Predigt über Evangelium Matthäi Kap. 25, V. 14-30.
Gehalten am 6. Oktober 1850, vor der Feier der heiligen Taufe und acht Tage vor der Feier des heiligen Abendmahls.
Meine geliebte Gemeine!
Das ist der Trost des Evangeliums, dass Christus uns alles hat wiedergebracht, was wir in Adam verloren haben. Es ist uns ein neues Paradies von Gott, dem Herrn, gepflanzt worden. Durch den Geist des Glaubens, den Geist der Wiedergeburt, werden wir am Glauben umgeschaffen, um als eine neue Kreatur in diesem neuen Paradies zu wohnen. Wie aber Adam in den Garten gestellt wurde, denselben zu bebauen und zu bewahren, so sind wir auch in den neuen Garten gestellt, denselben zu bebauen und zu bewahren, aber mit dem Unterschied, dass das Bleiben darin damals von Adams Gehorsam abhing, nunmehr aber uns zugesichert ist im Glauben an Christi Gehorsam. Dus Evangelium eröffnet dieses neue Paradies allen Elenden und dasselbe Evangelium, so wie auch die heiligen Sakramente künden es uns an, machen uns des gewiss, dass wir in diesem neuen Paradies ein ewiges Bleiben haben aus Gnaden, ohne Werk des Gesetzes unsrerseits.
Durch die Spendung ewiger Gnade haben wir heute Bedienung der heiligen Taufe und am nächsten Tage des Herrn Bedienung des heiligen Abendmahles. Die heilige Taufe kündet uns kraft des Wortes, welches mit dem Wasser über uns hergeht, an, vergewissert es uns, dass wir, die da glauben, mit unsern Kindern in Christi Tod und Auferstehung, mit Christo aus dem ewigen Tod ins ewige Leben sind übergegangen, dass wir in Christo neugeschaffen sind, ein königliches und priesterliches Volk, zugerüstet zu allem guten Werk. Das heilige Abendmahl kündet uns kraft des Wortes, welches mit dem Wein und Brot ist, an, vergewissert es uns, dass Christus unser Baum des Lebens ist und dass wir in seinem Fleisch und Blut wahrhaftige Stärkung und Nahrung grade dazu haben, um das neue Paradies zu bebauen und zu bewahren. Beide Sakramente vergewissern uns also die vollkommene Vergebung von Sünden im Blut Christi; beide sagen es uns, dass wir als eine neue Kreatur in Christo, im Paradies unseres Gottes dastehen; beide sollen uns guten Muts machen, den neuen Garten zu bebauen und zu bewahren trotz allem, was uns widersteht.
Ich habe Ursache zu bezweifeln, dass ihr das alle recht versteht. Die Eigenliebe meint, Gott tue Alles um unseretwillen, während doch der Sohn Alles um des Vaters und der Vater Alles um seines Christi willen tut. Es ist ausgemacht, dass der Mensch gerecht wird am Glauben, ohne Werk des Gesetzes. Nachdem aber Christus das Werk vollbracht hat auf Erden, das der Vater ihm zu tun gegeben, nachdem Christus den Rechtsgrund unserer Seligkeit vor dem Vater gelegt hat ohne unser Zutun, und wir also ohne unser Zutun eben so gewiss selig werden, als wir ohne unser Zutun geboren werden: so sollt ihr es doch auch für euch selbst wissen, dass Gott um seines Christi willen, durch seinen heiligen Geist sein Volk in allen Gott gefälligen Werken sich bewegen und einher gehen lässt, so gewiss als er es in Christo in einem Stande guter Werke geschaffen hat.
Etliche von euch wissen dies, werden aber sehr entmutigt, weil sie es anerkennen, aber damit nicht vorankönnen; etliche dagegen, die es wissen, erkennen es nicht an, werden darum auch nicht entmutigt und meinen doch genug zu haben, um sich in der Entscheidungsstunde vor dem Herrn zu verantworten.
Wohlan, ich will in dieser Stunde in kurzem eine Parabel behandeln, jenen zum Troste, diesen zur Warnung.
Gleichwie ein Mensch, der über Land zog, rief seine Knechte und tat ihnen seine Güter aus. Und einem gab er fünf Zentner, dem andern zwei, dem dritten einen, einem Jeden nach seinem Vermögen; und zog bald hinweg. Da ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit denselben und gewann andere fünf Zentner. Desgleichen auch der zwei Zentner empfangen hatte, gewann auch zwei andere. Der aber Einen empfangen hatte, ging hin und machte eine Grube in die Erde und verbarg seines Herrn Geld. Über eine lange Zeit kam der Herr dieser Knechte und hielt Rechenschaft mit ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte andere fünf Zentner dar und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner getan; siehe da, ich habe damit andere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigen getreu gewesen: ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude. Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner getan; siehe da, ich habe mit denselben zwei andere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen: ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude. Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist; du schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, da du nicht gestreut hast; und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du Schalk und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich schneide, da ich nicht gesät habe, und sammle, da ich nicht gestreut habe; So solltest du mein Geld zu den Wechslern getan haben, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Wucher. Darum nehmt von ihm den Zentner und gebt es dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, wird auch das er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werfet in die äußerste Finsternis hinaus, da wird sein. Heulen und Zähnklappen.
Matth. 25,14-30.
Wir finden diese Parabel auch in Evangelio Lukas am 19. Die Erzählung ist daselbst etwas verschieden. Hier steht sie in unmittelbarer Verbindung mit der Parabel von den zehn Jungfrauen und mit den Worten: „Darum wacht, denn ihr wisst weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird“; dort folgt sie auf die Mutmaßung Etlicher, dass das Reich der Himmel wohl bald würde offenbar werden, und steht in Verbindung mit der Vorstellung: „Seine Bürger aber waren ihm feind und schickten Botschaft ihm nach und ließen ihm sagen: wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche.“ Hier bekommt Einer fünf Zentner und gewinnt damit fünf Zentner, der Andere zwei und gewinnt damit zwei, und Einer empfängt Einen Zentner und begräbt ihn in die Erde. Dort bekommt Jeder Einen Zentner, der Eine gewinnt damit zehn, der Andere fünf, der Dritte verbirgt seinen Zentner in einem Schweißtuch. Dort wird dem Ersteren gesagt: „Du sollst Macht haben über zehn Städte“, dem Andern: „und du sollst sein über fünf Städte“. Hier wird den beiden Ersten gesagt: „Ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude.“
Es hat dem heiligen Geist gefallen, dieselbe Parabel uns hier so und beim Evangelisten Lukas etwas anders mitzuteilen, uns zum Guten, je nachdem wir stehen. Wir wollen die Verschiedenheit der Vorstellung berücksichtigen, indem wir die Parabel auslegen.
Der Zweck der Parabel ist dieser: dass wir sorgen, dass wir haben. Haben? Was? Öl in den Lampen; mit andern Worten, dass wir im Stande guter Werke erfunden werden auf des Herrn Tag. Darum sagt der Herr: „Wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch, das er hat, genommen werden“. Zum Beispiel: die klugen Jungfrauen nahmen Öl mit in ihren Lampen, da wurde es ihnen auch gegeben, dass sie mit eingingen in die Freude des Herrn; dagegen hatten die törichten Jungfrauen nichts, weil sie kein Öl in ihren Lampen hatten, - so waren sie denn nicht bereit. Welche bereit waren, gingen mit hinein zur Hochzeit, - und den törichten Jungfrauen wurde das Eingehen genommen: die Tür ward verschlossen.
Ihr wisst es Alle, dass namentlich der Apostel Paulus uns den Tag Christi vorhält, den Tag des jüngsten Gerichts, dass er darum so gewaltig den Glauben predigt, auf dass wir an jenem Tage erfüllt seien mit Früchten der Gerechtigkeit, durch Jesum Christum. Denkt nur an 2 Korinther 5, namentlich V. 10, 15, 17, 20, 21 und 1 Thessal. 5,23. Ihr wisst es Alle, dass der Apostel darum auch so viel vom Gerüstet sein und vom Wachen und Beten ohne Unterlass schreibt. Solche Predigt hat er von des Herrn Geist gelernt, der uns diese Parabel vorhält, auf dass wir machen, das ist: sorgen, dass wir mit allem dem versehen seien, womit wir versehen sein müssen an seinem Tag, dass wir uns mit freudigem Mut zu seinem Königreich und Dienst bekennen, ihn als unsern König erkennen und ob seinen Reichsbefehlen treulich halten, mitten in einem verdrehten und bösen Geschlecht, das von Seiner königlichen Herrschaft und von wahrer Treue gegen ihn nichts wissen will.
Das ist nun die Bedeutung der Parabel:
- Der Mensch, der Edle, der über Land oder fern in ein Land zieht, ein Reich einzunehmen, ist der Sohn Gottes, unser hochgelobter Heiland und König, Jesus Christus. Das ferne Land ist der Himmel. Mit dem baldigen Ziehen dahin meint der Herr fein Leiden und Sterben, sein Begraben werden, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt.
- Das Reich, das er einzunehmen geht, ist das Reich der Gnade und der Herrlichkeit, welches er von dem Vater empfangen als Lohn für die Arbeit seiner Seele. Seine Knechte, die er vor der Hinreise zusammenruft, sind alle diejenigen, die sich zu seinem Namen bekennen und in seinen Dienst freiwillig übergegangen sind. Diese Knechte bekommen nach Lukas, zehn an der Zahl, alle Ein Pfund, dass will sagen, dass ihnen allen dieselbe Gnade der Berufung zu Teil wird. Nach Matthäus bekommt ein Teil fünf Pfund, ein anderer Teil zwei, ein dritter Ein Pfund. Dass es daselbst heißt, dass der Dritte so viel weniger bekommt, ist nach der Redensart der Selbstentschuldigung solcher Menschen, die da vorgeben: „Ich habe auch so viel Gnade, ich habe solchen Glauben, wie dieser oder jener da nicht bekommen“ - und ist eine Zurechtweisung: „Ich suche bei dir nicht viel; was hast du mit dem Wenigen gemacht, das dir gegeben wurde ?“
- Die Pfunde selbst sind nicht Gaben, wie man gewöhnlich von Gaben spricht, sondern es sind die guten Worte Gottes, welche einem Jeglichen anvertraut werden. Das Gewinnen mit den Pfunden bedeutet: das sich Benehmen nach diesen Worten, ein Jeglicher in seinem Kreise, wohinein ihn Gott gestellt hat. Dass der Herr einem Jeglichen „nach seinem Vermögen“ gibt und das Anvertraute „wenig“ nennt, will sagen, dass er niemanden Übermenschliches auferlegt, von uns keine sonderlichen Wagstücke fordert, auch alle Verhältnisse und Umstände so ordnet für einen Jeden, dass er mit den anvertrauten Worten Gottes sich durchschlagen kann. Die Bestimmung des Lohnes von zehn Städten und fünf Städten, bei Lukas, hat man als Schmuck der Parabel und nicht so zu verstehen, als gäbe es mehr als einen Himmel der Seligkeit, alle sollte der Eine demnach einen seligeren Himmel haben, als der Andere, ober alle hätten die vollendeten Einfluss auf die irdischen Geschicke; denn in dieser Beziehung heißt es: „Abraham weiß von uns nicht und Israel kennt uns nicht“ und es gilt allen Gläubigen: „wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie er ist.“ Es will sagen, dass ein Jeglicher je nach seiner Treue aus dem Ozean der Vollkommenheiten des vollseligen Gottes im Himmel genießen wird. Denn in Gott ist ein Ozean der Seligkeit; je nach dem die Treue ist, schöpft man daraus. - Dass derjenige, der zehn Pfund hat, auch noch das Eine des faulen Knechtes bekommt, deutet des Herrn Freimacht an; und zeigt die Einrede: „Herr, er hat zehn Pfund“ wie schwer alle Geschöpfe diese Freimacht verstehen. Hinwiederum wird einem Jeglichen die Krone vorgehalten. Ihr wisst, was Paulus schreibt, 1 Korinther 9, V. 24-27. Das Kleinod aber ist die Freude die man schmeckt, dass der Herr König geblieben und seine Ehre gefördert ist. Zu den beiden Ersteren spricht indes der Herr ein und dasselbe: „Gehe ein zu der Freude deines Herrn.“ - Das Wiederkommen des Herrn war am Tage der Zerstörung Jerusalems, ist fortwährend in allerlei Gerichten, ist am Sterbetage eines jeglichen von uns und wird völlig offenbar am Tage des jüngsten Gerichts. Dass der Eine zehn, der Andere fünf, oder der Eine fünf, der Andere zwei Pfund gewinnt, hat man zu verstehen, wie von dem Samen, der in die gute Erde fiel, wovon Etliches hundert-, Etliches sechzig-, Etliches dreißigfältig trug.
- Wenn die treuen Knechte bei Lukas sagen: „Dein Pfund hat zehn“ „Dein Pfund hat fünf Pfund gewonnen“, so bekennen sie, dass des Herrn Pfund es getan und nicht sie; und wenn sie bei Matthäus sagen: „Mit deinem Pfund habe ich so und so viel gewonnen“, so bekennen sie es eben so, wo der Gewinn herkommt. Sie sagen es aber mit Freudigkeit aus, dass sie es mit des Herrn Pfunden gewonnen haben, in dem Sinne wie Paulus bezeugte: „Ich habe mehr gearbeitet denn sie alle, nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes mit mir“, und wie wir es mit der 86. Antwort unseres Katechismi bekennen: „Danach auch, dass wir bei uns selbst unseres Glaubens aus seinen Früchten gewiss seien.“ Denn die Aufrichtigen dulden die Verleumdung der Welt, aber grade aus der Anfechtung heraus sagen sie es mit Hiob: „Ich weiß, dass ich gerecht bin“ und mit David: „Ich wasche meine Hände in Unschuld und gehe um deinen Altar.“
Der Herr vergilt mir nach meiner Gerechtigkeit, nach der Reinigkeit meiner Hände, die bei mir ist. - Und sie sehen mit Moses an „die Belohnung“.
Der dritte Knecht ist eben so wohl ein Knecht des Herrn, als die beiden vorigen. Nach Lukas hat er eben dasselbe von des Herrn Gütern empfangen, was die ersteren empfangen haben; nach Matthäus hat er nicht zu viel und nicht zu wenig. Er hat auch empfangen nach seinem Vermögen. Dass er eine Grube in die Erde macht und seines Herrn Geld verbirgt oder in ein Schweißtuch fegt, will sagen: dass er die ihm anvertrauten Worte des Herrn bei sich aufbewahrt, indes gar nicht danach handelt in seinem Kreise und in seinem Beruf, wohinein ihn der Herr gestellt. Er weiß seines Herrn Willen wohl, aber er tut ihn nicht. Weil er die Ehre der Menschen lieber hat, als die Ehre Gottes, oder seinen Bauch zu seinem Gott gemacht hat und sich überhaupt von seiner Eigenliebe, von der Lust, von der Welt und von dem Sichtbaren knechten lässt: hält er die Wahrheit in Ungerechtigkeit so oft nieder, als er nach den ihm anvertrauten Worten Gottes zu handeln hätte, aber das Seine und sich selbst nicht dran geben wird. Dass er ebenso freimütig herzutritt, als die Übrigen, gibt seine unglückselige Sicherheit kund, nach welcher er mit den treuen Knechten und Mägden Gottes in Reih und Glied auftritt. Die Antwort, die er dem Herrn gibt, kommt aus seiner völligen Verblendung hervor, er weiß aber besser darum. Was er antwortet geht darauf hinaus: „Ich wusste, dass du Alles hast bestimmt nach einem mir unbekannten Rat; wagte ich es mit dem Anvertrauten und ginge es nicht gut, so würdest du mich strafen; ginge es gut, so wüsste ich nicht, ob ich nicht, hie oder da, doch nicht recht gehandelt und ob es wohl zu deiner ganzen Zufriedenheit würde gewesen sein. Machte ich es so, so war es möglich, dass ich nicht wohl getan, und machte ich es anders, so war es möglich, dass es auch nicht wohlgetan war; ich habe es darum für das Beste befunden, nichts zu tun. Was du mir indes anvertraut hast, habe ich ehrlich bewahrt, da hast du es wieder; willst du etwas damit getan haben, so tue es selbst, denn wer kann aus dir klug werden? Ich war bange vor deinem Zorn, wenn ich es etwa nicht gut gemacht haben würde, darum überlasse ich dir die ganze Geschichte; kommt man mit Werken, so sprichst du vom Glauben, kommt man mit Glauben, so willst du Werke.“
In Summa: ein fauler Knecht ist unter dem Gesetz, obschon er unter dem Evangelio zu leben scheint und von der Gnade spricht. Wie er aber unter dem Gesetz ist, so will er fortwährend voller Bosheit demjenigen nacheifern, der in Wahrheit die Werke hat. Er ist Gottes, des Herrn Affe und aller Aufrichtigen Affe. Er sieht den Aufrichtigen nach den Händen; wie die es tun, will er es auch tun. So ist er immer am Nachäffen, aber Ohren und Herz sind ihm unbeschnitten. Grade das, was er tun soll, wie es ihm sein Gewissen sagt, lässt er bleiben. So bewahrt er sein Pfund in dem Schrank und gleißt fortwährend äußerlich; das weiß er selbst wohl. Der Herr ist indes kein harter Herr und der Aufrichtige ist auch nicht hart, aber der Faule ist hart wie Stein, setzt seine Lust durch und will doch fromm heißen.
Dass der Herr ihn aus seinem Munde richtet, will sagen: dass der Schalk und Faule eben daraus gerichtet wird, womit er sich zu entschuldigen sucht, und dass ihm keine Gelegenheit gegeben wird, alle die Werke hervorzubringen, in welchen er sich hat abgemüht mit Hintansetzung eben desjenigen, was ihm als der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes bekannt war. Mit den Worten: „so solltest du mein Geld den Wechslern gegeben haben“ meint der Herr, so solltest du denn die Sache denen in die Hände gelegt haben, welche den Wert meiner anvertrauten Worte erkennend, für dich danach handeln wollen, und solltest ihnen nicht die Möglichkeit genommen haben, mit dem Meinen, was ich dir anvertraut, zu wuchern. Wer einen harten Herrn hat, soll eben deswegen um so fleißiger sein in seiner Pflicht.
Wollt ihr Namen, die es am klarsten bezeichnen, wie wahr die Aussage ist: „Wer da hat, dem wird gegeben, und wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat“, so nenne ich euch bloß David und Saul.
Die „äußerste Finsternis“ aber ist erstens: die Beraubung alles Lichtes der Erkenntnis der Gnade, so dass der heilige Geist mit seiner Wirkung von dem Menschen weicht, und zweitens: das ewige Verstoßensein von dem Angesichte Gottes in der Hölle. Da ist Heulen aus zu später Reue, dass man dem heiligen Geiste widerstanden, und Zähnklappen vor Ärger, dass man das Zeitliche und das „Ich“ hat vorgezogen und sich selbst nicht hat verleugnen wollen.
Es würde uns zu weit führen, wollten wir mit der Anwendung der Parabel auf allerlei Einzelheiten eingehen. Wir wollen uns für diesmal kurz fassen. Die Parabel bei Lukas sagt mehr im Großen und Ganzen, dass von der Zeit an, da Christus gen Himmel gefahren ist, bis dass er wiederkommt, die Gemeine durch allerlei Drangsale hindurch muss. Bis dass der Herr wiederkommt, ist den Seinen der Kampfplatz angewiesen. Der Herr hat den Seinen das Wort der Gerechtigkeit des Glaubens anvertraut, dieses Wort schafft Frucht. Da ist es nun die Aufgabe für alle, die den Namen des Herrn anrufen: abzustehen von aller Ungerechtigkeit; die Aufgabe: sich mit dem Worte vom Glauben durchzuschlagen; die Aufgabe: darüber zu wachen, dass sie bei diesem Worte beharren bis ans Ende, auf dass die Frucht des Geistes bei ihnen gefunden werde am Tage der Erscheinung unseres großen Gottes und Seligmachers. Der Endzweck des Gebots nun ist: liebe von reinem Herzen und von gutem Gewissen und von ungefärbtem Glauben. Solches versteht der faule Knecht nicht. Was er antwortet, wird er eigentlich dem Herrn so nicht antworten, aber seine Denkungsart ist so, dass es bei ihm heißt: „Ich kann es ihm doch nicht gut machen, darum gehe ich meinen eigenen Weg, ich glaube und so werde ich selig.“ Er stützt sich auf selbst gewählte Werke, aber mit dem Worte es zu wagen, fällt ihm nicht ein, denn das kostet Selbstverleugnung, Verleugnung seiner Gelüste, des Haltens ob dem Sichtbaren, ob Geld, Gut, Amt und Ehre bei Menschen, ob dem äußerlichen Frieden und dem Ruhm, dass er es getan habe.
Bei Matthäus greift die Parabel noch mehr ins Besondere hinein. Und nun hört! Unser Herr Jesus, der gen Himmel aufgenommen wurde, wird also wiederkommen auf den Wolken mit seinen heiligen Engeln, zu richten die Lebendigen und die Toten, da wird er denn seine Frucht haben wollen. Ihr seid nun Alle Dienstknechte und Dienstmägde des Herrn, er hat euch seine Güter ausgeteilt, er hat euch die gesunde Lehre anvertraut. Ihr selbst wisst es, dass der wahre Glaube kein toter ist, sondern dass der wahre Glaube die Werke hat; so wird denn der Herr, wann er kommt, nach den Früchten fragen, danach fragen, was ein Jeglicher von euch mit seinem Pfund gewonnen hat. Wollt ihr den Markt kennen, wo mit dem Pfunde gewonnen wird? Der Markt ist für euch Ehemänner: eure Frauen; für euch, Ehefrauen: eure Männer; für euch, Eltern: eure Kinder; für euch, Kinder: eure Eltern; für euch, Herren und Frauen: eure Hausknechte und Hausmägde; für euch, Hausknechte und Hausmägde: eure Herren und Frauen; für euch, die ihr ledigen Standes seid: euer lediger Stand. Der Markt ist für einen Jeglichen von euch sein Beruf, wozu Gott ihn berufen; der Markt ist für einen Jeglichen von euch sein Kreis, sein Geschäft, sein Amt, sein Erwerb, sein Haus, sein Gesinde, sein Nächster, womit Gott ihn zusammen bringt. Hier müssen die euch anvertrauten Worte ins Leben übergegangen sein, dass es keine gehörten Worte seien, sondern dass nach denselben getan sei von einem Jeglichen in seinem Kreise und also auch der Nächste dem Herrn gewonnen sei das durch, dass ihr es selbst auch tut, was ihr lehrt und wovon ihr wollt, dass die Andern es tuen. Da sind wir! Wer ist hier der treue Knecht, der es mit gutem Gewissen in Heiligen Geist weiß, dass er für den Herrn gewinnt mit dem anvertrauten Pfunde? Er sei doch guten Muts, obschon er mit Tränen säen muss und er beachte des Herrn Wort, das er dereinst vernehmen wird aus seinem Munde: „Gehe ein in deines Herrn Freude.“ Sein Rufen: „komm, Herr Jesus,“ wird so wenig vergeblich sein, als sein Säen unter hartem Kampf.
Aber wer ist hier der faule und unnütze Knecht, von dem auch genommen werden wird das, was er hat, und der in die ewige Finsternis wird geworfen werden? O, dass ein Jeder von uns es lese und höre mit Zittern und Beben! Ich weiß es wohl, dass Niemand von uns es sein will, aber ein Jeder sei gewarnt und wisse auch, dass, wer sich selbst richtet und sich bekehrt, am allerersten außer Gefahr ist, vom Herrn mit dem unnützen Knecht verdammt zu werden. Wer wissen will, ob er ein fauler und unnützer Knecht ist oder nicht, der prüfe sich selbst, wie er es macht, ein Jeder in seinem Kreise, wo ihn Gott hingestellt: ob er da im Geist und in der Wahrheit mit den Seinen lebt und handelt, ob er im Geist und in der Wahrheit mit seinem Nächsten umgeht, ob er es im Ganzen so macht, dass die gesunde, ihm anvertraute Lehre bei ihm kein leeres Wort, sondern Tat und Kraft sei! Ein unnützer und fauler Knecht meint den guten Glauben und das gute Bekenntnis bei sich selbst zu bewahren, aber das, was er weiß, dass er tun soll, tut er nicht; dagegen bietet er Alles auf, um sich angenehm zu machen mit Werken, die ihm einfallen, und die er anbringt, wo er es nicht tun soll. - Das macht die Eigenliebe, die sich selbst behaupten, nie aber sich selbst verurteilen und Gott recht geben will und darum auch nie durchbricht, sondern stets mit beflecktem Gewissen beim guten Vorhaben und bei ihrer guten Meinung von sich bleibt. Man tut oft über die Maßen mit laufen und Wollen seine vermeinte Schuldigkeit, aber nie seines Herrn Willen. Man sieht nach den Menschen; der Hals, der Bauch, die eigene Lust laufen Gefahr, oder man hat dabei ein Stückchen Geld weniger in Aussicht: da lenkt man ein, will doch für den Herrn sein, man gibt nach, und das anvertraute Wort liegt in einem Schweißtuch, liegt begraben in der Erde; dort bewahrt man seinen Schatz gut, denn man hat keinen im Himmel.
Wollt ihr der Gefahr entronnen sein, als unnütze Knechte vom Herrn verdammt zu werden, so tut das, wozu ihr nach Gottes Wort berufen seid, wie es euch euer eigen Gewissen sagt. Beginnt es aber so, dass ihr euch vor dem Herrn demütigt, die Schuld bei euch selbst sucht, euch selbst verdammt und des Herrn Gerechtigkeit und Stärke ergreift. Denn das macht einen faulen und unnützen Knecht, dass man nicht aus Glauben will gerecht sein. Was aus Glauben gerecht ist, verwirft immerdar sich selbst, verleugnet sich selbst und glaubt Gottes Gerechtigkeit, es hält sich an das, was nicht gesehen wird; darum ist die Liebe da, welche die Erfüllung des Gesetzes ist. Was aus Glauben gerecht ist, glaubt, dass es Gottes Geschöpf ist, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken; grade für solche sind darum auch die heilige Taufe und das heilige Abendmahl Zeichen und Siegel, dass sie gegen alle ihre Ohnmacht aus des Herrn Fülle genommen haben Gnade um Gnade und also Alles vermögen in dem sie mächtig machenden Christo.
Indem ich einen Jeglichen von euch warne vor dem Grundsatz: „was geht mich mein Nächster an, dass ich bei ihm meine Pflicht tun sollte; ich glaube für mich selbst und mein Nächster hat sich nach mir zu fügen; so werde ich selig“, und indem ich es euch einschärfe, dass der Herr die Früchte der Gerechtigkeit des Glaubens ohne Werke bei uns suchen wird, nämlich Liebe Gottes und des Nächsten, schließe ich diese Predigt mit der Bemerkung, dass der Herr nie und nimmer schneidet, wo er nicht gesät hat, nie und nimmer sammelt, wo er nicht gestreut hat. Solches sage ich den Angefochtenen zum Trost, die mit dem Apostel klagen: „Er hat mir einen Pfahl ins Fleisch gegeben, einen Satans-Engel, der mich mit Fäusten schlägt.“
Der Geist aus der Höhe, der von unserm Herrn erworbene Geist, mache einen Jeden von euch bei der Bedienung der Sakramente, heute und über acht Tage darauf aufmerksam, wie diese Sakramente es uns vergewissern, dass wir volle Vergebung aller unserer Sünden und das Recht auf das ewige Leben haben und geschaffen sind in Christo in einem Stande guter Werke; und wie der treue Erbarmer uns in demselben befestigen und erhalten will bis an des Herrn Tag, auf dass es von Niemanden von uns dermaleinst heiße: „Den unnützen Knecht werft in die äußerste Finsternis hinaus, da wird sein Heulen und Zähnklappen.“ Amen.