Hutten, Ulrich von - Weissagung auf das Jahr 1516 an Leo X.

Welche Wetter drängen sich zusammen?
Welche Schrecken drohen uns, ihr Götter?
Ganz Europa brennt, und taumelt
Seinem Untergang entgegen.
Unser allzu sichrer Christenstaat
Wütet gegen seine Eingeweide,
Jagt zum Aufruhr seine Söhn' empor.
Auf Italien blitzt ihre Wuth.
Selbst Saturn droht seinem Mutterlande
Tod und grauenvolle Niederlagen;
Auf den Kriegsgott wirft er den zürnenden Blick -
Dieser sinnt auf Blut, und Mord, und Schlachten.
Ha! die alte Zwietracht kommt zurück,
Jupiter zerbricht die goldne Waage,
Weicht von uns, und überläßt das Jahr
Seuchen, und dem blassen Würgegeist.
Luna ahndet dieß; und eilt erschrocken
Zwiefach in die öde Dunkelheit.
Selbst die Sonne zittert bleich herunter.
Soviel Zeichen sandte uns die Vorsicht,
Und wir alle ahndeten das Unglück:
Niemand konnt' es wehren - denn das Schicksal
Sprach das Donnerwort: Verderben! aus.
Sieh, schon wogt des Vaterlandes Blüte
Durch die luft‘gen Alpen. - Vor Veronas Mauern
Steht entrüstet unser Caesar stille,
Latiums gewünschte Beute suchend.
Seine wilden Rhöter führt er mit sich,
Kriegerische Sueven, und der Franken
Unbezwungne ritterliche Mannschaft,
Tapfre Vindelizier und Schweizer
Söhne des Gebirgs, und was der Rhein noch
Was die schnelle Elbe und der Ister
Ihm an Völkern spendete, - was ihm
Fremde Könige noch zugeführt:
Den Panonier, - geübt im Bogen;
Dich o Böhme Muthgestält im Kampfe,
Und die Reiterschaar Poloniens,
Spaniens geprüftes Heer mit ihnen
Kühn vor allen im Belagrungssturme.
- Gegenüber steht an Muth nicht kleiner
Siegentflammt das Heer der Gallier;
Franz ihr König in der Jahre Blüte
Führt die Schaar, und schützt was er erobert:
Mailands Grenzen, und die reichen Fluren
Cenomaniens, die schönen Städte
Der Ligurer, und die stolzen Alpen.
Glück bestralt den königlichen Jüngling,
Seines Landes Schätze strömen ihm.
Ihn begleiten in das Schlachtfeld: der
Allobrogen fliegende Geschwader,
Und die Atrebaten - fernhintreffend,
Sammt den Biturigern - grauer Abkunft,
Und den streitgehärteten Vasconen.
Ihnen folgen - rüstiger zu Fuß
Andre, die der Rhone Strand bewohnen,
Die die Loir' trinken, und der Seine
Beide Ufer decken - mit den Celtern
Kühnen Reitern, ungestüm im Angriff;
Selbst Venedigs Blüthe steht ihm bei …
Also stürzt Italien, ergriffen
Von der Hand des Schicksals, ins Verderben.
Mörderische Waffen gürten es,
Jammer heult aus seinen Paradiesen,
Keine Rettung vor der Wuth der Ehrsucht,
Traurig sinkt das Blütenland in Abgrund.
Fleh ihm Gnade von den Göttern, Leo,
Heb die reinen Hände für uns weinend
Himmelwärts an jedem Götteraltar,
Sühne die erzürnte Vorsicht aus.
Friede komm' der langerflehte Friede
Deiner Kinder süsse Hoffnung kehre
Wie ein milder Stern zu uns zurück!
Haben wir noch nicht genug gebüßt?
Schone unser Blut, und laß es uns
Für den Tempel des gelobten Landes,
Für das heil‘ge Grab - eh gegen Türken
Und die Feinde Asiens verspritzen!