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Krafft, Johann Christian Gottlob Ludwig - Die Gnade und Herrlichkeit der Tatsache der Menschwerdung des Sohnes Gottes.

(Erste Predigt.)

Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag 1841.

Herr Jesu Christ, der Du bist gekommen von den Vätern nach dem Fleisch und bist Gott über alles, gelobt in Ewigkeit, der Du Dein Werk auf Erden vollbracht hast und nun wohnst unter dem Lob Deines Volks in der Gemeinde der Himmlischen droben und in der Gemeinde Deines Volkes auf Erden, lass Dir wohlgefallen auch unsere Versammlung vor Deinem Angesicht am Tag der Feier Deiner Menschwerdung uns zu Gute, unsere Danksagung für Deine Barmherzigkeit, die Dich bewogen hat herniederzukommen zu uns als unser Blutsfreund und von allen unsern Feinden uns zu erretten. Wir kommen auch heute als die Gnadebedürftigen zu Dir; unsere Zuversicht ist, dass Du bist gestern und heute und derselbige auch in Ewigkeit, reich an Gnade und reich an Macht über alle, die Dich anrufen. Wir bitten Dich um Deine weitere priesterliche Vertretung. Wir bitten Dich um Erleuchtung unserer Augen, zu sehen und zu genießen Dich, unserer Seele Licht. Segne uns mit Friede und Freude in Dir! Deiner Erkenntnis und Deiner Liebe müsse die Erde voll werden und alle Lande voll Deiner Ehre! Dein Licht durchdringe alle noch finsteren Orte der Erde, auf dass da komme Dein Reich! Dein Licht durchleuchte auch uns und alle noch finstere Winkel unserer Herzen, auf dass unsere Herzen durch den Glauben gereinigt, und wir geheiligt werden nach Geist, Seele und Leib, und wandeln in Deinem Lichte, in der Demut und Liebe und Wahrheit, und Dich loben, wie es Dir wohlgefällt. Amen.

Es ist das Gedächtnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes, das wir mit der Kirche Gottes auf Erden in diesen festlichen Tagen wieder begehen, das Gedächtnis einer Tatsache, die im Himmel und auf Erden und in Ewigkeit ihres Gleichen nicht hat, die eben so einzig in ihrer Art, als gnadenreich in ihrem Endzweck und folgenreich in ihrer Wirkung ist, für uns Alle. Lasst uns die Botschaft dieser Tatsache heute hören in dem Bericht des Evangelisten Lukas, im 2. Kap. seines Evangeliums, vom 1-14. Vers.

Text. Evang. Luk. 2, V. 1-14.
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augusto ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste, und geschah zur Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war, Und Jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein Jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land, zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Haus und Geschlecht Davids war; auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weib; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Feld bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde. Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht; siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird! Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen, ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt, und in einer Krippe liegend. Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott, und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen!

So weit der Bericht unsers Evangelisten von der Tatsache der Menschwerdung Christi, wie sie geschehen, und in derselben Nacht, da sie geschehen, auch von himmlischen Boten auf Erden, verkündigt ward. Lasst mich versuchen, die Gnade und Herrlichkeit dieser Tatsache, wie sie uns in diesem Bericht nach, allen Seiten hin zu sehen gegeben wird, in 6 Hauptpunkte zusammenzufassen. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist (I.) zuvörderst die erste der großen Taten Gottes in dem Werfe unserer Erlösung. Sie ist (II.) eben hiermit zweitens der Anfang der Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung. Sie ist eben darum auch (III.) der Mittelpunkt und Lichtpunkt der Geschichte unseres Geschlechts, der Weltgeschichte. Sie weist uns (IV.) gleich in ihren ersten Segnungen auch auf die göttliche Ordnung hin, in der uns das Heil in Christo dargeboten, und allein auch empfangen wird. (V.) Sie weist uns aber auch gleich auf das göttliche Ziel hin, auf den ganzen Reichtum des Heils, das durch Christum an uns, die wir an ihn glauben, offenbar werden soll. (VI.) Sie zeigt uns endlich die heiligen Engel und die Erlösten unsers Menschengeschlechtes zu Einem Volk unter Einem Haupte, in Liebe und ewig vereinigt. Die drei ersten Hauptpunkte seien heute, die drei andern, so der Herr will, morgen der Gegenstand unserer Betrachtung. Der Geist des Herrn, der uns die Botschaft des Weihnachtsfestes durch den Evangelisten Lukas in den vorgelesenen Worten hat aufzeichnen lassen, auf dass die Kirche des Herrn auf Erden in allen Zeitaltern sie höre und wisse, sei mit den Kräften seines Lichtes und seiner Gnade unter uns an diesem festlichen Morgen, da sie auch uns wieder verkündigt wird!

I.

Zuvörderst, wie eben gesagt, ist die Menschwerdung des Sohnes Gottes die erste der großen Taten Gottes in dem Werk unserer Erlösung. - Das Evangelium von unserer Erlösung gründet sich auf göttliche Taten, auf Tatsachen, die uns zu Gute, die zu unserer Errettung von dem Verderben der Sünde und des Todes, zu unserer Erneuerung zum Bilde Gottes in dem ewigen Gnadenrate der heiligen Dreieinigkeit beschlossen, und in den Tagen des Alten Bundes vorbereitet, und da die Zeit erfüllt war, zur Wirklichkeit geworden sind, und diese großen Taten Gottes, die das Evangelium uns verkündigt, die das Fundament unseres Heils sind, sind darum auch der Gegenstand der großen Jahresfeste der Christenheit; wie es das Gedächtnis der Geburt Christi ist, das wir heute am Weihnachtsfest, so ist es das Gedächtnis des Todes Christi, das wir am Karfreitag, und seiner Auferstehung von den Toten, das wir am Osterfest, und seiner Auffahrt, das wir am Fest der Himmelfahrt, und der Ausgießung seines heiligen Geistes über die Apostel und die erste Gemeinde in Jerusalem, das wir am Feste der Pfingsten alljährig erneuern, und des Segens uns freuen, der uns gerade durch, diese göttlichen Tatsachen in eigentümlicher Weise erwirkt worden ist. Die erste dieser Tatsachen aber, und ohne welche die andern alle nicht hätten geschehen und nachfolgen können, ist die Menschwerdung des Eingebornen, des unerschaffenen Sohnes Gottes, der mit dem Vater Eines Wesens ist, durch seine in der Zeit geschehene Empfängnis vom heiligen Geist und Geburt von der Jungfrau Maria. Die erstere ist in Nazareth geschehen, nach dem ersten Kapitel unsers Evangeliums, die andere ist in Bethlehem geschehen, nach dem verlesenen Bericht unserer Textesworte. Das Wunder geschah in der Empfängnis. Da hat durch Wirkung der dritten Person der heiligen Dreieinigkeit, des heiligen Geistes, die zweite Person der heiligen Dreieinigkeit, der Sohn Gottes, unsere menschliche Natur, unsere Menschheit an sich genommen; da ist die menschliche Natur in die Person des Sohnes Gottes aufgenommen, und die göttliche und menschliche Natur zur Einheit der Person in Ihm wesenhaft und unauflöslich vereinigt worden. Der vor 1841 Jahren zu Bethlehem im jüdischen Land geborene Sohn der Maria ist der Sohn Gottes von Ewigkeit, wahrer Gott und Mensch in Einer Person. Durch diese erste der großen Taten Gottes im Werk unserer Erlösung, durch sie sind die übrigen erst möglich gemacht. Der Sohn Gottes hätte unsere Sache nicht zu der seinigen machen, Er hätte unsere Schuld nicht auf Sich nehmen, nicht für uns ins Gericht geben und sterben, und darum auch die Gerechtigkeit und das Leben uns nicht auswirken können, wenn Er nicht Mensch und Mitglied unseres Geschlechts geworden wäre. Es musste, wie unser Katechismus in der 12. bis 18. Frage und Antwort so schön und einfach, und gründlich ins Licht stellt, es musste auch nicht bloß ein wahrer, sondern es musste ein gerechter Mensch sein, der der göttlichen Gerechtigkeit für unsere Sünden genug tat, und wo hätte der gefunden werden sollen unter dem Geschlecht der Adamskinder, da keiner ist, der gerecht ist, auch nicht Einer Es musste der, durch den uns geholfen werden sollte, aber auch mehr als Mensch, Er musste wahrer Gott sein, denn für die Schultern einer bloßen Kreatur war die Last, die hier zu tragen und wegzunehmen war, zu schwer. Auch gibt nur seine Gottheit dem Sühnopfer, das Er für uns gebracht hat, die hinreichende, nun aber auch die weit überwiegende, allgenugsame Kraft zur Sühnung der Sünde der ganzen Welt, sowie dem Gehorsam, den Er für uns vollbracht hat, einen Wert, durch den uns die Zurechnung seiner Gerechtigkeit, also die Gerechtigkeit Gottes, und die Gemeinschaft seiner Herrlichkeit, der ewigen Herrlichkeit des Gottes- und Menschensohnes selbst im Gericht ausgewirkt wird. Der Grund zu dem allem ist in seiner Menschwerdung gelegt, deren Gedächtnis wir heute am Weihnachtsfeste begeben. Da ist Er unser geworden, und der Mittler geworden, der allein zwischen Gott und uns den Frieden zu vermitteln, und die Gerechtigkeit Gottes, die wider uns war, wieder auf unsere Seite zu bringen im Stande war. Drum heißt Er auch Immanuel, d. i. verdolmetscht „Gott mit uns.“

II.

Eben hiermit, Geliebte, ist seine Menschwerdung zweitens auch der Anfang der Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung. Schon im ersten Evangelium, im Paradiese, gleich nach dem Falle unserer Stammeltern, war der Erlöser unter dem Namen des Weibessamens uns zugesagt. Im Weihnachts-Evangelium des Apostels im Brief an die Galater, im 4. Kap., im Worte der Erfüllung heißt es: „Da die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe.“ - Durch den Propheten Jesaias, im 7. Kap. seiner Weissagungen, war verkündigt worden, dass die Mutter des Erlösers werde eine Jungfrau sein. Im Worte der Erfüllung, im ersten Kapitel unsers Evangeliums hören wir, V. 26 ff., wie der Engel Gabriel gesandt wurde von Gott in eine Stadt in Galiläa, die da hieß Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut oder verlobt war einem Mann mit Namen Joseph, vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria, und der Engel kam zu ihr herein, und grüßte sie, und verkündigte ihr, dass sie die erkorene Mutter des Messias sei, wie wir im vorhergehenden ersten Kapitel dieses Evangeliums hören, und als sie zum Engel sprach: „Wie soll das zugehen? sintemal ich von keinem Manne weiß,“ antwortete der Engel und sprach zu ihr (1,35.): „Der heilige Geist wird über Dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden,“ und im ersten Kapitel des Evangeliums Matthäi hören wir, wie zu rechter Zeit auch Joseph durch ein göttliches Traumgesicht in der Nacht in Kenntnis gesetzt wurde von dem, was mit Maria geschehen, und Befehl empfing, sie zu sich zu nehmen, also, dass sie an ihrem Bräutigam selbst den unverwerflichsten Zeugen ihrer Unschuld, und der Welt gegenüber an ihm den Beistand und Schutz hatte, den sie in ihrer Lage bedurfte.

Dem König David war die göttliche Eröffnung geworden, dass der Messias werde sein leiblicher Nachkomme, und ewiger König auf seinem Throne, nämlich dem Throne des Volks Gottes sein. Nun stammte der Messias durch Maria -seine leibliche Mutter - in gerader Linie von David durch dessen Sohn Nathan ab, wie das im Evangelium Lukas aufbehaltene Geschlechtsregister es nachweist, - und durch seinen Pflegevater Joseph, der von der königlichen Linie des Hauses David durch Salomo abstammte, wie das Geschlechtsregister im Evangelium Matthäi es nachweist, und der den Sohn der Maria zu Sohnesrecht annahm, erbte Er das Thronrecht des königlichen Hauses Davids. Darum auch der Engel Gabriel zu Maria von ihrem Sohn sprach (Kap. 1,32.33.): „Der wird groß, und ein Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der Herr wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben; und er wird ein König sein über das Haus Jakobs ewiglich, und seines Königreichs wird kein Ende sein.“ Durch den Propheten Micha war die kleine Stadt Bethlehem zum voraus genannt worden als der Ort der Geburt des Messias, in den bekannten Worten dieses Propheten, im 5. Kap. V. 1.: „Und du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ Wie das nun zur Erfüllung gebracht werden sollte, war nicht abzusehen, da Maria in Nazareth wohnhaft war. Selbst wenn sie, was wohl möglich, auch selbst wahrscheinlich ist, diese Weissagung kannte, doch wusste sie, dass sie dieserhalb nicht zu sorgen, sondern diese Sorge dem Herrn zu überlassen und auf seine Weisung zu warten hatte. kam nun kurz vor der Zeit ihrer Entbindung jener Befehl von Rom, vom römischen Kaiser Augustus, der es notwendig machte, dass Joseph samt Maria mussten nach Bethlehem reisen. Text V. 1.: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt, nämlich alle der römischen Oberherrschaft untergebenen Länder und Gebiete, geschätzt würden,“ oder, wie man sich gegenwärtig auszudrücken pflegt, katastriert1) würden. Das Geschäft solcher Schätzung oder Katastrierung bestand besonders in der Beschreibung der Größe, des Wertes und der Eigentümer der liegenden Gründe, und Einzeichnung derselben in die dazu bestimmten Schätzungstabellen. Auch in andern aus jener Zeit auf uns gekommenen geschichtlichen Nachrichten wird der Befehle und Anordnungen dieses Kaisers zu dieser Aufnahme aller liegenden Gründe in den andern Gebieten des römischen Reiches gedacht, und die Absicht des Kaisers scheint keine andere gewesen zu sein, als eine allgemeine Grundsteuer einzuführen und dadurch in das ganze Steuerwesen seines Reiches eine bessere Gleichheit und Ordnung zu bringen. Auch nach Judäa erging dieser Befehl, denn Herodes, obgleich noch König von Judäa, war ein vom römischen Kaiser abhängiger und ihm zinspflichtiger Vasall. Zur eigentlichen Vollziehung kam dieser kaiserliche Befehl zwar jetzt im jüdischen Lande noch nicht, wie der Evangelist im 2. Verse unseres Textes bemerkt: V. 2. „und diese Schatzung war die allererste, und geschah zur Zeit, da Cyrenius, oder nach römischer Schreibart seines Namens Quirinius, Landpfleger in Syrien war.“ Das war erst 11 Jahre später, nachdem Herodes schon 9 Jahre gestorben, und sein Sohn Archelaus abgesetzt und Judäa zur Provinz Syrien geschlagen worden war. Da wurde Quirinius als römischer Landpfleger nach Syrien geschickt, um dort und in dem zu Syrien geschlagenen Judäa die Steuer nach römischem Gesetz zu erheben. Für jetzt, unter Herodes hier, kam es nur zur anfänglichen Vollziehung, nämlich bloß zum Aufschreiben der liegenden Gründe, und das ließ Herodes nach jüdischer Ordnung Stamm für Stamm, nach den einzelnen Geschlechtern und Familien jedes Stammes geschehen, zu welchem Ende jeder, der nicht mehr an dem ursprünglichen Stammort seiner Familie wohnte, den Befehl erhielt, dorthin zu reisen, wie wir in unserer Textgeschichte weiter hören, V. 3-5.: „Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land, zur Stadt Davide, die da heißt Bethlehem, darum, dass er von dem Hause und Geschlecht Davids war; auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrautem Weibe; die war schwanger, und zwar hochschwanger, wie der Erfolg zeigte V. 6., denn sie waren kaum dort angekommen, so kam die Zeit, dass sie gebären sollte.“ So geschah es, ohne alles menschliche, nämlich absichtliche menschliche Zutun, de Anscheine nach höchst zufällig, der Wahrheit nach unter der besondersten göttlichen Vorsorge und Leitung, dass Christus in Bethlehem geboren wurde. Darauf wiesen auch die Engel die Hirten hin, da sie sprachen: V. 11. „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt David,“ b. i. Bethlehem. Wie wäre sonst auch die Schrift erfüllt? Seht da, Geliebte, in dem Zutreffen der alttestamentlichen Weissagung von der Geburt Christi auch den Anfang der Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung, deren Fortgang nun alsbald im Lehramt und Wandel, in den Leiden, im Tod und der Auferstehung Christi, in seinem Siege über unsere Feinde, über Sünde Tod und Teufel, und danach in seiner glorreichen Auffahrt gen Himmel und in der Ausgießung seines Geistes aus der Höhe folgte. Die weitere Erfüllung haben wir in der Aufrichtung seiner Kirche unter Juden und Heiden und der wachsenden Ausbreitung seines Reiches unter allen Geschlechtern der Erde, in den Segnungen seines Reiches und der nicht zu zählenden Menge derer, die durch ihn selig geworden, bis hierhin vor Augen. Großes ist in Folge der Menschwerdung Christi auf Erden geschehen, Großes geschieht fortwährend vor unsern Augen, und die wundersame Offenbarung seiner Zukunft in der Kraft und Herrlichkeit seiner Erscheinung und seines Reiches steht bevor, wo nun auch das bis hierhin noch nicht erfüllte prophetische Wort zu seiner Erfüllung gebracht wird.

III.

Im engsten Zusammenhang hiermit zeigt sich die Gnade und Herrlichkeit der Menschwerdung des Sohnes Gottes drittens auch darin, dass sie der Mittelpunkt und Lichtpunkt der Geschichte unseres Geschlechts, der Weltgeschichte ist. Das innerste Wesen und Geheimnis der göttlichen Weltregierung ist der heilige ewige Gnadenrat, nach welchem Er unser Geschlecht, das in seinen Stammeltern schon gefallen und unter feindliche Gewalt geraten ist, vom Verderben der Sünde und des Todes zu retten und es zu seinem Bilde, zu dem Er es erschaffen hat, wiederherzustellen und uns selig zu machen beschlossen hat und wirksam ist. Dazu war notwendig, dass der Sohn Gottes selbst ins Mittel trat und Mensch wurde, und Mittler wurde zwischen Gott und uns, wie geschrieben steht (1 Timoth. 2,5.6.): „Denn es ist Ein Gott und Ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“

Und so ist seine gnadenreiche Menschwerdung nun auch die innerste Mitte der Geschichte unseres Geschlechtes. Sie steht im engen Zusammenhang mit dem Rate Gottes von unserer Erschaffung, den wir im 1. Kapitel der heiligen Schrift geschrieben finden. Jenes Wort Gottes: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, dieses Wort, welches der Feind Gottes und unseres Geschlechts schon zunichte gemacht zu haben meinte, kommt nun an allen denen, die zum Mittler zwischen Gott und Menschen ihre Zuflucht nehmen, doch zur Erfüllung. Mit der Menschwerdung Christi hat die Erfüllung des ersten Evangeliums, wie wir gesehen, und aller alttestamentlichen Verheißungen begonnen, durch sie schließt die Geschichte der Vorzeit, die ganze alttestamentliche Offenbarung und Geschichte auf das Engste an die Geschichte der Nachzeit, an die neutestamentliche Offenbarung und Geschichte der christlichen Kirche, so wie diese an jene als Vorbereitung und Ausführung, als Weissagung und Erfüllung sich an. So ist die Menschwerdung Christi nun auch der Lichtpunkt der Geschichte unseres Geschlechts, von dem alles Licht, aller Aufschluss ausgeht über das Werk Gottes im Menschengeschlechte. Um des willen, der da kommen sollte, um des Sühnopfers willen, das Er für uns darbringen, um der Gnade willen, die durch Ihn auf dem Wege Rechtens uns ausgewirkt werden sollte, tat Gott in den Tagen des Alten Bundes an allen denen, die auf die von Anfang gegebene Verheißung des Erlösers und seines Heiles ihre Hoffnung setzten, und insbesondere an Abrahams Nachkommen, und an dem Volk Israel Gutes, und ließ seine Gnade über ihnen walten, viel mehr, als sonst seine Gerechtigkeit es erlaubt hätte, wie der Apostel Paulus im 3ten Kapitel des Briefes an die Römer ins Licht setzt. Um deswillen, der da kommen sollte, erwählte Er das Volk Israel, und sonderte es von allen andern Völkern der Erde zum Bundesvolke sich aus, nicht um der Würdigkeit Israels willen, sondern um an diesem Volk ein Beispiel hinzustellen, was für ein Unterschied ist zwischen einem Volk, das Er in Erziehung und Zucht nimmt, und Völkern, die Er ihre selbsterwählten Wege gehen lässt. Die Heiden ließ Er in den Tagen des Alten Bundes ihre Wege geben, dass sie inne würden, auch die Begabtesten unter ihnen auf dem Wege der Erfahrung inne würden, wie weit sie's brächten, und was aus ihnen würde, so lange sie ohne Ihn, ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt waren, - auf dass in ihnen endlich die Überzeugung und das Gefühl ihrer Hilflosigkeit in sich selber und ihres Bedürfnisses göttlicher Hilfe, der Hilfe des ihnen unbekannt gewordenen lebendigen Gottes erweckt würde, was auch wirklich geschah; nach Ablauf der ersten 4 Jahrtausende nach Erschaffung der Welt, gerade um die Zeit der Menschwerdung Christi, war die Heidenwelt zu seiner Aufnahme empfänglich und reif, das Volk Israel aber, mit dem Gott einen Bund aufgerichtet, dem Er das Gesetz und den Gottesdienst und die Verheißung gegeben hatte, hielt Er unter seiner heiligen gesetzlichen Zucht, und erhielt es in der Erwartung und Hoffnung des Ihm verheißenen Heilandes, auf dass derselbe, wenn Er käme, unter diesem Volk die Stätte und die Anknüpfungspunkte seiner ersten Wirksamkeit, und der Ausrichtung seines Amtes auf Erden fände, und nach der Vollendung seines Wertes auf Erden das Evangelium von Ihm von hier aus, von Zion, von Jerusalem aus seinen Zugang zu den Heiden gewönne, so dass von da an aus den Völkern der Heiden, die Gott früher ihre eigenen Wege hatte gehen lassen, nun eins nach dem andern hinzugerufen würde, dass auch sie, die Heiden, nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen würden, was wirklich nach dem Tode und der Auferstehung und der Auffahrt Christi und der Sendung seines heiligen Geistes geschehen ist und fortwährend geschieht, und wovon das Volk, dem wir angehören, unser deutsches Volk, nun seit tausend Jahren und länger selbst das lebendige Beispiel und Zeugnis ist. Von der Menschwerdung Christi und den Folgen seiner Erscheinung aus verbreitet sich nun auch helles Licht über die Zukunft unseres Geschlechtes, wovon wir außer dem, was im prophetischen Worte davon geschrieben steht, und was ebenfalls in Christo zur Erfüllung gebracht wird, sonst nichts wissen noch wissen könnten. Darum ziemte sich's denn auch, dass die Tatsache der Menschwerdung des Sohnes Gottes im hellen Lichte der Geschichtlichkeit und Urkundlichkeit in die Reihe der Weltbegebenheiten eintrat, wie wir in der Geschichte unseres Textes hören. Nicht Maria allein und Joseph allein wussten, wer das hier in Bethlehem geborne Kindlein war. Auch die Hirten auf dem Felde erfuhren es, nicht einer, sondern mehrere, auf dass das Zeugnis stünde nicht auf Eines sondern auf Mehrerer Munde, es blieb auch nicht dabei, dass ihnen Ein Engel erschien, der ihnen verkündigte: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr,“ sondern sie sahen danach die Menge der himmlischen Heerschaaren und hörten sie Gott loben und den Menschenkindern Heil verkündigen in dem, der geboren worden in der geweihten Nacht. Auch die in gläubiger Erwartung des Verheißenen stehenden Heiden in der Ferne, in den Gegenden, wo einst Daniel von seiner Zukunft geweissagt, erhielten ein Zeichen, dass Er geboren worden, in dem Sterne, der ihnen erschien. Merkwürdig ist, wie die Geburt Christi auch in die Mitte der Zeiten der großen Weltbegebenheiten und Welthändel eintrat. Das vierte der von Daniel geweissagten großen Weltreiche war jetzt gerade auf den Höhepunkt seines Umfanges und seiner Macht gekommen, und hatte jetzt, jetzt zum ersten Male, eine Einheit als Monarchie, unter Einem Haupte, unter Augustus, dem ersten der römischen Kaiser, erlangt. - von ihm ging, wie wir in den ersten Versen unserer Textesgeschichte gehört, das Gebot aus, welches, ohne dass er im Mindesten etwas davon wusste, oder auch nur ahnen konnte, zur Folge hatte, dass Christus nicht in Nazareth, sondern zu Bethlehem geboren ward. So wenig wissen die Machthaber auf Erden in der Regel, wem sie dienen, zu welchen und zu wessen Zwecken sie helfen müssen mit ihren Befehlen, an welchen Zäumen und Zügeln und Lenkseilen der allerhöchste Gebieter und Regierer Himmels und der Erde an allen Enden sie fest hat, dass sie nicht weiter können, als Er ihnen Raum lässt. So die Gottesfürchtigen unter ihnen nach seinem Wort und Willen tun, was ihnen in ihrem Amte befohlen ist, vollbringen sie ohnehin seinen Willen als seine bewussten, frommen und seligen Knechte. So sie sich aber wider ihn setzen, müssen sie, wie hoch sie immer einherfahren und wie klug sie sich dünken mögen, doch tun als blinde und unfreie Werkzeuge, was seine Gnade und sein Rat vorbedacht hat, das geschehen soll, und muss denen, die Ihn lieben, doch alles zum Besten dienen.

Wie aber Christi Person und Amt und Werk mit der Welt- und Völkergeschichte im Ganzen innig verwebt ist, so auch mit der innersten Lebensgeschichte eines jeglichen unter uns, wovon, so der Herr will, morgen ein Mehreres. Selig jeder, der in Ihm dem Mittler zwischen Gott und Menschen Den Mittelpunkt der Geschichte seines eigenen Lebens und den Zielpunkt seiner Zukunft gefunden, und sagen darf: Ich weiß, an wen ich glaube, wem ich diene, und auf wen ich hoffe! Mit dieser Gewissheit erfreue der Herr euer Herz! Die Gabe beschere Er euch! Das ist mein Weihnachtswunsch für euch! Das ist der Engel, das ist des Herrn selbst Weihnachtsgruß an euch alle! Amen.

1)
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