von Lic. Dr. P. Kirmß, Pfarrer an der Neuen Kirche in Berlin.
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.
Jes. 60,1.
Evang. Joh. 11, 51-52
Jesus sollte sterben für das Volk; und nicht für das Volk allein, sondern, dass er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zusammenbrächte.
Das Kreuz Christi als der Sammelpunkt der zerstreuten Kinder Gottes.
Dieses Wort vereinigt in sich die beiden Punkte, um welche sich heute unsere Gedanken bewegen sollen. Die Passionszeit fordert uns auf, emporzublicken zu dem gekreuzigten Christus. Die besondere Veranlassung aber, die uns heute zusammengeführt hat, ist die Mission. Das Schriftwort legt uns nahe, beides zusammenzufassen und zu betrachten
das Kreuz Jesu Christi als den Sammelpunkt der zerstreuten Kinder Gottes.
Unter Gottes Kindern verstehen wir sonst Menschen, die innerlich gestaltet sind nach dem Bilde Jesu, des Gottessohnes, Menschen, in denen sich alles, was Jesus den Menschen bringt, bereits zu voller Herrlichkeit entfaltet hat, die in Gehorsam, Vertrauen und Liebe sich an Gott hingeben. Hier ist das Wort wohl in einem anderen Sinne gebraucht. Denn wenn Jesus durch seinen Tod die zerstreuten Gotteskinder zusammenbringen soll, so müssen doch schon vor Christus solche Gotteskinder vorhanden gewesen sein, nur weit zerstreut. Sie sind ihrer Anlage nach Gottes Kinder; es ruht in ihnen die Gotteskindschaft, wie die Pflanze im Keim, wie die Frucht in der Knospe. Es schlummert in ihnen das Gotteskind, wie schon in dem Knaben der Mann schlummert, der durch seine Taten die Welt in Erstaunen versetzen wird. Es sind die Menschen, die Jesus in der Bergpredigt schildert, und die er vor allem zu sich ruft: Die reines Herzens sind, und deshalb bestimmt, Gott zu schauen; die geistlich arm sind, von einem unendlichen Verlangen erfüllt, das sie in nichts Irdischem Ruhe finden lässt; die Barmherzigen, die bestimmt sind, Barmherzigkeit zu erlangen; die leidtragend über die Erde gehen, leidtragend über ihre Schuld, leidtragend auch über die Schuld ihrer Brüder; die Friedfertigen, die Friedensboten, die den Menschen Frieden bringen, und deshalb selbst den Frieden ererben sollen. Es sind Menschen, in deren Seele ein Strahl des Himmels gefallen ist, und sie sehen deshalb in allem Vergänglichen ein Gleichnis des Ewigen. Auch wenn sie als Bettler über die Erde gehen, sind sie doch reichen Herzens. Sie lassen keinen Menschen an sich vorübergehen, ohne ihm irgendeinen Segen mitzugeben. Ihr Geist kann nicht satt werden von dem, was die Erde bietet; ihre Augen sind deshalb nach oben gerichtet, aus dem Gefängnis der Schuld hinauf zur Freiheit der Kinder Gottes, aus dem Tal des Todes nach Gefilden des ewigen Lebens. Wenn sie auch von ihrer Heimat in Gott nur eine sehr unklare Vorstellung haben, so werden sie doch immer von einem dunklen Drang nach derselben hingezogen, wie Königskinder, die in früher Kindheit aus dem Schloss ihrer Väter vertrieben worden sind, so dass ihnen kaum noch eine Erinnerung geblieben ist, doch immer wieder von einer dunklen Sehnsucht dahin zurückgezogen werden.
Etwas davon ist in jedem Menschen. Denn alle kommen von Gott, und tragen, wenn auch unter Schutt und Staub, noch in sich etwas von dem ewigen Erbe, dass sie aus der himmlischen Heimat mitbekommen haben. Gott hat solche Kinder nicht nur unter uns, die wir die Christentaufe empfangen haben, sondern er hat seinen Samen ausgestreut über alle Erdteile. Solche Kinder hat er unter den Schwarzen ebenso wie unter den Weißen, sie wandeln an den sonnigen Gestaden, wo sich die Palmen leise im Winde wiegen, wie an den Gestaden des Eismeeres, wo der Wintersturm weht; sie wohnen in den Negerhütten wie auf den Inseln Japans, wie an den Riesenströmen Chinas. Dass in diesem Sinne alle Menschen Gottes Kinder sind, d. H. zur Gotteskindschaft berufen sind, ist der Glaubenssatz der Heidenmission, ohne den sie überhaupt nicht existieren könnte. Ihr erscheint der Glaube unmenschlich, der die Menschen sprechen lässt: Lasst die Heiden in ihrem Schmutz und in ihrer Finsternis, sie sind darin geboren, sie werden darin sterben, und alle eure Mühe wird nichts daran ändern. Nein! Wir wollen glauben an die Menschheit, auch wo sie uns in der niedrigsten Knechtsgestalt entgegentritt. Auch die ärmsten Afrikaner sind zur Gotteskindschaft berufen, und wenn man uns erzählt von ihrem entsetzlichen religiösen und sittlichen Elend, so hören wir daraus das Schreien unsterblicher Menschenseelen nach Licht, Liebe und Leben.
Aber diese Kinder Gottes sind zerstreut, nicht in räumlichem Sinne. Dies Wort hat in der heiligen Schrift eine besondere Bedeutung. Jesus sah sein Volk, das doch in einem Land zusammenwohnte, zerstreut wie eine Herde ohne Hirten. Es fehlte ihnen eine geistige Macht, an die sie sich halten können, ein Quell, aus dem sie trinken, das Brot, von dem sie sich nähren konnten. Deshalb ist das Zerstreutsein so viel wie Verschmachten. Wenn von einem Zug Vögel auf dem weiten Flug aus dem fernen Süden zu uns einzelne zerstreut werden, so müssen sie verschmachten und kommen jämmerlich um. Wenn ein Heer ohne Mittelpunkt sich auflöst in einzelne Haufen, so werden die Zerstreuten vom Feind aufgerieben, sie sind verloren. Wenn in einer Familie ohne festen inneren Zusammenhalt jeder seinen eigenen Weg geht, so werden die einzelnen Glieder für einander absterben, die Liebe in ihnen erkaltet.
So sind die Kinder Gottes, von denen wir hier reden, zerstreut. Sie haben alle ein Recht auf die Wahrheit, die sie selig macht, auf eine Liebe, an die sie sich halten können, auf eine Erlösung von Schuld und Sünde so gut wie wir. Und wenn sie ins dunkle Grab sehen, haben sie ein Recht auf Erlösung vom Tod, so gut wie wir. Und doch finden sie das alles nicht, und je mehr sie sich mühen mit ihrem Aberglauben, mit ihren Zaubermitteln, die Erlösung zu finden, um so dichter Legen sich die Schatten der Schuld und des Todes um ihre Seelen, und die Macht des Heidentums, das böse Erbe grausamer Sitten, das ihnen die Väter hinterlassen, lastet auf ihnen, wie der Stein auf dem Keim. Sie sind zerstreut, getrennt, losgerissen von dem Gott des Lebens. Sie haben keinen Hort, an den sie sich halten, keinen Quell, aus dem sie trinken, keinen Arzt, der sie heilt, keinen Retter, der ihnen Erlösung bringt. Sie sind Kinder Gottes und müssen doch verschmachten.
Deshalb brauchen die zerstreuten Kinder Gottes einen Sammelpunkt. Wo ist derselbe? Jesus sollte sterben, damit er die zerstreuten Kinder Gottes zusammenbrächte. Wunderbar! Ein gekreuzigter, ein toter Mann soll die Zerstreuten zusammenbringen? Ein toter Mann! Hier hört ihr ja kein Wort mehr, dass die Herzen bezwingen könnte; sein Mund ist geschlossen; „die Farbe deiner Wangen und deiner Lippen Rot ist hin und ganz vergangen in deiner Todesnot“. Hier seht ihr keine großen Taten, welche die Menschen mit sich fortreißen, hier seht ihr kein Banner, das den Zerstreuten winkt, hier hört ihr kein Feldgeschrei, das sie sammelt. Nichts findet ihr, als einen toten Mann, einen machtlosen Dulder, der wehrlos hingegeben ist in die Hand seiner Feinde, Hände und Füße ans Kreuz geheftet, wie Paulus sagt „gekreuzigt in Schwachheit“. Dieser tote Mann, dieses bleiche Angesicht soll die Zerstreuten sammeln?
Ja, von diesem stillen Mann geht die gewaltigste Predigt aus, eine Predigt, welche die Welt durchdringt, nicht aufgehalten durch die Berge, die in die Wolken ragen, nicht übertönt durch das Brausen des Weltmeeres, noch durch den Lärm der kämpfenden Völker. Dieser tote Mann ist selbst die lebendigste Predigt. Denn jeder Mensch predigt, wenn er stirbt. Im Sterben wird der Inhalt des Lebens offenbar, entweder die Fülle des Herzens, oder die Leere des Herzens. Wie in der Frucht sich das innerste Leben der Pflanze offenbart, so im Tode das Leben. So sollte Jesus sterben, damit in seinem Tode der ganze Inhalt seines Lebens offenbar würde. Das ist nun einmal so eingerichtet: das heiligste Mittel, worin sich das höchste Leben, die Liebe, offenbaren kann, ist der Tod. Was Jesus den Menschen offenbaren wollte, das konnte er ihnen offenbaren nur im Tod. Diese sterbende Liebe weist uns hinauf zu Gott, aus dem sie stammt. Hier in dem sterbenden Christus schauen wir die Gottesliebe, die sich selbst ausgießen will über die Menschenwelt, welche die lichte Ewigkeit verlässt, um in den Herzen sterblicher Menschen zu wohnen, um uns zu halten und zu tragen und zu erretten, um uns durch Sturm und Not emporzuziehen aus lauter Güte. Ebenso zeigt uns der Tod Jesu die wahre Menschenliebe. Der Gekreuzigte ruft uns zu: Nur dann seid ihr meiner wert, wenn ihr euch für einander hingebt, so wie ich es getan habe für euch. Im Tode Jesu wird uns das tiefste Wesen Gottes offenbar, aber ebenso auch das wahre Wesen der Menschen. Und diese Offenbarung ist es, was alle Menschen brauchen, und was die tiefste Sehnsucht ihrer Seele stillt. Deshalb ist das Kreuz Jesu der Sammelpunkt der Kinder Gottes.
Hierher zieht es die, welche nach der Wahrheit suchen, denn hier finden sie die Wahrheit, die nicht nur den Verstand erleuchtet, sondern auch das Herz selig macht. Hier finden die Menschen eine Liebe, die niemals von ihnen lassen will in Not und Tod. Die Leidtragenden wandern hierher und legen hier ihre Last nieder; denn der am Kreuze macht alle Last leicht und jedes Joch sanft. Hierher zieht es die schuldbeladenen Sünder; denn hier vernehmen sie die tröstende Stimme: Sei getrost; deine Sünden sind dir vergeben“. Hierher kommen, die vom Stachel des Todes verwundet sind; denn hier vernehmen sie den Triumphgesang: Tod, wo ist dein Stachel; Hölle, wo ist dein Sieg? Hierher kommen die großen Seelen, denen nichts genügt, was die Erde sonst darbietet; hier finden sie den, den sie allein anerkennen können als ihren Herrn und Meister. Hier ist das tiefste Geheimnis Gottes und das tiefste Geheimnis des Menschenlebens in einem enthüllt. Hier ist die Freistätte aller Verfolgten, die Heimat aller Gotteskinder, die Ruhestatt aller müden Wanderer. Und wie die Bäche alle zum Meere fließen, so findet alles Suchen in der weiten Menschenwelt hier sein legtes Ziel und seine Ruhe. Das Kreuz ist der Sammelpunkt aller zerstreuten Gotteskinder.
Das Kreuz hat einst die ersten Christengemeinden gesammelt. Es zog die Menschen weg von der Pracht des heidnischen Altertums und aus den Lastern der alten Welt, und weckte in ihnen einen neuen Glauben und ein neues Leben. Das Kreuz hat die Gemeinde der Reformation gesammelt. Nachdem im Mittelalter der Sinn des Kreuzes verdunkelt worden war, haben die Reformatoren von neuem seinen tiefen Sinn erkannt, und alsbald sammelten sich wieder um das Kreuz die Gotteskinder. Es ist der Mittelpunkt auch unseres Gemeindelebens. Wenn die Welt uns trennt, hier fühlen wir uns eins; hier ergreifen wir zusammen die Versöhnung mit Gott, und reichen einander die Hand, um vereint zu wandern nach dem einen Ziel. Um das Kreuz sammelt sich die heidenchristliche Gemeinde im afrikanischen Negerdorf, wie in der großen Stadt Japans oder Chinas. So sehen wir, wie die Kinder Gottes kommen vom Aufgang und Niedergang, aus alter und neuer Zeit, angezogen von diesem Zeichen des ewigen göttlichen Erbarmens. Das Kreuz ist der Sammelpunkt der zerstreuten Gotteskinder.
Wir sehen, wie es die Zerstreuten hinzieht zu Christi Kreuz; wir hören, dass Christus deshalb gestorben ist, damit er die zerstreuten Kinder Gottes zusammenbrächte. So wollen wir denn mithelfen, dass Christus und die Zerstreuten zusammenkommen.
Wir müssen es tun. Glauben wir wirklich, dass Christus das Heil der Welt ist, so müssen wir es tun. Freuen wir uns, dass wir das Licht haben, so müssen wir es denen bringen, die sich danach sehnen. Ist es Gottes Rat, dass Jesus die Zerstreuten sammelt und die Verschmachteten erquickt und die Verlorenen rettet, so wollen wir uns selbst dadurch ehren, dass wir uns in den Dienst dieses Gottesrates stellen. Wo lebendiger Christenglaube ist, da muss auch Missionssinn sein. Und wenn uns an der Missionstätigkeit, wie sie hier und da getrieben wird, manches nicht gefällt, so müssen wir in unserer Weise Mission treiben. Sagt man uns: Die Not bei uns ist so groß, wir haben hier alle Hände voll zu tun, so antworten wir: ein Christenherz ist weit genug, dass neben den Nahen auch die Fernen darin wohnen. Sagt man uns: wir wollen erst unser Volk zu einem wahrhaft christlichen machen und dann das Christentum zu fernen Völkern tragen, so antworten wir: wollen wir warten, bis die Aufgabe des Christentums an unserem Volke ganz gelöst ist, dann können wir warten bis zum jüngsten Tag, und Jesu Wort: „Geht hin in alle Welt“ wäre umsonst gesprochen. Sagt man uns: euer Geld und eure Mühe ist umsonst weggegeben, ihr erreicht nichts, so antworten wir: die Arbeit für eine große Sache ist nie umsonst; nach dem Winter, und ob er auch noch so lange währt, kommt der Frühling, und auch die Wüste wird grünen, wenn der Regen des Herrn herniederströmt. Unsere Mission in Japan hat jetzt einen schweren Stand; die Liebe jenes Volkes zu allem Europäischen und auch zum Christentum, die noch vor wenig Jahren große Hoffnungen weckte, muss jetzt vielfach einer Feindschaft gegen alles ausländische Platz machen. Menschen, die dort gewonnen waren, sind wieder abgefallen; eroberte Punkte sind wieder verloren gegangen. Aber wir sagen: Schmach über den, der nur dem siegreichen Feldherrn folgt zu leichtem Siege, und nicht bei ihm ausharrt auch in schwerer Zeit. Wir müssen es tun.
Wir müssen es tun, wir, die christlichen Gemeinden. Oder wollt ihr vielleicht sagen: Die vorwärtsdringende christliche Kultur ist die beste Mission? Der europäische Kaufmann, der unter heidnischen Völkern seine Handelsstationen gründet, der europäische Ingenieur, der dort Straßen anlegt und Eisenbahnen baut, das sind die rechten Missionare? Ja, das wäre wohl gut, wenn nur die europäischen Christen dort draußen alle wirkliche Christen wären und durch Wort und Tat das Christentum bewährten. Aber sie bringen so oft alles andere, nur nicht das Christentum unter die Heiden, Pulver und Blei und giftige Genussmittel unserer Zivilisation, oder sie bringen die neueste Weisheit Europas, dass es keinen Gott und keinen Geist gibt, dass die Welt wert ist unterzugehen. Diese Zivilisation ist ein Gifthauch, noch viel schlimmer als der heiße Wind der Wüste, ein Gifthauch, vor welchem jene Völker dahinwelken. Wie? Soll die europäische Christenheit wirklich ruhig zusehen, wie den heidnischen Völkern diejenigen Gaben unserer Kultur gebracht werden, an denen sie zu Grunde gehen müssen, die Kräfte dagegen, durch welche ihre Wunden geheilt, durch welche sie erlöst werden können, die Kräfte des Christentums wollen wir selbstsüchtig für uns behalten? Lange genug sind die Christen die Feinde der Heiden gewesen, die ihnen Krieg gebracht haben; sollen sie nicht endlich einmal ihre Freunde werden, die ihnen den Frieden bringen?
Und so gehört es auch mit zu der christlichen Heidenmission, dass vor allem auch unsere Landsleute dort draußen zu Gemeinden gesammelt werden. So haben die Boten unseres Vereins die Deutschen in Tokio und Yokohama in Japan, sowie in Shanghai in China zu Gemeinden gesammelt. Diese Gemeinden sollen Städte sein, zu denen die Heiden ihre Augen erheben sollen, um zu erkennen, wie hell das Licht Christi leuchtet. Diese Gemeinden sollen Prediger werden, welche durch Wort und Tat zeigen, was Christentum ist. Wir haben heute einen Freund1) unter uns, der in wenig Wochen hinausziehen will zu einer solchen Gemeinde. Es ist eine herrliche Aufgabe, die er übernimmt, unseren zerstreuten Landsleuten im fernen Osten als Gruß aus der Heimat das Beste zu bringen, was wir haben. Er will auch mithelfen, dass die zerstreuten Gotteskinder versammelt werden um das Kreuz Christi. Wenn ihn dort in dem weiten chinesischen Reiche deutsche Laute begrüßen, so möge er der Freunde in der Heimat gedenken, deren Gebete und Hoffnungen mit ihm sind. Wenn er unseren Landsleuten das Evangelium predigen wird, so möge er daran denken, dass wie der Regenbogen sich über Länder und Meere spannt, es eine Gemeinschaft zwischen Menschen gibt, die von keiner räumlichen Trennung berührt wird. Wenn er Schwierigkeiten findet, so möge er aufblicken zu dem Gott, der über China ebenso waltet wie über Deutschland. Wenn er mit seiner Gemeinde das Abendmahl feiert, so möge er seiner Gemeinde predigen von der großen Gemeinde der Gotteskinder, die über die weite Erde zerstreut sich doch alle zusammenfinden unter dem Kreuz. Und wenn er einen Verstorbenen zur letzten Ruhe geleitet, so möge er die Leidtragenden damit trösten, dass der Weg zum himmlischen Vaterland von China aus nicht weiter ist als von hier. Gott segne seinen Ausgang und Eingang und alle seine Wege.
Wir können die Verbreitung des Christentums auf Erden nicht dem Zufall überlassen; sondern es muss planmäßig das Wort Jesu hinausgetragen werden. In diesem Wort zieht Jesus selbst hinaus. In seinem Wort schlägt sein Herz. Durch sein Wort wirkt sein Geist. Dies Wort ist das Schwert des Weltüberwinders. „Sie sollen seine Stimme hören“. Gott segne unsere Sendboten in der Heidenwelt. Hoch türmen sich die Schwierigkeiten vor ihnen auf. Aber je größer diese sind, um so größer ist die Ehre, und um so höher steigt der Mut: „Es muss uns doch gelingen“. Noch vor sieben Jahren sahen wir über Japan das Morgenrot eines neuen Tages. Dieses Morgenrot hat einen stürmischen Tag bedeutet. Jetzt ist er gekommen. Aber stürmische Tage sind Vorboten des Frühlings.
Das Wort Jesu soll hinausgetragen werden; aber auch nur sein Wort, nichts anderes. Das Christentum hat sich in Europa unter dem Einfluss bestimmter geistiger Strömungen in gewissen Glaubensformen ausgeprägt, in gewissen Formen des kirchlichen Lebens. Nicht diese wollen wir hinaustragen, sondern das Wort Jesu. Die Heiden sollen nicht die Stimme der abendländischen Christenheit hören, sondern die Stimme Jesu. Sie mögen dann das Wort Jesu in ihrer Weise auffassen, mit ihren geistigen Mitteln verarbeiten, in ihre Vorstellungsformen kleiden, in ihren Sprachformen ausdrücken. Und so werden sich bei ihnen wohl andere Formen ausbilden, als die bei uns, wie die Fichte im märkischen Sand eine andere Gestalt annimmt, als in den Wäldern Japans. So kann sich dort vielleicht ein japanisches oder ein chinesisches Christentum ausbilden, so wie sich bei uns ein deutsches Christentum ausgebildet hat. Nur darauf kommt es an, dass durch das Wort Jesu die zerstreuten Gotteskinder um sein Kreuz versammelt werden.
Jesus hat zu seinen Jüngern gesagt: „Geht hin in alle Welt“. Lasst uns zu unseren Gedanken sagen: Geht hin in alle Welt, zu schauen die Not, die noch auf der Menschenwelt liegt, aber auch zu schauen den Menschensohn, den Bringer des Lichtes, der dort durch die Finsternis wandelt, seinen Arbeitern und Kämpfern zur Seite zu gehen, und ihnen zu sagen, dass die Gemeinde der Heimat mit ihnen ist. Wir wollen mitarbeiten, das Kreuz Jesu zu erhöhen, dass es sichtbar wird bis an die Enden der Erde, der Sammelpunkt aller Gotteskinder. Amen.