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Kohlbrügge, Hermann Friedrich - V. Predigt Über das dritte Capitel des Propheten Jona.

Jonä Gang nach Ninive, seine Predigt und der Predigt Frucht.

Gehalten am 23. Juli 1848. Gesungen wurden: Lied 60, Vers 7-9. Lied 62, Vers 2. 3. - Lied 81, Vers 8.

Was auch die menschliche Vernunft einwenden möge gegen die ewige Wahrheit, daß der Mensch mit seinem Gewilltsein und Laufen nichts fertig bringt, daß man allein an der Hand der Gnade tüchtig ist zu allem guten Werk, an und für, sich aber ganz dazu untüchtig ist und bleibt, - so wird doch' die Vernunft zu Schanden werden müssen immerdar und Gott wird Recht behalten in allen seinen Worten. Dabei bleibt es, was Jeremias der Prophet bezeugt hat: Ich weiß, Herr, daß des Menschen Thun stehet nicht in seiner Gewalt und stehet in Niemandes Macht, wie er wandele oder seinen Gang richte1). Jede Bestrebung des menschlichen Willens, sein Leben und seinen Weg in eigner Hand zu behalten, wird nichts anders ausrichten, als daß sie die alte Wahrheit um so heller an's Licht stelle, daß der Herr alles macht um sein selbst willen, und der Mensch zwar seinen Weg anschlägt, daß es aber der Herr ist, der seinen Gang leitet2). Er ist glücklich dran, der das Gesetz seines Gottes hoch ehret und sich selbst weggeworfen hat vor solchem heiligen Gesetz, vor dem heiligen, rechten und wunderschönen Gebot seines Gottes. Denn vor dem Gesetz Gottes muß es zu diesem Bekenntnisse kommen, welches auch der Apostel Paulus von sich ablegt: „Das Gute, das ich will, das thue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das thue ich: Ich weiß nicht was ich thue.“3) So lange die Welt nun gestanden, sind aber seit Adams Uebertretung dies die Sünden der Menschen, womit sie dem Herrn Mühe machen, daß sie immerdar Weiser haben sein wolle als Gott, und daß ein Jeder der Meinung gewesen, wenn ich das Thun nicht übersehen, nicht in der Hand halten kann, wenn es nicht so geschieht, daß ich es als gut zu beurtheilen vermag, so kann auch das Thun nicht gut sein; wenn ich nicht wirke, so wirkt Gott auch nicht, wenn ich nichts thue, so ist und wird nichts gethan. Man baue aber mit seiner Vernunft bei dem Gesetz so hoch man will, um sich einen Namen zu machen, Gott der Herr wird aus dem Bau ein Babel machen, daß am Ende der eine den andern nicht versteht und alle sich gegenseitig aufreiben, sich einander beißen und fressen werden bis man sich untereinander verzehret hat. Wie auch verkannt, stehen wird sie bleiben - die heilige Wahrheit, daß man mit seinen Werken eines Gesetzes sich zum Tode wirket, und daß man Leben hat, Ein- und Ausgang allein an der Gnade. Stehen wird sie bleiben die heilige Wahrheit: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben, und dasselbige nicht ans euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf daß Niemand rühme, denn sein Geschöpf seid ihr, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, auf daß wir darin sollten gewandelt haben.“4) Man nenne solche Wahrheit schmähend ein leidendes Christenthum: dieses leidende Christenthum schafft allein Frucht welche bleibt, und ist allein wirksam zum Leben, weil in Gott es besteht und wirksam ist; - während ein sogenanntes wirkendes Christenthum nur dem Tode Frucht bringt, weil Gott nichts davon weiß. In der neuen Schöpfung, in der Schöpfung der Gnade, in der Schöpfung, welche in Christo Jesu ist, hat der Mensch, hat Fleisch gar keine Bedeutung mehr, Gott thut da alles allein um seines Namens willen, und wirkt und schafft selbst in und durch den Menschen. Da geht's denn auch allein herrlich von Statten; dabei mag immerhin der Mensch was anders im Sinne und im Kopfe haben, auch wohl alle andern Ueberlegungen, Wege und Gedanken im Herzen hegen, als die welche Gott hat5), dennoch geht's gut, ja es geht allein gut, wo der Geist in den Rädern ist. - Das dritte Capitel des Propheten Jona gibt uns davon überflüssigen Beweis, und dazu die Deutung und Meinung des Heiligen Geistes auseinanderzusetzen, kann nur dienen zur Verherrlichung Gottes und zum Trost des Armen.

Das dritte Capitel des Propheten Jona lautet aber, wie folgt:

1. Und es geschah des Wort des Herrn zum andern Mal zu Jona, und sprach: 2. Mache dich auf, gehe in die große Stadt Ninive und predige ihr die Predigt, die ich dir sage! 3. Da machte sich Jona auf und ging hin gen Ninive, wie der Herr gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt Gottes, drei Tagereisen groß. 4. Und da Jona anfing hineinzugehen eine Tagereise in die Stadt, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. 5. Da glaubten die Leute zu Ninive an Gott und ließen predigen, man sollte fasten, und zogen Säcke an beide groß und klein. 6. Und da das vor den König zu Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllete einen Sack um sich und setzte sich in die Asche. 7. Und ließ ausschreien und sagen zu Ninive, auf Befehl des Königs und seiner Gewaltigen, also: Es soll weder Mensch noch Thier, weder Ochsen noch Schafe etwas kosten, und man soll sie nicht weiden, noch Wasser trinken lassen; 8. Und sollen Säcke um sich hüllen beide Menschen und Thier, und zu Gott rufen heftig; und ein jeglicher bekehre sich von seinem bösen Wege und von dem Frevel seiner Hände! 9. Wer weiß, Gott möchte sich kehren und ihn reuen und sich wenden von seinem grimmigen Zorn, daß wir nicht verderben. 10. Da aber Gott sahe ihre Werke, daß sie sich bekehreten von ihrem bösen Wege, reuete ihn des Uebels, das er geredet hatte ihnen zu thun, und thats nicht.

Wir betrachten nach Anleitung dieses Capitels

  1. Gottes wiederholten Befehl an Jonam.
  2. Jonä Gang und Predigt nach Gottes Willen.
  3. Der Predigt Frucht.

I.

Und es geschah das Wort des Herrn zum andernmal zu Jona und sprach: Mache dich auf, gehe in die große Stadt Ninive und predige ihr die Predigt, die ich dir sage.

Ihr vernehmet es, meine Geliebten, das Wort des Herrn geschah zum andernmale zu Jona. Dasselbige Wort kam zu ihm, was früher zu ihm gekommen. Dem Rathe Gottes muß gedient, sein Wille durch uns gethan sein; seinem Befehle haben wir nachzukommen, sein Gesetz zu erfüllen. Jona hatte erst nach fleischlicher Gesinnung geurtheilt, und fleischliche Gesinnung unterwirft sich dem Gesetze Gottes nicht; sie kann es auch nicht, denn das Thun des Willens Gottes will nach Geist verstanden sein. Jona hatte früher gedacht, was wird's helfen, ob ich predige, Gott ist am Ende doch zu gut, um das zu thun was er droht. Da hatte er aber nicht an das Mittel gedacht wodurch solche Güte verherrlicht wird, nicht gedacht an dieses Mittels Kraft und Wirkung; er hatte die Sache Gottes nach der Consequenz des Fleisches beurtheilt, nicht aber nach der Ordnung und Macht des Wortes.

Was hatte es ihm nun aber geholfen, daß er Gotte so widerstanden, am Ende muß er doch nun thun was Gott will und befiehlt. Es hat seine ganze Vernunft ihm zu nichts gedient, als daß er für sich selbst in die äußerste Noth und Gefahr Leibes und der Seele hineingerieth. Wie viele Noth, schreckliche Angst und Kummer würde er sich erspart haben, wenn er auf der Stelle dem Befehle Gottes gehorchet hätte, als dieser Befehl zum erstenmal zu ihm kam. Es ist wahrlich kein geringer Beweis der Gnade und der Langmuth Gottes, daß Gott ihn in aller Noth erhalten, gnädiglich daraus gerettet hat und nun zum andernmale mit seinem Befehl zu ihm gekommen ist. Vielen anderen war solche Gnade nicht zu Theil geworden; die Israeliten zum Beispiel, die mit hoher Hand aus Egypten hinaufgeführt waren, fielen alle ihres Ungehorsams wegen in der Wüste; nun hat aber Gott den Jonam nicht fahren lassen, ihn seiner Sünde und seines Widerstandes wegen nicht nach Verdienen gestraft, er ist vielmehr wieder zu ihm gekommen, da er als ein Ausgespieener und Auswurf der Hölle am Ufer lag und hat ihm befohlen: Mache dich auf, stehe auf, gehe.

Sollen wir daraus nicht lernen, daß uns alles Sträuben wider das Wort der Gnade nichts fruchtet? Wir kennen sie wohl die Gebote, die Rechte und Sitten Gottes. Wir wissen es recht gut, daß alles am Ende dahin zielt und zusammentrifft, daß wir Gott zu kennen, ihm allein zu dienen, ihn zu lieben und zu fürchten haben. Wir wissen es wohl, was gute Werke sind, nämlich, daß wir mit unserm Nächsten umgehen sollen wie Gott mit uns. Diesen Verstand gab uns Gott, es zu wissen, daß der Glaube allein das einzige, höchste und beste gute Werk, daß er aller guten Werke gutes Werk ist, welches dem hohen Gott allein gefallen kann; auch dieses ist uns nicht verhohlen, daß Gott allmächtig ist, und daß wir ihn nicht zu meistern, sondern ihm zu gehorchen haben, wenn er mit seinem Worte kommt. Dazu erfahren wir es wohl tagtäglich, daß wir mit aller Erkenntniß des Guten und des Bösen am Ende doch nicht wissen, was gut oder böse ist in den Augen Gottes. Sind wir nun aber, da wir solche Erfahrung und Kenntnisse haben, nicht sehr thöricht und strafbar vor Gott, daß wir uns das anmaßen, ihm vorschreiben zu wollen wie wir gehen, stehen und liegen, wie wir ihn fürchten, ihm dienen und gehorchen sollen, wie wir fromm und tüchtig, gerecht und heilig sein mögen. Wissen wir es doch, daß wir sein Wort zu befolgen, demselben lediglich zu glauben und ihm es zu überlassen haben, was davon die Felgen sein werden. Wir können es lange treiben mit dem Künsteln und Mäkeln an Gottes Wort und Gesetz, können lange theologisiren, um von dem Willen Gottes und seinem Befehle uns ferne zu halten, man wird aber zu Gottes Ruhe nicht eingegangen sein, Friede mit Gott wird man nicht in Wahrheit haben, nicht in Wahrheit ein gutes Gewissen zu Gott, so lange man halb das Evangelium - halb das Gesetz, halb die Gnade, - halb das Werk an der Hand hält. Der heilige Gott behauptet sein Recht mit seinem Gesetze, er will seinen heiligen Willen gethan wissen: - so bleibt uns nichts übrig, als daß wir uns ganz, so wie wir sind, seiner Gnade ergeben haben, auf daß er selbst durch die Hand des Geistes das Recht seines Gesetzes bei uns dargestellt habe, das Thun seines Willens. Jona sei uns zum warnenden sowohl als zum tröstenden Beispiel; zum warnenden, damit wir es verstehen, daß wir mit allem Laufen, mit allem Wollen des Werks, mit aller Naseweisheit der Werke und der Selbstheiligung es zu nichts anderm bringen, als daß wir uns selbst von dem Ruderschiff in das Meer, von dem Meer in die Hölle hineinarbeiten, und endlich als ein Ausgespieener danieder liegen, wo's denn mit aller Mühe und sauren Arbeit und allem Wundlaufen der Füße ein eitel verlornes Werk ist. Jona sei uns aber auch zum tröstlichen Beispiel, daß wir Frucht genug tragen werden, bleibende Frucht, wenn wir den alten todten Mann, das Gesetz mit seinen Werken drangeben, und uns selbst als Todte betrachten bei solchem Gesetze, uns aber halten an das Wort des Sohnes des lebendigen Gottes. Da ist uns freilich alles Werk aus der Hand genommen, so daß wir es nicht besehen können, auch nichts mehr haben, sondern müssen das Schiff auf Gottes Gnade treiben lassen, es wird aber dabei nicht Noth noch Gefahr sein. Adam hat es in seiner Hand gehabt, das ganze Leben, da ging es verloren; - daß wir das nun nochmal verlieren sollten, dem hat Gott vorgebeugt: er hat's alles, das ganze Leben und die Gottseligkeit, das ganze Thun seines Willens in Christi Hand gelegt, daß wir getrieben durch seinen Geist, in völliger Abhängigkeit von ihm einhergingen, auf daß eine ewige Beharrung für uns da wäre. Darum heißt es auch zu Jona: „Stehe auf, gehe“; du Auswurf der Hölle, stehe auf! ob du wohl lahm sein magst von dem Gestoßen- und Geworfensein, gehe in meiner Kraft, durch meinen Geist, in die große Stadt Ninive; magst nun sehen, ob ein so kleiner Mann und Erdwurm wie du, der du mir mit deiner Erkenntniß von Gutem und Bösem so hart in die Quere kamst, nunmehr was fertig bringst, nun du gesehen hast, wie schlecht du meine Wege verstanden. Wirft du was Großes haben für eine so große Stadt, ein großes Wort menschlicher Beredsamkeit oder große Kraft des Wortes und einen großen Heiligenruf? Nach Ninive sollst du hin, wenn du auch meintest Samaria oder Jerusalem schicke sich besser für dich und mich, - und nichts sollst du dabei in der Hand und Gewalt haben, nicht mal eine Rede in deinem Mund, du magst nun gehen, ohne nur zu wissen was du werdest zu sagen haben; wenn du daselbst wirst eingegangen sein, will ich dir die Predigt in den Mund legen, und nicht was du willst, sondern was ich will, - sollst du daselbst predigen. „Predige ihr die Predigt, die Ich dir sage“. So war Jona alles aus den Händen genommen. Wo er hat hin gewollt, ist er nicht hingekommen, und wo er nicht hin wollte, da mußte er hin. Was er hat predigen wollen, hat er nicht predigen können, und was er nicht hat mögen predigen hat er predigen müssen. Das ist allemal Gottes Weg. Was du sagen willst und überlegst bei dir selbst, davon kommt nichts, und woran du nicht gedacht, das kommt heraus. Wenn du beten willst, gibt's nichts, auch nichts, wenn du heilig sein willst und gute Werke thun; - wenn du aber nicht willst, und was du nicht willst, das wird Gott dich beten lassen, auch dich heilig sein und Werke thun lassen nach seinem Willen und nach seinem Gefallen, so daß du nichts davon sehen sollst; - sollst allein Gottes Gnade erfahren und seine Treue, auch sehen was sein Wort darstellt, es gefalle dir oder es gefalle dir nicht. Was Gott heilig heißt, sollst du ihm heilig sein lassen, und wo er dich hin haben will, wirst du wohl hinkommen. Hören wir nur was folgt.

II.

Da machte sich Jona auf und ging hin gen Ninive, wie der Herr gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt Gottes, drei Tagereisen groß. Und da Jona anfing hineinzugehen eine Tagereise in die Stadt, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. ^ Jona hat gewiß nicht anders gekonnt; Gott wird ihm jeden andern Weg abgeschnitten haben. Man hält sein Gelübde wohl und ist gehorsam, wenn der Herr einen gehorsam macht, und ist dann auch ganz freiwillig gebunden unter den Willen Gottes, so daß man nicht anders will, wenn man auch anders könnte, und nicht anders kann, wenn man auch anders wollte. Jona ging nach Ninive, wie später Petrus zu Cornelio ging, der erst auch nicht gewollt hatte, sondern gemeint, er müsse seinem Volke predigen, das sei doch vor allen und allein das Volk Gottes, es könne nie Gott ein rechter Ernst sein, daß er zu den unheiligen Heiden einkehren sollte. Aber Gott belehrte ihn wohl eines andern, darum sagt er in seiner Verantwortung zu den Gläubigen aus der Beschneidung: Wer war ich, daß ich konnte Gott wehren. Eben so ob dem Jona früher ein solcher Weg nach Ninive nicht gefallen mochte, jetzt muß er ihm wohl gefallen, und er ist gehorsam geworden, seit er erfahren, daß er mit all seiner Einbildung von Gehorsam ein Rebell gewesen wider den Willen Gottes. Denn so ist's nun einmal; so lange man bei dem alten Manne, dem Gesetze lebt, da will man Gotte stets gehorsam sein, und sucht allerlei Werke auf, ihm solchen Gehorsam zu beweisen. Man kommt auch fortwährend mit solchen todten Werken zu Gott und fragt: habe ich das nicht gut gemacht, willst du mir nicht helfen, daß ich je mehr und mehr zur Vollkommenheit bringe, was ich zu deiner Ehre angefangen. Muß man dann aber von Gott die Antwort hören: deine Werke taugen nicht, sie werden auch nicht halten, ich habe dir aber schon längst meinen Willen bekannt gemacht, - so will man eben solchem Willen Gottes sich nicht unterwerfen und flieht vor ihm und will es nicht wissen, daß eigene Frömmigkeit der Weg ist, der einem gut dünkt in seinen eignen Augen, daß aber am Ende das alles Wege des Todes sind. Ist man dagegen von Gott durch seine treue Demüthigung belehrt, daß aller Gehorsam, welchen wir für Gehorsam halten, - es ist aber ein Gehorsam nach eigener Wahl, - lauter Pharisäismus, Eigensinn und Ungehorsam ist, da macht man sich auf und geht als ein Ungehorsamer und dennoch freiwillig den Weg, den Gott uns geheißen. Da geht man denn, aber man weiß selbst nicht wie, die Hände, die Füße und das Angesicht bedeckt mit der Bereitfertigkeit des Geistes, und zieht die Straße, welche man sonst für Unbilligkeit hielt und annoch wohl für unheilig halten möchte, wäre nicht der Verstand gefangen geleitet unter Christi Gehorsam, so daß der Weg heilig sein muß, weil Gott es so will und geheißen hat. So geht denn auch Jona nach Ninive; möge auch ein ganzes Volk, das sich selbst heiligt, dazu auch sein eigen Herz ihm sagen: wie Prophet, du gehst nach einer Stadt, die so gottlos ist? Aber welche Stadt oder welcher Mensch sollte in den Augen dessen nicht gottlos sein, der einen Apostel von seinem treuen Knecht Abraham hat schreiben lassen, daß er ein Gottloser gewesen, und von dessen Engeln sogar bezeugt wird: siehe, unter seinen Knechten ist keiner ohne Tadel und in seinen Boten findet er Thorheit, wie viel mehr bei denen, die in lehmernen Hütten wohnen6). Wenn Gott einen ansieht in seiner Erbarmung, ihn ansieht in seinem Christo, so wird er in dem Herrn, seiner Gerechtigkeit vor Gott, gerecht sein, auch heilig um und an; aber ein solcher Mensch ist und bleibt an und für sich ein Gottloser, und wenn er sich über einen Schacher erhebt, so wird er ein Greuel sein in den Augen dessen, der sich nicht schämt der Sünder und aller Verlornen Gott zu heißen. Oder war Ninive mehr gottlos als Jerusalem und Samaria? Es wird sich am Tage des Jüngsten Gerichts herausstellen, was gottloser gewesen, Ninive und Paris, oder Elberfeld. So viel ist gewiß, daß der Herr selbst gesagt, daß die Männer von Ninive, weil sie sich auf Jona Predigt bekehrt haben, das Gericht besser werden ertragen können, als Jerusalem, und es ist bezeichnend genug, daß es von derselben Stadt, wovon der Herr selbst aussagt: „Ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich“, an unserer Stelle heißt: „Ninive aber war eine große Stadt Gottes“, und daß hinzugesetzt wird, um es recht an's Licht zu stellen welche große Stadt Gottes sie gewesen: „sie war drei Tagereisen groß“. Ob zwar der Teufel drin regierte, so blieb sie dennoch eine Stadt Gottes, denn die Erde ist des Herrn und ihre Fülle; und ob sie groß war in Gottlosigkeit, so war sie, eben weil sie eine Stadt Gottes war, um so viel eher ein Gegenstand, an dem sich die allmächtige Gnade verherrlichen konnte. Unser großer Gott und Seligmacher, der sich nicht schämt, diejenigen Brüder zu nennen, welche wohl einen andern Namen verdienten, schämt sich auch nicht, eine Stadt die seine zu nennen, auch dann noch, wenn er sie ihrer Gottlosigkeit wegen umkehren muß. Es ist ihm nichts zu gottlos, wenn er sich erbarmen will, und er macht der Wunder seiner Seligkeit gar viele eben da, wo nichts ist und alles verloren ist.

Und wie herrlich wird hier nun Gottes Wille vollführt eben durch einen solchen, der von sich selbst nichts weiteres zu sagen wußte, als daß er ein Ungehorsamer und Widerspenstiger gewesen. Wie herrlich wird Gottes Wille vollführt eben durch einen solchen, der sich nunmehr zu allem ohnmächtig und untüchtig fühlt! Da stehen seine Füße in den Thoren dieser großen Stadt Gottes. Wie eigen muß es ihm zu Muthe gewesen sein; er mag sich wohl einem Thiere verglichen haben, welches hingeleitet und geschlachtet wird andren zum Nutzen, und er mußte sich erscheinen wie ein Instrument in Gottes Hand, das wenn es die geschickte Meisterhand nicht aufnimmt und damit das Ihre thut, nicht Laut noch Stimme von sich gibt.

Was soll Jona predigen, da er nun in die große Stadt hineingetreten ist? Er möchte fast ohnmächtig werden bei dem Anblick einer so großen Menschen- und Seelenzahl! Aber der Herr hatte ihm gesagt, predige ihr die Predigt, die ich dir sage, und er sollte die Wahrheit der Verheißung erfahren: Thue deinen Mund auf, ich will ihn füllen. Jona hat angefangen, ein Drittel der Stadt zu durchgehen, da thut der Herr ihm den Mund auf: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen“. Das Wort ist aus dem Munde, ist von der Zunge, und wie eine Bombe hat es eingeschlagen unter das Volk, wie ein Gewitter, daß alles anfängt zu zittern und zu beben.

Diese Predigt war nicht aus menschlichem Willen hervorgebracht. Mit Sträuben sprach er das Wort „untergehen“ aus, denn es stürmte dabei in seiner Seele: es wird doch nichts draus; und die Entscheidungsperiode von vierzig Tagen: - Gott nur konnte es ihm eingeben, solche Zeit zu bestimmen.

Sollen wir dieses, was sich mit Jona zugetragen, nicht zu Herzen nehmen? Lebe bei dem Gesetze, bei dem alten Manne, welchen Christus getödtet und unfruchtbar gemacht hat, so wirst du viel von Gehorsam vorgeben, aber es wird nichts draus werden. Treibe auf Gnade, befinde dich in der Hand deines Herrn, so habe keine Sorge für Werk und Heiligkeit, der Herr wird dich die Heiligkeit finden lassen, wo du sie nicht vermuthest, und er wird dir Werke genug nach seinem Willen auf die Hand legen, ja wohl mehr als dir lieb sein wird; denn wo Gottes Werke gethan werden, da geht der Mensch unter mit seinem Glauben, mit seinem Gewilltsein, mit seinem Namen, mit seiner Tüchtigkeit, und er muß auf die Hand des Herrn sehen, und von ihm tagtäglich den Befehl abwarten, so daß er sich wohl davon machen möchte, wenn ihn der Herr nicht hielte, und so ist denn was der Mensch alsdann thut, allein das Werk des Herrn. Darum geht's aber auch allein gut, wie wir solches ganz schlagend sehen an der Frucht, welche Jonä Predigt geschafft hat.

III.

Die Frucht war herrlich. Es kam Glaube, nachdem die Verdammung und der Untergang gepredigt war; es kam Buße, Zerknirschung, Reue, Demüthigung in Sack und Asche. Das Wort der Predigt kam vor den König, dieser ließ Menschen und Vieh, Reiche und Arme, Alte und Junge fasten, sich hüllen in Säcke, heftig rufen zu Gott, und ein jeglicher mußte sich bekehren von seinem bösen Wege und von dem Frevel seiner Hände. So gab alles in der Stadt Gott die Ehre und that was Gott wollte; alles rechtfertigte Gott, verdammte sich selbst und alle seine bösen Wege, verließ dieselben und verzweifelte nicht an Gottes Erbarmen. So zeigten sie der Hoffnung Anfang, welche eben darin besteht, daß man nicht verzweifelt. Sie ließen dabei Gott in seinem Rechte und Freimacht, sie zu erhalten oder zu verderben, aber wie bestimmt auch der Spruch Gottes gewesen: Noch vierzig Tage, und Ninive wird untergehen, so gaben sie es doch nicht verloren und ließen nicht nach, mit heftigem Rufen bei Gott anzuhalten um Errettung, Hülfe und Gnade, und sie faßten von ihm diesen guten Gedanken: „Wer weiß, Gott möchte sich kehren und ihn reuen und sich wenden von seinem grimmigen Zorn, daß wir nicht verderben“. Das war die Frucht der Predigt des Wortes. Die Leute zu Ninive glaubten an Gott, und da Gott ihre Werke sah, das ist also, ihren rechtschaffenen Glauben, daß sie sich bekehreten von ihrem bösen Wege, reuete ihn des Uebels, das er geredet hatte Ninive zu thun, und that es nicht. - Und so war denn die große Stadt Gottes von dem Verderben und dem Untergang für diesmal errettet.

Die Vernunft, angereizt von dem Teufel, hat hier viele Fragen aufzuwerfen, leider die Vernunft der Christen, welche darin von den Niniviten beschämt werden, wie auch Jona selbst von den Niniviten beschämt wurde; hatte doch er sich gesträubt gegen den Willen Gottes, gegen das Wort der Gnade, aber die Niniviten fürchteten sich vor dem Worte Gottes und glaubten ihm. - Die Vernunft wirst alsbald sich auf mit der Frage: war diese Buße und Bekehrung der Niniviten aufrichtig? so geht denn die Vernunft stets darauf aus, die Herrlichkeit der Werke, welche in Gott gethan sind, zu schmälern, um dagegen ihre eigenen Werke für vollkommen anzupreisen. Was thue ich aber mit einer Frage, welche keiner Antwort werth ist. Gott ist gerechtfertigt, das ist genug; und da Gott der Niniviten Werke sah, gereuete ihn des Uebels, das er geredet hatte. Die Vernunft bringt aber jede rechtschaffene Buße und Bekehrung in Verdacht, wogegen die Bekehrung des Fleisches nie in Verdacht genommen, sondern hoch gepriesen wird, und alsbald durch allerlei Blätter der christlichen Welt muß erzählt werden, und wer es wagt, dergleichen in Verdacht zu nehmen, der soll kein guter Christ mehr heißen. Die Vernunft meint, Ninive habe von Gott nichts wissen können, weil die Vernunft nicht an den heiligen Geist glauben will, welcher die ganze Welt straft und allerwärts den lebendigen Gott und seine Gerechtigkeit vor den Gewissen handhabt. Die Vernunft zerarbeitet sich sodann an ihren Ueberlegungen, wie dieses alles zusammenhängen möge und könne mit Gottes Rathschlüssen, weil die Vernunft es nie begreifen kann, daß Gottes Rathschlüsse durch die Predigt von Buße und Glauben, nie aber ohne diese Predigt in Erfüllung gehen, wie sie es denn auch nicht begreifen kann, daß Gottes Zorn keine Leidenschaft in Gott ist, sondern sein allerheiligster und ruhevoller Wille, die Sünde zu richten und zu strafen, und daß seine Drohungen, welche sein Wort bringt, wo sie haften, in Wahrheit nur ein Aufschrecken sind zur Bekehrung und eine Offenbarung seiner Erbarmung. Wenn Gott sagt, du wirst sterben und nicht leben, so bekehre dich von deiner Ungerechtigkeit und halte Gott seinen Christum vor, so wirst du leben und sein liebliches Angesicht sehen in alle Ewigkeit.

Aber genug von der Vernunft. Das dritte Capitel des Propheten Jona beweist es vor aller Welt schlagend und überzeugend genug, was ich in dem Eingang meiner Predigt aussprach: daß man, wie untüchtig auch an und für sich selbst, dennoch zu allem guten Werk süchtig sein wird, wenn man an der Hand der Gnade geht. „Ihr habt keinen Mangel an irgend einer Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi; welcher auch euch wird festbehalten bis an's Ende, daß ihr unsträflich seid auf den Tag unseres Herrn Jesu Christi“ - schrieb Paulus an die Corinther. Wer will Liebe, Hoffnung, Glaube, Sanftmuth, Demuth, Keuschheit, Aufrichtigkeit; wer begehrt und erstrebt sich allerlei gute Werke, Heiligkeit und Frucht, woraus er seiner Seligkeit gewiß sein möchte; wer will Gebet und gottesfürchtigen Wandel; wer will ein Herz, welches ehrlich und gut, welches ohne Falsch ist; in Summa, wer will gethan haben den Willen Gottes unsträflich, auch der Kennzeichen sich erfreuen, daß er ein Kind Gottes ist und in Gottes Wegen einhergeht - er gebe es alles aus seiner eignen Hand. Laß los, spricht der Herr, und du wirst losgelassen werden. Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat ewiges Leben; wer ewiges Leben hat, hat die Wirkungen, die Bewegungen, das Vorsichherschaffen, welches diesem Leben eigen ist, wie von selbst. Jona wollte auch erst seinen Weg in eigner Hand halten und klüger sein als Gott, darüber gerieth er in die Hölle; als er aber nichts mehr hatte, nichts mehr wußte, als den Herrn und sein Wort, da ging es so gut, daß wir an ihm ein Beispiel haben, welches wohl einzig in der Schrift dasteht; denn eine große Stadt Gottes kam zum Glauben und zur Buße durch eine einzige Predigt, worauf Jona nicht hat studiren können, um sie fertig zu bringen, und durch einen einzigen Gang, welchen der Prophet nicht mal hatte gehen wollen.

Es sieht allerdings gefährlich aus und scheint ein Sprung in die Tiefe der Hölle, als ein Gottloser gerecht und selig zu werden und das „Können und Sollen“ drangegeben zu haben, denn da muß man lediglich von der Gnade abhängen. Aber das Wort das Wort von Gnade, - kann es machtlos sein, ist es nicht allmächtig? Wohl dem, der sich demselben ergeben hat, ich sage dem Wort, und nicht seinem Befinden. Das Wort, es schafft vor sich her; - und wer als ein Auswurf der Hölle auf Gottes Wort einhergeht und auf sein Wort das Netz auswirft, sei es auch in die Tiefe, wo nach aller Vernunft nichts gefangen wird, er wird das Schiff wohl in den Hafen bringen, zum Sinken belastet mit Werken, die in Gott gethan sind. Die Fische hat aber der Herr gegeben, nicht hat sie der Mensch geschaffen; und ist es dem Menschen zum Ruhm oder hat er damit etwas verdient, daß er sie gefangen hat? Und wer sorgt noch hinterher, daß das Netz nicht zerreißt? - Alles ist aus Gott. Gotte und dem Lamme allein die Ehre von nun an und in Ewigkeit. Amen.

1)
Jer. 10, 23.
2)
Spr. 16, 4. 9.
3)
Röm. 7. 20
4)
Eph. 2, 8-10.
5)
Jes. 55, 8. 9.
6)
Hiob 4, Vers 19