Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Das vierte Gnadenwerk,

dadurch der Pilger vollends tüchtig gemacht wird, seine Reise nach der Stadt Gottes anzutreten, ist
die Heiligung im rechten Glauben.

Wenn eine Seele nun also recht elend, arm und wie ein leer Gefäß geworden, daß sie nichts Gutes, keine eigene Gerechtigkeit an sich findet noch hat, als Augensalbe und Erkenntniß, daß sie elend und sündig ist und nach der Glaubensgerechtigkeit hungert und dürstet; so wird in ihr das Freuden-Oel in ihre Lampe gegossen, sie bekommt den Geis des Glaubens 2 Kor. 4,13, wird eine heilige Seele, eine kluge Jungfrau und Braut Christi. Es wird ihr ein heller Schein in’s Herz gegeben, dadurch entsteht auf die erste Erleuchtung und Erkenntniß eine neue Erleuchtung und lebendige Erkenntniß der Herrlichkeit und Klarheit Gottes in Christo 2 Kor. 4,6, und das ist der höchste Schatz, obwohl in einem irdenen, schwachen und gebrechlichen Gefäße, V. 7. es ist eine so selige Erkenntniß, dagegen einer solchen Seele alles ander Koth ist Phil. 3. Bei fleißigem Gebrauch des Evangelii und prophetischen Worts wird’s nun recht Tag in der Seele, wenn Christus als der Morgenstern und Gnaden-Sonne in dem dunklen Herzen aufgeht 1 Petr. 1,19.

Ist der Mensch vorher in der engen Pforte auf’s Schärfste geprüfet, examinirt und vor den Richterstuhl gestellet, ihm auch sein Urtheil und Verdammniß kund gemacht worden; so wird er nun mit seiner Berufung unter vielen Thränen, Seufzen und Schluchzen zum Gnadenstuhl im Blute hingeleitet, auf daß er Barmherzigkeit empfange und Gnade finde Hebr. 4,16. Nun lernet er seinen mitleidigen Hohenpriester und Heiland erkennen Hos. 2,20, und gewinnt ein herzliches Vertrauen zu demselben.

Nun wird das erste Gebot in seiner rechten Kraft wieder aufgerichtet: Du sollst nicht andere Götter, Helfer noch Heilande neben mir haben, ja es wird als eine Verheißung an ihm erfüllet: Du wirst nicht mehr andern nacheilen, dich auf zerbrechliche Rohrstäbe lehnen und darauf vertrauen; du wirst nicht mehr so sein. In der rechten Buße fällt alles Vertrauen auf Kreaturen und uns selbst weg, und im rechten Glauben folgt das Aufsehen auf Jesum. Dieß ist die höchste Verherrlichung Gottes Röm. 4,20, daß der abgekehrte, hülflose, elende Sünder durch Christum (wohlgemerkt! durch Christum) wieder ein Vertrauen zu Gott gewinnet 2 Kor. 3,4, Gott nicht mehr als seinen Feind ansiehet, sondern als seinen Erbarmer. Das richterliche Ansehen, die zornigen Blicke Gottes klären sich in Christo in lauter Liebe auf, wie die Sonne nach dem Ungewitter.

Der heilige Geist, als der Thürhüter, thut das verschlossene Herz auf, Christus geht ein mit seiner Gnade, und wird als Heiland erkannt und angenommen. Auch öffnet der heilige Geist die ganze Fülle, auch selbst die Himmelsthüre in der aufgespaltenen Seite Jesu. Wir haben einen Zugang zu aller Gnade und Seligkeit.

Nun fliehet der vom Bluträcher verfolgte Missethäter in die offene Freistadt der Wunden Jesu; die Sünderin liegt zu des Heilands Füßen; der verlorne Sohn macht sich auf zum Vater; Lot errettet sich auf dem Berge, da er auch in Zoar nicht sicher ist 1 Mos. 19,30; das geistliche Israel hält Pascha, isset das Osterlamm, die Thüren werden vor dem Würgengel mit Lammesblut bestrichen; es geht durch’s rothe Meer, durch’s Blut des Bundes wird es ausgelassen; es erhält den ersten Sieg, und singt zum erstenmal Freudenlieder. Nun geht ein neues Leben und Geburt in der Seele auf.

A) Allerhand Arten des Selbstbetrugs, der sich in Ansehung des Glaubens unter den Menschen findet.

Ein Selbstbetrug ist’s, wenn ungebrochene Leute, die kein Gefühl von ihrem elenden und gefährlichen Zustande haben, ihren Sinn und Urtheil zu ändern, bei ihren herrschenden muthwilligen Sünden sich selbst aus eigener Kraft und bloßer Vernunft einen Glauben machen, der ein bloßer Gedanke in ihrem Kopfe ist.

Falsch ist der Glaube, wenn ihm 1) die Ordnung, 2) der rechte Vorwurf oder Grund, und 3) die Frucht fehlet, oder (welches eben das ist) wenn er a) nicht in der Buße und Beugung entspringet, b) wenn er nicht zu Christo treibet und in seinem Verdienst allein ruhet; c) wenn er nicht die Heiligung mitbringet.

1) Fehlet die Ordnung, nämlich wahre lebendige Erkenntniß und wehmüthige Bereuung der Sünden, so steigen sie zur unrechten Thüre hinein, rauben und stehlen den Kindern das Brod und den Trost (Doch haben solche Seelen kein wahres Brod, keinen wahren Trost, denn nur die geistlich Elenden sollen essen, daß sie satt werden Ps. 22. Die Meinung ist, sie reißen etwas zu sich, maßen sich etwas vom Brod und Trost der gläubigen Sünder an, das ihnen doch nicht gehört. Darum gedeiht’s ihnen nicht, kann auch nicht) vor dem Munde weg. Wohlgemerkt: Wenn auch der Grund Christi Verdienst und Gottes Barmherzigkeit wäre, darauf man sich verließe, so wäre es doch ohne solch lebendige, beugende Erkenntniß seines Sündenelendes und Verlorenseins nur ein fleischliches Vertrauen und nicht der rechte Glaube.

Fehlet dem Glauben 2) der rechte Grund und Vorwurf, Christus und seine blutigen Wunden, so ist’s wieder nicht der rechte Glaube. Es ist nichts anders als ein bloßes Vertrauen zu Gott ohne Vermittlung Christi; da kennt man aber Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht.

Ein Vertrauen zu Gott in leiblichen Umständen können auch Unbekehrte haben, die ohnedem nichts mehr von Gott verlangen, als daß er sie hier in diesem Leben im Leiblichen versorgen und endlich oben darauf dem Himmel geben möge. Das ist alles nur ein natürliches Vertrauen.

Ich kenne welche, die nach ihrem Temperament dreiste und kühn sind, fürchten sich nicht leicht, das halten sie für Glauben, und ist doch nur Vermessenheit und das trotzige Herz Jer. 17,9.

Andere vertrauen auf ihr gutes wissen, Ehrbarkeit, gute Werke, und glauben, weil sie solches hätten, und nicht wären wie andere, böse Leute, da würde ihnen der liebe Gott wohl gnädig sein um Christi willen und würde ihnen ihre Sünden vergeben. Das heißt eigene Gerechtigkeit; es heißt: unser und Christi Thun zusammensetzen und darauf bauen. Im Grunde will man doch gerecht sein um seiner eigenen guten Dinge halben, äußerlich setzt man Christum nur Gewohnheits- und Ehren halber mit dazu. Aber eben darauf, gleichwie auch auf dem Vertrauen auf Menschen ruhet der Fluch Jer. 17,5.

Hier ist zu merken der Unterschied: Auf Jemand vertrauen, und zu Jemanden ein Vertrauen haben. Zu Knechten und Kindern Gottes soll man ein Vertrauen gewinnen, aber nicht auf sie vertrauen; das wäre feine Abgötterei. Ferner weder zu sich selbst, noch auch sich selbst muß der Mensch vertrauen, wegen der großen Betrüglichkeit des Herzens.

3) Fehlt endlich dem Glauben die Frucht, man wandelt nicht in der Wahrheit, hält sich alles zu gut, so heißt es: Die Gnade auf Muthwillen ziehen, auf Gnade sündigen; und das findet man sowohl bei Unbekehrten als auch Rückfälligen. Wahrer Glaube entspringet in der tiefsten Seelen-Beugung, dabei kann nicht nur stehen, sondern findet sich auch wirklich tägliche Beugung über das noch anklebende Sündenelend. Wohlgemerkt: Wo kein Gefühl des Elendes, da ist auch kein Glaube. Zu den Zeiten Jesu glaubten viele an seinen Namen, aber Er vertraute sich ihnen nicht, denn Er kannte sie alle Joh. 2,24, daß nämlich der Meisten Glaube nicht recht gewurzelt war in der Erkenntniß ihres Elendes, daß es nur ein Zeit-Glaube war.

B) Wie und womit Bußfertige (d.i. Leute, die angefangen ihr Sünden-Elend zu erkennen und wahrhaftig zu fühlen, auch darüber gebeugt sind) sich selbst in der Gnade aufhalten?

Bußfertige halten sich auf von der Gnade, 1) wenn sie den vorgehaltenen Glauben, die dargebotene Gerechtigkeit nicht annehmen Apg. 17,31. Röm. 3,25.

2) Wenn sie mit Gottes Wort nicht vergnügt sind, der Verheißung nicht einfältig glauben und trauen, sondern außerordentlich wollen versichert sein; auch nicht ganz arm an aller, auch feinsten eigenen Gerechtigkeit werden, sondern nach ihrer Meinung besser so und so sein wollen, ehe sie glauben.

3) Wenn sie nicht unter ernstlichem und anhaltendem Flehen in die Gnade dringen.

4) Wenn sie nicht glauben, nehmen noch essen wollen, es sei denn die Gnade mit dem Zucker empfindlicher Süßigkeit bestreuet; das ist eine Unart der Kinder.

5) Wenn sie sich durch ihre Unwürdigkeit, Elend, Fehler immer abhalten, aber nicht hinzutreiben lassen.

6) Wenn sie sich nach fremder Hülfe umsehen, wenn’s bei ihnen im geistlichen Verstande heißt: Wo nehmen wir Brod her hier in der Wüste? Wir müssen’s anderswo suchen!

7) Wenn sie sich den Glauben immer wieder nehmen lassen, oder wie Kinder fallen lassen.

8) Wenn sie im Suchen nachlassen, und den Durst und Hunger nach Gnade und Gerechtigkeit wieder vorübergehen lassen.

9) Wenn sie die blutige Versöhnung nicht immer als ihren einzigen Vorwurf und Ziel vor Augen haben, sondern auf etwas anders sehen und bauen.

C) Welche Seelen sich das Glauben selbst schwer machen.

1) Schwer machen sich das Glauben alle, die nicht blos und allein durch den Glauben, sondern heimlich aus den Werken wollen selig werden; nicht eher glauben, bis sie frömmer geworden; ohne Glauben wollen heilig werden, da ist ja Unordnung; durch den Glauben wird man geheiliget.

2) Auch machen sich das Glauben selber schwer alle, die sich in einen gesetzlichen und eigenmächtigen Kampf wider die Sünde einlassen, nicht bald zu Jesu fliehen, und wenn sie dann einmal unterliegen, sogleich auch allen Muth fahren lassen, und ganz niedergeschlagen werden.

3) Schwer und langsam kommen auch solche Seelen dazu, die durch ein ängstliches Wirken, Unruhe, Beten und andere Uebungen den Glauben und die Gnade erzwingen wollen, darunter viel eigener Wille ist, wollen der Gnade vorlaugen.

4) Endlich wird auch denen das Glauben schwer, die ihre Sünden gar zu groß halten, (dieß Wort sage ich nur allein, wohlgemerkt: gar sehr betrübten), nicht von den Schlangen-Bissen ab- und auf den Schlangentreter allein aufsehen wollen.

D) Was den bußfertigen Seelen von außen her schädlich ist.

1) Schädlich sind solchen Gemüthern gesetzliche Schriften und Führer, die stets und stark auf eine Heiligung und Verläugnung dringen, aber nicht den Weg zeigen, wie solche aus der Versöhnung fließe. Wo Mosis Hütte und Schule ist, da ist der Weg zur Heiligung nicht offenbar Hebr. 9,8.

2) Schädlich sind gebeugten Seelen auch diejenigen Schriften und Führer, welche die Rechtfertigung gar zurücksetzen, oder doch nicht wie weise Baumeister, Jesum als Versöhner zum Grunde legen 1 Kor. 3,11, die ohne den Eckstein bauen, die vom HErrn Irrsal predigen, damit sie die hungrigen Seelen aushungern, und den Durstigen das Trinken (die Anwendung, die Zueignung und daß das Evangelium eben ihnen, als solchen Durstigen, gehört) wehren Jes. 32,6. Merke: Wenn alles Wissen, Wundergaben, strenges Leben, größte Heiligkeit auf der Wage göttlichen Urtheils gewogen wird, so wird’s ohne Jesu Blut zu leicht befunden; aber der elendeste Sünder, der Jesu Blut im Glauben ergriffen hat, wird vollwichtig erfunden: Darum heißt die rechte gläubige Erkenntniß Christi überschwenglich Phil. 3,8.

E) Von den Vortheilen beim Glauben.

Die Vortheile beim Glauben sind 1) ein kindliches anhaltendes Flehen, sich mit der Kanaanitin nicht abweisen lassen; sollte man auch in etlichen Malen keine Erhörung spüren, immer wieder kommen.

2) Man lasse bei einer stillen Uebergabe den Glauben in sich wirken, man lasse sich den Glauben geben, wie eine Gabe und Geschenk; man wehre sich nicht, werde stille vom unruhigen Selbstwirken, warte gelassentlich. Da Jesus das Volk speisete, mußte es sich lagern, nichts zur Sache thun; das ist keine Trägheit, sondern eine Glaubensübung.

3) Man lerne fein in seiner äußersten Armuth und Unwürdigkeit glauben Matth. 5,3. O Seele! merke diesen Vortheil!

4) Auch ist ein dienlicher Vortheil fein begierig sein nach der lautern Milch des Evangelii, an den Trost-Sprüchen, an dem Worte vom Blute, Kreuze, Wunden und Tode Christi, an allen darauf gegründeten Verheißungen so lange, laugen saugen, bis man schmeckt, wie freundlich der HErr ist 1 Petri 2,23.

5) Auch ist nicht ein geringer Vortheil, wenn man anfänglich auch nur mit dem geringsten Körnlein und Tröpflein der Gnade zufrieden ist, sich indessen, so gut man kann, damit nährt und stärkt, und dabei denkt, man sei für jetzt noch unfähig, ungeschickt und unwürdig, ein mehreres zu fassen. Gottes Werke fangen klein an, und endigen sich groß und herrlich! Mit sieben Broden speist Er viertausend Mann: die Vernunft will alles bald groß und begreiflich haben.

6) Wenn man sich mit allem seinem Elende, mit allen seinen Sünden, und was man hat, ganz und gar (ohne was zurück zu halten) an den Heiland ergibt, und den ganzen Jesum, wie Er uns vom Vater geschenkt ist, und sich selbst anbietet, im Glauben annimmt, alsdann kann man sagen: Mein Freund ist mein und ich bin sein!

7) Wenn wir glauben, so erfahren wir, daß die gute Liebe sich mit unsern geringsten Kleinigkeiten zu thun macht, und den Glauben mit Sieg und Segen krönet. Amen!

Ich entsage allem Unglauben, Blödigkeit, übrigen Bedenken, Vernünftelei, und mißtrauischen Zweifel um der Wahrheit des Evangelii willen, die gewiß ist.