Hus, Jan - Synodalpredigt über Joh. 15, 27.

In Prag vor dem Klerus gehalten, nach 1404, die erste der erhaltenen Synodalpredigten.

„Und ihr werdet auch zeugen.“

Es sollte hierüber mein Herz sich freuen und meine Zunge darob jauchzen, aber meine Seele will sich nicht trösten lassen, ja, mein Geist ist geängstet in mir und mein Herz in mir ist bekümmert, denn Schrecken und Furcht sind über mich gekommen und Finsternisse haben mich bedeckt. Ich warte auf ihn, der mich heilte von meinem Kleinmut und meinem Zagen; aber siehe, nichts als Unruhe! Die Schwäche meines Geistes beugte mich so, dass ich kaum es wage, Wein in die Wunden eurer Füße zu gießen, dass ihr an den Füßen stark seid und wacker stehen mögt, das Zeugnis der Wahrheit zu verkünden. Die Aufregung hat mich auch so ergriffen, dass ich viel eher geeignet wäre, für den Ölzweig des Sünders und Bittflehenden, als euer Haupt mit dem Öl wahren Trostes zu salben, obwohl ihr im ersten Falle leichter in falscher Weise, im zweiten eher in Wahrheit Zeugnis ablegen würdet. Doch es sei, dass ich es versuche, reinen Wein euch einzuschenken und wahres Öl zu spenden, so dass ihr erfreut und erquickt gern und eifrig Zeugnis ablegen könntet, so hindern doch die Fehler beider Teile den Erfolg dieser Mitteilung und machen beide Teile zur Gnade sehr ohnmächtig. Weil wir jedoch wissen, dass es in Gottes Augen leicht ist, einen Armen schnell zu Ehren zu bringen (Sirach 11,22), ja, dass Gott auch machen kann, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei (2. Kor. 9,8), insbesondere wenn die Mutter der Gnade vor allem mithilft, so wollen wir, diese Gnade zu erlangen, die uns hier so nötig ist, die Mutter der Barmherzigkeit grüßen, indem wir sprechen: Gegrüßt seist du, Maria, gnadenreiche rc. „Und ihr werdet auch zeugen.“

Gleichwie, lieben Väter, Magister, Herren und Brüder, Christus der Bischof der zukünftigen Güter, der Priester nach der Ordnung Melchisedeks, der Levit, der die Verkäufer und Käufer aus dem Tempel trieb und die Tische der Wechsler umstieß, wie dieser Herr Christus in die Welt gekommen ist, dass er in jenem dreifachen Amt von der Wahrheit Zeugnis ablege, wie es lautet Joh. 18, - und da ihr, Bischöfe, Älteste und Leviten, hinsichtlich dieses dreifachen Amts seine Stellvertreter auf Erden seid, so sollt auch ihr ihm gleich Zeugnis ablegen.

Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, dass zuerst Adam, unser Vater nach dem Fleisch, indem er jenes göttliche Gebot 1. Mose 2 übertrat: „Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten, aber von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen“ durch eine dreifache Sünde die größte, die mittlere und die kleinste von Art die ganze Welt in Verdammnis brachte, so jedoch, dass sie erlösbar war. Durch die größte Sünde zuerst, hoffärtiges Leben, indem er dadurch den freien Willen verdarb, der von allen veränderlichen Gütern das höchste war, durch die ihrer Art nach geringste Sünde auch, der Augenlust, auch das außenliegende Gut missbrauchend als das geringste der Güter, die der Mensch missbrauchen konnte. Mit jener dreifachen Art von Sünde hat Adam samt seiner Nachkommenschaft die ganze Welt erfüllt, wie geschrieben steht: Die ganze Welt liegt im Argen (1. Joh. 5,19), und wiederum: alles, was in der Welt ist, ist Augenlust und Fleischeslust und hoffärtiges Leben. Und hierüber hat der alte Adam, da er von der Menschheit zum Sitz der Gottheit aufsteigen und die Göttlichkeit an sich reißen wollte, wie der selige Augustinus sagt: da er in der menschlichen Natur die Freiheit haben wollte, dem Gebot eines höheren Herrn nicht zu gehorchen, was doch allein der Gottheit Ruhm ist, - hierüber hat er also für sich und seine Nachkommen, wiedergewinnbar zwar, aber doch so töricht, die Seligkeit verloren, indem er in der höchsten, mittleren und niedrigsten Art von Sünde zur Beleidigung und Entheiligung Gottes sündigte.

Um daher den Gegensatz, jene übergroße Verderbnis, wieder herzustellen, musste eine göttliche Person in die menschliche Natur herabsteigen, diese selbst persönlich sich aneignend. Da aber in der Gottheit die Person des Vaters ihrem Wesen nach die nicht zu erniedrigende Macht, der heilige Geist die unstörbare Seligkeit, der Sohn aber dem Wesen nach die Weisheit ist, die das Böse, sich demselben entgegen setzend, berichtigt, so kam es allein der Weisheit Gottes zu, aus dem Schoß des Vaters in das menschliche Fleisch herabzusteigen, darin in Weisheit sich zu erniedrigen, zu leiden, sich zu entäußern, damit durch den Gegensatz, mit seinem überreichen Verdienst auch, wieder berichtigt würde die durch Adam und seine Nachkommen wider Gottes Ehre so töricht erzeugte Hoffart des Lebens, Fleischeslust und Augenlust. Endlich: weil Adam und das menschliche Geschlecht durch das hoffärtige Leben aus der Seligkeit gefallen waren, durch die Fleischeslust die Seele dem Teufel zum Opfer geweiht und durch die Augenlust die Zierde des Tempels des menschlichen Leibes, nämlich den Besitz der äußeren Güter, geschändet hatten, so musste der Sohn Gottes, Gottmensch und Menschgott, dem Menschengeschlechte als ein rechter Bischof1) und Führer den Weg bereiten, die Demut nämlich, durch welche allein es zur Seligkeit wieder gelangen konnte.

Er musste ferner als ein rechter Priester, indem er in Keuschheit und Ertötung seines Fleisches seinen Leib Gott weihte, die Seelen der Menschen vom Tode zum Leben erwecken. Zum dritten als ein rechter Levit durch seine tugendreiche Armut die Zierde des Tempels seines menschlichen Körpers, nämlich den verderbten Besitz der äußeren Güter wieder herstellen. So ist in diesem dreifachen Amt: der bischöflichen Erniedrigung, der priesterlichen Keuschheit und der tugendreichen levitischen Armut, Christus der Sohn Gottes in diese Welt gekommen, auf dass er von der Wahrheit und der Gerechtigkeit Zeugnis ablege, die da sagt, dass hoffärtiges Leben durch Erniedrigung, Fleischeslust durch Keuschheit und der Augenlust durch tugendreiche Armut, also Gegensatz durch Gegensatz bei den Menschen zu heilen sei und wieder herzustellen pflichtmäßig im dreifachen Amt des Bischofs, Priesters und Leviten.

Hierbei muss man auch wissen, dass, wie hoffärtiges Leben nach Wurzel und Ursprung nur ungeordnetes Verlangen ist in falscher Würdigung seiner selbst über das Erlaubte hinauszuschweifen, so Erniedrigung gerade im Gegenteil das geordnete Verlangen, sich zu beugen unter das erlaubte Maß der Selbstschätzung, so z. B. freiwillig eigner Ehrung sich zu begeben, oder geringer selbst als es erlaubt wäre, sich zu schätzen in Auszeichnung, Macht, Ehren, Amt, Stand, Weisheit, in Gedanken, Wort und Werk, in Kleidung, Bedürfnis, kurz in allem, worin man in der Selbstschätzung Ausschreitungen begehen könnte. Ach! wie fremd ist heute uns Klerikern diese gesegnete Niedrigkeit! Und doch sie allein kann die Verkehrung des Guten und Ehrbaren wieder gut machen! Wie ferner die Fleischeslust ihrer Wurzel nach ein ungeordnetes Verlangen ist, in Lust über das Erlaubte hinauszuschweifen, so ist die Keuschheit im Gegenteil das geordnete Verlangen, sich zu beugen unter das erlaubte Maß der Lust; so zum Beispiel freiwillig sich einer Ergötzung zu enthalten, oder auch weniger selbst als es erlaubt ist, sich zu ergötzen im Schauen, im Hören, im Essen, im Trinken, im Schlafen, im Spielen, im Ruhen und was es sonst noch Ergötzliches gibt, wobei das Ergötzen zu weit gehen könnte. Wehe! Wie ist dahin die Keuschheit unter uns Klerikern, die die Unordnung in Bezug auf das Gute, daran man sich ergötzen kann, wieder herstellen könnte! Ferner: wie der Augen Lust der Wurzel nach das ungeordnete Verlangen ist, im Besitz der äußern Güter über das Erlaubte hinauszuschweifen, so ist die tugendreiche Armut gerade im Gegenteil das geordnete Verlangen, sich unter das erlaubte Maß im Besitz leiblicher Güter zu beschränken, so zum Beispiel gern äußern Besitzes zu entbehren, ja auch weniger, als es von Gott erlaubt ist, äußere Güter irgend welcher Art, bewegliche und unbewegliche, für sich und den eignen Gebrauch zu besitzen. Ach, dass jene tugendreiche Armut unserm Verlangen so sehr entgegengesetzt ist, die doch die Unordnung in Bezug auf Gebrauchsgüter wieder zurechtbringen sollte!

Christus aber, der Hohepriester, hat die bischöfliche Erniedrigung, das höchste Zeugnis der Wahrheit, erwiesen, da er sich selbst entäußerte und gehorsam ward bis zum Tod, ja bis zum Tode am Kreuze (Phil. 2,8). Die priesterliche Keuschheit übte er besonders darin, dass er sich und seinen Leib bis zu Ende züchtigte, ihn freiwillig auf dem Altar des Kreuzes opfernd: denn er ward geopfert, da er es selbst wollte (Jes. 53,7).2) Die höchste tugendreiche levitische Armut aber hielt er ein, da er, des Menschen Sohn, nicht hatte, wo er sein Haupt hinlege (Matth. 8,20). Aber da er um solcher Verdienste willen zum Vater erhöht in weite Ferne sich begab, ein Vaterland, ein Königreich für sich zu empfangen und in diesem seinem Königtum auf die Erde zurückzukehren, beschloss er und ließ als Stellvertreter seines dreifachen Amtes zurück uns Bischöfe, Priester und Leviten, als drei Ordnungen der höchsten Hierarchie und im Reiche Gottes auf Erden als Haupt derselben, als sein. bevollmächtigter Lehrstand, nach diesem als Hände zum Schutze bestellt die Könige, Fürsten und der andre Wehrstand, zuletzt an Stelle der Füße als Stützen den Nährstand. Es beschloss, sage ich, Christus und ließ zurück jene ersten, dass sie jenes sein dreifaches Amt: die bischöfliche Erniedrigung, die priesterliche Keuschheit und die levitische Armut treu und fleißig übten zum Nutzen seines Reiches, der streitenden Kirche. Daher müssen die Bischöfe, Priester und Leviten gegenüber dem ganzen dreifachen Bösen derer, die der Kirche feindlich sind, die genannten drei Ämter Christi bei Strafe des ewigen Todes mit großer Treue bewahren, nachahmen und aufs fleißigste ausüben zur Bezeugung der Wahrheit.

Die bischöfliche Erniedrigung aber ist die nicht auf den Lohn sehende Tugend und Macht des Oberpriesters, sich und die ihm Unterstellten wohlgeordnet zu bringen auch unter das erlaubte Maß der Selbstwertschätzung, nach Art des oben angeführten Beispiels. Und jene ehrenvolle Macht wirksam und glorreich auszuüben, hat Gott für die Bischöfe verschiedene Vollmachten angeordnet in kirchlichen Dingen zu erkennen und zu beschließen, zu binden und zu lösen, die kirchlichen Sakramente zu vollziehen und zu verwalten, die Kleriker zu ordinieren und die Getauften zu konfirmieren usw. Und in den guten Bischöfen hat er niedergelegt reichlich die sieben Gaben des heiligen Geistes mit einer köstlichen Menge sittlicher und theologischer Kräfte. Die priesterliche Keuschheit aber ist die ähnliche Macht des Presbyters, sich und die Untergebenen geordnet zu beugen unter das ihnen erlaubte Maß der Ergötzung. Und ebenso ist die levitische Armut die Macht des Leviten, sich und die Untergebenen geordnet zu beugen unter das ihnen erlaubte Maß des Besitzes.

So sollen die Oberpriester in bischöflicher Erniedrigung, die gewöhnlichen Priester in priesterlicher Keuschheit und der niedere Klerus in levitischer Armut Zeugnis ablegen, ebenso wie dies Christus tat, dessen Stellvertreter wir hierin sind in der streitenden Kirche auf Erden. Ihr alle, jeder in seiner besondern Ordnung, sollt wider die dreifache Verkehrtheit der Kirche des Teufels durch Erniedrigung, Keuschheit und tugendreiche Armut in der Kirche Gottes Zeugnis ablegen.

Ich sage zuerst in der Erniedrigung sollt ihr Zeugnis ablegen. Denn euch gilt es: erhebt den Herrn, euren Gott! (Ps. 98). Aber dann, wenn der Mensch zu einem tiefen, das heißt niedrigen Herzen kommt, wie man von einem tiefen Brunnen redet, dann wird Gott erhöht (Ps. 63). Je mehr nämlich der Mensch sich beugt in geordneter Weise unter das ihm erlaubte Maß der Wertschätzung, um so höher rühmt und erhöht er Gott über sich. Das liegt schon im gewöhnlichen Begriff des Orts: je mehr einer unter einen andern herabsteigt, desto höher befindet sich der andre über ihm. Daher je höher ihr an Würde des Amts vor andern steht, wie eure köstliche Vollmacht euch zeigt, um so mehr erhöht durch Selbsterniedrigung den Herrn (Sirach 3,20) und legt durch die Tat Zeugnis ab, dass Gott durch Selbsterniedrigung wahrhaft geehrt wird, wie man durch Hoffart ihn schändlich verachtet. Denn wem unter euch wäre es wohl zweifelhaft, dass Gott um seiner und seiner Ehrung willen alles geschaffen? Wem unter euch wäre es ungewiss, dass ihr vor allen Menschen die drei Ordnungen der höchsten Herrschaft im Reiche Gottes auf Erden inne habt, da ihr das vorzüglichste Heiligtum des Herrn seid? wofür Ezechiel 9 und 17 und die köstliche Macht zu binden und zu lösen, die kirchlichen Sakramente auszuüben und zu verwalten, das Wort Gottes zu predigen usw. in euch Bischöfen und Priestern deutlich Zeugnis ablegt. Und endlich: wem unter euch wäre es verborgen, dass, je mehr Gott etliche vor andern gewürdigt hat, um so mehr diese gehalten sind, ihn zu verherrlichen und über sich zu erhöhen? Woraus klarer als das Licht einleuchtet, dass es in Wahrheit eine Pflicht ist, und nichts auf Erden mehr eure Pflicht als dies: durch Erniedrigung Gott in Verherrlichung zu erhöhen und das Zeugnis der Wahrheit!

Aber vielleicht, indem ich solches euch ausführe, entsteht unter euch die Frage: Wer von uns scheint wohl der Größte, durch die Tat zu zeugen von der Wahrheit, die da sagt, dass für alle Kreatur das Würdigste ist, Gott unsern Herrn zu preisen. Da merkt denn fleißig, auf welche Weise der höchste Stifter des Klerus die obige Ansicht erläutert, indem er Lukas 22 also spricht: Die weltlichen Könige herrschen und die Gewaltigen heißt man gnädige Herren; ihr aber nicht also, sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste und der Vornehmste wie ein Diener. Denn welcher ist der Größte? Der zu Tische sitzt oder der da dient? Ist es nicht also, dass der zu Tische sitzt? Ich aber bin unter euch wie ein Diener.

Aber sagt, ihr Kleriker, ob wir nicht härter herrschen unter den Christen, als die Könige der Völker unter ihnen?

Siehe, da kommt ein Laie, der uns etwas Beschwerliches, oder auch etwas antut, das wie ein Unrecht aussieht, sofort missbrauchen wir unser Privileg als Kleriker in Ungeduld und Anmaßung und sagen öfters mit Worten, häufig auch mit der Tat: ich will den Kerl vorladen, ich werde ihm schon mitspielen, ihn in seine Schranken weisen, das scharfe Schwert der geistlichen Gerichtsbarkeit über ihn bringen, und wenn der arme Unbedachtsame von der Exkommunikation getroffen ist, freuen wir uns und rühmen uns. Und nicht aus Christenliebe und Liebe zur Gerechtigkeit, sondern aus Zorn und rachsüchtigem Eifer unterdrücken wir sie mit unsrer Herrschaft so sehr, dass sie bereits das böse Sprichwort wider uns erdacht haben: Wenn du einen Kleriker beleidigt hast, so töte ihn, anders wirst du nie Frieden mit ihm haben! Siehe, wie mit dem geistlichen Schwert, schärfer als das Schwert weltlicher Könige, sie anmaßend über die Christen herrschen, und, da wir die Macht des Klerikervorrechts über die Laien haben und sie den Missbrauch dieser Macht von uns fürchten, so werden wir nicht aus Liebe, sondern aus knechtischer Furcht von ihnen Wohltäter und gnädige Herrn genannt, im geraden Gegensatz zum ersten Teil der oben erwähnten Regel!

Sagt ferner, ihr Kleriker, wo übt ihr, wo erweist ihr praktisch den zweiten Teil derselben Regel, dass wer der Größte ist unter euch, sei wie der Jüngste, und wer der Vornehmste, sei wie ein Diener? Etwa weil ihr die ersten Sitze in den Schulen, die vornehmsten Plätze bei Tisch liebt und euch grüßen zu lassen von den Leuten und Väter, Meister und Herren genannt zu werden? Etwa weil ihr lieber hinter euch seht Vasallen mit blutbespritztem Schwert als niederen Klerus mit dem Buche? Etwa weil ihr euch so gar nichts um die geistlichen Güter der Kirche kümmert, dafür mit allem Sorgen und Trachten an zeitlichen Gütern hängt? Etwa weil ihr kirchliche Pfründen und Ämter sucht, nicht dass ihr in ihnen treu dient, sondern dass ihr durch sie mit Macht herrscht und wohl lebt? Etwa weil ihr ein geringes euch anbefohlenes Klerusamt verachtet und nach einer euch nicht zukommenden weltlichen Herrschaft trachtet? Oder etwa darin, dass ihr euch brüstet mit einer weiten, geschlitzten, kostspieligen Kleidung, einer Tracht, prächtig vom Scheitel bis zur Sohle, einem stattlichen Gefolge, einer Menge von Pferden, mit überflüssigen Palästen, kostbaren Geräten, Ansammlung von Schätzen, mit Besteuerung der Armen, Verachtung der Armen und Niedrigen, mit Verehrung der Reichen und Stolzen, mit Geringschätzung der Aufrichtigen, Wohlgefallen an den Schmeichlern, kurz, mit jederlei irdischem Ruhm und Größe? Ach! in solch großer Beleidigung und Kränkung des Herrn Christus und seiner Regel ist die Sonne, die hohe Geistlichkeit, verwandelt in Finsternis und der Mond, die niedere, in Blut! Und nach dem heiligen Bernhard und Doktor Gilbert ist so in dem Klerus ein verabscheuungswürdiges Ungeheuer auf Erden entstanden: Der Rang hoch, der Sinn niedrig, der Sitz stolz, das Leben verächtlich, die Zunge geschäftig, die Hand träge, viel Gerede, wenig Frucht, die Miene streng, das Handeln leicht, das Ansehen gewaltig, das Feststehn schwach, ein blinder Wächter, ein stummer Herold, ein verkrüppelter Kämpfer, ein lahmer Läufer, ein Arzt der Krankheit unkundig. Und weil Gleiches sich Gleichem gesellt, so kommt es, dass solche, die in weltlichen Dingen gar viel, in Weisheit aber gar nichts und in Sitten vollständig verdorben sind, zu den höchsten geistlichen Stellen befördert werden, und es entsteht eine solche Entehrung des Klerus, dass die Priester bei den von ihnen zur Stellvertretung bestellten Pfarrern in Abhängigkeit und Verächtlichkeit weit über die Konkubinen geraten, es entsteht dem Klerus in ihm selbst eine solche Schändung, dass auch an zeitlichen Gütern durch die Priester Diebstahl und Raub und Betrügereien ausgeübt werden, wie ihr selbst werdet bezeugen können. Und in Wahrheit müssen sich viele Bischöfe über die Maßen schämen, dass sie so untreue und gleichgültige Diener des höchsten Königs sind, da sie um ihres königlichen Tisches willen für den Altar durch sich oder auch durch andre sich Stellvertreter bestellen, alberne, schmutzige Zechbrüder, priesterliche Gefäße voller verdorbener Sitten, dem Herrn ein Gräuel. Man darf wohl annehmen, dass zumeist die schändliche Simonie die Schuld trägt.

Ich habe dann zweitens gesagt, dass ihr durch Keuschheit zeugen sollt. Denn für euch steht geschrieben Luk. 12,35: Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. Die Lenden aber umgürten wir nach einem Ausspruch Gregors, wenn wir des Fleisches Lust durch Enthaltsamkeit im Zaume halten. Ebenso sagt euch auch eine andre Schriftstelle: Hütet euch, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und Sorgen der Nahrung! (Luk. 21,34). Denn euer Beruf ist nicht, dass ihr die Werke des Fleisches tut, die da sind Ehebruch, Hurerei, Uneinigkeit, Unzucht, Saufen, Fressen und dergleichen, indem ihr nach euren Lüsten wandelt (Gal. 5,19 f.), sondern flieht jene und zieht an den Herrn Jesum Christum und wartet des Leibs, doch also, dass er nicht geil werde (Röm. 13,14). Denn ihr Priester seid lebendige Gefäße der Kirche, Gott geheiligt, in denen der himmlische Schatz, das kostbare Sakrament des Leibes und Blutes Christi, rein aufgenommen, geborgen und bewahrt werden soll. Denn durch dies Sakrament wird die streitende Kirche selbst belebt, geweidet, genährt, von den Gebrechen der Sünden geheilt, vom ewigen Tode erlöst und ewiges Leben ihr mitgeteilt. In diesem Sakramente endlich speist und tränkt die Kirche in reichstem Maße den allmächtigen Herrn und seine ganze himmlische Gemeinde. Selig also jenes lebendige und geweihte Gefäß, das rein und Gott also wohlgefällig ist, dass in ihm jene königliche Speise und Trank lebensvoll dargebracht werden, zu speisen und zu tränken sogar zur Genüge den unendlichen Gott, gleichwie die große, unzählige Menge der wahrhaft seligen Könige und Herren. Wie unselig aber dagegen und verabscheuenswert ist jenes priesterliche Gefäß, bei dem es Gott unwürdig und ein Gräuel und ein Schrecken wäre, von ihm jene himmlische Speise mit Wohlgefallen zu essen und jenen Trank gern zu trinken. Und wäre ein lebloses Gefäß voller Schrecken, Gräuel, Schmutz und Unrats, dir wäre es nicht so schrecklich, daraus zu trinken oder zu essen, wie ein mit Todsünde besudeltes priesterliches Gefäß Gott ein Gräuel ist, aus ihm Speise und Trank des Leibes und Blutes Christi zu nehmen. Denn kein Ding, das da sündig ist, kann mit der Todsünde von Schrecken und Scheußlichkeit verglichen werden.

So merkt also auf, ihr Priester, ob nicht unter euch solche geweihte Gefäße sind, die Gott über die Maßen ein Gräuel wären. Sind doch unter euch Prälaten, Kanonikern, Pfarrern und andern Priester viele, die mit Weibern zusammen leben, wie Götzen sie verehren, in Begierde und Liebe zu ihnen brennen, treiben allerlei Mutwillen und sind in schändliche Wollust verflochten, viele Pfarrer treiben mit solchen Beischläferinnen viehische Unzucht, wie man sie an den Tieren des Feldes sieht. O du unheiliges Gefäß von Priester, der du dich eben erst mit einer Dirne verunreinigt hast und noch mit deinen ehebrecherischen Gedanken bei ihr weilst, wagst du so das Sakrament in dich aufzunehmen, das aller Köstlichkeit und Lieblichkeit voll ist? Wie? Fürchtest du nicht, dass der Zorn Gottes über dich komme, dass du sogleich mit Usa zermalmt werdest, der bei dem verwegenen Angreifen der Lade des Herrn sofort tot zusammenstürzte? (2. Sam. 6,6-7). Wer vermag zu urteilen, wie viel solche ehebrecherische geweihte Gefäße den Klerus dieser Diözese verunehren? Daher muss unser Herr Erzbischof, so viel er vermag, auf jede Weise, selbst wenn's mit Lebensgefahr wäre, arbeiten und sich aussetzen, dass alle seine Gott geweihten Gefäße von dem Schandfleck des Konkubinats gereinigt werden, und da er das Feuer des Kerkers und der Reinigung und genug Diener hat, muss er solche seine unreinen Gefäße, die sich selbst nicht reinigen wollen, durch jenes Feuer des Kerkers wirksam und hinreichend reinigen lassen.

Es sind ferner viele unter euch, die durch Rausch und Trunkenheit weit mehr als Laien sich schändlich beflecken, sie gehen mit ihren Stöcken zur Schenke, wie die Laien zur Schwelle der Heiligen, und wenn sie von da heimkehren, können sie kaum gehen, noch weniger reden, und am allerwenigsten dann wissen, was ihre priesterliche Würde fordere; die Reicheren unter ihnen besuchen ihre von den Almosen gegenseitig bereiteten Einladungen, wo Speise und Trank reicher und mehr, kostbarer und leckerhafter aufgetragen wird, als bei Bürgern und Adligen, wobei Christus mit seiner Passion in die Acht erklärt ist. Wenn dann das Fleisch in Begierden aufschäumt, sprechen sie von Weibern und Taten der Wollust in unzüchtigen Worten, und werden nachher dadurch veranlasst, sich dem Spazieren und dem Müßiggang, dem Spiel, den Schenken und andern Lastern hinzugeben, und endlich: die Vespern und andern kanonischen Stunden brechen sie, leiern sie ab, verstümmeln und verkürzen sie, und nicht einmal in der Kirche während der Feier der Messe können sie es unterlassen, in ihren Stühlen und durch die Kirche einherspazierend viele unpassende, übermütige, unsittliche und habgierige Reden zu führen; sie sollten viel eher noch als Hunde aus dem Gottesdienst von Christo hinausgejagt werden, denn sie rufen ein unerträgliches Ärgernis in den Herzen einfacher Laien hervor.

Zum dritten habe ich gesagt, dass ihr durch tugendreiche Armut Zeugnis ablegen sollt. Denn wenn ihr gegen die größeren Laster, nämlich hoffärtiges Leben und Fleischeslust, durch die größeren jenen entgegengesetzten Tugenden der Keuschheit und der Erniedrigung Zeugnis abzulegen habt, so müsst ihr auch gegen das geringere Laster der Augenlust durch die ihm entgegengesetzte Tugend, die tugendreiche Armut, Zeugnis ablegen, und zwar um so mehr, je höherer Ämter ihr gewürdigt seid. Hat nicht der Apostel Paulus sich und uns gemeint, als er sagte: „Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasst uns begnügen“? (1. Tim. 6,8.) und Paulus, in Kraft des heiligen Geistes redend, konnte damit nicht überflüssige Nahrung und Kleidung meinen, da solche zur Sünde reizt, sondern was einem jeden nach seinem Stand und dem ihm aufgetragenen Berufe zum Heile nicht hinderlich, sondern zur rechten Ausübung notwendig ist.

Darum redet auch der heilige Bernhard einen vom Altardienst lebenden Kleriker also an: Alles was du vom Altardienst außer deinem nötigen Lebensunterhalt und einfacher Kleidung dir zurückbehältst, ist nicht dein, ist Diebstahl, Raub, Sakrilegium. Und wie könnt ihr, die ihr in Tugend die Laien nach euch ziehen sollt, von der Augenlust zu dem freiwilligen Nichtbesitzenwollen dessen, was über das Erlaubte geht, - wie könntet ihr, sage ich, das wirksam tun, wenn ihr nicht selbst pflichtgemäß in eurem Verlangen herabgeht unter das euch erlaubte Maß des Besitzes? In solchem Herabgehen aber legt ihr gegen die Augenlust durch tugendreiche Armut Zeugnis ab. Aber wo legt ihr wohl durch solche Tugend Zeugnis ab? Vom Geringsten bis zum Höchsten geben sich alle der Habgier hin! (Jer. 6,13.) Denn wer nicht die Möglichkeit hat, recht viel zu besitzen, öffnet doch nicht weniger den Mund des Verlangens wie einen unersättlichen Schlund, Tag und Nacht nur nach Reichtümern trachtend, und oft sind solche in ihrem bloßen Verlangen habgieriger als die, die viele Pfründen, viele Besitzungen gierig anhäufen und sammeln. Denn eben in dem ungezügelten Verlangen, Reichtümer zu besitzen, besteht eigentlich und der Wurzel nach der Geiz, und oft will einer ungezügelt viel haben und erlangt nichts, und ein andrer will weniger und erreicht viel.

Wie viele aber von uns sind in der Tat habgierig die Erfahrung lehrt es nur zu deutlich. Denn schon wer mit einer kirchlichen Pfründe zu finden sein kann, nach dem, was ihm zum Unterhalt nötig ist, wird kaum vermögen, auch die mit jener Pfründe verbundene Pflicht gerecht zu erfüllen, wie kaum auch der Gerechte bleiben wird und dennoch seine Pflicht nicht vollkommen erfüllt: wer könnte, wenn dann einer gar mehrere dieser Pfründen inne hat, ihn vom Geiz und großer Versündigung an Gott und seiner Kirche freisprechen? Es kommen bei euch Erbschleichereien sogar bei Armen vor und ihr seid eifrig darauf aus, obwohl sie durch göttliches Urteil für ungerecht erklärt werden. (4. Mose 27.) Denn wenn die Töchter Zelaphehads mit ihrer Erbschaftsforderung im Recht waren, da sie auch vor Verkündigung eines Rechtsgesetzes, wie der Herr selbst bezeugt, nach natürlichem Recht als Verwandte, wenn auch noch so entfernte, da andre nähere Verwandte fehlten, die Erbschaft der Verstorbenen erhielten, so ist auch jenes verborgene Naturrecht durch göttliches Urteil anerkannt und bestätigt worden.3) Es gibt unter euch auch Händler, Kaufleute, Schankwirte und dergleichen, die ihre Waren, Pferde, Wein und andres verkaufen, und teurer und daher mit mehr Habgier als gewöhnliche Laien. Zum Besten von Kirchenpalästen, für die Heiligen viel zu prunkvoll und überladen, werden unerhörte Feste abgehalten, Bittgänge, als ob Apostelfeste gefeiert würden, wobei, wie man sagt, mehr durch Lug als durch demütige Bitten die Beutel der Armen geleert werden. Und die Prälaten sollten doch wissen, dass durch eine der Verdammenswerte Lüge Gott mehr beleidigt wird, als er durch Herstellung einer großen Kirche, und wäre sie ganz von Gold, versöhnt werden kann. Es kommt häufig vor, dass Gelder beigebracht werden durch falsche Briefe, Urteilssprüche und Bewilligungen, für Begräbnisse, für Sakramente oder deren Verwaltung und so für vieles andre in nur zu großer Anzahl. Ihr werdet dann Zeugnis ablegen, wenn ihr ohne simonistische Habsucht solches verrichtet! Was lässt sich noch mehr hiervon sagen? Wie Feuer, Schwefel und Sturmwind ein Teil des Leidenskelches der in der Hölle Verdammten ist, so sind die oben erwähnten Übel ein nicht geringer Teil des ganzen Übels, durch das wir von dem Zeugnis Christi abweichen. Ach, dass wir doch nicht Baalspriester wären, feiler als die Priester der Heiden, mehr als jene dem Götzendienst der Habsucht eifrig ergeben!

Doch weil, wie David sagt, die Erde voll ist der Güte des Herrn und seine Barmherzigkeit gehet über alle seine Werke, und das Vertrauen der streitenden Kirche steht auf seiner reichen Barmherzigkeit, denn die Barmherzigkeit Gottes und seine Gnade sind groß, ja, da allzeit ohne Ende ist der Wille Gottes, sich der Gottlosen zu erbarmen, sie freiwillig zu verschonen und ihnen zu erlassen ihre Sünden, ihre Beleidigungen und die dafür verdienten Strafen, ja, nichtsdestoweniger ihnen Gnade um Gnade zu schenken und alle gute und vollkommene Gabe, wollt ihr da, so geliebt, so hochgestellt und vor allem dreifache Stellvertreter Christi im Zeugen von der Wahrheit, wollt ihr, da ihr solches wisst, in Sünden verharren? Das sei fern! Nein, lasst jetzt von dem vergangenen Bösen und tut in Zukunft Gutes, tragt aufrichtiges Leid um die begangenen Sünden! Nehmt euch vor, treu zu verharren in Tugend, kommt mit festem Vertrauen zu dem Thron der unendlichen Gnade, und der Herr selbst wird euch geben Gnade und Ehre: Gnade, dass ihr hier Christo ähnlich in Erniedrigung, Keuschheit und tugendreicher Armut zeugen könnt, und im Vaterlande droben Ehre, da ihr ihm in der Tat ähnlich ewiglich mit ihm in Fülle aller Güter herrschen werdet. Diese Ehre schenke uns aus Gnaden Gott hochgelobt in Ewigkeit! Amen.

1)
pontifex Brückenbauer, Wegbereiter.
2)
Luther: da er gestraft und gemartert ward.
3)
4. Mose 36