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Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Septuagesimä.

Text: 1 Kor. 9,24-27.
Wisst ihr nicht, dass die, so in den Schranken laufen, die laufen Alle, aber Einer erlangt das Kleinod? Lauft nun also, dass ihr es ergreift. Ein Jeglicher aber, der da kämpft, enthält sich alles Dinges; jene also, dass sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. Ich laufe aber also, nicht als aufs Ungewisse; ich fechte also, nicht als der in die Luft streicht; sondern ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den Anderen predige und selbst verwerflich werde.

Im heutigen Evangelium zeigt der HErr durch das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, dass Er den Gnadenlohn für die Arbeit in seinem Reich ganz nach Seinem Wohlgefallen austeilt, ohne dass von Seite des Menschen irgend ein Rechtsanspruch erhoben werden könne. Daraus, dass die, die nur Eine Stunde gearbeitet haben, den gleichen Lohn empfingen, wie die, welche den ganzen Tag gearbeitet hatten, daraus zieht die Trägheit des Fleisches gerne den Schluss, es komme nicht viel darauf an, ob man früh oder spät sich bekehre, und ob man in der Nachfolge Christi viel oder wenig leiste. Dass das Gleichnis diesen verkehrten Sinn nicht hat, und dass man überhaupt die Lehre von der freien Gnade nicht auf Mutwillen ziehen und die Rechtfertigung nicht zur Verdunklung der Lehre von der Heiligung missverstehen darf, davon gibt unsere Epistel, wie so viele andere Stellen, ein kräftiges Zeugnis. Paulus hält da als Ziel, nach dem wir streben sollen, eine unvergängliche Krone vor, d. h. nicht bloß die allgemeine Seligkeit, sondern besondere Freuden- und Ehrenvorzüge in der Herrlichkeit, auf den höheren Stufen der Seligkeit. Die Krone ist der Schmuck der Könige und bezeichnet im Himmel den über alle Beschreibung herrlichen Stand derer, die JEsus zu Königen und Priestern macht vor GOtt und seinem Vater. Das ist die höchste Klasse derer, die als Überwinder der göttlichen Natur und so der vollen Herrlichkeit der Söhne GOttes teilhaftig werden. Nach dieser höchsten Stufe zu trachten, ermahnt uns der Apostel. Im Zusammenhang unseres Textes zeigt er, wie er, um so ein völliger Nachfolger JEsu zu werden, Vieles tue, was er nicht tun müsste, und Vieles unterlasse, was er tun dürfte, wie er also seiner Freiheit sich begebe und völlige Verleugnung sich auferlege. So sollen auch die Korinther erlaubte Genüsse sich gern versagen, z. B. Götzenopferfleisch-Essen, wodurch Brüder geärgert werden konnten, sie sollen überhaupt vor Allem, was zum Götzendienst der Welt gehöre, sich aufs Ernstlichste hüten, und daher dessen, was ihnen innerlich Schaden bringen könnte, sich enthalten. Müssen ja die Kämpfer in den korinthischen Wettspielen um einer vergänglichen Krone willen sich Vieles versagen, wie viel mehr sollten Christen es tun im Blick auf die unvergängliche Krone, deren Herrlichkeit uns jede Verleugnung leicht machen sollte! Diese Verleugnung und dieses alles Irdische überwindende Trachten nach der himmlischen Krone stellt Paulus in unserem Text als einen Kampf dar, in dem wir durch Anstrengung aller Kräfte den Siegespreis zu erlangen suchen sollen. Der näheren Betrachtung dieser Ermahnung wollen wir den Gedanken zu Grunde legen,

Dass wir es beim Ringen nach der Krone

  1. ja nicht zu leicht nehmen dürfen,
  2. aber auch nicht zu schwer.

JEsu, hilf siegen und lass mir's gelingen,
Dass ich das Zeichen des Sieges erlang',
So will ich ewig Dir Lob und Dank singen,
JEsu, mein Heiland, mit frohem Gesang:
Wie wird dein Name da werden gepriesen,
Wo Du, o Held, Dich so mächtig erwiesen!

Amen.

I. Beim Ringen nach der himmlischen Krone dürfen wir es ja nicht zu leicht nehmen.

Denn nach unserem Text erlangen nicht Alle, die auf dem Wege JEsu sind, die Krone, sondern nur die, die mit ernstlichem Verleugnungssinn recht kämpfen, und wer nicht recht kämpft, dem kann es gehen, wie den Israeliten, die nicht einmal Kanaan erreichten.

„Wisst ihr nicht, dass die, die in den Schranken sind, die laufen Alle, aber Einer nur erlangt das Kleinod.“ Der Apostel vergleicht hier den Christen mit den Wettkämpfern, die bei den öffentlichen Spielen in Korinth sich um den Ehrenpreis bewarben. Unter den Aufgaben, welche da die Kämpfer lösen mussten, war besonders die, dass sie eine 625 Fuß lange Rennbahn mit der größten Schnelligkeit durchlaufen mussten, und wer bei diesem Wettlauf in den Schranken der Bahn zuerst am Ziel war, der erhielt den Siegerpreis. Bei diesem Schnelllaufen nun ging Manchem der Atem aus, Mancher fiel, Manchen hielten Brustschmerzen zurück, und oft hielt nur Einer in der Kraft so aus, dass er das Ziel erreichte. So ist nun auch der Lauf in den Schranken des irdischen Lebens ein langer Lauf, und gar Vieles kann uns hindern und aufhalten, dass wir das Ziel nicht erreichen. Zwar ist da nicht bloß Ein Sieger, es wird Vielen die Krone zu Teil werden: aber bei der großen Anzahl von Läufern sind es doch nur Wenige, die das Kleinod erlangen. Daher JEsus Luk. 13. sagt: „Viele werden trachten, durch die enge Pforte einzugehen, und werden es nicht tun können.“ Und Paulus sagt (2 Tim. 2,5.): „So Jemand auch kämpft, so wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht.“ Vielen geht es, wie die Griechen von einer weitberühmten Jungfrau, Atalanta, erzählten. Sie war eine schöne Königstochter, und machte ihren vielen Freiern die harte Bedingung, jeder solle mit ihr einen Wettlauf bestehen, wenn er vor ihr an's Ziel komme, so wolle sie ihn heiraten, wenn aber sie ihn einhole, so werde ihr Speer ihn alsbald totstechen. Vielen tat sie es an Schnelligkeit zuvor und erstach sie; Einer aber, Hippomenes, warf ihr goldene Äpfel in den Weg, und während sie, vom Gold geblendet, sie aufhob, erreichte er das Ziel, und so war sie überwunden.

So werden tausend Christen vom Lauf nach der Krone abgelenkt, durch Fleisch und Welt geblendet und überwunden. Daher sagt unser Text: „Lauft so, dass ihr das Kleinod ergreift,“ lasst euch durch Nichts aufhalten, was euch im Weg liegt, sei es Gold oder raue Steine, Lust oder Last; über das Alles eilt hinüber, und so euch Eines vom Weg ablocken will, das lasst stehen und haltet die Krone am Ziel fest im Auge, damit Nichts euch gefangen nehme und aufhalte. Dazu gehört ein Kampf, mit dem wir es nicht leicht nehmen dürfen. Der goldenen Äpfel, die uns aufhalten, sind gar viele, und unser Fleisch ist so schwach, dass Paulus seine Natur mit den Worten beklagt: „Ich weiß, dass in mir, d. i. in meinem Fleisch wohnt nichts Gutes. Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht“ (Röm. 7.). Unsere Natur ist wie angekettet an das Sichtbare, und achtet die vergängliche Lust der Welt höher, als die unvergängliche, aber jetzt noch unsichtbare Krone des Himmels. Unsere GOtt entfremdete Seele folgt dem Zug des Leibes, der an alles Leibliche und Irdische uns anbindet, in dem von jeder Sünde gleichsam Fußstapfen zurückbleiben, Eindrücke, die zu Gewohnheiten sich verfestigen, Bedürfnisse üppiger Lust und Eitelkeit, Genusssucht und Trägheit, wodurch der Geist in seinem Lauf zum himmlischen Kleinod wie gefesselt stehen bleibt.

O wie viele Seelen haben einen schönen Anfang gemacht in der Liebe zu JEsu und im Ausgehen von der Welt: aber die Blendwerke der sinnlichen Dinge nehmen sie wieder gefangen, und des Fleisches Gedanken und Bilder nehmen wieder viel Raum ein im Herzen; der Geiz legt Fesseln an; Lüste sind wie Schlingen, in denen die Füße hängen bleiben; Menschenfurcht ist wie ein Garn, das den freien Lauf hemmt, und Weltförmigkeit der breite Weg, auf dem der Läufer staubbedeckt ermattet. Nicht nur Ein Judas hat des Geldes willen den HErrn verraten, nicht bloß Ein Petrus ihn verleugnet, und nicht Alle sind wie Petrus wieder aufgestanden, und nicht nur Ein Demas hat die Welt wieder lieb gewonnen. Deswegen verlangt Paulus, dass wir es den Kämpfern gleichtun, die „sich alles Dinges enthielten,“ nämlich alles dessen, was ihren Körper zum Schnelllauf ungeschickt machen konnte. Zehn Monate lang übten sie sich und genossen da nur die allereinfachste Nahrung, enthielten sich aller Wollust, des Weins, und beschwerender, wenn auch noch so angenehmer Speisen, und taten Alles, um einen recht gewandten Körper zu haben. Ebenso sollen wir, um einen recht gewandten Geist zu haben und dem himmlischen Ziel rasch entgegengehen zu können, uns alles dessen enthalten, was den Geist beschwert und dem Willen GOttes zuwider ist. Solches Kreuzigen des Fleisches samt seinen Lüsten und Begierden kostet einen wahren Tod. Sterben muss die Selbst- und Weltliebe mit ihren vielerlei Ansprüchen und Wünschen, sterben der Erdensinn, der nicht will, was göttlich und himmlisch, sondern was irdisch und menschlich ist. Wie notwendig das sei, sehen wir daraus, dass der HErr selbst uns zu Hilfe kommt, und was wir nicht aufgeben wollen, uns nimmt, und was wir nicht lernen wollen, durch schmerzhafte Mittel uns lehrt. Bald beugt Er unseren Hochmut durch tiefe Demütigung, bald kreuzigt Er die Fleischeslust durch Krankheit und Schmerzen, bald straft Er den Geiz durch Verlust oder Schande, bald dämpft Er die Anhänglichkeit an Menschen durch Todesfälle, oder indem Er dem Satan erlaubt, die Liebe zu stören. Unter Allem dem sollen wir lernen, uns Alles Dinges, das irgend unseren Geist gefangen nehmen könnte, zu enthalten, und auch solches uns zu versagen, das an sich erlaubt wäre, aber unseren Geist doch zu viel einnehmen oder auch Anderen zum Anstoß werden könnte.

Den Ernst dieser Verleugnung drückt der Apostel in unserem Text noch stärker mit den Worten aus: „Ich betäube meinen Leib und zähme ihn.“ Unter dem Betäuben hat er wieder ein Bild von den Kampfspielen im Sinn. Es gab da einen Faustkampf, bei dem die Hände durch lederne Riemen, die mit Blei ausgegossen waren, bewaffnet wurden; wenn nun Einer mit dieser harten Faust den Anderen ins Gesicht und unter die Augen schlug, so wurde er blutrünstig und betäubt, und Mancher fiel von Einem Streich zu Boden. Solche betäubende Schläge nun, sagt Paulus, gebe er seinem Leib, als in welchem das Fleisch vorzugsweise seinen Sitz und seine Kraft habe, da durch den Leib alle Versuchungen in uns eindringen, und was aus dem eigenen Herzen aufsteigt, in dem Leib und durch dessen Glieder seine Befriedigung sucht. Diesen Leib und das in ihm herrschende Fleisch schlage und unterdrücke er so, dass ihm das Licht gleichsam verlösche und er betäubt oder wie tot niedersinke. Und fortwährend bezähme er ihn, nach dem Griechischen, behandle ihn wie einen Sklaven, der durchaus keinen eigenen Willen habe und Nichts tun dürfe, als was der Geist, als der Herr, ihm gebiete. Nur wenn wir so den Feind, der uns allezeit nahe ist, in Unterwürfigkeit erhalten, nur dann haben auch die anderen Feinde, die uns fortwährend unsere Krone rauben wollen, keine Macht. „Wer seines Mutes und Fleisches Herr ist, der ist stärker, als der Städte gewinnt“ (Spr. 16.), er überwindet auch die Welt und den Satan. Den Kampf mit diesen Feinden dürfen wir keineswegs leicht nehmen, daher Paulus sagt: „Wir haben nicht (bloß) mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel“ (Eph. 6.). Dieser Kampf erfordert Anstrengung aller Kräfte, daher Paulus sagt: „Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde.“ Sein eigen Leben hassen, sich selbst verleugnen, JEsu Kreuz tragen, alle ungöttlichen Gedanken bekämpfen, und ringen, dass unsere Gedanken allezeit mit GOtt umgehen, und dass wir in der Liebe GOttes und des Nächsten allezeit wandeln, und aufs Himmlische, als das allein Wesentliche, uns legen, dagegen alles Irdische für Schaden achten, um Christum ganz zu gewinnen, - solches Ringen um die Krone ist nichts Leichtes. Denn der Natur geht es gar sauer ein, sich immerdar in Christi Tod zu geben und nach dem Sinn des reinen Geistes zu leben, und ist Ein Kampf wohl ausgerichtet, das macht's noch nicht.

Wer solches Ringen sich nicht angelegen sein lässt, dem kann es gehen wie den Israeliten, von denen Paulus gleich nach unserem Text sagt, „dass GOtt an ihrer Vielen kein Wohlgefallen haben konnte,“ ungeachtet Er doch Alle so wunderbar durchs Meer errettet, mit der Wolkensäule täglich geführt, mit Manna und Wasser versorgt, und unter allem diesem Leiblichen mit geistlichen Segnungen und Kräften sie reichlich gesegnet habe, da Christus nach seiner göttlichen Natur als ihr beständiger Begleiter ihr Fels, Licht und Heil war. Ungeachtet so die kräftigsten Gnadenmittel ihnen zu Teil wurden, so mussten sie doch niedergeschlagen werden in die Wüste, und von sechsmalhunderttausend Mann kamen nur zwei nach Kanaan. So sehr hatte ihr Ungehorsam und fleischlicher Sinn sie der Gnade GOttes unfähig gemacht. Ihr Beispiel predigt mit schrecklichem Ernst: „Wer sich lässt dünken, er stehe, mag wohl zusehen, dass er nicht falle!“ Selbst Paulus sagt in unserem Text: „Er hüte sich, dass er nicht Anderen predige, und selbst verwerflich werde,“ wie der Herold in den Wettkämpfen Anderen den Siegespreis ankündige und selbst keinen erlange. Nach Allem diesem dürfen wir es mit dem Kampf um die Krone ja nicht zu leicht nehmen. Doch

II. auch nicht zu schwer.

Jene Kämpfer in den korinthischen Spielen gingen mit Lust an ihre Übungen, legten gern sich alle Entbehrungen auf, wozu ja kein Mensch sie zwang, und wenn das Zeichen zum Wettlauf gegeben wurde, so war es eine Lust, ihren munteren Lauf zu sehen, daher ganz Griechenland sich versammelte, an dieser Freude Teil zu nehmen. Was machte nun diesen Leuten ihren schweren Lauf leicht? Es war die Hoffnung auf die Siegerkrone und die damit verbundene Ehre. So oft Ermattung sie niederdrücken wollte, so hob ein Blick auf den Ehrenpreis die gesunkene Kraft wieder empor. Und doch war ihre Krone, wie unser Text sagt, nur eine vergängliche, es war bloß ein Kranz von Laub, von Efeu oder Fichtenzweigen, und musste also bald verwelken. Und die Ehre vor dem Volk, - auch sie war ein flüchtiges Gut. Aber die Krone, die uns vorgehalten wird, „ist ein unvergängliches, unverwelkliches und unbeflecktes Erbe, das behalten wird im Himmel“ (1 Petr. 1,4.). Und während der verwelkliche Kranz nur Einem erreichbar war, so dass alle Anderen leer ausgingen, und, wie unser Text sagt, aufs Ungewisse liefen, so ist dagegen die himmlische Krone Allen verheißen, die nur ernstlich darnach gerungen haben. So sehen wir um den Thron GOttes die vierundzwanzig Ältesten, diese Überwinder aus allerlei Völkern, und obgleich gewiss ihr Lauf sehr verschieden war, so sah doch Johannes auf eines jeden Haupt eine goldene Krone glänzen, und allen seinen Gläubigen ruft JEsus zu: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Das hat JEsus uns erworben, da Er am Kreuz unsere Sünden getragen, unsere ganze Schuld getilgt und ewige Gerechtigkeit vor dem Vater uns errungen hat, so dass GOtt uns in Christo ansehen will als fromm und gerecht, als hätten wir nie gesündigt, wie JEsus, und als solche lieben Kinder liebt Er die Gläubigen mit unaussprechlicher Liebe, und will, „dass sie gleich sein sollen dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbige der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern“ (Röm. 8,39.).

Diese Brüder Christi haben einen doppelten Blick, der ihnen Kraft gibt, Alles zu überwinden, einen Blick rückwärts und einen Blick vorwärts. Rückwärts sehen sie vor ihrer Geburt schon, also ohne all ihr Werk und Verdienst, die große Erlösung durch das Kreuz JEsu Christi, und die Liebe, mit der Er für uns in den schrecklichsten Tod gegangen; sie treibt, Alles zu hassen, was Ihm zuwider, dagegen Alles zu lieben und zu tun, was Ihm gefällig ist. Diese Liebe Christi schon für sich allein wäre mächtig genug, uns die Welt zu entleiden und zu JEsus-ähnlichem Leben uns zu treiben. Doch wir dürfen auch vorwärts schauen auf die Belohnung, damit auch unser alter Mensch die Bekehrung als das Vernünftigste und Nützlichste ansehen muss. Als Petrus fragte: „Was wird uns dafür, dass wir Alles verleugneten?“ - da verwarf der HErr die Frage nicht, sondern verhieß, dass sie im Himmel auf Thronen sitzen, und Alles, was sie hier verleugnet, hundertfältig nehmen sollen im ewigen Leben. Auf diese Thronen und Kronen hinauszublicken, das bedurften sie, wenn der Streit am heißesten war, wenn übermenschliche Versuchungen und Trübsale ihre Kraft aufzureiben drohten und der Satan von allen Seiten wider sie schnaubte, wenn sie, wie Paulus, den Martertod vor Augen, sagen mussten: „Ich werde schon geopfert und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden.“ Wie stärkend war es ihm da, hinzusetzen zu können: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten, hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der HErr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird, nicht mir aber alleine, sondern auch Allen, die seine Erscheinung lieb haben“ (2 Tim. 4,6 ff.). Im Glauben an das, was JEsus für ihn getan, sah er die unverwelkliche Krone der Ehren schon blinken am Ziele. So sagt er auch Ebr. 12,23 ff. zu den Gläubigen: „Ihr seid (im Glauben bereits) gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen GOttes, zu dem himmlischen Jerusalem und zu der Menge vieler tausend Engel und zur Gemeine der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu GOtt dem Richter über Alle, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten.“

Durch die Zurechnung Christi ist den Gläubigen das Zukünftige wie gegenwärtig, und im Blick auf die zukünftige Herrlichkeit können sie die gegenwärtige Lust und Last der Welt überwinden, weil alle Freuden und alle Leiden dieser Zeit für Nichts anzuschlagen sind gegen der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbart werden. Wie groß diese Herrlichkeit sein werde, wie unvergleichlich die Krone, davon haben wir hier unten keinen Begriff. Was Johannes von dem Aufenthaltsort derer, die die Krone erlangt haben, sagt, das gibt uns ein Bild, das die höchste irdische Herrlichkeit und Lust unendlich überstrahlt. Nachdem der neue Himmel und die neue Erde ihm gezeigt war, da sah er das neue Jerusalem als die Hütte GOttes bei den Menschen, da alle Tränen abgewischt werden, und kein Tod und kein Schmerz mehr ist; er sah die unermesslich große und hohe Stadt in einem Licht, gleich dem alleredelsten glänzendweißen Jaspis, nach allen Seiten 500 Stunden weit sich erstreckend, mit zwölf Toren von Perlen und mit zwölferlei Gründen und Mauern in der Farbenpracht der schönsten Edelsteine, und die ganze Stadt und ihre Gassen von lauterem Gold als ein durchsichtiges Kristallglas, und der allmächtige GOtt selbst ist ihr Tempel, und ihre Leuchte ist das Lamm, und der Thron GOttes und des Lammes wird darinnen sein, und seine Knechte werden Ihm dienen und sehen sein Angesicht, wodurch GOttes Herrlichkeit sich in ihnen abspiegelt, und sein Name wird an ihren Stirnen sein, wie im schwachen Vorbild an den Hohenpriestern des Alten Bundes, und als Priester und Könige werden sie regieren von einer Ewigkeit zu der anderen. In diesen Worten ist Alles vereinigt, was die kühnste Phantasie sich wünschen kann. Wenn hier unten Gold und Edelsteine, Würden und Ämter, Freuden und Genüsse uns anlocken, so ist das Alles Nichts gegen der Art, wie dort das Alles in ungetrübter, reiner Herrlichkeit von GOtt - nicht von einer trügerischen Welt - von GOtt gegeben wird.

O wie stärkt solcher Hoffnungsblick die vergängliche Lust der Welt zu verleugnen, die doch nur Bitterkeit und Tod bringt. Und wem sollte es nicht leicht sein, seine Natur zu beherrschen, sein Temperament, seinen Zorn, seinen Geiz, Neid, Hochmut, Fleischeslust und Weltliebe; wer sollte darüber nicht Herr werden können, wenn er denkt: „So viel du hier verleugnest und deinem Fleisch alle Herrschaft nimmst, so viel Herrschaft wirst du in der Priester- und Königswürde der Ewigkeit erlangen.“ Es würde doch auf der Erde Einer gerne zehn Jahre lang alle nur erdenkliche Entbehrung und Mühseligkeit sich gefallen lassen, wenn er gewiss wüsste, dass er dann die ehren- und freudenvollste Königskrone mit einem herrlichen Königreich erlangen werde. Nun verheißt uns JEsus nicht nur die lieblichste und seligste Wohnung im neuen Jerusalem, nicht nur die weißen Priesterkleider und die goldene Königskrone, Er sagt sogar: „Wer überwindet, dem will Ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, so wie Ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.“ Diese Höhe begreift kein menschlicher Verstand. Auf JEsu Thron sitzen als Teilnehmer seiner weltrichterlichen Majestät und göttlicher Herrlichkeit - Höheres kann kein Geist denken. Das werden freilich nur Wenige erreichen, und Keines darf wagen, es sich zuzusprechen; aber darnach trachten dürfen und sollen wir. Denn JEsus will es denen geben, die überwinden. Und überwinden kannst du und ich, wer nur ernstlich will, wer nur dem Fleisch nicht Macht lässt über den Geist, wem nur die Liebe JEsu über die Liebe der Welt geht, so dass er um Christi willen sich gern von der Welt spotten und verweisen lässt, und sein eigenes Leben nicht mehr liebt, weil er in JEsu das wahre ewige Leben jetzt schon gefunden hat und sagen kann:

Fahr' hin, was heißet Welt und Zeit,
Man ist schon in der Ewigkeit,
Wenn man in JEsu lebet.

Solche in JEsu und darum nicht mehr in der Vergänglichkeit des Irdischen, sondern in der Ewigkeit lebende Seelen finden den Kampf um die Krone, die sie im Geist schon vor sich sehen, leicht, und können sagen: „Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht, Christum, und ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich nach dem, das vorne ist, und jage nach, dem vorgesteckten Ziele nach, dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung GOttes in Christo JEsu.“ O Geliebte, solche Menschen wollen wir werden. Wir laufen noch in den Schranken der Gnadenzeit. Der Siegespreis ist noch nicht verscherzt, die Krone blinkt am Ziele für Alle, die nur die goldenen Äpfel verachten, womit Satan, Welt und Fleisch im Lauf nach dem ewigen Kleinod uns aufhalten wollen. O wir wollen Alle aufs Neue anfangen, nach der Krone zu ringen. Auch ihr, die ihr bisher mehr im Irdischen, als in der Ewigkeit euer Ziel seht, auch ihr fasst Mut, das, was das Fleisch begehrt, was aber nur den Tod bringt, wegzuwerfen, und in dem lieben teuren Heiland, dem treuesten Freund unserer Seelen, der allein selig und herrlich macht, in Ihm Friede und Freude und ewiges Heil zu suchen. O es ist noch kein Einziges betrogen worden, das in Ihm seine Krone suchte. Aber verwelkt sind noch alle Freuden und Ehrenkränze der Welt; denn die Welt vergeht mit aller ihrer Lust, wer aber den Willen GOttes tut, der bleibt in Ewigkeit. Deswegen ruft JEsus Luk. 12,35 ff. uns zu: „Lasset eure Lenden umgürtet sein mit Wahrheit und Gerechtigkeit, und eure Lichter brennen vom Öl des heiligen Geistes, und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten allezeit mit Wachen und Beten.“ Selig sind die Knechte, die der HErr, so Er kommt, wachend findet. Wahrlich ich sage euch - o hört, wie Er da noch die allerherrlichste Krone uns verheißt, Er, der HErr, - JEsus der Sohn GOttes, Er wird sich aufschürzen und wird sie zu Tisch setzen und wird vor ihnen gehen und ihnen dienen.

Menschenkinder bedient von GOttes Sohn! Das ist das Allerhöchste, dessen bloßer Gedanke uns treibt, tief im Staub die ewige Liebe anzubeten, die so unendlich sich herablässt und so unendlich uns erheben will. Wahrlich vor solchen Kronen erbleichen auch die lockendsten und teuersten Gestalten der Erde, wie die Sterne vor dem Sonnenglanz.

Drum überwind't mein Glaube weit
Im Geist die alte Nichtigkeit,
Und wartet auf die neue Stadt
Die lauter neue Sachen hat,
Im Blut des Lamm's ererb' ich Alles mit,
Das ist der Sieg, darum ich sehnlich bitt'.

Amen.