Text: 1 Kor. 11,24-32.
Ich habe es von dem HErrn empfangen, das ich euch gegeben habe. Denn der HErr JEsus in der Nacht, da Ei verraten ward, nahm Er das Brot, dankte, und brach es, und sprach: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; solches tut zu meinem Gedächtnis. Desselbigen gleichen auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut; solches tut, so oft ihr es trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr von diesem Brot esst, und von diesem Kelch trinkt, sollt ihr des HErrn Tod verkündigen, bis dass Er kommt. Welcher nun unwürdig von diesem Brot isst, oder von dem Kelch des HErrn trinkt, der ist schuldig an dem Leib und Blut des HErrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst, und also esse er von diesem Brot, und trinke von diesem Kelch. Denn welcher unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt ihm selber das Gericht, damit, dass er nicht unterscheidet den Leib des HErrn. Darum sind auch so viele Schwache und Kranke unter euch, und ein gut Teil schlafen. Denn so wir uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem HErrn gezüchtigt, auf dass wir nicht samt der Welt verdammt werden.
Schmücke dich, o liebe Seele,
Lass die dunkle Sündenhöhle,
Komm' ans helle Licht gegangen,
Fange herrlich an zu prangen;
Denn der HErr, voll Heil und Gnaden,
Will dich heut zu Gaste laden;
Der den Himmel kann verwalten,
Will jetzt Herberg in dir halten.
Herberge, Wohnung will JEsus Christus in uns machen, indem Er seinen Leib und sein Blut uns zu genießen gibt. Deswegen war das heilige Abendmahl, das Er am Abend des heutigen Tages kurz vor Antritt seines bitteren Todesleidens einsetzte, das teuerste Vermächtnis, das Er seinen Jüngern und allen Gläubigen hinterlassen hat. Dieses Testament des für Uns gekreuzigten und gestorbenen Heilandes dürfen wir aufs Neue feiern. Es vergegenwärtigt uns das ganze Todesleiden, das Er um unserer Sünde willen erduldet hat, und schon durch diese Erinnerung, noch mehr nber durch die Zueignung des für uns gebrochenen Leibes und des für uns vergossenen Blutes bringt es uns in die innigste Vereinigung mit JEsu Christo. Daher nennt Er selbst nach unserem Text das Blut des Abendmahls das Blut des Neuen Testamentes oder Bundes. Dieser Bund ist die wesentliche Vereinigung, in welche wir mit JEsu kommen, und durch Ihn mit dem Vater. Diese Vereinigung hat JEsus uns erworben durch das, was diese große Woche uns aufs Neue verkündet, durch sein für uns erduldetes Leiden und durch seinen Tod, wodurch Er uns mit GOtt versöhnt, die Ursache unserer Trennung von GOtt aufgehoben und ewige Gerechtigkeit wieder gebracht hat. Die seligen Früchte dieses Versöhnungstodes eignet Er im Abendmahl uns zu. Daher ist dieses heilige Mahl die gesegnetste Feier des Todes JEsu. Wie viel uns aber dadurch gegeben wird, das werden wir erst in der Ewigkeit recht einsehen, an dem großen Tag der Erfüllung und Vollendung, da wir nach JEsu Verheißung es neu trinken werden mit Ihm in seines Vaters Reich. Indes nimmt ein Jedes davon, so viel es zu fassen vermag. Um uns aber zu einem rechten Hunger und Durst nach diesem hochheiligen Testamentsmahl zu erwecken und um uns zu einem würdigen Genuss desselben zu bereiten, wollen wir heute über seine Segnungen nachdenken und betrachten daher
Das heilige Abendmahl als ein Mahl
JEsu, meine Lebenssonne, JEsu, meine Freud' und Wonne,
JEsu, du mein ganz Beginnen, Lebensquell und Licht der Sinnen,
Hier fall' ich zu deinen Füßen: Lass mich würdiglich genießen
Dieser deiner Himmelsspeise Mir zum Heil und dir zum Preise.
JEsu, wahres Brot des Lebens, Hilf, dass ich doch nicht vergebens
Oder mir vielleicht zum Schaden Sei zu deinem Tisch geladen.
Lass mich durch dies Seelenessen Deine Liebe recht ermessen,
Dass ich auch, wie jetzt auf Erden, Mög' ein Gast im Himmel werden.
Amen.
Zuerst betrachten wir das heilige Abendmahl als Liebesmahl zum Gedächtnis, zur Erneuerung des liebevollsten Andenkens an JEsum und an alles das, was Er zu unserem Heil getan und gelitten hat. Dass es das sein soll, sehen wir aus den Worten unseres Textes, wonach JEsus bei Darreichung des Brotes sagte: „solches tut zu meinem Gedächtnis,“ und über den Wein: „solches tut, so oft ihr es trinkt, zu meinem Gedächtnis.“ Wie das Passalamm, an dessen Stelle der HErr sein Liebesmahl einsetzte, von Geschlecht zu Geschlecht das Andenken an die wunderbare Erlösung Israels aus Ägypten erhalten sollte, so wollte JEsus, dass sein Abendmahl uns allezeit die große Erlösung vergegenwärtige, die Er durch Aufopferung seines Leibes und Vergießung seines Bluts ausgeführt hat. Von diesem Opfertod JEsu sehen wir im Abendmahl die sichtbaren Zeichen. Es versetzt uns im Geist in die wehmutsvolle Versammlung, in der JEsus zum letztenmal mit seinen Jüngern beisammen war und wie ein scheidender Vater ihnen den letzten Segen erteilte. Es versetzt uns in die schauerliche Nacht, da Er verraten ward, nachdem Er in Gethsemane unter den Gerichten GOttes gezittert und blutigen Angstschweiß vergossen hatte. Es stellt vor unsere Augen den Leib, der gebunden, geschlagen, gegeißelt, verspeit, mit der Dornenkrone umwunden, ans Marterholz geheftet und endlich im bittersten Tod gebrochen wurde. Deswegen sagt JEsus nach unserem Text über das Brot des Abendmahls: „das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“ Dieses Zerbrechen seines Leibes geschah durch die ununterbrochene Kette von Leiden, die über Ihn ergingen von dem Zittern in Gethsemane bis zum letzten Hauch am Kreuz. Er schildert es Ps. 22 mit den Worten: „Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt, mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs, meine Kräfte sind vertrocknet wie ein Scherben, und meine Zunge klebt an meinem Gaumen, und Du legst mich in des Todes Staub.“ Solche Qualen hat der Sohn GOttes für uns erduldet. Daran erinnert uns das Essen seines für uns gebrochenen Leibes, das Trinken seines für uns vergossenen Blutes, wobei unser Geist Ihm nachgeht auf allen den bitteren Schmerzenswegen und an alle die düsteren Leidensstätten, die Er für uns betreten.
Wird so durch das Abendmahl Alles an uns vorübergeführt, was JEsus für uns erlitten, so erinnert es uns eben damit auch laut an unsere Schuld und an die ganze Furchtbarkeit der Sünde. Wer verdiente solches Brechen des Leibes und solch' grausames Blutvergießen? JEsus verdiente es nicht, denn Er war rein von aller Sünde. Ich aber habe mit tausendfachen Übertretungen und Versäumnissen die Strafen alle verschuldet, die JEsus auf sich nahm. Um meiner Sünden willen sollte mein Leib unter ewigen Qualen gebrochen, mein Blut wie das eines Verbrechers vergossen werden. Solch' tief beugendes Bekenntnis der Sünde legen wir ab, so oft wir das Abendmahl genießen. Erfüllt uns das mit einem tiefen Schmerz der Buße und mit Tränen der Scham und Reue, so bekennen wir um so mehr mit Freudigkeit, dass wir alles Heil nur von Ihm erwarten, dessen Leib gebrochen ist für uns, dessen Blut vergossen ward an unserer Statt. So verkündigen wir im Abendmahl nach dem Gebot unseres Textes den Tod des HErrn, bezeugen vor aller Welt, dass der Tod JEsu unser Leben sei und wir durch nichts Anderes selig werden wollen, als durch sein Verdienst. So ist uns dann das Abendmahl nicht bloß äußerliches Gedächtnis, sondern Erinnerung oder Verinnerlichung in dem Sinn, dass das, dessen wir gedenken, innerlich wird in uns. Wie es schon als Gedächtnismal ein sichtbares Evangelium ist, so eignet es uns innerlich den Segen und die Kraft des Evangeliums zu. Deswegen betrachten wir es
als ein Mahl zur Versöhnung. Dies liegt in den Worten: „für euch gebrochen“ und „für euch vergossen zur Vergebung der Sünden.“ Essen und trinken wir das, was zur Vergebung unserer Sünden dahingegeben ist, so empfangen wir eben damit auch die Vergebung selbst, wie wir mit dem Brot auch die nährende Kraft des Brotes und mit dem Wein auch den stärkenden Geist des Weins in uns aufnehmen. So empfangen wir mit und in dem Versöhnungsmittel die Versöhnung selbst. Das Mittel der Versöhnung war der Leib JEsu, an welchem Er unsere Sünden selbst geopfert hat auf dem Holz, und das Blut, das Er vergossen hat zur Vergebung unserer Sünden, so dass dieses Blut nach 1 Joh. 1 uns rein macht von aller Sünde. Diesen Leib und dieses Blut nehmen wir im heiligen Abendmahl in uns auf, und da ist es, als ob Christus, wie unsere Abendmahlsliturgie sagt, selber zu uns spräche: „dass ich Mensch bin worden, und Alles, was ich leide und tue, ist Alles euer eigen, für euch und euch zu gut geschehen. Dieweil ich mich euer angenommen und eure Sünden auf mich geladen habe, will ich mich selbst für die Sünde in den Tod opfern, mein Blut vergießen, euch Gnade und Vergebung der Sünden erwerben, und also ein neues Testament aufrichten, darinnen die Sünde vergeben und ewig nicht mehr gedacht werden soll. Des zu einem gewissen Anzeigen und Zeugnis und zur Stärke und Förderung meines Lebens in euch gebe ich euch mein Blut zu trinken.“ Daher sagt Luther: „darum heißt Er mich essen und trinken, dass es mein sei und mir nütze, als dasselbige Gut, so für mich gesetzt ist wider meine Sünde Tod und alles Unglück.“
Was im Leiblichen die Heilung von einer Krankheit, das ist im Geistlichen die Versöhnung, und was für den Leib eine heilsame Arznei, das ist für unseren inneren Menschen der Leib und das Blut JEsu. Wir empfangen dadurch die ganze Kraft und den vollen Segen des Leidens und Todes, den JEsus an seinem Kreuz erduldet hat. Wer daher im tiefen Gefühl seines Sündenelendes die Gnade JEsu sucht und im Glauben ergreift, der darf alle Angst und Anfechtung über seine Schuld und Sünde überwinden durch den Gedanken: „so gewiss der HErr mir jetzt erlaubt, seinen heiligen Leib zu essen und sein teures, für mich vergossenes Blut zu trinken, so gewiss ist es, dass Er auch mich noch nicht verworfen hat, sondern auch mir alle meine Sünden vergeben und seine ewige Gerechtigkeit mir schenken will.“ Wenn ein König eine Urkunde mit dem königlichen Sigill1) ausstellt und darin seinen Untertanen eine besondere Gnade verspricht, so zweifelt kein Mensch daran. So haben wir im Abendmahl gleichsam Brief und Siegel, dass GOtt um JEsu willen unser gnädiger GOtt und Vater sein wolle, und verzeihe uns alle Sünde und nehme uns auf als seine Kinder und als Erben aller seiner himmlischen Güter.
Aber wollen wir diesen Segen der Versöhnung mit GOtt empfangen, so müssen wir auch mit allen Menschen versöhnt sein, und auch in diesem Sinn soll das Abendmahl uns ein Versöhnungsmahl sein. JEsus sagt: „wo ihr den Menschen ihre Fehler nicht vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.“ Hierin besonders ist die Prüfung nötig, die unser Text verlangt, damit wir nicht unwürdig essen und trinken und so uns verschulden am Leib und Blut des HErrn. In dieses schwere Gericht fallen nicht bloß die, die keiner Versöhnung mit GOtt zu bedürfen glauben, weil es ihnen an bußfertiger Erkenntnis der Sünde und so am rechten Glauben fehlt, sondern auch die, die bei allem Glauben doch ohne Liebe sind und gegen ihre Nebenmenschen allerlei Widrigkeit, ja Feindschaft im Herzen tragen. Solche unversöhnliche und lieblose Menschen essen und trinken im Abendmahl nicht zur Versöhnung mit GOtt, sondern, wie unser Text sagt, zum Gericht. Davon musste jener Mann einen tiefen Eindruck bekommen, der von dem sächsischen Prediger Bilzing das heilige Abendmahl empfangen wollte, aber von einer entsetzlichen Erschütterung des ganzen Körpers überfallen wurde, so dass er bebte an allen Gliedern. Mit vieler Mühe nahm sein Mund das Brot, aber als er den Kelch nehmen wollte, wurden die Konvulsionen so heftig, dass er es nicht konnte. Als er es nachher noch einmal versuchte, war es ebenso. Da sagte der Geistliche: das ist GOttes Hand, geht nach Hause und prüft euer Leben. Als er ihn besuchte, erfuhr er, dass er seine Frau geschlagen habe, und im Zorn ohne Versöhnung zum Abendmahl gegangen sei. Auf ähnliche Weise erzählt unser Text, dass von den Korinthern Viele krank geworden, Manche gestorben seien, weil sie das Abendmahl unwürdig genossen, entweder mit Menschen oder mit GOtt unversöhnt, mit GOtt, weil sie von der Sünde nicht lassen, sich nicht bekehren wollten. So lange wir unseren Eigenwillen, unsere Lüste und fleischlichen, hochmütigen, lieblosen Gedanken nicht aufgeben wollen, so lange kann das Abendmahl uns nicht zur Versöhnung, sondern nur zum Gerichte sein.
Wer aber durch wahre Buße und lebendigen Glauben die Versöhnungstraft des Leibes und Blutes JEsu empfängt, dem ist das Abendmahl
ein Mahl zur Vereinigung mit JEsu und durch Ihn mit seinem Leib. Diese Vereinigung liegt schon in den Worten: das ist mein Leib, das ist mein Blut, das Blut des Neuen Bundes. Indem wir den Leib Christi essen und sein Blut trinken, nehmen wir Ihn selbst in uns auf; daher Er Joh. 6 das Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes erklärt durch diese Worte: „Wer mich isst, der wird leben um meinetwillen.“ Unsere Vernunft fragt da freilich: wie kann denn das Brot der Leib Christi sein und der Wein sein Blut? Aber hier gilt es, die Vernunft gefangen zu nehmen unter den Gehorsam des Glaubens. Der Glaube bleibt bei den Worten JEsu und seines Apostels, wonach das Brot und der Wein des Abendmahls Leib und Blut Christi genannt wird, und bei der Lehre unserer Kirche, dass in, mit und unter dem Brot und Wein uns JEsus seinen Leib und sein Blut gibt, aber freilich nicht seinen irdischen Leib, sondern den verklärten, der als ein geistlicher Leib unsichtbar ist für unsere Augen, wie der Geist und wie jede Kraft in der Körperwelt unsichtbar ist, aber fühlbar durch reelle Wirkungen. Wer sieht die Schwerkraft, die doch unablässig auf alle Körper wirkt, wer die magnetische Kraft, die das Eisen selbst durch Holz hindurch anzieht; wer die Seele, die unseren Leib bewegt? Der verklärte Leib JEsu ist ein Lichtleib, und wie die Sonne allenthalben hin ihre Strahlen und ihre Kraft mitteilt, ebenso der Lichtleib oder Geistleib JEsu, der so viel herrlicher denn die Sonne ist, als der Schöpfer herrlicher ist, denn das Geschöpf.
Aber, fragt die Vernunft, wie konnte JEsus den Jüngern seinen verklärten Leib geben, da er doch noch nicht gestorben, also noch nicht verklärt war? Antwort: Schon vor seinem Tod sagt JEsus: „Nun ist des Menschen Sohn verklärt“ (Joh. 13,31.). Schon auf dem Berg strahlte der Glanz seiner inneren Verklärung äußerlich hervor, und seine Wunderheilungen geschahen dadurch, dass aus seinem durch Heiligkeit innerlich verklärten Wesen eine geistleibliche Kraft von Ihm ausströmte und Alle heilte (Luk. 5,17. 6,19.). Eben diese geistleibliche Kraft seines, um seines vollkommenen Gehorsams willen innerlich schon verklärten Leibes ließ JEsus bei der Einsetzung des Abendmahls von sich ausströmen und mit Brot und Wein sich unsichtbar, aber wesentlich vereinigen. Und ebenso lässt der HErr bis auf diesen Tag bei jedem Abendmahl die Kraft seines im Himmel verklärten und daher der Sonne gleich unendlich mitteilbaren Leibes sich vereinigen mit Brot und Wein. Wie wir im Wein mit der Flüssigkeit den Geist empfangen, so im Abendmahlswein und Brot den Geistleib JEsu. Deswegen sagt Er nicht „mein Brot und mein Wein, „ sondern „mein Leib, mein Blut, „ und Joh. 6,51.: „das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ Und von diesem am Kreuz gebrochenen, aber verklärten Leib sagt Er V. 55.: „er sei wahrhaftig eine Speise, die man wirklich essen könne und solle.“ Und wer so nach V. 57 Ihn isst, dem gilt das große Wort: „Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und Ich in ihm.“ Die Worte „Christum essen“ und dadurch „in Ihm bleiben“ bezeichnen die innigste Vereinigung der gläubigen Seele mit Ihm, eine innere Vermählung, die von keiner menschlichen Sprache ausgedrückt werden kann, um deren willen besonders das Abendmahl ein Geheimnis ist. Wie die Reben mit dem Weinstock, die Glieder mit dem Leibe Ein Wesen ausmachen, so sollen wir mit Christo Eins sein, wie Paulus sagt (Eph. 5,30.): „von seinem Fleisch und von seinem Gebein.“ Dieses wesentliche Ineinanderleben der Geister und Christi wird ganz besonders bewirkt durch das Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes. 'Das muss innerlich erfahren und erlebt sein; das Höchste und Seligste lässt sich nicht in Worte fassen, erst die Ewigkeit wird's klar machen. Sie wird die Bedeutung der Worte zeigen, zu deren Erfüllung besonders das Abendmahl mitwirkt: „Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die Du mir gegeben hast, dass sie Eines seien, gleichwie wir Eines sind, Ich in ihnen und Du in mir, auf dass sie vollkommen seien in Eins“ (Joh. 17,22.23.).
Ist so das Abendmahl uns ein Mittel zur Vereinigung mit JEsu und durch Ihn mit dem Vater, so muss es uns auch unter einander vereinigen in herzlicher Bruderliebe, zu einer reinen Gemeinschaft der Heiligen, die als Glieder am Leibe JEsu zusammenhängen. Auch in dieser Hinsicht nannte JEsus nach unserem Text sein Blut das Blut des neuen Bundes. Wie der Bund oder die Vereinigung mit dem HErrn, so wird der Bund mit allen Gläubigen durch's Abendmahl befestigt und immer wieder erneuert. Daher sagt Paulus (l Kor. 10,17.): „Ein Brot ist es, so sind wir Viele Ein Leib, dieweil wir Alle Eines Brotes teilhaftig sind.“ Da erklärt die alte Kirche so: „Wie aus viel Beerlein zusammengekehrt Ein Wein und Ein Trank fleußt und sich in einander menget, und aus viel Körnlein zusammen Ein Mehl gemahlen, Ein Brot und Kuchen gebacken wird, also sollen wir Alle, so durch den Glauben Christo eingeleibet sind, durch brüderliche Liebe um Christi unseres liebsten Heilandes willen, der uns zuvor so hoch geliebet hat, Alle wie Ein Leib, Trank, Kuchen und Brot werden, durch herzliche Liebe, nicht mit leeren Worten, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“ Das Abendmahl vereinigt uns zu einer großen heiligen Familie an dem Tisch des Einen Vaters, GOttes, und des Einen Bruders, JEsu Christi. Und auch denen, die noch ferne stehen, müssen wir am Tisch des HErrn, da sein allgemeiner Liebesvorsatz über alle Menschen uns so herrlich verkündigt wird, unsere Liebe schenken und in herzlicher Fürbitte für sie uns zu immer größerer und allgemeinerer Liebe stärken. So wird uns das Abendmahl
ein Mahl zur Heiligung. Was mit dem Heiligsten uns so innig vereinigt, das verlangt Heiligung von uns und hilft uns dazu, es fordert und fördert Heiligung. Das Erste sehen wir aus den Worten unseres Textes: „welcher unwürdig von diesem Brot isst oder von dem Kelch des HErrn trinkt, der ist schuldig an dem Leib und Blut des HErrn.“ Unwürdig kommt, wer ohne Buße, ohne Glauben und ohne Liebe ist, unwürdig, wer die Welt mehr liebt als Christum, wer gegen die Wahrheiten von seinem Opfertod gleichgültig ist und um Vergebung der Sünde sich nicht bemüht. Deswegen verlangt der Apostel ernstliche Selbstprüfung, denn nur aus ihr fließt die Selbsterkenntnis und nur daraus die Buße, die mit Scham und Reue über das Sündenelend trauert und in Demut um Vergebung der Sünde fleht. Darum prüfe der Mensch sich selbst, untersuche sein ganzes Leben nach allen Verhältnissen, und sein Herz auch in seinen verborgenen Tiefen, vergleiche sich mit dem Wort GOttes und stelle sich in das Licht der heiligen Gegenwart GOttes; ist dadurch eine demütige Erkenntnis der Sünde und ein Verlangen nach dem Heil GOttes in ihm erwacht, und ist es sein aufrichtiger Wunsch, von der Sünde abzulassen und der Heiligung nachzujagen, dann esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch des HErrn. Denn wer unwürdig, d. h. ungeprüft und ohne Verlangen nach Heil und Heiligung isst und trinkt, der verschuldet sich am Leib und Blut des HErrn, kreuzigt Ihn durch seine Sünde und isst und trinkt ihm selber das Gericht, zieht sich Schuld und Strafe zu, weil er nicht unterscheidet (vom Gewöhnlichen) und nicht mit Ehrfurcht hochschätzt den Leib und das Blut des HErrn. Demnach muss dem Genuss des heiligen Abendmahls eine ernstliche Heiligung durch Buße vorangehen, wie die Priester im alten Bund, ehe sie ins Heiligtum gingen, sich waschen und baden mussten.
Aber eben so gewiss ist auch das Abendmahl ein wesentliches Mittel und starker Trieb zur Heiligung, und teilt besondere Heiligungskräfte mit. Daher sagt JEsus (Joh. 6, 51.), durch das Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes bekommen wir erst das wahre Leben in uns. Dieses Leben ist zunächst das geistliche Leben, das Leben in der Liebe, welche ist die Wurzel der Heiligung, und welche ihre stärkste Nahrung aus der Feier des Abendmahls zieht. Schon das Andenken an Alles, was Er für uns erlitten hat, zeigt uns die Größe seiner Liebe so, dass uns der Gedanke erfüllen muss:
O wie groß ist deine Güte,
Deine Treu', Die stets neu
Preiset mein Gemüte.
Ach, ich muss, ich muss Dich lieben,
Seel' und Leib Ewig bleib'
Deinem Dienst ergeben.
Dazu treibt uns besonders die innige Vereinigung, in die JEsus sich im Abendmahl mit uns begeben will. Durch sie wird es uns innerlich offenbar, was Paulus Röm. 6 sagt, dass wir, wie wir schon durch die Taufe begraben sind in seinen Tod, so auch durch's Abendmahl, als Todesfeier JEsu, mit Ihm gepflanzt werden zu gleichem Tod, aber auch zu gleicher Auferstehung. Essen wir den für uns gebrochenen Leib, so wissen wir, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Daher ergeht vom Tisch des HErrn aus der Ruf an uns: Ihr, die ihr JEsu Leib gegessen und sein Blut getrunken habt, haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt GOtt in Christo JEsu unserem HErrn. So lasst nun die Sünde nicht mehr herrschen in eurem sterblichen Leib, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten, und begebt eure Glieder GOtt zu Waffen, Werkzeugen der Gerechtigkeit. Dazu gibt das Abendmahl neue Freudigkeit und Kraft, daher wir bei seinem Genuss oft wie ein inneres Feuer von Liebe und Sehnsucht nach GOtt und seinem Reich empfinden, wodurch alles Irdische uns entleidet und wir uns freuen, Leib und Leben der ewigen Liebe zu opfern. Daher sagte eine bekehrte Negerin: ich weiß mir kein größeres Glück auf Erden, als eine Abendmahlsgenossin zu sein, denn so oft ich dieses hohe Gut empfange, fühle ich neues Leben in mir. Und Dr. Weller schrieb nach jedem Abendmahlsgenuss in sein Tagebuch die Worte: „Heute habe ich abermals zur Vermeidung des Bösen das heilige Abendmahl genossen.“ So wirkt das Abendmahl in uns eine geistliche Auferstehung und Erneuerung, wodurch wir nach Geist, Seele und Leib geheiligt und mit göttlichen Lebenskräften erfüllt werden. Wie wichtig dies auch für unseren Leib und für die Hoffnung seiner künftigen Verherrlichung ist, erwägen wir noch, indem wir das Abendmahl
als ein Mahl zur Auferstehung betrachten. Auch dies liegt in den Worten: „mein Leib und mein Blut“ und in dem Essen und Trinken desselben als etwas Leiblichem, wodurch zunächst in unseren Leib der Leib und das Blut JEsu eingeht. Da es aber ein verklärter Leib ist, so teilt sich aus ihm Verklärungs- und also Auferstehungskraft unserem Leib mit. Daher wies der HErr auch gleich nach der Einsetzung des Abendmahls auf den großen Tag der Auferstehung hinaus mit den Worten: „Ich werde hinfort nicht trinken von diesem Gewächs des Weinstocks bis auf den Tag, da ich es neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.“ Ebenso hatte er auch vorher gesagt, er werde hinfort nicht mehr Osterlamm essen, bis dass erfüllt werde im Reiche GOttes. Dieses Essen und Trinken des himmlischen Abendmahls, an dem JEsus die Seinigen Teil nehmen lassen will, ist nur für Auferstandene möglich. Aber deutlich setzt der HErr einen Zusammenhang zwischen dem irdischen und himmlischen Abendmahl, daher Er auch Joh. 6 sagt: „Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben und Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tag.“ Deswegen nannten die Kirchenväter das Abendmahl die Arznei der Unsterblichkeit, und Luther sagte: „Isst man Christum geistlich durch's Wort, so bleibt Er geistlich in uns in der Seele; isst man Ihn leiblich im Abendmahl, so bleibt Er auch leiblich in uns und verwandelt ohne Unterlass die Seele in Gerechtigkeit, den Leib in Unsterblichkeit.“ Auch Calvin sagt: „durch das lebendig machende Fleisch werden wir zur Unsterblichkeit geweidet.“
In unserem irdischen, der Verwesung anheimfallenden Leib ist jetzt schon der Keim einer höheren, nämlich der geistlichen pneumatischen Leiblichkeit. In diesem Keim ist die eigentliche Kraft und das Leben unseres Leibes konzentriert, wie im Pflanzenreich, wie da aus dem Keim die neuen Pflanzen hervorwachsen, so der Auferstehungsleib aus dem jetzt schon sich je mehr und mehr bildenden Keim. Unter der Hülle des Fleisches ist der Geistleib verborgen und wächst und reift desto schneller, je mehr der Geist in uns Leben aus GOtt anzieht. Wird der Geist verklärt in die Gemeinschaft des göttlichen Lebens, so geht auch in den Leib eine Verklärung über. Dazu nun ist das heilige Abendmahl ein Hauptmittel. In ihm empfangen wir den verklärten Leib JEsu, der durch sein heiliges Leben schon vor seinem Tod innerlich verklärt, durch die Auferstehung und Himmelfahrt aber des niederen Irdischen entkleidet und in die Herrlichkeit der göttlichen Natur, aufgenommen wurde, so dass Er nun mit dem ewigen Geist JEsu Eins, der Sonne gleich, überall hin seine Kraft und sein Wesen ausströmen und mitteilen kann. Dieser verklärte Leib JEsu heiligt unsere Leiblichkeit und durchdringt sie mit den Himmelskräften seines unauflöslichen Lebens. Durch das Genießen seines verklärten Fleisches und Blutes wird der Keim unseres Auferstehungsleibes in uns genährt, so dass unter unserem sterblichen Fleisch und Blut, das das Reich GOttes nicht ererben kann, der unverwesliche Geistleib, der Tempel des heiligen Geistes verborgen ist, um deswillen JEsus gesagt hat: „wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Durch den Genuss des Leibes und Blutes Christi kommen wir wieder zum Besitz unserer in Adam verlorenen wahren und himmlischen Menschheit, in welcher wir erst zur völlige Vereinigung mit GOtt und zur herrlichen Auferstehung fähig sind. Wie wir getragen haben das Bild des irdischen Adam, so werden wir auch dem Leib nach tragen das Bild des himmlischen, zweiten Adam, Christi, in dem die Menschheit neu nach GOttes Bild geschaffen worden. Christus ist der Baum oder nach Joh. 6 das Brot des Lebens, auf dass, wer davon isst, nicht sterbe, sondern lebe in Ewigkeit.
Indem so durch das heilige Abendmahl der Same der Auferstehung in uns gelegt wird, so verbreitet sich von Ihm aus zugleich ein Licht über die ganze Natur. Da Brot und Wein mit dem himmlischen Leib JEsu vereinigt werden, so erscheint uns dadurch die ganze Natur als einer Verklärung fähig, und so liegt im Abendmahl ein sichtbares Unterpfand der großen Verheißung, dass einst die Kreatur frei werden wird vom Dienst des vergänglichen Wesens zur herrlichen Freiheit der Kinder GOttes, auf deren Offenbarung sie seufzend wartet (nach Röm. 8,19.21.). So weist uns das Abendmahl hinaus auf die große Auferstehung, da Der, der auf dem Stuhle sitzt, spricht: „Siehe, Ich mache Alles neu, „ und so hilft es uns getrost zu warten des neuen Himmels und der neuen Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt. Da werden dann auch die wunderbaren Verheißungen von dem himmlischen Abendmahl erfüllt werden, über das wir die Worte JEsu in anbetendem Nachdenken erwägen müssen, wenn wir sie auch nicht verstehen. Außer den vorhin angeführten Worten vom Essen und Trinken in der Erfüllung des Reiches GOttes sagt Er zu seinen Jüngern kurz nach der Einsetzung des Abendmahls: „Ich will euch das Reich bescheiden, wie mir's mein Vater beschieden hat, dass ihr essen und trinken sollt über meinem Tisch in meinem Reich und sitzen auf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israel“ (Luk. 22,30.). Diese Verheißung vom Essen und Trinken in seinem Herrlichkeitsreich dehnt Er auf die Gläubigen überhaupt aus, wenn Er sagt: „Es werden kommen vom Morgen und Abend, von Mitternacht und Mittag, die zu Tisch sitzen werden im Reiche GOttes“ (Luk. 13,29.). Daher sagt Er auch (Offenb. 2,17. u. 7.): „Wer überwindet, dem will Ich zu essen geben von dem verborgenen Manna und von dem Holz (Baum) des Lebens, das im Paradies GOttes ist.“ Was dieses Essen und Trinken sei und wie darin JEsus noch herrlicher, als im jetzigen Abendmahl, sich den Gliedern seines Leibes mitteilen wird, das wird erst die Erfüllung in der Ewigkeit zeigen. Aber wie durch den Himmel, so soll durch unser Aller Herzen der Ruf des Engels tönen: „Selig sind, die zum Abendmahl der Hochzeit des Lammes berufen sind.“
Zu diesem großen Abendmahl bereite uns auch die Todesfeier JEsu, die wir in diesen heiligen Tagen begehen, und Alles, was wir heute aus GOttes Wort gehört haben über die hohen Segnungen des heiligen Abendmahls, das erwecke unseren Geist zu dem Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, der satt werden soll nach seiner Verheißung. Ach, liebe Seelen! wenn GOtt so große Dinge uns anbietet, wie darf Ein Mensch kalt stehen bleiben, wie Einer mehr Gefallen finden an dem, was in der Welt ist, als an den reichen Gutem des Hauses GOttes! Was für eine größere Ehre kann einem armen Sterblichen widerfahren, als die: mit GOtt vereinigt zu werden durch den Genuss des Leibes und Blutes JEsu! Und welche Schätze der Erde sind zu vergleichen mit dem himmlischen Erbe, das dadurch uns zugesichert wird! Und wo ist eine höhere Freude und Lust, als in der Seele, die mit dem Sohn GOttes verbunden ist zu Einem Leib und Geist, und der in Ihm der Himmel schon auf Erden geschenkt wird. Wenn wir auch nicht immer das Gefühl davon haben, wenn wir uns oft auch ganz dürre und ungesegnet vorkommen, so dürfen wir doch im Glauben bei den Verheißungen JEsu bleiben, und was Er außer uns und ohne uns in sein Abendmahl legt, das bekommen wir ganz gewiss, wenn wir nur im Gefühl unseres Elendes und unserer tiefen Bedürftigkeit ein Verlangen nach seiner Gnade haben. Nirgends mehr, als beim Abendmahl, gilt das Wort JEsu: „Ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten, ja wer nur zu mir kommt, wenn auch noch unrein und beladen, wer nur kommt, den werde Ich nicht hinausstoßen.“ So wollen auch wir kommen zum Tische des an Gnade so reichen HErrn, wir wollen kommen zu seinem Kreuze und bitten, dass Er uns alle Früchte seines Leidens und Todes genießen lasse, wir wollen aber auch mit Ihm der Sünde absterben, dass wir auch mit Ihm wandeln in einem neuen Leben und dass wir unter allen Umständen sagen können: Mein Freund ist mein und ich bin Sein. Amen.