fährt er fort: „Nun sende Männer gen Joppen, und laß fordern Simon, mit dem Zunamen Petrus, welcher ist zur Herberge bei einem Gerber, Simon, deß Haus am Meere liegt; der wird dir sagen, was du thun sollst. - Hier sehen wir abermals das freundliche Wesen der Himmelsbewohner und ihre theilnehmende Liebe gegen die Menschen. Ihre Weise ist immer dieselbe. Auch die Hirten zu Bethlehem erschraken, als beim Herannahen des Engels in der Nacht die Klarheit des Herrn sie umleuchtete. Aber alsbald benahm ihnen der Himmelsbote die Furcht: Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkünde euch große Freude, und redet dann zu ihnen von dem Kinde, von der Krippe und von den Windeln. Nicht bloß Simon, der Apostel, wird ihm bezeichnet, sondern auch Simon, der Gerber, das Haus, wo er wohnet, und die Lage des Hauses am Meere. Es ist bemerkenswerth, wie die heil. Geschichte mannigmal die Beschreibung der äußern Umständlichkeiten vermeidet, z. B. des Gebäudes, wo die Apostel bei Ausgießung des heil. Geistes versammelt waren; anderswo aber die größte Genauigkeit beobachtet; wie in unserer Stelle. Aber hier brauchen wir nicht lange zu zweifeln, weshalb es geschieht. Es ist die Rede eines himmlischen Boten, und schon darum wird sie wörtlich wiedergegeben von dem Evangelisten und dann noch einmal von Cornelius selbst. (V. 30.) Und wie beweiset abermals diese Rede die freundliche Theilnahme der Himmlischen an allem Menschlichen, und an jedem einzelnen Menschen. Simon, der Gerber, gewiß auch ein gläubiger Bekenner des Evangeliums, wird neben Simon Petrus dem Apostel von dem Engel genannt. Wir können hier sagen: Sowie der Herr, also auch seine Diener.
Der Herr hat Lust an den Menschenkindern, und an jedem einzelnen Menschenkinde, mag sein Stand und Beruf der eines Gerbers und Handwerkers, oder eines Apostels und Lichtboten sein. Haben wir nicht alle Einen Vater, und hat uns nicht Ein Gott erschaffen! spricht der Prophet des Alten Bundes,12) und deutet damit auf die Würde des Menschen durch seine Abstammung von dem Einen, den Gott der Herr zu seinem Bilde erschuf. Aber wie ist in dem Neuen Bunde unsere Menschheit, und der einzelne Mensch dadurch so hoch gestellt, daß der Sohn Gottes ein Mensch geworden, und auch in seiner Herrlichkeit der Menschensohn ist, und als Menschensohn wiederkommen wird zum Gericht!
Wie jeder Einzelne durch das Bad der Wiedergeburt dem dreieinigen Gott geheiligt und in seinen Bund aufgenommen wird, und jeder Einzelne zum Siegel und Wahrzeichen dieses Bundes den Leib und das Blut Jesu Christi im heiligen Abendmahl empfängt; so ist Freude im Himmel, wenn auch nur Eine Seele vom Tode gerettet wird. trauliches, liebliches Band, welches unser armes Erdenbethlehem samt seinen sündigen Bewohnern mit dem himmlischen Jerusalem und seinen Engeln so innig vereinet! Wohl allen, deren Namen dort oben geschrieben sind.