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Heshusius, Tilemann - Eine Predigt von der persönlichen und in alle Ewigkeit unzertrennlichen Vereinigung beider Naturen in Christo Jesu.

(Einzeln Eiseleben 1580. 4. (In die Postille aufgenommen als „andere Predigt am achtzehnten Sonntage nach Trinitatis“).

Text: Matth. 22 (V. 41 – 46).

Auslegung

Das Gesetz ist eine nöthige Lehre in der Gemeine Gottes. Denn ohne dasselbige können wir zur Erkenntniss der Sünden nicht kommen. Darum, da der Herr Christus vom Pharisäer gefragt wird, welches das fürnehmste Gebot im Gesetz sei, antwortet er ihm richtig darauf, wie wir im ersten Theil dieses Evangelii gehört haben. Es lässt es aber dabei der Herr Christus nicht wenden, dass auf die Frage vom Gesetze ist geantwortet worden, sondern legt den Pharisäern eine Frage für vom Messia, auf dass er ihnen zu verstehen gebe, wenn sie gleich das Gesetz auf’s beste verständen, so wäre es doch an Dem nicht genug, sintemal das Gesetz die Sünden wohl zeiget und Gottes Zorn verkündiget, aber Niemand von Sünden hilft, noch selig macht; man müsse auch den Messiam und sein Amt recht kennen. Wie denn nicht allein Moses, sondern alle Propheten beide Theile der Lehre geführet haben, nicht allein das Gesetz geprediget, sondern die Verheissung vom Messia verkündiget und alle Welt auf ihn vertröstet. Es hatten aber die Pharisäer das heilsame Licht der prophetischen Lehre verloren, den zukünftigen Messiam hielten sie für einen weltlichen Potentaten, das Gesetz deuteten sie nur vom äusserlichen Gehorsam, haben also zugleich Gesetz und Evangelium verloren gehabt, wie auch im Papstthum geschehen. Ist derwegen von Nöthen, dass wir auf beide Punkte Acht geben, damit wir nicht wiederum in solche Blindheit gerathen. Vom Gesetz ist in der ersten Predigt nach Nothdurft gehandelt. Auf dies Mal wollen wir den Punkt vom Messia für uns nehmen, auf dass wir unsern Herrn und Heiland recht erkennen und wissen mögen, welchen Trost wir in ihm wider die schwere Anklage des Gesetzes haben. Dass wir nun diesen nöthigen und hohen Artikel von der Person Messiä, an welchem Punkt alle unsere Seligkeit gelegen, eurer Liebe ordentlich fürtragen, und ihr den gründlich fassen möget, so wollet auf diese fünf Hauptstücke Achtung geben:

Der eingeborene Sohn Gottes, Jesus Christus, verleihe uns seine Gnade, Verstand und Stärke durch seinen heiligen Geist, solche heilsame Lehre eurer Liebe recht fürzutragen, und dass ihr es mit gläubigem Herzen fassen und dadurch selig werden möget. Amen.

I. Vom ersten Hauptstück:

Dass Jesus Christus, unser Heiland, wahrer, natürlicher Mensch sei.

Als der Herr Christus den Pharisäern die Frage aufgiebt: Wie dünkt euch um Christus? Wess Sohn ist er? sind sie bald fertig und antworten: David’s. Denn die Verheissung, durch den Propheten Nathan geschehen, war ihnen bekannt, 1. Chron. 18: Wenn aber deine Tage aus sind, dass du hingehest zu deinen Vätern, so will ich deinen Samen nach dir erwecken, der deiner Söhne einer sein soll, dem will ich sein Königreich bestätigen, der soll mir ein Haus bauen, und ich will seinen Stuhl bestätigen ewiglich, ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein. Diese Verheissung war ganz wohl bekannt; denn sie war in vielen Psalmen und durch die Propheten sehr oft wiederholet und ward täglich im Volke geprediget, darum bedenken sie sich nicht lange, sondern sagen flugs: David’s Sohn muss der Messias sein, bekennen aber damit deutlich, was der Messias sein müsse, ein wahrer, rechter, natürlicher Mensch, der Leib und Seele, Fleisch und Blut haben werde, wie wir, und der vom Geschlecht und Geblüt David’s herkommen soll. Der Herr Christus nimmt solche Antwort der Pharisäer für bekannt an, straft sie nicht, denn sie stimmt mit Gottes Wort, darum müssen wir Acht darauf geben, dass wir auch also vom Heiland Jesu Christo gläuben und halten.

Der böse Feind hat durch viel Rotten und Secten diesen Punkt von der Menschheit Jesu Christi auf mancherlei Weise angefochten; denn er weiss, dass unsere Seligkeit darauf stehet. Die Valentinianer haben fürgegeben, der Herr Christus wäre nicht ein rechter, natürlicher Mensch, der Leib und Seele, Fleisch und Blut von der Jungfrau Maria hätte angenommen, sondern seinen Leib hätte er mit vom Himmel gebracht und hätte einen sonderlichen Leib. Die Manichäer haben gedichtet, der Herr Christus wäre nicht wahrer Mensch gewesen, sondern hätte sich nur also gestellet und wäre nichts Anderes, denn ein Gespenst gewesen.

Mit solchem Irrthum hat der Satan den Grund unseres Glaubens uns entführen wollen. Denn so der Herr Christus nicht wahrhaftig Fleisch und Blut gehabt, so hätte er nicht leiden und sterben können, so hätte er für unsere Sünde nicht bezahlet, wir wären noch in unseren Sünden, so könnten wir nimmermehr selig werden.

Die Arianer haben bekannt, dass der Herr Christus hätte wohl einen wahrhaftigen Leib an sich genommen, aber ohne Seele, die Gottheit wäre aber anstatt der Seele gewesen. Das ist auch ein gefährlicher Irrthum gewesen; denn also wäre unsere Seele nicht erlöset. Es bedarf aber unsere Seele nicht weniger der Erlösung von Sünden und Seligmachung, denn der Leib. Darum musste der Herr Christus den ganzen Menschen, Leib und Seele, annehmen. Matth. 26. spricht Christus: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Und im 16. Psalm: Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen.

Unsere Wiedertäufer verneuen den Irrthum der Valentinianer und dichten, der Herr Christus habe sein Fleisch nicht von Maria noch von David, sondern vom Himmel gebracht. Aber hie zeuget dies Evangelium das Widerspiel, nämlich, Christus sei ein Sohn Davids, der aus seinen Lenden kommen sei. Schwenkfeld dichtet auch, dass die Menschheit vergöttert und Gott gleich worden sei. Alle diese Irrthümer sind falsch und unrecht und reissen den Grund des Glaubens um, wollen uns den Trost nehmen, dass Christus für uns gestorben, für uns bezahlet und Gott den Vater versühnet, dass Christus Leib und Seele erlöset hat von Sünde, dass Gott unser Bruder ist, dass unser Fleisch und Blut zur rechten Hand Gottes sitzet, dass Gott unser Vater und wir Erben sind der ewigen Seligkeit. Darum soll eure Liebe über dem Artikel festhalten, dass Jesus Christus wahrhaftiger, natürlicher Mensch sei, der Leib und Seele, Fleisch und Blut an sich genommen, der ein rechter Sohn David’s ist, der auch ein wahrer Mensch bleibet in alle Ewigkeit. Denn der Prophet Nathan spricht zu David: Ich will deinen Samen nach dir erwecken, der von deinem Leibe kommen soll, 2. Kön. 7. Und im 132. Psalm wiederholt’s David: Der Herr hat David einen wahren Eid geschworen, davon wird er sich nicht wenden. Ich will dir auf deinen Stuhl setzen die Frucht deines Leibes. Darum auch der Engel Gabriel zu Maria also spricht: Siehe, du wirst schwanger werden im Leibe und einen Sohn gebären, dess Namen sollst du Jesus heissen. Der Herr Christus nennet sich für und für des Menschen Sohn. Johannes spricht: Das Wort, nämlich Gottes ewiger Sohn, ward Fleisch, das ist, ein wahrhaftiger, natürlicher Mensch, der uns in Allem gleich sei, ausgenommen die Sünde, wie die Epistel zu den Hebräern am 2. Cap. deutlich sagt: Er nimmt nirgend die Engel an sich, daher muss er aller Dinge seinen Brüdern gleich sein.

In diesem Punkte haben die Pharisäer nicht geirrt, sind richtiger gewesen, denn die alten und neuen Rottengeister. Und eure Liebe soll Acht darauf geben, dass sie den Artikel recht bewahre. Denn Tertullianus recht sagt: Totum pondus christiani nominis, mors Christi, negatur, quando caro Christi negatur, das ist, die ganze macht und Wichtigkeit des christlichen Namens, nämlich der Tod Christi, wird verleugnet, wenn sein Fleisch geleugnet wird. Und unmöglich ist, dass der Mensch einen einigen Trost wider Sünde und Tod haben könne, der nicht glaubt, dass Jesus Christus ein wahrhaftiger Mensch sei, der Sohn David’s, von der Maria, der Jungfrau, geboren.

II. Vom andern Hauptstück:

Dass Jesus Christus ewige rund allmächtiger Gott sei.

Der Herr Christus lässt ihm daran nicht genügen, dass die Pharisäer bekennen, Christus sei David’s Sohn. Er fragt ferner, warum denn David ihn seinen Herrn nenne und im Geist spreche: Der Herr sprach zu meinem Herrn, setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füsse. So nun David ihn seinen Herrn nennt, wie ist er denn sein Sohn? Wenn gleich ein Sohn mächtiger wird, denn sein Vater gewesen ist, so ist er doch seines Vaters Herr nicht. David ist wohl mächtiger gewesen, denn Juda, Salomon ist mächtiger worden, denn Isai war; aber dennoch kennt Juda den Davidem, Isai den Salomonem nicht für seinen Herrn. Wie nennet denn David den Messiam seinen Herrn, so er doch sein Sohn wird sein?

Hierauf können die Pharisäer nicht antworten, sondern bleiben ganz stecken; denn da war bei den Pharisäern das Licht verloren, dass sie den Messias nicht kenneten, wussten nichts Anderes, denn dass er würde ein pur lauterer Mensch sein, wie andere Propheten und Könige, wie Salomon, Josaphat, Josias etc.; aber mächtiger, weiser, gewaltiger und glückseliger, denn sie Alle. Dass er auch sollte Gottes eingeborener Sohn sein und allmächtiger Gott selbst sein, das Licht war ihnen verloschen, welches schrecklich ist; denn solcher Artikel war oft fleissig durch alle Propheten getrieben, verkündiget, wiederholet, als einer in der ganzen Schrift, wie auch Solches die Noth forderte, denn die ganze christliche Lehre, der Grund unseres Glaubens, aller Trost von der ewigen Seligkeit stehet und ruhet hierauf, dass Christus ewiger und allmächtiger Gott sei.

Aber wie sie die Lehre von dem Amte Messiä verloren hatten, sein ewiges geistliches Reich nicht verstanden, sondern den Messiam nur für einen weltlichen Monarchen hielten, von dem sie nur gross Gut, Land und Leute, Ehre und Reichthum dieser Welt gewärtig waren: also kannten sie auch seine Person nicht und gaben auf die herrlichen Zeugnisse der Propheten vom Messia wenig Achtung. Derwegen dringet allhier der Herr Christus auf das herrliche Zeugniss Davids, der im Geist den Messiam, seinen Sohn, seinen Herrn genannt habe. Derhalben muss der Messias eine höhere Person sein denn David gewesen, bei dem auch David hat Hilfe und Trost suchen müssen.

David hat im Geist wohl gesehen und gefühlt, dass er der Sünde und Tyrannei des Satans viel zu schwach wäre, dass er Gottes Zorn nicht versöhnen, noch den Fluch des Gesetzes aufheben könnte. Er hatte wohl gesehen, dass er weder ihm selber, noch Anderen die ewige Seligkeit geben konnte, und dass kein Prophet, noch einiger Mensch auf Erden Solches zu thun vermocht. Darum ist Gott verursacht worden, den Messiam zu verheissen und alle Welt auf ihn zu vertrösten. Ob nun wohl der Messias von seinem Geblüt kommen und sein Sohn würde, so würde er doch viel eine andere Person sein, nämlich sein, des David, Gott und Schöpfer, sein Heiland und Seligmacher, der sowohl ihn, als alle Gläubigen würde selig machen, den er für seinen Herrn erkennen, den er anbeten und zu dem er in allen Nöthen Zuflucht nehmen möge; denn Gott würde den Messiam nicht senden, weltlich zu regieren über Land und Leute mit Reutern und Knechten, Frieden zu erhalten, die Juden frei zu machen und grosse Güter auszutheilen, sondern ein geistlich Reich sollte er führen, darin er zur rechten Hand Gottes sässe, herrschte über aller Menschen Gewissen, hätte Alles in seiner Hand, er sollte Gott wiederum mit seinem Gehorsam versühnen, die Sünde hinwegnehmen, den Tod vertilgen, die Werke des Teufels zerstören, ein fröhlich Gewissen geben, ewige Gerechtigkeit schaffen und den Menschen wieder zur ewigen Seligkeit bringen. Da siehet David und fühlet wohl, dass alle Menschen, alle Erzväter, alle Propheten, alle Könige, alle Engel im Himmel zu schwach sind. Darum erkennet er den Messiam, seinen Sohn, für seinen Herrn, für seinen Gott und Schöpfer, der von Ewigkeit her bei dem Vater sei, mit welchem der Vater redet, und heisst ihn zu seiner Rechten sitzen, in gleicher göttlicher Macht, Gewalt und Majestät, mit ihm herrschen und das geistliche Reich führen; und beuget sich also David vor seinem Sohne Jesu Christo, sammt der ganzen Christenheit, als vor seinem Herrn und Seligmacher.

Das ist nun der hohe und treffliche Artikel, den der Herr Christus nicht allein von den Pharisäern, sondern auch von uns Allen fordert, welcher auch die Grundveste ist unseres ganzen christlichen Glaubens. Wer sich den Artikel nehmen oder verrücken lässt, dass Jesus Christus ewiger, wahrhaftiger Gott ist, Der kann den allergeringsten Trost wider Sünde und Tod nicht haben, noch in einiger Anfechtung bestehen, ja sein Glaube muss allerdings verlöschen; denn keine Creatur, weder ein Engel noch Apostel, kann die Macht der Sünde überwinden, den Tod hinwegnehmen, das böse Gewissen stillen, Gerechtigkeit und Leben schaffen, keine Creatur kann das Reich des Satans zerstören, aus allen Nöthen helfen, uns erhören, die ewige Seligkeit geben. Sollte nun der Messias nicht ewiger Gott sein, so könnten wir ihn nicht anrufen, an ihn nicht gläuben, noch unsre Hoffnung auf ihn setzen. Darum, auf dass unser Glaube eine starke Grundveste habe, haben die Propheten den Artikel auf das gewaltigste getrieben, die Propheten und Apostel bezeugen, dass der Messias Gottes ewiger und eingeborener Sohn sei, daher David spricht: Der Herr hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget. In der Weissagung des Propheten Nathan spricht Gott: Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein. Johannes der Täufer nennt ihn den eingeborenen Sohn Gottes. Also zeugen sie auch, dass der, Messias Gottes Sohn, Himmel und Erde und Alles erschaffen habe; „alle Dinge sind durch dasselbige gemacht.“ Alle Propheten und Apostel zeugen, dass die ganze Christenheit den Messiam soll anbeten und alle Hilfe von ihm bitten. Ps. 45: Er ist dein Herr, und du sollst ihn anbeten. Ps. 96: Betet an den Herrn im heiligen Schmuck, es fürchte ihn alle Welt. Also zeugen die Propheten und alle Apostel, dass der Messias Sünde und Tod hinwegnehme, Gerechtigkeit und Leben wiederschaffe, alle Todten auferwecken und seine Gläubigen ewig selig machen werde. O Tod, spricht er im Hosea Cap. 13., ich bin dein Gift; o Hölle, ich will Dir eine Pestilenz sein. Ps. 22: Euer Herz soll ewiglich leben. Auch welchen gewaltigen, starken Zeugnissen unwiderleglich folget, dass der Messias ewiger, allmächtiger und wahrer Gott sei, der alle Creaturen in seiner Hand hat; daher nennt ihn David einen wahren Gott, Ps. 45: Gott, dein Stuhl bleibet immer und ewig, das Scepter deines Reichs ist ein gerades Scepter. Du liebst Gerechtigkeit und hassest gottlos Wesen; darum hat dich Gott, dein Gott, gesalbt mit Freudenöle, mehr, denn deine Gesellen. Ps. 72: Man wird dich fürchten, so lange Sonne und Mond währet, von Kind zu Kindeskindern. Ps. 89: Herr Gott Zebaoth, wer ist wie du, ein mächtiger Gott und deine Wahrheit ist um dich her, Himmel und Erde ist dein, und du hast gegründet den Erdboden und was darinnen ist. Ps. 96: Saget unter den Heiden, das der Herr König sei und habe sein Reich, so weit die Welt ist bereit. Jes. 24: Zu der Zeit (nämlich Messiä) wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, auf den wir harren. Jes. 35: Sehet, euer Gott der kommt zur Rache, alsdann werden der Blinden Augen aufgethan werden. Jes. 40: Bereitet dem Herrn den Weg, machet auf dem Felde eine ebene Bahn unterm Gott; saget den Städten Juda: Siehe, das ist euer Gott. Das geht Alles auf die Zeit Messiä, dass Gott vom Himmel alsdann werde selbst vorhanden sein. Jeremias spricht Cap. 23: Dies wird sein Name sein, dass man ihn nennen wird Herr, der unsere Gerechtigkeit ist. Also gewaltig und mannichfaltig haben die Propheten die ewige Gottheit unseres Herrn Jesu dargethan, auf dass wir einen gewissen Grund unserer Hoffnung hätten und uns keinen Zweifel machen, unser Heiland werde uns von Sünde und Tod und allem Jammer erlösen und ewiges Leben geben.

III. Vom dritten Hauptstück:

Dass die zwo Naturen in Christo Jesu persönlich vereinigt und nicht zween, sondern ein einziger Christus ist.

Wir haben bisher gehört, dass in diesem Herrn Jesu Christo zwo unterschiedliche Naturen sind, die menschliche, so von David und von der Jungfrau Maria, und die göttliche, so von Ewigkeit ist. Hier müssen wir nun ferner wissen, dass diese zwo Naturen persönlich vereinigt und verbunden sind, also, dass nur ein Christus ist, ein Sohn Gottes und Mariä, ein Herr unser Aller; der Mensch ist Gott und Gott ist Mensch, wie dies Evangelium klar zeuget; denn Christus lässt Das den Pharisäern gut sein, der Messias sei David’s Sohn, und spricht doch: David nennt im Geist den Messias einen Herrn. Da sind nicht Zween, sondern nur Einer, der zugleich Davids Sohn und Davids Herr ist; denn Gott und Mensch sind eine Person. Also redet auch die göttliche Schrift allenthalben vom Herrn Jesu Christo. Lucä 1: Das Heilige, das von dir geboren wird, soll Gottes Sohn genannt werden. Es ist nicht ein Anderer, der von Maria geboren wäre, und ein Anderer, der von Gott geboren wäre; Derselbe, der von Maria geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden, darum auch Maria Gottes Mutter genannt wird.

Der Apostel Petrus Matth. 16. redet von dem Menschen Christo und spricht: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Joh. 8: Ehe Abraham ward, bin ich; der ich noch nicht funfzig Jahr alt bin, bin dennoch, ehe denn Abraham war. Joh. 9., als Christus den Menschen, dem er die Augen aufgethan, fraget: Gläubst du an den Sohn Gottes? und er antwortet: Herr, wer ist’s, dass ich an ihn gläube? spricht Christus: Der mit Dir redet, Der ist’s. Der Mensch Christus, der mit Dem, der blind gewesen war, redet, ist Gottes Sohn. Paulus spricht Gal. 4: Gott sandte seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz gethan. Eben Der, der vom Weibe geboren ist, ist Gottes Sohn. Röm. 1: Von seinem Sohn, der geboren ist von dem Samen Davids und erweiset als der allmächtige Sohn Gottes nach dem Geist. Ephes. 4: Der nun heruntergefahren ist, das ist Derselbige, der hinaufgefahren ist über alle Himmel, auf dass er Alles erfüllet, aber Derselbige, der heruntergefahren ist, der als ein Mensch gestorben ist, Der ist über alle Himmel gefahren. Joh. 1: Der Täufer spricht: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher, denn ich. Ausdrücklich spricht der Täufer, es sei ein Mann, der zugleich vor ihm gewesen ist und nach ihm komme. Vor Johanni dem Täufer ist er gewesen nach seiner ewigen Gottheit, nach ihm ist er kommen nach seiner Menschheit, und ist doch nur Einer; denn die zwo Naturen sind persönlich vereinigt mit einander, dass sie in Ewigkeit nicht können, noch sollen getrennt werden.

Das ist zwar das allerhöchste Wunder, das im Himmel und auf Erden geschehen ist, darüber sich die Engel und Menschen wundern müssen, wie Gott selbst bezeugt im Haggai: Ich will den Himmel, die Erde und das Meer bewegen, und David wird kommen, der Trost der Heiden. Und wie der Apostel Petrus bezeuget, so gelüstet die Engel, solche Wunder und Herrlichkeit zu schauen, dass Gott offenbaret ist im Fleisch. Mit der Vernunft ist’s unmöglich zu begreifen, dass der ewige und allmächtige Gott, welcher unendlich ist und Himmel und Erde allenthalben erfüllet, ein wahrer, natürlicher Mensch sei, und dass ein Mensch, der Fleisch und Blut hat und sich greifen lässt wie ein anderer Mensch, sollte Gott in der Höhe sein und alle Creaturen in seiner Hand haben. Aber unsere Vernunft müssen wir hier gefangen nehmen und gläuben, was Gott von seinem Sohne zeuget, der ruft vom Himmel und spricht: Dieser, der da aus dem Wasser steiget, der von Johanne ist getauft worden, den eure Augen sehen, ist mein lieber Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe, Den sollt ihr hören.

Die alten Lehrer, Justinus, Athanasius, Cyrillus, Augustinus, damit sie dies hohe Geheimniss dem gemeinen Manne etwas könnten fürbilden, haben sie dies Gleichniss gebraucht: Gleich wie Leib und Seele ein Mensch ist und nicht zween, also ist Gott und Mensch in Christo Jesu eine Person. Durchaus ist’s nicht gleich, denn die Seele weichet vom Leibe im Tode, die Gottheit aber in Christo weichet auch im Tode nicht von der Menschheit. Damascenus lib. 4. sagt recht und feind: Λόφος, quod semel adsumpsit, numquam deservit. Was der Sohn Gottes einmal hat angenommen, Das hat er niemals verlassen. Etliche haben auch diess Gleichniss geführt: Gleichwie Feuer und Eisen vereinigt sind und das Feuer durch’s ganze Eisen leuchtet, also leuchtet die ewige Gottheit durch den Menschen Christum, und sei Gott und Mensch eine Person. Solches dienet etlichermassen zur Anleitung; aber aller Dinge müssen wir unsere Gedanken gefangen nehmen und einfältig gläuben, was die göttliche Schrift zeuget vom Herrn Christo. Johannes spricht: Er wohnete unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater; der unter uns gewohnet hat, Jesus Christus, ist der eingeborene Sohn Gottes. Darum muss man sich hüten und wohl fürsehen, dass man die Person Christi nicht theile, auch nicht zween Christi, noch zween Söhne dichte, wie Nestorius gethan. Der hat fürgegeben, der Sohn Gottes wäre nicht Mensch worden, sondern wohnete in dem Herrn Christo, und der Mensch Christus würde angebetet um der einwohnenden Gottheit willen, gleich wie sonst der Geist Gottes in den Heiligen wohnet und wirket, nur dass Gott grössere Dinge wirket in Christo, denn in anderen Heiligen. Darum hat er nicht sagen noch bekennen wollen, dass Gott hätte gelitten, wäre gestorben, dass die Juden Gott hätten gekreuziget, dass Maria Gottes Mutter wäre, sondern Gottes Sohn wäre allein von Gott geboren, Maria aber hätte den Menschen geboren. Er hielt also vom Herrn Christo Nichts mehr, denn von anderen Heiligen. Solches aber ist ein hochschädlicher Irrthum; denn so bald man die Person Christi theilt, die Naturen sondert und zween Christus oder Söhne setzet, so ist der Heiland und Seligmacher mit allem Trost hinweg; denn Gott allein ohne die Menschheit kann nicht sterben, die Menschheit allein ohne die Gottheit kann die Sünde und Tod nicht hinwegnehmen, darum müssen wir einen solchen Heiland haben, der zugleich Gott und Mensch in einer Person sei. Darum hat die Synodus Ephesina den Irrthum Nestorii recht verworfen, und haben die alten Lehrer den Unterschied fein dargethan zwischen der Einwohnung Gottes durch den heiligen Geist und zwischen der persönlichen Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christo Jesu. Augustinus spricht in der Epistola ad Dardanum: In quolibet propheta et apostolo habitat divinitas, non tamen sicut in capite, quod est Christus, omnis plenitudo. Das ist: die Gottheit wohnet in allen Propheten und Aposteln, aber nicht, wie im Haupte, welches Christus ist, die ganze Fülle; wie auch Cyrillus spricht: Wenn wir bekennen: Das Wort ward Fleisch, verstehen wir’s nicht auf die Weise, wie Gott in anderen Heiligen wohnet; in epistola ad Nestorium: Gott wohnet auch in euch gläubigen Christen, wie Paulus zeuget: Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnet? Aber Gott wird mit den Gläubigen nicht eine Person. Gott war in Elia, in Paulo, Polycarpo, aber nicht wie in Christo. Da Paulus ist getödtet, Polycarpus ist verbrannt worden, konnte man nicht sagen: Gott ist getödtet worden, Gott ist verbrannt worden, obgleich Gottes Diener, Gottes Tempel verbrannt ward. Aber da Jesus Christus gekreuziget und getödtet ward, müssen wir sagen: Gott ist gekreuziget, Gott ist getödtet worden; denn die Person, die gekreuziget und getödtet ist worden, ist Gott vom Himmel.

Also bleibt uns der Trost fest, dass Gott selbst sein Blut für uns vergossen und für unsere Sünde bezahlet hat, und dass wir einen allmächtigen Seligmacher haben. Darum spricht der Apostel Paulus zu den Colossern 2., die ganze Fülle der Gottheit wohne in Christo Jesu leibhaftig, Das ist, persönlich, nicht wie in anderen Heiligen, als in einem Tempel, sondern dass er Fleisch und Blut an sich genommen, und Gott Mensch worden ist. Aus welchem Allen höret eure Liebe, dass man die Person Christi keineswegs soll trennen, die Naturen nicht von einander absondern. Man soll und muss nicht zween Christus noch zween Söhne dichten, sondern einen Christus muss man behalten, der zugleich Gott und Mensch ist.

Wie man nun die Person nicht muss trennen, also muss man auch die Naturen nicht in einander mengen, wie Eutyches gethan hat. Denn die Gottheit ist nicht verwandelt in die Menschheit, sondern die Gottheit bleibet in alle Ewigkeit und behält ihre wesentlichen Eigenschaften. Die Menschheit ist auch nicht verwandelt in die Gottheit, sondern bleibt unter Gott und behält ihre wesentlichen Eigenschaften, wie in Chalcedomensi concilio wohl ist geschlossen worden: Docemus unum eundemque Christum filium unigenitum Dominum, in duabus naturis, inconfuse, immutabiliter indivise, inseparabiliter nusquam sublata essentia naturarum propter unionem, magisque salva proprietate utriusque naturae. Das ist: Wir bekennen einen Christum, Gottes eingebornen Sohn, unsern Herrn, in beiden Naturen, unvermenget, unverändert, ungetheilet, unabgesondert; das Wesen der Naturen nirgends aufgehoben um der Vereinigung willen, vielmehr aber, dass beider Naturen Eigenschaften behalten werden. Dennoch ist die Menschheit Jesu Christi nicht in die Gottheit verändert, sondern bleibet eine wahre Menschheit. Aber mit der Menschheit ist sie persönlich vereinigt und mag in aller Ewigkeit von der Gottheit nicht getrennt werden. Wenn wir denn nun den Herrn Christum im Gebet ansprechen, müssen wir nicht den Menschen Christum ausser oder ohne Anwesenheit der Gottheit, oder allein die blosse Menschheit anbeten, auch nicht die Gottheit ausser dem Menschen Christo, sondern die ganze Person, Gott und Mensch, unsern Mittler und Seligmacher nach beiden Naturen müssen wir anbeten, loben, preisen, bekennen und alle Hilfe bei ihm suchen, wie der Blinde thut. Jesu, du Sohn Davids, spricht er, erbarme dich mein.

IV. Vom vierten Hauptstück:

Warum unser Mittler muss zugleich wahrer Mensch und ewiger Gott sein.

Ob wir schon etlichermaassen solche Ursachen gerühret haben, so wollen wir doch diesen Hauptpunkt wiederholen und etwas gründlicher erklären, auf dass er desto besser verstanden und gewisser behalten werde. Denn dies ist so eine reiche, heilsame, tröstliche und gnadenreiche Lehre, dass mit menschlichen Zungen nicht genugsam davon kann geredet werden.

Warum unser Mittler muss wahrer Mensch sein.

Dieser Ursachen wegen musste unser Mittler, Erlöser und Heiland ein wahrer Mensch sein, auf dass er könnte unsere Sünde auf sich nehmen, für uns den Tod leiden und Gottes Gerechtigkeit an unserer Statt für unsere Sünde bezahlen. Die Gottheit hätte nicht sterben können. Nun hatte aber der Mensch mit seiner Uebertretung den Tod verdient, wie auch Gott den Tod den Menschen gedräuet hatte: Welches Tages du wirst von dem Baume essen, wirst du des Todes sterben. Damit nun Gottes Sohn an unserer Statt sterben könnte und den Abtrag verrichten, so hat er menschliche Natur, Fleisch und Blut, das sterben konnte, an sich genommen. Die Epistel zu den Hebräern spricht: Auf dass er durch den Tod die Macht nehme Dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel. Cap. 2.

Die andere Ursache ist, dass er der rechte Mittler wäre, der zwischen Gott und Menschen handelte. Die blosse göttliche Majestät ohne die Menschheit hätten wir nicht ertragen können; denn Gott ist ein verzehrend Feuer, Deut. 4. Aber darum hat sich die göttliche Majestät mit der Menschheit bekleidet, ja Gott ist selbst Mensch geworden, auf dass er uns allen Rath Gottes offenbarete und wir seine göttliche Gegenwart ertragen könnten. Jesaias am 40. spricht: Alles Fleisch wird sehen, dass der Mund des Herrn redet. Die Epistel zu den Hebräern spricht: Daher musste er aller Dinge seinen Brüdern gleich werden, auf dass er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu versöhnen die Sünde des Volks. Dies giebt nun uns Sündern einen unaussprechlichen Trost. Denn da muss ja ein unsäglich Feuer der Liebe in Gott gegen uns arme Menschen sein, weil er uns also geliebt, dass er nicht allein in uns hat wollen wohnen, sondern auch selbst Mensch werden und uns aller Dinge gleich sein. Weil er auch denn unser Fleisch und Blut an sich genommen und allenthalben gleich worden ist wie wir, doch ohne sünde, so wird er ja einherzlich Mitleiden haben mit unserer Schwachheit und sich barmherzig gegen uns erzeigen. Hieraus sehen wir auch, dass Gottes Sohn, der ein wahrer, natürlicher Mensch worden ist, für uns gestorben ist, und Gottes Zorn mit seinem Tode versöhnet hat. Und weil wir nun wissen, dass unser Fleisch und Blut sitzet zur Rechten Gottes, so können wir festiglich im Glauben schliessen, dass Gott unser Seufzen höre, sich unserer annehmen und uns im Tode keineswegs lassen werde. Dies soll eure Liebe täglich betrachten, so oft ihr Trostes bedürft.

Warum unser Mittler und Heiland müsse ewiger Gott sein.

Wenn gleich der allerheiligste Erzvater, Prophet oder Apostel, oder auch ein Engel uns zum Mittler und Heiland wäre gesetzt worden, so hätte er doch das Amt und Werk unserer Erlösung nicht verrichten können; denn in alle Wege eine unendliche Weisheit und ewige Allmächtigkeit zu unserer Erlösung gehört. Eine Creatur, weder Engel noch Mensch, versteht nicht allen Rath und Weisheit des ewigen Vaters, sondern so viel Gott in der Schöpfung hat offenbaret. Unser Mittler aber musste das ganze herz und alle Weisheit des ewigen Vaters verstehen, auf dass er uns den himmlischen und allen Creaturen verborgenen Rath des ewigen Vaters von Vergebung der Sünden könnte offenbaren. Nach dem Gesetz, welches Gott in der Schöpfung hatte offenbaret, konnte uns nicht geholfen werden, ja, alle Creaturen hätten an uns verzweifelt und verzagt. Aber der eingeborne Sohn Gottes, der im Schoosse des Vaters ist, der siehet allen Rath Gottes, der ist der angelus magni consilii, der uns das grosse Geheimniss verkündiget, dass Gott aus Gnaden durch seinen Sohn uns wolle gerecht machen. Paulus spricht: In Christo Jesu liegen alle Schätze der Weisheit verborgen. Wie nun unser Mittler alle Weisheit und Rath seines Vaters verstehen musste, auf dass wir Gottes Herz und Willen gegen uns gewisser erfahren könnten, also musste er auch aller Menschen Herz, Gedanken, Rath und Anschläge ersehen und erkennen, auf dass er zwischen Heuchelei und Glauben richten, seiner Gläubigen tiefes Seufzen verstehen, auch seiner Feinde heimliche Praktiken und Anschläge, auch aller Teufel eifrige Tücken erkennen und verhindern könnte, welches Alles einer Creatur unmöglich wäre gewesen; denn Gott allein ist ein Herzkündiger.

Für’s Andere, darum musste unser Mittler ewiger und allmächtiger Gott sein, auf dass er den ganzen Zorn Gottes, den aller Welt Sünden erregt hatten, ertragen und stillen konnte, den ganzen Fluch des Gesetzes hinwegnehmen, eine vollkommenliche Versühnung sein für aller Welt Sünde, auch mit seinem Gehorsam eine solche Gerechtigkeit und Seligkeit erwerben, die aller Welt könnte zugerechnet und geschenkt werden. Solches war abermals keiner blossen Creatur möglich. David spricht: So du die Sünde willst zurechnen, Herr, wer wird bestehen? Kein Mensch kann den Zorn Gottes ertragen; denn Gott ist ein verzehrend Feuer. Wenn Gott einen Menschen um seine Sünde will züchtigen, so geht er bald zu Boden. Welcher Mensch wollte denn aller Welt Sünde auf sich nehmen? So hätte auch kein Mensch mit seinem Gehorsam aller Welt die Seligkeit erwerben können; denn allen Gehorsam, Tugend und Heiligkeit, so ein Mensch leisten kann, wenn er gleich vollkommen und ohne Sünde wäre, ist der Mensch ohnedas für sich Gott schuldig und noch viel Mehr. Der eingeborne Sohn Gottes aber, weil er dazu von Gott in die Welt gesandt ist, so leistet er einen solchen vollkommenen, allerheiligsten Gehorsam, damit er erlanget, dass Gott in seinem Sohn Allen, die an ihn gläuben, die Gerechtigkeit zurechnet und die ewige Seligkeit schenket. Paulus spricht zu den Römern 5: Durch Eines Gerechtigkeit kommt die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen. Und Johannis 1. Epistel, Cap. 2: Jesus Christus ist die Versöhnung für unsere Sünde, nicht allein für die unsere, sondern für die Sünde der ganzen Welt.

Für’s Dritte, unser Mittler sollte die Sünde in uns ganz vertilgen und den Tod hinwegnehmen, dagegen neue Gerechtigkeit schaffen und ewiges Leben wieder anzünden; denn in Adam sind wir Alle gestorben und haben die Gerechtigkeit verloren. Solches konnte abermals kein Apostel, kein Prophet, kein Erzvater, auch kein Gabriel noch Seraph verrichten; denn einen Menschen zu bekehren, von Sünde und Tod erretten, Leben in ihm zu wirken und ihn selig zu machen, ist nicht ein geringer Werk, denn die Schöpfung Himmels und der Erde, welche Ehre allein der göttlichen Majestät zusteht. Ich will meine Ehre keinem Andern lassen, spricht der Herr. Darum musste der ewige, allmächtige Gott selbst unser Mittler, Erlöser und Seligmacher sein, auf dass er solche Dinge verrichten könnte, die sonst allen Creaturen unmöglich sind.

Für’s Vierte, unser Mittler und Heiland sollte sein das Haupt der ganzen Christenheit, vom Anfang der Welt bis zum Ende, und der einige und ewige Schutzherr, König und Hoherpriester, der zu allen Zeiten, an allen Orten, in allen Nöthen allen seinen Gläubigen gegenwärtig wäre, sie lehrete und tröstete, der ihr Seufzen sähe, ihre Anrufung hörete, wider alle ihre Feinde sie beschirmte, aus aller Noth und Gefahr errettete, alle Güter und Nothdurft gäbe, in Allem versorgete, in diesem Leben bewahrete, zu jenem Leben sicher führete, und alle Creatur, Himmel und Erde, Wasser, Luft und Feuer, Tod und Leben in seiner Hand hätte, der allen Tyrannen und Rottengeistern mächtig wäre, ihre Herzen nach seinem Willen lenken, ihren Muth brechen und allem ihren Fürnehmen wehren könnte, der dem Satan alle seine Gewalt nehmen, seine Tyrannei zerstören und die Hölle zerreissen könnte, der auch den heiligen Geist geben, zum ewigen Leben uns erhalten und alle himmlische Gaben schenken könnte, und in Summa, dem überall Nichts unmöglich wäre, auf dass wir in allen Anliegen getrost und mit aller Zuversicht ihn anrufen könnten. Dass nun dies Alles keinem Propheten, noch Apostel, noch einiger Creatur möglich sei, kann Jedermann leicht begreifen; denn kein Engel kann aller Orten helfen, noch aus allen Nöthen erretten, kein Engel ist ein Herr Himmels und der Erden, kein Engel ist allmächtig. Darum musste der eingeborene, ewige und allmächtige Sohn Gottes Mensch werden und das Amt des Mittlers auf sich nehmen, sollte uns armen, verlorenen Menschen recht geholfen werden.

Was nun Dies für eine kräftigen, lebendigen, mächtigen und gewissen Trost giebt in allen Anfechtungen, Das ist doch mit Worten nicht auszureden. Wer nur Das festiglich kann fassen und gläuben, dass er einen solchen Mittler, Heiland und Seligmacher habe, der ewiger und allmächtiger Gott ist, dem Alles unterworfen ist, was im Himmel und auf Erden ist, was will Der in Widerwärtigkeit und Anliegen kleinmüthig sein oder zagen? Er rufe nur den Herrn Christum an, der kann mit einem Worte die Krankheit vertreiben, die Gefahr wenden, das Unglück hinwegnehmen, das Herz trösten. Was will sich Der fürchten vor bösen Rottengeistern oder mächtigen, wüthigen Tyrannen! Ist doch der allmächtige Heiland bei uns in der Noth, der hat nicht allein alle Tyrannen und Feinde in seiner Hand, sondern kann ihnen auch den Muth nehmen und ihnen ein Gebiss in’s Maul legen und sie führen, wohin er will. Können uns doch die Feinde nicht ein Härlein von dem Haupte nehmen, Christus, der allmächtige Gott, muss es ihnen erlauben. Was will sich auch der Christ vor der Sünde, vor dem Tode und vor der Gewalt des Satans und der Hölle fürchten? Ist doch der allmächtige Heiland stärker, denn sie Alle, der solche Feinde alle schon überwunden, sie ausgezogen und zur Schau getragen hat. Er sagt: Niemand wird mir meine Schäflein aus meiner Hand reissen. Seid gewiss, ich habe die Welt schon überwunden: der Fürst dieser Welt kommt, aber er hat Nichts an mir. O wenn wir Solches festiglich gläubeten, so würde unser Herz stets in Freuden und Sprüngen gehen; keine Gefahr, kein Anliegen, keine Widerwärtigkeit, keine Krankheit, kein Unglück, kein Unfall, keine Tyrannei, keine Sünde, kein Teufel, kein Tod würde uns schaden oder betrüben können; denn: Hie ist Immanuel! würden wir sagen. Ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein? Darum soll eure Liebe ihr solche heilsame und tröstliche Lehre treulich lassen befohlen sein und nimmer aus der Acht lassen.

V. Vom fünften Hauptstück:

Wie man vom Herrn Christo und beiden Naturen in ihm nach der Lehre der Apostel wohl reden soll, dass man die Person nicht theile und die Naturen nicht in einander menge.

Grosse Streite sind in der Gemeinde Gottes erregt worden über die Art zu reden; denn weil dies eine seltsame und wunderbarliche Person ist, so muss man auch auf sondere Weise von dieser Person reden. Gewisser aber und fürsichtiger können wir nicht fahren, denn so wir den Fusstapfen der Propheten, der Apostel und des Herrn Christi folgen. Denn wie Gott grosse Geheimnisse von seinem Sohne durch die Propheten und Apostel hat offenbaret, also hat er uns auch durch sie unterrichtet, wie wir davon reden sollen.

Diese Vorsichtigkeit müssen wir brauchen, dass wir die Person nicht trennen noch theilen; auch die Naturen nicht tilgen noch in einander mengen, was einer Natur Eigenschaft ist; als: Hunger und Durst leiden, trauern, müde werden, Blut vergiessen und sterben ist eine Eigenschaft menschlicher Natur, von Ewigkeit, unendlich und allenthalben sein ist eine Eigenschaft göttlicher Natur. Das ist, eine Eigenschaft wird der ganzen Person zugeschrieben. Also spricht man recht vom Herrn Christo: Gott hat gehungert, ist durstig gewesen, müde worden, Gott hat gelitten, ist gestorben und begraben, auferstanden, Gott hat sein Blut vergossen. Denn die Person, die da Gott ist, ist gestorben und begraben und hat ihr Blut vergossen. Also redet der Apostel Paulus 1. Corinth. 2: Wo sie die Weisheit Gottes erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuziget. Und Actor 20: Habt Acht auf die ganze Heerde, unter welche euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde, die Gott durch sein eigen Blut erworben hat. Actor 3: Aber den Fürsten des Lebens habt ihr getödtet. Hier muss Niemand gedenken, auch Niemand also reden, als hätte die Gottheit gelitten, wäre gekreuzigt, gestorben, auferstanden, hätte ihr Blut vergossen, oder dass Gott nach beiden Naturen wäre gestorben. Das wäre ganz unrecht; denn die Gottheit kann Nichts leiden, noch sterben, ist unwandelbar; aber die Person, die wahrhaftig Gott ist, hat gelitten und ist gestorben, und Gott hält’s für sein eigen Leiden, weil sein Fleisch, so er persönlich hatte angenommen, hat gelitten. Solches erklären die Apostel bisweilen, als 1. Petri. 4.: Weil nun Christus im Fleisch für uns gelitten hat, so wappnet euch auch mit demselbigen Sinn. Item 1. Petri 3: Christus ist getödtet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist, auf dass man nicht gedenke, die Gottheit habe gelitten oder sei gestorben. Und dennoch muss man sagen: Gott hat sein Blut für uns vergossen, hat gelitten und ist gestorben, auf dass man nicht dichte, die Menschheit allein, abgesondert von der Gottheit, wäre für uns gestorben. Denn eine unzertrennte Person ist’s, Gott und Mensch, die für uns gelitten hat, und ist die persönliche Vereinigung der menschlichen und göttlichen Natur in Christo auch im Tode nicht aufgelöset worden.

Dass die Apostel mit solcher Fürsichtigkeit reden, ist nicht allein um Worte zu thun, sondern vielmehr, dass die persönliche und in alle Ewigkeit unzertrennliche Vereinigung der Naturen in Christo, darauf alle unsere Seligkeit stehet, erhalten werde. Also redet man auch wohl, dass der Mensch Jesus Christus von Ewigkeit ist, dass der Mensch Jesus Christus Himmel und Erde erschaffen hat. Nun ist die Menschheit Christi nicht von Ewigkeit, die Menschheit Christi hat Himmel und Erde im Anfang nicht erschaffen. Aber die Person, die Gott und Mensch ist, ist von Ewigkeit und hat Himmel und Erde erschaffen. Darum spricht der Herr Christus Joh. 8: Ehe Abraham ward, bin ich. Und Joh. 1.: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich. Die Menschheit Christi ist nicht vor Johanni gewesen, und dennoch ist der Mann eher denn er; das ist, die Person, die Gott und Mensch ist, ist nach der Gottheit eher gewesen, denn Johannes der Täufer und alle Erzväter. Also muss man auf diese unterschiedene Rede Acht geben. Es ist nicht recht geredet, so man sagt: Die Menschheit Christi ist von Ewigkeit; denn die menschliche Natur hat ihren Anfang aus Maria, der Jungfrau, und ist dennoch recht geredet um der persönlichen Vereinigung willen: Der Mensch Christus ist von Ewigkeit, welches von seiner Gottheit zu verstehen ist.

Die Epistel zu den Ebräern spricht Cap. 13: Jesus Christus gestern und heute und derselbige auch in Ewigkeit. Ein Sonderliches ist’s, so man redet von der Majestät, so die menschliche Natur Christi empfangen hat aus der persönlichen Vereinigung mit der ewigen Gottheit und aus der Verklärung und Erhöhung. Denn da sagt man recht, dass die Menschheit Christi alle Gewalt habe im Himmel und auf Erden, Alles wisse und verstehe, dass Christi Fleisch nicht allein lebendig sei, sondern auch lebendig mache, dass die menschliche Natur Christi, vereinbaret mit der Gottheit, zur rechten Hand Gottes sitze und angebetet werde von Engeln und Menschen. Dies ist recht geredet; denn zu dieser Majestät und göttlichen Herrlichkeit ist die Menschheit in Jesu Christo erhoben und verkläret, nicht dass sie sei abgetilget oder in die Gottheit verwandelt, oder mit der Gottheit vermischet, sondern verkläret ist sie, erhoben und mit göttlicher Majestät gezieret. Der Herr Christus spricht Matth. 28: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Was nun Christo in der Zeit gegeben ist, wie alle alten Lehrer zeugen, Das ist ihm nach der Menschheit gegeben. Joh. 6. spricht der Herr Christus: Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut ist der rechte Trank. Darum ist hier Beides recht geredet: Der Mensch Christus ist allmächtig und die Menschheit Christi ist allmächtig, der Mensch Christus macht lebendig und die Menschheit Christi macht lebendig. Der Apostel spricht zu den Colossern Cap. 2.: In Christo Jesu liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntniss. Nicht allein will Paulus, dass Gott Alles wisse, sondern dass Jesu Christo nach seiner Menschheit, als die mit der ewigen Gottheit persönlich ist vereinigt, Nichts verborgen sei. So man auch von den Amtseigenschaften des Herrn Christi redet, muss man dieselben Christo nach beiden Naturen zuschreiben. Christus Jesus ist unsere Gerechtigkeit, unser Heil, unser Mittler, Erlöser, König, Hoherpriester, unser Fürsprecher und Seligmacher nach beiden Naturen, nach der göttlichen und menschlichen Natur. Denn darum ist unser Mittler zugleich Gott und Mensch, auf dass er unser Heiland und Seligmacher wäre nach beiden Naturen; also wird auch der Herr Christus nach beiden Naturen in einer unzertrennlichen Person von der ganzen Christenheit angebetet.

Diese hohe Lehre von der Person Jesu Christi wird uns allhier in diesem herrlichen Spruch: Der Herr sprach zu meinem Herrn: setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich deine Feinde zum Schemel deiner Füsse lege! fürgetragen, und auf solchem hohen Lehrpunkte ruhet unsere ganze Seligkeit. Darum sollen fromme Herzen den mit allem Fleiss lernen, nach rechtem Grunde in Gottes Wort forschen und vor allerlei Verfälschung sich hüten.

Der ewige und allmächtige Sohn Gottes, Jesus Christus, Gott und Mensch in einer unzertrennten Person, der um unsertwillen vom Himmel gestiegen ist und menschliche Natur an sich genommen hat, auf dass er unsere Gerechtigkeit, Mittler, Heiland und Seligmacher wäre, erzeige uns seine Barmherzigkeit, erleuchte uns durch seinen heiligen Geist, dass wir ihn und seine Wohlthaten recht lernen erkennen, wie er sich in seinem Wort hat offenbaret, alle unsere Hoffnung auf ihn setzen und durch sein Blut und Tod Vergebung der Sünden und ewige Seligkeit erlangen. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters