(Zweiter Advent 1874.)
Text: Luk. 12, 35-48.
Lasst eure Lenden umgürtet sein, und eure Lichter brennen. Und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf dass, wenn er kommt und anklopft, sie ihm bald auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch, er wird sich aufschürzen, und wird sie zu Tische setzen, und vor ihnen gehen, und ihnen dienen. Und so er kommt in der andern Wache, und in der dritten Wache, und wird es also finden; selig sind diese Knechte. Das sollt ihr aber wissen, wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb käme; so wachte er, und ließe nicht in sein Haus brechen. Darum seid Ihr auch bereit; denn des Menschen Sohn wird kommen zu der Stunde, da ihr es nicht meint. Petrus aber sprach zu ihm: Herr, sagst du dies Gleichnis zu uns, oder auch zu allen? Der Herr aber sprach: Wie ein großes Ding ist es um einen treuen und klugen Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, dass er ihnen zu rechter Beit ihre Gebühr gebe! Selig ist der Knecht, welchen sein Herr findet also tun, wenn er kommt. Wahrlich, ich sage euch, er wird ihn über alle seine Güter setzen. So aber derselbe Knecht in seinem Herzen sagen wird: Mein Herr verzieht zu kommen; und fängt an zu schlagen Knechte und Mägde, auch zu essen und zu trinken, und sich voll zu saufen: so wird desselben Knechts Herr kommen an dem Tage, da er sich‘s nicht versieht, und zu der Stunde, die er nicht weiß; und wird ihn zerscheitern, und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen. Der Knecht aber, der seines Herrn Willen weiß, und hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem Willen getan, der wird viele Streiche leiden müssen. Der es aber nicht weiß, hat doch getan, das der Streiche wert ist, wird wenige Streiche leiden. Denn welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und welchem viel befohlen ist, von dem wird man viel fordern.
Der Herr kommt! Der Herr kommt! Dieser Ruf erklingt nicht nur in unsrem heutigen Adventsevangelium, sondern wir vernehmen denselben durch die ganze heilige Schrift aus dem Munde der Propheten und Apostel, aus dem Munde des Herrn selbst. Noch am Schluffe des ganzen Bibelbuches, in der Offenbarung Johannis im letzten Kapitel im vorletzten Verse spricht der Herr, der wahrhaftige Zeuge: Ja, ich komme bald! und drückt mit diesen Worten sein letztes, göttliches Siegel auf alle Zeugnisse, die in der Heiligen Schrift von seinem Kommen niedergelegt sind. Darum antwortet in eben diesem vorletzten Verse der Offenbarung Johannis die Kirche mit Recht: Amen, ja, komm Herr Jesu! und bekennt seitdem in ihrem Glaubensbekenntnisse fort und fort allem Spott und Leichtsinn des Unglaubens, aller Trägheit und Sicherheit der Welt gegenüber: von dannen er wieder kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.
Also Jesus wird wieder kommen. Wie er vor bald zweitausend Jahren gekommen ist in der Schwachheit des Fleisches, in Knechtsgestalt, um zu leiden und zu sterben für die Sünden der Welt als Hoherpriester und Lamm: so wird er wieder kommen in der Glorie des Himmels, in der Majestät Gottes, als König aller Könige und Herr aller Herren, um sein Werk zu vollenden, zum Gericht über die Gottlosen und zum Heil für die Frommen. Das ist so gewiss, wie nur irgendeine Wahrheit gewiss sein kann, gewisser als alle Wahrheiten menschlicher Weisheit und Wissenschaft; das steht unerschütterlich fest, fester als unsre Berge, die seit Jahrtausenden mit ihren schneebedeckten Häuptern gen Himmel ragen und die Menschenkinder zu ihren Füßen nach dem Vaterhaus droben weisen. Jesus Christus, das Haupt der Kirche, wird wieder kommen; und es werden ihn sehen alle Augen und die ihn gestochen haben, und werden heulen alle Geschlechter der Erde.
Aber wann wird er kommen? Wann wird die Sehnsucht der Kirche gestillt, wann das Verlangen der Jahrhunderte erfüllt werden? Auf diese Frage antwortet der Herr in unserm Evangelium: Des Menschen Sohn wird kommen zu der Stunde, da ihr es nicht meint; an dem Tage, da sich's der leichtsinnige Knecht nicht versteht; in der Stunde, die er nicht weiß. Das ist nicht nur hier in unserm Texte gesagt, sondern auch sonst bezeugt es der Herr, wie seine Apostel (Luk. 17, 24-30. 1 Thess. 5, 1-3). Aber diese Ungewissheit über das „Wann“ soll uns den Tag des Herrn nicht in eine weite, dunkle Ferne rücken, sondern vielmehr in die nächste Nähe. Den einen Tag hat uns Gott verborgen, damit wir Acht haben auf alle Tage, damit wir wachen mit umgürteten Lenden und brennenden Lichtern und gleich seien den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf dass, wenn er kommt und anklopft, sie ihm bald auftun. Aber steht man denn da nicht in Gefahr, sich vergeblich zu rüsten? Haben die, welche in den vergangenen Jahrhunderten auf den Herrn gewartet haben, nicht umsonst gewartet? Nein! denn der Herr kam zu ihnen im Tode. Und so kommt er auch zu dir, wenn du den großen Tag seiner Zukunft nicht erlebst, ganz gewiss im Tode. Gilt es da nicht zu wachen und das Herz in beiden Händen zu tragen? Wie oft kommt der Tod zu einer Stunde, da wir es nicht meinen. Wer weiß, wie nahe mir mein Ende? Hin geht die Zeit, her kommt der Tod! Wie unvermutet, wie behände kann kommen meine Todesnot! Mögen wir da wachend erfunden werden und dem Herrn, wenn er kommt und anklopft, bald auftun mit Freuden. So wollen wir uns denn rüsten und bereiten auf den Tag des Herrn und in dieser stillen Andachtsstunde mit einander die ernste Wahrheit betrachten:
Der Herr kommt!
I. Die Treuen führt er mit sich in des Himmels Höh;
II. Die Trägen aber stürzt er in ein ew‘ges Weh.
Ja du kommst, von allem Bösen
Uns, deine Christen, zu erlösen,
Des sind wir froh und danken dir.
Auch in noch so trüben Tagen
Soll unser Herz doch nie verzagen,
Auf deine Zukunft hoffen wir.
Wir wissen, wer du bist;
Wir traun dir, Jesus Christ,
Und sind stille.
Wenn gleich die Welt
Zu Trümmern fällt:
Dein Arm ist's, der uns ewig hält.
Amen.
Der Herr kommt, sei es nun am Tage seiner glorreichen Wiederkunft oder an unsrem Todestage. Da führt er die Treuen mit sich in des Himmels Höh. Ja die Treuen. Darum nur treu! Nur treu! Diesen Denkspruch habe ich schon in manchem Zimmer an der Wand hängen sehen; am besten aber steht er in unserm Herzen und Leben geschrieben. Denn es ist ein großes Ding um einen treuen und klugen Haushalter.“ Was gehört aber zur Treue? Einmal der Gurt um die Lenden, in der Hand das brennende Licht, und im Herzen das Warten auf den Herrn.
„Lasst eure Lenden umgürtet sein?“ Kennst du diesen Gurt um die Lenden des Gemütes, den Gürtel der Wahrheit, wie Paulus sagt? Ja der Wandel eines Christen soll und muss in der Wahrheit geführt werden, ein Christ muss aufrichtig sein in Wort und Tat, ohne Trug und Heuchelei. „Siehe, ein rechter Israeliter, in dem kein Falsch ist“ dies Wort muss von einem treuen und klugen Haushalter Christi gesagt werden können. Er muss frei sein von den Schlacken der Unlauterkeit, nichts Verdrehtes und Falsches darf bei ihm gefunden werden. Ja ist bei ihm ja, und Nein ist nein. Sein Auge soll lauter sein wie die Sonne, Hein Mund wahr uns sein Herz klar. Und dieser Gurt der Wahrheit darf nie abgelegt werden, die Lenden sollen stets umgürtet sein; keine äußern Umstände und Verhältnisse dürfen dich abbringen von dem lauteren Wesen in Christo. O das ist sehr wichtig, und ich möchte sagen, in unsrer Zeit doppelt und dreifach wichtig; denn es ist eine Zeit, in der ein Lügengeist durch die Völker geht, eine Zeit der Unwahrheit und Verfälschung auch im Höchsten, das der Mensch besitzt, in der Religion, im Christentum. Darum lasst eure Lenden umgürtet sein mit dem Gürtel der Wahrheit. Haltet fest an dem reinen und lauteren Evangelium von Christo, und dieses Evangelium der Wahrheit soll in euch eine Kraft Gottes werden, die das Herz und den Wandel aufrichtig wahr und klar macht. Also um die Lenden den Gurt der Wahrheit!
Und in der Hand das brennende Licht! Lasst eure Lichter brennen.“ Nicht nur glimmend, sondern brennend, flammend und leuchtend soll das Licht der Christen sein, dass man es sieht, dass ringsum Wärme, Licht und Leben davon ausgeht. Das Feuer des Glaubens, die Glut der Liebe, die Flamme der Hoffnung soll helle brennen und sich sichtbar darstellen durch einen Wandel im Licht. Du sollst in deinem Hause, in deinem Amte ein helles, freundliches Licht sein, von dem Liebe und Friede ausstrahlt auf deine Umgebung, eine milde Sonne, die ihren Glanz und Schein täglich und stündlich empfängt von dem großen Lichte der Welt, von Christus. Du sollst ein Kind des Tages, ein Kind des Lichtes sein, dessen Wesen Licht ist, dass du mit Paulus sagen kannst: ich bin nicht von der Nacht, noch von der Finsternis, ich schlafe nicht mehr in der Sünde, sondern bin aufgewacht aus der Sünde; ich laffe nun die Sünde nicht mehr herrschen in meinem sterblichen Leibe und begebe meine Glieder nicht mehr zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern Gott zu Waffen der Gerechtigkeit. O meine Lieben, wie steht es bei uns mit den brennenden Lichtern? Trägt ein Jedes von uns ein hellscheinendes Licht in der Hand, dass die Leute unsre guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen? Von den ersten Christen konnten die Heiden sagen: Seht, wie sie einander liebhaben! Und diese Tatpredigt der Liebe hat auf viele einen solchen Eindruck gemacht, dass sie sich zum Herrn bekehrten. Aber wo ist bei uns dieses brennende und scheinende Licht? Ach es ist so viel Schatten in unserm Licht, so viel Ärgernis und Anstoß im Wandel. derer, die Christen sein wollen. Viele haben nur einen Leuchter, das bloße Bekenntnis des Mundes, ohne die brennende Kerze der Tat. Viele haben nur ein Nachtlichtlein statt einer hellen. Lampe. Bei vielen hat das Licht einmal helle gebrannt, aber es ist nun am Erlöschen oder bereits erloschen, so dass der Herr mit ernstem Antlitz und aufgehobenem Finger vor sie hintreten und ihnen zurufen muss: Aber ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässt; gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Buße; wo aber nicht, werde ich dir kommen bald und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Buße tust. O ihr Christen, lasst eure Lichter brennen! Tretet in dieser heiligen Adventszeit heraus aus der dunklen Nacht der Sünde in das frohe Tageslicht der Gnade. Der Herr ist gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden, das Feuer seiner heiligen Liebe: wir wollen ihn bitten, dass er es auch in unserm Herzen und Leben anzünde als eine helle Flamme. Ach das bisschen Licht, das wir haben, taugt jetzt nicht mehr, genügt nicht mehr in dieser ernsten Zeit; nein, du selbst musst Licht. werden, ein Licht in dem Herrn.
Brich herfür, brich herfür,
Gottes Volk, herfür in Kraft!
Lass die Bruderliebe brennen,
Zeige, was der in dir schafft,
Der dich als sein Volk will kennen!
Auf, er selbst hat aufgetan die Tür;
Brich herfür, brich herfür!
„Lasst eure Lenden umgürtet sein, und eure Lichter brennen, und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf dass, wenn er kommt und anklopft, sie ihm bald auftun.“ Um die Lenden den Gurt der Wahrheit, in der Hand das brennende Licht des neuen Lebens, und im Herzen
„Wir das Warten auf den Herrn: also geziemt es sich für treue Knechte. Ja ihr Herz ist bei ihrem Herrn. Wenn gleich die Füße auf Erden wandeln, so ist das Haupt doch in der Höh. Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir warten unsres Heilandes Jesu Christi. Dieses Warten auf den Herrn ist ein Kennzeichen des wahren Christentums.
„Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen; wir warten dein, du hast uns ja das Herz schon hingenommen, du bist zwar unserm Geiste nah, doch wirst du sichtbar kommen“ - so heißt es in den Herzen wahrer Jünger Jesu. Sie heben ihre Häupter auf und schauen, ob der Feigenbaum noch nicht ausschlage und Blätter gewinne zum Zeichen, dass der Sommer nahe ist. - Wartest du, mein lieber Christ, auf deinen Heiland? Schaust du mit Sehnsucht aus nach seinem Kommen? Betest du fleißig: Herr, dein Reich komme, zu uns und zu den Völkern, die noch in Finsternis und Schatten des Todes sitzen? Ja komm du selbst, Herr Jesus! Der Geist und die Braut sprechen: komm! und wer es hört, der spreche: komm! O lasst uns doch gleich sein den Menschen, die auf ihren Herrn täglich und stündlich warten mit umgürteten Lenden und brennenden Lichtern; lasst uns so leben, dass der Tag Jesu Christi uns nicht überrascht, sondern bereit und wachend findet, mag nun der Herr kommen am großen Tage seiner Zukunft oder an unsrem Sterbetage.
Noch ein Zug im Bilde des treuen und klugen Haushalters darf nicht vergessen werden. Jesus spricht zu Petrus: „Wie ein großes Ding ist es um einen treuen und klugen Haushalter, welchen der Herr seht über sein Gesinde, dass er ihnen zur rechten Zeit ihre Gebühr gebe.“ Mit diesen Worten weist der Herr hin auf das Amt und den Beruf, in den uns Gott gesetzt hat; da sollen wir treu sein und uns als Christen zeigen und beweisen. Das Gleichnis stellt uns einen Haushalter vor, der dem Gesinde, den Knechten und Mägden, zur rechten Zeit das rechte Maß von Speise und Trank und Lohn gibt. Nun schaue dieses Bild recht an und lerne von demselben, dass das Christentum dein ganzes Leben durchdringen soll, auch dein Familien- und Amtsleben; da sollst du Treue beweisen und tun, was recht ist. Du sollst nicht nur im Gebetskämmerlein, nicht nur im Hause Gottes, oder sonst in christlicher Versammlung, nicht nur bei christlichen Freunden und Brüdern, ein guter Christ sein, sondern auch in deiner Familie, in deinem Amte, nicht nur im Sonntagsgewand, sondern auch im Werktagsrock und Hauskleide. In jedem Stand und Beruf, sei er nun geistlich oder weltlich, hoch oder gering, groß oder klein, überall und immer müssen. wir vor Gott dem Herrn wandeln und Treue beweisen: der Prediger auf der Kanzel und in der Seelsorge, der Lehrer in der Schule, der Beamte auf dem Bureau, der Kaufmann im Laden, der Handwerker in der Werkstätte, der Knecht im Stalle, die Magd in der Küche, die Hausfrau in der Haushaltung, der Landmann hinter dem Pfluge, die Näherin am Nähtische, die Diakonissin in der Krankenstube. O wie ein großes ist es um einen treuen und klugen Haushalter! Selig ist der Knecht, welchen der Herr findet also tun, wenn er kommt! Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet!
Ja die Treuen führt er mit sich in des Himmels Höh. „Wahrlich, ich sage euch: er wird sich aufschürzen, und wird sie zu Tische setzen, und vor ihnen gehen, und ihnen dienen.“ Und noch einmal heißt es von dem. treuen Knechte: „Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen.“ O meine Lieben, was sind das für Worte! Welche Fülle der Seligkeit und Herrlichkeit, welches Meer von Wonne liegt darin! Der Herr kommt, sei es nun am Tage seiner glorreichen Wiederkunft, oder an. unserm Sterbetage; er kommt von der Hochzeit des Himmels, vom Freudenmahle droben im Vaterhause, um die Seinen eben zu dieser seligen Hochzeitfreude heimzuholen. Da wird er sich aufschürzen, und wird sie zu Tische setzen, und vor ihnen gehen, und ihnen dienen. Wer das fassen kann, der fasse es. Bei solchen Verheißungen wollen mir die Worte ausgehen. O mein Heiland, wer sind wir, dass du, der Herr der Herrlichkeit, also mit uns Knechten, mit uns Sündern handeln willst? Wer kann deine herablassende Liebe verstehen, würdig preisen und besingen? Rühre meine Lippen an und reinige sie mit der feurigen Kohle vom himmlischen Altar, dass ich die Seligkeiten, die du deinen Kindern bereitet hast, der Gemeinde verkündigen kann. Ja, meine Lieben, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben. Die Treuen führt er mit sich in des Himmels Höh. Und in welche Höhe der Seligkeit! Wenn der Herr kommt, um die Seinen ins Vaterhaus heimzuholen: dann wird er sich aufschürzen wie ein Diener, obwohl er der Herr der Herrlichkeit ist und alle Cherubim und Seraphim, alle Throngeister und Engel Gottes ihn anbeten; er wird sich ihnen die Stühle anweisen an der Hochzeittafel des Himmels, wo die Patriarchen, Propheten und Apostel, die Märtyrer und alle Geister der vollendeten Gerechten sitzen, wo der Becher der Wonne in die Runde kreist und ewige Freude über den Häuptern der Seligen schwebt, wo die Lust des Himmels aus den Augen glänzt und der Mund voll Lachens und die Zunge voll Rühmens, voll von Lobgesängen und Hallelujas ist - da wird er die Seinen zu Tische setzen, und vor ihnen gehen, und ihnen dienen. Da wird sich erfüllen, was der Apostel schreibt: Ihr werdet euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. Das wird ein seliger Festtag, ein himmlischer Wonnetag sein, darüber uns die Gedanken und Sinne vergehen werden. Ja es wird wohl den Seligen zu Mute sein, wie dort dem Petrus, der, als ihm der Herr die Füße waschen wollte, sprach: Herr, solltest du mir die Füße waschen? So wird der Knecht, der zu seines Herrn Freude eingehen und an des Himmels Tafel sich setzen darf, zu seinem Herrn sagen: O mein Heiland, du solltest dich also herablassen und mir dienen? Nein, ich will dir dienen, ich will deine Füße küssen, die auf Erden um meiner Sünde willen sich müde gelaufen haben, und deine Hände, die du am Kreuz für mich hast durchbohren lassen; wenn ich nur der Türhüter sein darf in meines Gottes Haus, so will ich zufrieden sein. Er aber, der Herr, wird sich aufschürzen, die Seinen zu Tische setzen, und vor ihnen gehen, und ihnen dienen. Wahrlich, ich sage euch er wird sie über alle seine Güter setzen. meine Freunde, was ist alle Erdenherrlichkeit, Pracht, Lust und Freude dieser Welt gegen die Seligkeit und Herrlichkeit des Himmels? Darum weg mit den Freuden und Genüssen der Sünde, weg mit den eitlen Gesellschaften, Gastereien und Trinkgelagen der Erde: an des Himmels Tisch will ich mich setzen, an des Himmels Gastmahl will ich mich ergötzen, in des Himmels Gesellschaft will ich mich freuen, im Kreise der Überwinder und vollendeten Gerechten.
Ja die Treuen führt er mit sich in des Himmels Höh.
Die Trägen aber stürzt er in ein ew‘ges Weh. Über diesen zweiten Punkt reden wir noch in Kürze, obwohl ich meinem Herzen nach am liebsten gar nicht davon sprechen möchte. Aber der Haushalter, den der Herr über sein Gesinde gesetzt hat, soll treu und klug sein, das Wort Gottes recht austeilen, und darf deshalb den heiligen Ernst des Evangeliums nicht verschweigen. Also die Trägen stürzt Er in ein ewiges Weh. So aber derselbe Knecht in seinem Herzen sagen wird: Mein Herr, verzieht zu kommen, und fängt an zu schlagen Knechte und Mägde, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen: so wird desselben Knechtes Herr kommen an dem Tage, da er sich's nicht versieht, und zu der Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn zerscheitern und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen.“ Da haben wir das Bild eines untreuen und trägen Knechtes, ein trauriges Bild, traurig in diesem Leben, traurig auch in der Ewigkeit. Merkt wohl, von wem der Herr redet! Er hat nicht Leute im Auge, die den Glauben über Bord geworfen, mit dem Christentum gebrochen, der Kirche den Rücken gekehrt haben; nicht von Spöttern und Ungläubigen ist hier die Rede, sondern, dass ich es kurz sage, von Namenchristen, von Kopf- und Maulchristen. Der Knecht im Texte sagt „mein Herr.“ Er hat das rechte Bekenntnis im Munde, denn man muss Jesum einen Herrn heißen; aber im Herzen und Leben steht es schlimm bei ihm. Warum denn? Ach der Knecht spricht in seinem Herzen: mein Herr verzieht zu kommen. Er hat also den Ernst des Lebens vergessen, wacht nicht, sondern ist eingeschlafen, und hält sich die Gedanken an das Kommen des Herrn, an Tod und Ewigkeit möglichst ferne. Es gefällt ihm eben hier unten gar zu gut und er wünscht, es möchte nur immer so bleiben. Dabei ist die Liebe in seinem Herzen erkaltet, denn er schlägt Knechte und Mägde; auch verfällt er in fleischliches Wohlleben, Genusssucht und Völlerei, isst und trinkt und sauft sich voll. - Dieses Bild des untreuen und trägen Knechtes, ach wie ist es in der Christenheit hundert und tausendfach zu finden, bald in grober bald in feiner Gestalt? Es wird auch unter uns nicht fehlen. Ja wie viel Bekenntnis der Lippen ist da, wie viel Reden, Beten und Singen ohne Geist und Kraft, ohne Tat und Leben! Wie viel irdischer Sinn und Hängen an der Erde, da man sich die Gedanken an Tod und Ewigkeit aus dem Sinne schlägt; während es im Herzen heißen sollte: Himmelan, nur himmelan soll der Wandel gehen. Wie viel Lieblosigkeit auch unter Christen, da man einander schlägt, was ohne Hände und Fäuste geschehen. kann, durch die Zunge, durch harte und raue Worte, finstere Mienen, lieblose Gebärden, durch Streiten und Zanken, Richten und Räsonieren: ja wie viel Lieblosigkeit, statt Liebe, Friede und Eintracht! Und endlich wie viel Genusssucht und fleischliches Wohlleben, von der feinen Fleischespflege an bis zur groben Völlerei! O Christen, prüft euch! Wie steht's um euch? Das sind lauter Züge des untreuen und trägen Knechtes.
Die Trägen aber stürzt er in ein ewiges Weh. „Desselben Knechtes Herr wird kommen an dem Tage, da er sich's nicht versieht und zu der Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn zerscheitern, und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen.“ Ach was sind das für entsetzliche Worte, dass einem die Haare zu Berge stehen möchten. Denn es sind nicht bloß Worte, die auf dem Papier stehen, sondern Worte, die in furchtbare Tat umgesetzt und erfüllt werden. an allen faulen und trägen Christen. Der Herr wird sie zerscheitern. Ach das ist ein schweres Wort, das eigentlich entzweihauen bedeutet und auf eine grauenvolle Strafe hinweist. Zerscheitern wird sie der Herr, und ihnen den Lohn geben mit den Ungläubigen. Namenchristen, faule und träge Christen werden wie Ungläubige behandelt. Was ist aber der Lohn des Unglaubens? Die Verdammnis! Wer nicht glaubt, wird verdammt werden. Ja so wird es geschehen. An diesem Sage wird nichts abgeändert werden. So wahr die Seligkeit des Himmels dem Glauben zufällt, so wahr fällt die Verdammnis und Hölle dem Unglauben und Maulchristentum zu. Der Knecht, der seines Herrn Willen weiß, und hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem Willen getan: der wird viele Streiche leiden müssen. Die Hölle, die Verdammnis, ewiges Weh ist sein Los. Das bringt die leichtsinnige Welt nimmermehr weg mit ihren falschen Begriffen von Liebe, mit ihrem Spotten und Lachen, mit ihrem Unglauben, den sie mit allerhand Vernunftsgründen ausschmückt und wissenschaftlich begründen will. Der heilige Gott wird sich um solch eitles Gerede und Geschwätz nichts kümmern. Mag die Welt in hundert und tausend Bücher und Zeitungen hineinschreiben: es gibt keine Hölle; und hinter dem Bier- und Weinglas und auf dem Tanzboden mit lachendem Munde ausmachen: es gibt keine Verdammnis; der furchtbare Gegenbeweis wird ihr einfach mit der Tat geliefert werden.
O teure Gemeinde, lasst uns den heiligen Ernst des Evangeliums wohl bedenken und zu Herzen nehmen. Lasst uns nicht schlafend und träumend in den Tag hinein leben, sondern aufwachen, so lange es heute heißt. Ja lasst eure Lenden umgürtet sein, und eure Lichter brennen, und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf dass, wenn er kommt und anklopft, sie ihm bald auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet.
So mache denn, mein Herz und Sinn,
Und schlummre ja nicht mehr!
Blick täglich auf Sein Kommen hin,
Als ob es heute wär!
Amen.