Inhaltsverzeichnis

Kern, Robert - Predigt am Fest der Himmelfahrt Christi

Von

Dekan Dr. Kern in Sulz.

Ev. Mark. 16, 14-20. (I. Jahrgang.)

Zuletzt, da die Elf zu Tische saßen, offenbarte er sich und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten auferstanden. Und sprach zu ihnen: Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden. Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte, ward er aufgehoben gen Himmel und sitzt zur rechten Hand Gottes. Sie aber gingen aus und predigten an allen Orten, und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.

In dem Herrn Jesu Christo geliebte Mitchristen! Es ist das Königsfest, das Königskrönungsfest unseres Herrn Jesu Christi, des verklärten Gottessohnes, das wir heute mit festlicher Freude begehen. Denn mit jener Auffahrt des Heilands zu den himmlischen Höhen, von welcher dieser Festtag seinen Namen hat, ist er in den wirklichen und unumschränkten Besitz der königlichen Herrschaft eingetreten, in welcher er fortan über alles regiert, was im Himmel und auf Erden ist. Als triumphierender Sieger über die zerbrochene Macht des Todes und der Finsternis ward er von den himmlischen Scharen mit Jubelklängen begrüßt, die aller Himmel Himmel erfüllten; das ganze Reich der Ewigkeit feierte ein hochheiliges Freuden fest, weil der Sohn, der eingeborne Sohn des Ewigen, der den Himmel verlassen hatte, um die Welt zu erlösen, nun nach vollbrachtem Kampf und Sieg als verklärter Welterlöser wiederkam und seine Stelle im Mittelpunkt des ewig Allerheiligsten wieder einnahm. Wie sollte denn dieser Tag nicht auch bei uns auf Erden als ein hohes Freudenfest gefeiert werden? Ist es nicht der höchsten Freude wert, zu wissen, dass von nun an unser Heiland droben im Himmel über alles regiert, dass wir droben auf dem Stuhl der Allmacht einen solchen Regenten haben, der ein Mensch war wie wir und sich nicht schämt, uns arme Erdenmenschen seine Brüder zu heißen, der nicht in unnahbarer Majestät über unser armes Geschlecht ewig erhaben sein, sondern unsersgleichen sein, uns als seinesgleichen ansehen und als seinesgleichen auf immer zu sich ziehen will. Ja, ein freudvoller Tag, aber doch zugleich ein sehr ernster Tag, und zwar eben deshalb, weil unser göttlicher Herr und König uns als seinesgleichen sehen und zu sich ziehen will. So groß die Freude ist, so ernst ist auch die Forderung, die sich unabtrennbar daran knüpft. Zum hohen Himmelsheiligtum ward unser Heiland Jesus Christ an diesem Tag erhöht, zum hohen Himmelsheiligtum weist uns dieses Tages Botschaft mit freudig ernstem Fingerzeig. Mir nach! ruft der uns zu, der droben ist, mir nach aus Erdendunkel und Erdenstaub hinauf zum heiligen hocherhabenen Ziel! Vernehmlich genug spricht diese Mahnung aus den Worten, die der Herr zuletzt noch an die Seinen richtete: nicht zu gemächlicher Ruhe und genießender Fröhlichkeit ladet er sie ein, sondern er mahnt sie zu ernster Arbeit und ausdauernder Treue im Glauben, im Dienen, im Kämpfen und Vorwärtsstreben auf der Himmelsbahn; doch als Lohn dieser Treue soll ihnen stets die Freude winken, die seine Himmelfahrt auch ihnen verheißt.

So lasst auch uns zu dieser Stunde aufs Neue wohl bedenken die ernste Mahnung, die die Himmelfahrtsbotschaft in sich schließt: dass wir unserem Herrn zum Himmel folgen sollen

I. in tiefer Demut,
II. in fleißiger Dienstesarbeit, aber auch
III. mit freudigem Aufblick zu seinem Thron.

Herr, unser Heiland, himmlischer König, unsre Herzen richten sich zu dir empor und suchen dein verklärtes Angesicht; neige dich zu uns mit deines Angesichtes Klarheit, mit deines Herzens heiliger Liebe, und hilf uns voran und zieh uns empor, dass wir den Lauf vollenden und die Krone erlangen bei dir! Amen.

I.

Geliebt, meine Freunde, hat der Heiland seine Jünger von Anfang bis ans Ende, gelobt hat er sie nur selten, wohl aber manchmal gescholten und oftmals getadelt, und warum so? Das ist leicht zu sagen: weil sie schwache, sünd- und fehlerhafte Menschen waren wie wir, Menschen die nicht von sich selber, sondern nur durch Gottes Gnade etwas Gutes tun, reden und denken konnten. Darum kann es uns denn auch gar nicht wundern, wenn wir heute hören, dass der Herr noch zuletzt, da er im Begriff war, von dieser Erde zu scheiden und zum Himmelsthron emporzusteigen, nicht umhin konnte, sie noch einmal zu schelten wegen des Unglaubens, den sie der Botschaft von seiner Auferstehung entgegengesetzt hatten. Es kann und darf uns nicht wundern, noch weniger aber darf es uns verleiten, dass auch wir unsrerseits in dieses Tadeln und Schelten einstimmen, als ob wir das Recht hätten, etwas Nachteiliges über die Apostel des Herrn zu sagen. Nein, das wollen wir weislich und mit gutem Grunde Gott und dem Heiland allein überlassen, denn alle Fehler, die wir an ihnen sehen, sind nur unsre eigenen Fehler und sind nur dazu so unverhohlen in der Bibel berichtet, dass wir dadurch immer wieder zur Erkenntnis unsrer eigenen Fehler und in solcher Erkenntnis zu tief demütiger Beugung sollen getrieben werden. Was dürfen wir von Unglauben gegenüber der Auferstehungsbotschaft sagen, wir die wir solchen Unglauben in Worten und Werken alltäglich beweisen. Denn an die Auferstehung Christi glauben heißt, sich des auferstandenen Heilands freuen und im Lichte seines großen Sieges über alle Macht des Todes und der Todeswerke freudig, dankbar, trostes- und hoffnungsvoll wandeln. Statt dessen tun wir, als ob diese ganze Auferstehung Christi nicht mehr als eine schöne alte Geschichte wäre, die man am Ostertag einmal im Jahr zur erbaulichen Betrachtung hervorziehen, sonst aber wie andre alte Wunder- und Kindergeschichten ruhig auf der Seite liegen lassen mag. Und daraus folgt, dass wir die rechte Christenfreudigkeit immer wieder verlieren oder niemals recht finden, dass wir mit unseren Gedanken, mit unseren Lebensansichten und vornehmlich mit unseren Sorgen immer wieder ins Gebiet des Todes und der Vergänglichkeit hinabsinken, immer wieder die zeitlichen Dinge und vergänglichen Zustände als Maßstab unsres Glücks und Heils ansehen, dass wir deshalb trübselige, unzufriedene, mürrische und kleinmütige Leute sind, die immer nur über die Schlechtigkeit der Zeiten und über die Elendigkeit des Jammertals zu klagen wissen, die bei jedem trüben Regentag wieder zu seufzen und zu klagen anfangen, statt dass wir täglich und stündlich in unseren Herzen sprechen sollten: Jesus lebt ja, Jesus hat ja das ganze Reich des Elends überwunden, Jesus bürgt uns ja mit seiner Auferstehung dafür, dass all unser Leid immer wieder in Freude verwandelt werden soll, Jesus ist ja die wahrhaftige Sonne des Lebens, die auch am trübsten Tag alle Schatten und Dunkelheiten verscheuchen, zerstreuen und in helles Licht verwandeln kann und will! Ja, so sollten wir täglich und stündlich denken, und weil wir nicht so denken, sind wir ungläubige Leute, die der Herr alle Tage schelten sollte, und darum, wenn wir heute davon reden, dass wir ihm als seine Anhänger auf der Bahn, die zum Himmel führt, nachfolgen sollen und wollen, so sollen und wollen wir eben zum Ersten uns heute aufs Neue schämen und demütigen und sagen: Ja, wir sind schlechte Himmelswanderer, schlechte Himmelsleiternsteiger. Wer auf einer Leiter zu einem hohen Felsen hinaufsteigen soll und alle Augenblicke hinter sich hinabsieht, den kann man nicht brauchen, er verliert gar bald den Mut und fällt sechsmal hinab, eh' er einmal hinaufkommt. Und so könnten wir nie zum hohen himmlischen Ziel hinaufkommen, wenn nicht ja wenn nicht die Gnade des, der droben ist, uns helfen und uns ziehen und in unsrer Schwachheit sich mächtig erzeigen würde. Aber eben darum muss es immer zuerst wieder heißen: „Hinab, mein Geist, hinab in die Tiefen der Demut, und dann aus tiefer Demut zu ihm hinaufgeschaut und zu ihm hinaufgerufen, der allein der rechte Mann ist, der in den Himmel steigen und den Himmel öffnen und uns armen Leuten aus Gnaden hinaufhelfen kann!“

II.

Durch seine Gnade wird denn auch aus solch tief demütigem Hinaufschauen bald ein hochaufsteigendes, herzlich frohes Vertrauen werden und wir werden's lernen, seine helfende Gnadenhand mit gläubigem Herzen zu ergreifen. Dann aber müssen wir auch mit dem Beistand seiner Gnade ihm dienen und etwas zu seiner Ehre schaffen und leisten. So schwach die Jünger dazumal noch waren und so sehr der Herr sie noch schelten musste, so sagt er doch keineswegs zu ihnen: Ich kann euch nicht zum Dienst und Kampf in meinem Reiche brauchen, ihr seid zu schwach dazu, nein, schwach oder nicht, ihr sollt hinaus an die Arbeit, sollt predigen und Zeugnis geben und kämpfen wider Satans Reich und seine Scharen, ich sag' es und darum tut ihr's! Und die Jünger taten es, weil der Herr es gesagt, und sahen nicht weiter ihre Schwachheit an, sie fingen eben in Gottes und Jesu Namen an zu predigen, und siehe, es ging und ging immer besser, sie wussten selber nicht wie es zuging, und je besser es damit ging, desto fester und völliger wurde auch der zuvor noch so schwache Glaube in ihrem Herzen, denn nichts stärkt den Glauben so, als wenn man im Namen Jesu und für sein Reich redlich arbeitet und seine Kräfte willig dazu darstreckt. Darum ist es auch allerdings ein großer Segen, im Dienste des Heilands arbeiten und zu seines Reiches Ausbreitung und Sieg dienend mitwirken zu dürfen. Dadurch wird die zuvor leine Kraft des Herzens allmählig immer größer, und mit der Kraft wächst der Mut und die Freudigkeit. Das müssen wir wissen, die wir als der Apostel geringe Nachfolger daran mitarbeiten dürfen, dass das Reich Gottes komme: wir arbeiten und predigen uns unvermerkt immer besser in den Glauben und in des Glaubens Kraft hinein, je mehr wir eben an diesem Werke arbeiten dürfen und willig dazu sind. Und so geht es wohl in noch stärkerem Maße denen, die draußen unter den Heiden das Evangelium predigen aller Kreatur und als Menschenfischer an dem großen Netze ziehen, das ins Völkermeer hineingeworfen ist, um die Seelen für den Heiland zu fangen; sie werden immer kräftiger, mutiger und freudiger im Fortschritt auf der heiligen Bahn, je mehr sie darin arbeiten. Aber auch euch allen, meine Lieben, soll ein Anteil an dieser Arbeit und am Segen derselben beschieden sein: Ihr alle sollt in eurem Teil mitpredigen und missionieren und Seelen für den Heiland gewinnen helfen, trotz aller eurer Schwachheit, und sollte eben dadurch immer besser in die rechte Kraft des wahren und lebendigen Glaubens hinein und auf dem Weg zum Himmel vorwärtskommen. Denn Keines ist zu gering und zu schwach, um an den Aufgaben dieses Berufes mit anzugreifen: Kinder können oft ihre Eltern für den Heiland gewinnen helfen mit ihrem kindlich frommen Wesen; eine arme Witwe, die selber viel zu klagen und zu tragen hat, kann dennoch einer betrübten Leidensschwester zu neuem Glauben helfen, wenn sie ihr in Gottes und Christi Namen mit Wort und Werk Handreichung tut nach dem Maß ihres Glaubens in aller Geduld und Sanftmut. Ein redlich frommer Bauersmann hat manchmal schon einem gelehrten Zweifler zur Stärkung und Erneuerung des Glaubens geholfen; manche fromme Magd hat schon ihrer Herrschaft und manches treue Eheweib hat schon ihrem Mann zur Bekehrung geholfen, freilich nicht sowohl mit frommen Reden, als vielmehr durch ihr ganzes Wesen, Tun und Leiden, oder, wie Petrus sagt, durch ihren „keuschen Wandel in der Furcht,“ denn eines Weibes liebliche Rede ist feines Silber, aber ihr geduldiges Schweigen und stilles Beten bei reinem, fleckenlosem Wandel ist köstliches Gold.

III.

Bei alledem aber, meine Lieben, nur ja keine trübe Kopfhängerei! nur ja kein gewohnheitsmäßiges Seufzen und Klagen! Wo man sich das angewöhnt, da wird nichts Rechtes in Jesu Namen geschafft, und wo man in Jesu Namen redlich das Seine tut, da hat man nicht viel Zeit zum Seufzen und Klagen. Man hat aber auch keinen Grund dazu, man hat es gar nicht nötig, denn der Geist von oben verklärt je mehr und mehr den erhöhten Heiland im Herzen und ruft ihm zu: Richte dich auf und schau empor! dein Heiland ist ja dort oben zur Rechten Gottes und sein Angesicht leuchtet hell wie die Sonne auch über dir! Einfach und gelassen, mit jener Ruhe, die ihrer Sache vollkommen gewiss ist, spricht unser Evangelist das große Wort aus: „Und der Herr ward aufgehoben gen Himmel und sitzt zur rechten Hand Gottes.“ Wohl uns, dass wir solches wissen, wohl uns des guten Herren! Er sitzt im Regimente und führt alles wohl; er führt und lenkt alles von seiner heiligen Höhe herab mit alles überschauendem Herrscherblick, mit alles besiegender Herrschermacht und mit alles übersteigender überschwänglicher Liebe. Er lenkt den Lauf der Dinge auf Erden im Großen und Ganzen nach seinem Rat trotz allem Trotzen und Stürmen seiner Feinde und weiß, dass sie alle noch einst zum Schemel seiner Füße liegen werden; er lenkt aber auch nicht minder an feinen und zarten Liebesfäden das Geschick der Seinen im Einzelnen und Kleinen, auch dein und mein Geschick, so gering es in den Augen der Welt erscheinen mag, seiner Liebe ist nichts zu gering, was die Seelen angeht, die ihm angehören. Wie unser Glaube an unsichtbarem feinem Band zu ihm und seinem Thron sich hinaufrankt, so leitet sich sein liebendes Wirken und Walten an unsichtbaren Fäden mit leisen und linden Strömungen allzeit zu uns hernieder und strömt uns immer wieder vor den Blicken der Welt verborgene Himmelskräfte, ja Wunderkräfte zu. Dürfen wir auch keine Wunder und Zeichen in äußeren Dingen tun, auf dass wir uns nicht überheben, so begleitet und bekräftigt er doch sein Werk auch bei uns noch immer durch mitfolgende himmlische Zeichen, und wer nur sein Herz und seines Geistes Auge stets zum Throne des Herrn emporgerichtet hält, dem bezeugt's der Herr gar oft und immer wieder durch mancherlei Zeichen und Winke wie durch heilige himmlische Pfänder, dass er droben zur Rechten des Vaters voll Liebe seiner gedenkt. Ja, er bezeugt durch seines Geistes heilige Pfänder ins gläubig emporgerichtete und aufgeschlossene Herz hinein, dass er, im höchsten Himmelsheiligtum und im Zentrum aller Dinge wohnend und thronend, durch die unzerreißbaren Fäden seiner Liebe auch uns mit dem Zentrum aller Dinge, mit dem Allerheiligsten der ewigen Gottheit verbunden hält und uns einst nach vollbrachtem Lauf zu sich ins Allerheiligste hinauf und hineinziehen wird. Und so lasst uns denn heute und von nun an immerdar in tiefer Demut zwar, aber auch in herzinniger Freudigkeit zu ihm aufschauen, unseren himmlischen König lobpreisend anbeten und mit völligem Glauben und Vertrauen zu ihm hinaufrufen: Komm und sei uns nah mit deines Reiches Gnade, solange wir hienieden wallen, und führ uns endlich empor zu deines Reiches Herrlichkeit in des Himmels allerheiligste Hallen! Amen.