Harnack, Theodosius - II. Die Neutestamentliche Verschonungsgnade.

Fastenpredigt.

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, in welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, sei mit Euch Allen. Amen.

Geliebte in dem Herrn! Wenn die alte christliche Kirche zu den für die heilige Fastenzeit bestimmten Vorlesungen aus der heiligen Schrift besonders gern Abschnitte aus dem alten Testament, aus Moses und den Propheten auszuwählen pflegte, so geschah es, um sich in dieser Vorbereitungszeit auf die Feier der heiligen Passion unseres Herrn lebendig hineinzuversetzen in die Zeit der göttlichen Vorbereitung des Neutestamentlichen Opfers; um sich ganz hineinzuleben in die Zeit des Gesetzes, der Verheißungen, und der Weissagungen, um von dort aus sich für die Aufnahme des Wortes vom Kreuze zubereiten zu lassen, und um so zu zeugen von dem unzerreißbaren Zusammenhang des Alten und Neuen Bundes. Oder könnt ihr auch den Frühling vom Sommer, die Morgenröte von dem Aufgang der Sonne trennen? Freilich Moses ist tot, die Propheten sind verstummt, der Tempel zerstört, das Opfer aufgehoben, Jerusalems Glanz verblichen, und es vermag nun um so weniger irgend Jemand vor Gott durch des Gesetzes Werke gerecht zu werden, nachdem ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott allein gilt, geoffenbart ist; aber unter dem Gesetz und den Propheten, und durch dieselben ist, wie die Wintersaat unter dem Schnee, die Gerechtigkeit zuvor bezeugt, welche kommt durch den Glauben an Jesum Christum zu allen und auf alle, die da glauben. Den segensreichen Spuren dieser Vorbezeugungen christlicher Gnade im alten Bunde ist die Kirche, sind die Gläubigen aller Zeiten immerdar fleißig nachgegangen, folgend dem Worte ihres Herrn: sucht in der Schrift, d. h. forscht im alten Testament, denn sie ist es, die von mir zeugt. Ja von diesem Jesu, dem gekreuzigten und auferstandenen, von seiner Person und seinem Werk, zeugen Moses und die Propheten; auf ihn weist das Gesetz, ihn verheißen die Opfer, seiner trösten sich die Glaubensmänner, und die Propheten, die nach der Neutestamentlichen Seligkeit aus dem Glauben gesucht und von der zukünftigen Gnade geweissagt haben, und haben geforscht, auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, und zuvor bezeugt hat die Leiden, die in Christo sind, und die Herrlichkeit danach. Sie haben es aber dargetan nicht ihnen selbst, sondern uns, denen es nun verkündigt ist durch das Evangelium.

Ebenso ist auch die ganze Geschichte des Volkes Israel, oft bis auf die kleinste Begebenheit, eine großartige Zeichenschrift, mit welcher verzeichnet und vorgezeichnet ist die Geschichte des Herrn selbst, die Geschichte seiner Kirche auf Erden, und die des Lebens, wie der Führungen der Gläubigen des Neuen Bundes? Um nur eins zu nennen: ist nicht Israels Ausführung aus Ägypten ein Vorbild des Auszugs der Gläubigen aus der Welt, aus dem Knechtsdienst des Gesetzes, der Sünde, des Todes? Wiederholt sich nicht geistlich Israels Aufenthalt in der Wüste, in dem Durchzug des Neutestamentlichen Gottesvolks durch die Welt; mit seinen Prüfungen und Sichtungen, mit seinem Fallen und Aufstehen, mit seiner Untreue, und mit Gottes unwandelbarer Treue, aber auch seinem unbestechlichen Gericht? Endlich Israels Besitznahme des heiligen Landes, bildet sie uns nicht ab den allendlichen Einzug derer, die Glauben gehalten, in das himmlische Kanaan, in das Jerusalem da droben, das unser aller Mutter ist, und das wir sehnlichst erwarten um Christi willen, der unsere Hoffnung ist.

Gewiss Grund genug für Christen, fleißig zu forschen im Alten Testament, zu achten auf das feste, prophetische Wort, anzuschauen den Wandel und das Ende der Männer Gottes, und ihrem Glauben nachzufolgen. Aufforderung genug heranzutreten mit dem Lichte der Neutestamentlichen Gnadengegenwart an die Alttestamentliche Vergangenheit, um wieder von dort aus sich das Verständnis des Neuen Bundes tiefer aufschließen und eröffnen zu lassen, um sich unterweisen zu lassen zur Seligkeit durch den Glauben an Christum Jesum. So hat es der Herr gewollt, so haben es die Apostel getan, so hat es die ganze christliche Kirche in ihren Gläubigen allezeit gehalten. Kommt nun noch dazu die beklagenswerte Unkenntnis der Gemeinden in Bezug auf das Alte Testament und die damit verbundene Missachtung desselben in unsrer Zeit; so haben wir um so mehr Grund und Pflicht zu unserer heutigen Passionsbetrachtung einen Alttestamentlichen Text auszuwählen.

Versetzen wir uns denn in die Nacht, da Israel aus Ägypten zog; und lasst uns hören ein Wort, das der Herr, bei der Stiftung des Passahlamms durch Moses zum Volke Israel sprach. Es steht geschrieben

2 Mos. 12,13.
Und das Blut soll euer Zeichen sein an den Häusern, darinnen ihr seid, dass, wenn ich das Blut sehe, vor euch übergehe, und euch nicht die Plage widerfahre, die euch verderbe, wenn ich Ägyptenland schlage.

Christe, Du Lamm Gottes, der Du trägt die Sünde der Welt, erbarme, dich über uns, und gib uns Deinen Frieden! Amen.

Sollten wir, Gemeinde des Herrn, noch nicht verstehen, was es heißt, dass unter dem Gesetz die Gerechtigkeit aus dem Glauben bezeugt ist, hier aus unserm Text können wir es gründlich lernen. Wie ein freundlicher Sonnenblick, der plötzlich die schwarzen Wolken zerreißt und die düstere Erde erhellt, so bricht hier aus dem Ernst des Gerichtes, durch die raue und dunkle Hülle des Gesetzes ein verheißungsvoller Strahl göttlicher Versöhnungsgnade hervor, stark genug um mehr denn noch ein Jahrtausend zu leuchten an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und die Sonne der Gerechtigkeit aufgehe; bis der alte Bund in Frieden dahin fahren kann, da er den Heiland gesehen, das Licht der Heiden und den Preis des Volks Israel.

Ist's nicht, als ob die Worte unsres Textes im Neuen Testamente stehen müssten, so bestimmt und klar predigen sie uns die evangelische Verschonungsgnade? Doch was fragen wir; sie gehören auch zum Neuen Testament. So fern dieses hineinragt in das Alte Testament und hervorgeht aus demselben, denn das Heil kommt von den Juden; sofern es derselbe Christus ist, an den Adam und Noah, Abraham und Moses, Samuel und David, Jesaias und Maleachi glaubten, auf den sie hofften, und in dessen Schoß sie sterbend ihr müdes Haupt legten; in sofern ist auch schon im Alten Bunde der Neue verborgen, und in sofern weisen Gesetz und Propheten, weist unser Text auf den erst kommenden Christus, eben so wie der letzte Prophet des Alten Bundes auf den schon gekommenen mit den Worten: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Nicht das Blut geschlachteter Lämmer, sondern das zu vergießende Versöhnungs-Blut des Lammes Gottes, von dem jenes weissagte, bewirkt den großartigen Vorübergang, und rettet Israel aus dem Gericht und dem Verderben. Denn Gott ist nicht zu versöhnen mit der Lämmer und Böcke Blut! Setzen wir uns unsern Text in die Neutestamentliche Sprache um, so können wir es nicht besser, als es im Hebräerbrief zu lesen ist, wenn es dort heißt: „Dieweil wir ein solchen Hohenpriester haben, so lasst uns hinzutreten mit Freudigkeit zum Gnadenstuhl, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe Not sein wird.“

Wir legen also in unsern Text nichts hinein, wir wenden ihn auch nicht bloß an, sondern wir legen ihn recht eigentlich aus, wenn wir ihn als ein Vorbild, als eine Weissagung der Neutestamentlichen Verschonungsgnade fassen. So und nicht anders will er verstanden sein; anders wird er missverstanden, seines Inhaltes entleert und seiner Gotteskraft beraubt. Sehen wir näher zu, so decken sich Vorbild und Urbild vollkommen, nur dass im Neuen Bund in großen Zügen, weltgeschichtlich und für die Ewigkeit vor sich geht, was dort im Alten zeitlich und im Kleinen sich ereignet. Dort Israel und Ägypten, hier Gottes und Satans Reich; dort Geknechtete Ägyptens, hier Gebundene der Sünde und des Todes; dort ein Würgengel, hier ewiger Tod; dort endlich das befreiende und verschonende Blut geschlachteter Lämmer, hier das teure und kostbare Erlösungs-Blut des Lammes, das der Welt Sünde trägt. Dies letzte aber ist es, worauf es allein ankommt; denn das ist das Zeichen und Zeugnis der Verschonung. Ohne die Stiftung dieses Passah d. h. dieses Vorübergangs, dieser Verschonung, wäre Israel nicht aus Ägypten gezogen, noch ein selbstständiges Volk geworden; auf jenem verschonenden Gnadenakt beruhte sein ganzes Dasein. Das Passah ist der Mittelpunkt aller Alttestamentlichen Gnadenerweisungen Gottes, um ihn legt sich alles andere an, jährlich musste es immer wieder gefeiert werden, und davon sollten die Väter den Kindern und Kindeskindern erzählen. Eben deshalb ist es auch ein Vorbild des Kern- und Sternpunkts im Evangelio, nämlich der Rechtfertigung vor Gott aus Gnaden um Christi willen, welcher einzig und allein das Neutestamentliche Gottesvolk, das geistliche Israel, seine Entstehung und sein Dasein, seine Bewahrung und seine Vollendung verdankt. Wie das Gericht in Ägypten die Wiege des Volks Israel ist, so ist das Gericht auf Golgatha die Geburtsstätte der christlichen Kirche, der Gemeinde der Gläubigen aller Völker und Zeiten.

Treten wir so vorbereitet unserm Text näher. Angehaucht vom Geiste des Evangeliums, beleuchtet von seinem Licht, erschließt sich uns diese Alttestamentliche Verheißung zu einer Verkündigung von der Neutestamentlichen Verschonungsgnade durch Christi Blut.

Indem wir unserm Texte Wort für Wort nachgehen, wird sich uns aus demselben das Wesen und die Wirkung der Verschonungsgnade in der Ordnung ergeben, wie dieselbe in dem Verse eines alten Kirchenliedes ausgesprochen ist:

Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid;
Macht, dass ich kann vor Gott bestehn
Und zu der Himmelsfreud' eingehn.

1.

„Und das Blut soll euer Zeichen sein.“ Israel, das Volk der Verheißung, Abrahams Kinder, im Diensthause Ägyptens! Pharaos, des Tyrannen, Geißel zwingt sie zu entehrendem, harten Frondienst. Sie müssen bauen die riesigen Bauten der Pharaonen, und was sie schaffen, es sind die Grabdenkmäler ägyptischer Könige. Wo ist nun Gottes Bund, wo das Wort seiner Verheißung? Ach, die knechtenden Bande, unter denen die Israeliten schmachten, sie sind selbstverschuldete; der Fluch der Sünde gegen Joseph ruht auf ihnen; sie haben sich selbst an Ägypten verkauft, als sie ihren Bruder zum Sklaven machten. Doch der Herr vergisst seines Bundes nicht, seine Gnade ist mächtiger als Israels Sünde; er schaut hernieder und ihn jammert seines Volks, das nach seinem Namen genannt ist. Er macht sich auf, ihnen zu helfen. Als die Not aufs höchste gestiegen, als die Existenz des Volks bedroht ist, da erweckt er Moses seinen Knecht, rüstet ihn aus mit seinem Wort und Geist, und sendet ihn zu Pharao, damit dieser das Volk frei lasse. Pharao aber lehnt sich auf gegen den Herrn und seinen Gesandten; jeder neue Erweis der Macht und des Gerichts Gottes verstockt sein hartes Herz nur mehr, und als neun Plagen fruchtlos geblieben, wird ihm die entscheidende zehnte angekündigt. Gott der Herr will umhergehen in einer Nacht, und schlagen alle Erstgeburt Ägyptens, von dem ersten Sohne Pharaos an, bis auf den ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis, ja bis auf die Erstgeburt aller Tiere; auch diese müssen unter der Sünde Pharaos mit leiden.

Aber Israel? Nun, kann auch eine Mutter ihres Kindleins vergessen? Und wenn sie desselben vergäße, der Herr vergisst der Seinen nicht. Jetzt oder nimmer muss er seiner Treue und seines Bundes gedenken, den er mit Abraham geschlossen, oder er ist nicht Jehovah, nicht der Seiende, nicht der Unveränderliche. Wird er es tun? Was fragen wir! Niemanden können wir so beim Worte fassen, als Gott den Herrn; das ist seine Ehre und sein Ruhm; das unser Fels und unser Heil. So bewährt er sich auch hier. Er gebietet jedem Hausvater unter den Israeliten, er solle ein tadelloses Lamm aus der Herde nehmen, es vier Tage im Hause behalten, um es dann in der bestimmten Nacht des Gerichts zu schlachten, zuzubereiten, und mit seinen Hausgenossen zu essen, so dass nichts übrig bleibe; mit dem Blut desselben soll er aber die Türpfosten und die Überschwelle des Haules bestreichen; das soll ein Zeichen sein an ihren Häusern, dass der Verderber daran vorüber gehe. Eines Lammes Blut soll sie bewahren und erretten, eines Lammes Blut ist der Grund ihrer Verschonung. Das ist das Passahlamm.

Auch wir, Geliebte in dem Herrn, haben ein Osterlamm, d. i. Christus für uns geopfert. Das, was uns rettet ist Christi Blut und Gerechtigkeit. Oder bedürfen wir nicht der Errettung? Freilich blicken wir mit flüchtigem Blick auf das gewöhnliche Treiben im Leben, man. sollte meinen die Erde wäre ein Paradies, und ihre Bewohner nur Glückliche. Man isst und trinkt, man lebt herrlich und in Freuden, man wechselt in den Genüssen aller Art; man geht dahin in Gedankenlosigkeit, Leichtsinn, Eitelkeit, Hoffart des Lebens. Erinnert man an Gott! Nun, der ist im Himmel! An Christum? nun der war ein Mensch wie wir, vielleicht etwas besser. An den Glauben? der ist für die Unverständigen, und passt nicht für die aufgeklärte Zeit. An die Kirche? das ist ein Wort, das man kaum noch kennt, es sei denn von den vier Mauern die Rede. Ja, wenn die hohe Röte der Wangen eines Auszehrungskranken Zeichen seiner Gesundheit ist; dann sind auch wir geistlich gesund und bedürfen der Errettung nicht. Wahrlich es tut einem weh, vor einer Gemeinde, die nach Christo und seinem Evangelio benannt ist, davon noch reden zu müssen. Dennoch ist diese Wahrheit eine so handgreifliche, dass wenn die Predigenden schweigen wollten, die Kanzeln anfangen müssten dawider zu zeugen. Das Eine mögen wir beachten; solcher mögen auch viele unter Israel in Ägypten gewesen sein, die an dem süßen Wasser des Nils und an den Fleischtöpfen ihre Lust hatten, so dass ihnen nichts darüber ging; trotz dessen waren sie Knechte Pharaos.

Wir müssen noch weiter reden. Andere, die besonnener sind, geben zu, dass es mit ihnen nicht so beschaffen sei, wie es sein sollte, aber sie liebäugeln mit ihrem guten Herzen, ihren Gefühlen, ihren Vortrefflichkeiten; sie bestreben sich besser zu werden, und vergessen, dass das Besser der schlimmste Feind des Guten ist. Oder aber, sie haben wirklich erweckende Gnadenzüge in ihrem Innern verspürt, und sie reden von Christo, vom Worte Gottes, von ihren Herzenserfahrungen, von dem Geiste Gottes, der in ihnen ist, und schwelgen in der Seligkeit geistlicher Selbstbeschauungen. Meint Ihr, diese alle kennten die Gefahr, die über ihrem Haupte schwebt? Wenn sie sie kennten, sie würden ihre Errettung nicht bauen auf den Sand ihrer eignen Werke, die nichts weiter sind, denn Frondienste dem Pharao geleistet; nenne man sie Pflichten und Tugenden, oder Glaube, Liebe, Gebet, Demut, Geist, und gebe ihnen auch die allerchristlichsten Namen. Sollen das die Grundlagen unserer Errettung sein, dann können wir auch auf die Phantasien des Fieberkranken die Hoffnung seiner Genesung gründen. Auch unter Israel in Ägypten wird es an solchen nicht gefehlt haben, die treu und fleißig waren im Ziegelbrennen für Pharao, ohne die Geißel der Vögte zu fühlen, die aber doch auch für sie da waren; an solchen, die mit dem Gefühl treu erfüllter Pflichten Abends ihr Haupt zur Ruhe legen, zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs beten, und dabei meinen mochten, so übel sei's in Ägypten doch nicht; oder vielleicht lasse sich Pharao durch ihre Dienstwilligkeit bewegen, sie ziehen zu lassen. Trotz dessen waren sie Knechte Pharaos und blieben rettungslos in seiner Hand.

Irren wir uns nicht, Gott lässt sich nicht spotten; soviel höher unser Osterlamm steht im Vergleich mit den israelitischen Passahlämmern, um so rettungsloser muss unser Zustand, um so größer unsre Gefahr sein. Sie ist es auch. Die geschilderten Zustände, diese Phantasien, jene Lebenslust auf den Wangen, sie sind nur Erscheinungen, Kennzeichen davon, dass die Krankheit eine bedenkliche Höhe erreicht hat, dass die Gefahr groß ist, und dass wir der Errettung bedürfen. Was würde Gott sonst haben bewegen können, seinen eingebornen Sohn in den Tod zu geben?! Ja wohl, auch wir haben uns durch eigene Schuld verkauft an die Sünde und ihren Fürsten; denn wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Auch wir sind hineingeraten in den schmachvollen und fruchtlosen Knechtsdienst des Gesetzes. Und was wir auch bauen, was wir leisten und tun, es bringt uns nicht aus der Knechtschaft, es sind nur Denkmäler unseres Todes! Wir selbst in der Lust, dem Hochmut, dem Unglauben unseres Herzens sind unsre eigenen Tyrannen geworden. Pharao, er ist nur ein anschauliches Bild von dem Trotz und der Verzagtheit, dem Unglauben und der Hartherzigkeit aller Sünder. Aber er ist auch ein Zeichen göttlicher Strafgerechtigkeit. Auch uns droht die strafende Hand Gottes, die uns nicht nur zeitlichem, sondern ewigem Tode anheim geben kann; auch wider uns macht sich auf der Verderber, der nicht bloß den Leib töten, sondern Leib und Seele verderben mag in die Hölle. Sie naht, die Strafe, oder erkennt Ihr sie nicht in der Wahrhaftigkeit des göttlichen Wortes, in der Unruhe Eures Herzens, in dem rastlosen Ringen nach Frieden, in den Bedrängnissen und Anfechtungen der Kirche und des Glaubens. Ja schauen wir in uns, um uns; der Leichtsinn des Lebens, die Frechheit des Unglaubens, die Ratlosigkeit vieler Gläubigen, und dazu die äußern Glaubenssichtungen, die drückende Not, die dunklen Aussichten, sind sie nicht selbst schon gerechte Strafen unserer Sünde, und der vierte, fünfte, sechste, wer weiß ob nicht schon der neunte Vorbote davon, dass der Herr sich aufmacht, allendlich zu richten und zu entscheiden; sind sie nicht eben so viele Zeugen dafür, dass wir der Errettung bedürfen?

Wo liegt aber der Grund unserer Errettung? Nicht in uns und unserm Tun, sondern in Gottes ewigen Erbarmen. Wir brauchen ihn auch nicht erst zu legen, unser Moses und Josua ist schon da in Einer Person; wir brauchen uns nur erretten zu lassen. Gott der Herr gedachte des Ratschlusses der Erlösung, den er von Ewigkeit gefasst, er wollte nicht den Tod des Sünders, und er bereitete auch uns ein Osterlamm, von dem die israelitischen Passahlämmer nur vorbildliche Schatten waren. Unser Heiland Jesus Christus, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott, hielt es nicht für ein Raub, Gott gleich sein, sondern entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an und ward gleich wie ein anderer Mensch, doch ohne Sünde. Dieses unschuldige, unbefleckte Lamm Gottes sehen wir einziehen in Jerusalem an demselben Tage, da die Lämmer aus der Herde zum Passahmahl ausgeschieden wurden. Gott selbst hat ihn auserlesen aus der ganzen Menschheit zu seinem Opfer; und er gibt sich willig in den Tod für uns. Als er am Kreuze ausruft: es ist vollbracht, da ist auch unsere Errettung vollbracht. Golgatha ist die Geburts-Stätte derselben. Das Blut des Gotteslamms, und das allein, ist der Grund unserer Verschonung. Was Gott in strengster Gerechtigkeit von dem Sünder fordern kann, das leistet Christi Blut, d. h. Christi Verdienst, seine stellvertretende Genugtuung in der Erfüllung des Gesetzes und in der Erduldung des Strafleidens. Nichts also, nichts in uns, sondern Christi Blut und Gerechtigkeit außer uns, und das dadurch ermöglichte und verwirklichte freie, göttliche Erbarmen ist der einige felsenfeste Grund unserer Verschonung und Errettung.

Doch wie es den Israeliten noch nichts half, dass Gott ihnen ein solches Gebot gegeben, sie mussten es auch aus; führen, das Lamm essen und mit seinem Blut die Tür bestreichen; so hilft es auch uns noch nicht, dass wir ein Osterlamm haben, dass uns Gott eine Erlösung bereitet hat. Sie will lebendig geglaubt, sie will rein und unverfälscht bekannt sein. Christi Blut muss auch mein einiger Schmuck, mein Ehrenkleid sein.

Und das Blut, heißt es, soll euer Zeichen sein an den Häusern, darinnen ihr seid. Es sollte ein Zeichen sein an den Häusern. Jeder Hausvater musste also zunächst in seinem Hause das Lamm schlachten, bereiten und mit den Seinen genießen. Aber das allein würde noch nicht hingereicht haben ihn zu bewahren vor dem Verderben; so wäre Gottes Wille und Gebot noch nicht vollkommen erfüllt gewesen. Er musste mit dem Blut auch die Tür seines Hauses bestreichen, damit es sein Zeichen an seinem Hause sei. Das half dem Einen noch gar nichts, dass sein Nachbar dem Gebote Gottes Folge geleistet hatte; er selbst musste es auch tun. Hätte das ein Israelit ganz unterlassen; hätte er darüber gegrübelt, was ihm eines Lammes Blut helfen könne; oder hätte er es nur teilweise ausgeführt, er wäre damit in die Reihe der Ägypter getreten. Nur wer da glaubte an das volle Wort des Herrn ward verschont. Das also, was sie von den Ägyptern unterscheidet, es ist das Passahlamm im Hause, verbunden mit dem Kennzeichen außen vor der Tür. Dieses sichere Kennzeichen und Abzeichen verbindet alle Häuser oder vielmehr alle Israeliten zu einer geschlossenen Gemeinschaft. Wer keines von beiden oder nur eines derselben hat, der schließt sich selbst von der Gemeinschaft der Erretteten aus. Losgetrennt von diesem Bunde, für sich allein stehend, wird er auch nicht errettet, denn er hat nicht Gottes Wort und Gottes verheißungsvolle Stiftung für sich, sondern wider sich.

Wir haben hier, geliebte Gemeinde, eine Gemeinschaft, in der vorbildlich die Gemeinschaft derer dargestellt ist, die als Glieder des Neuen Bundes auf Grund göttlichen Worts und göttlicher Bundesstiftungen, durch denselben einigen Glauben und durch das einheitliche Kennzeichen oder Bekenntnis desselben verbunden sind, d. i. der heiligen, christlichen Kirche. Nur mit dieser Gemeinschaft der Gläubigen und in ihr, die der Herr sich gestiftet hat auf Erden, werden wir durch die Neutestamentliche Verschonungsgnade errettet.

Ein Kranker wird darum noch nicht gesund, dass für ihn eine heilende Arznei da ist, und dass er darum weiß, er muss sie auch brauchen. So kann sich auch die daseiende Kraft des Blutes Christi wirksam erweisen nur an denen, die es in lebendigem Glauben ergreifen. Gottes Wort und Gottes Sakramente, sie werden uns dargeboten als verheißungsvolle Gnadenmittel von der Kirche Jesu Christi, und wir müssen kommen als der Errettung, als des Erbarmens und der Gnade Bedürftige, und mit dem Herzen glauben, und mit dem Munde, wie im Leben bekennen, um selig zu werden. Erst dann ist es auch für uns, für dich und für mich da; erst dann können wir von Herzen sagen: Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck, mein Ehrenkleid. Das vermag in Wahrheit nur der Glaube auszusprechen, der Christum hat in seinem Wort, und der den wahren Leib und das wahre Blut unsres Osterlamms, Jesu Christi, zum Segen empfängt in dem heiligen Sakrament.

Die Gläubigen aber werden alle hineingeboren in eine große Gemeinschaft des Herrn, die erbaut ist auf dem Grunde der Apostel und Propheten, da Christus der Eckstein ist; die kenntlich ist an dem einigen Glauben an die Verschonungsgnade in dem Herzen aller, und an dem gemeinsamen Bekenntnisse derselben im Wort. Zu dieser Gemeinschaft gehören alle Männer Gottes des Alten und Neuen Bundes; zu ihr alle bekannten und unbekannten Gläubigen der christlichen Kirche auf der ganzen Erde, die uns schon vorangegangen sind, die aus großer Trübsal kommend, ihre Kleider helle gemacht haben in des Lammes Blut und die nun schon vor dem Throne des Herrn stehen. Mit ihnen, die schon überwunden haben, stehen wir, die noch Kämpfenden im Bunde, und sind allzumal Ein Leib, dessen Haupt Jesus Christus ist; zwar stehend in der Welt wie Israel in Ägypten, aber doch geschieden von ihr durch den einen Herrn und den einen Glauben an ihn. Trennen wir uns von diesem Leibe, wollen wir unsere eignen Wege gehen, uns für uns selbst erbauen, und uns ein eignes Hüttlein aufbauen neben dem großen Hause Gottes, oder wollen wir überhaupt nicht glauben, ist das Bundesblut des Neuen Testaments uns eine Fabel; so steht uns dies Alles wohl frei, aber Hoffnung auf Errettung können wir uns nicht machen. Denn entweder werden wir in dieser Gemeinschaft und mit ihr errettet durch Christi Blut allein, oder wir werden es überhaupt nicht.

Dieses Familienband der Kindschaft in Gottes Hause, diese gemeinsam geglaubte und bekannte Verschonungsgnade, die uns errettet aus gemeinsamer Gefahr, sie bindet fest und innig, wie kein Band auf Erden. Ja alles, was einen Halt haben soll in irdischen Verhältnissen: das häusliche Leben, die Berufsgenossenschaft, das bürgerliche und nationale Band, wenn es halten soll, es muss geheiligt sein von diesem heiligen Gottesbunde. Deshalb aber, weil in der christlichkirchlichen Gemeinschaft aller Heilsbesitz des Einzelnen in der allen gemeinsam erteilten Gnade ruht, deshalb hat auch derjenige die verschonende Gnade lange noch nicht erkannt, der nur darauf steht, für seine Person das Heil zu haben und sich geborgen zu wissen mit einigen wenigen Gleichgesinnten. Diese christliche Selbstsucht oder dies selbstsüchtige Christentum, dem es nicht um die gottgestiftete Gemeinschaft zu tun ist, es kann nur zum Nachteil des Ganzen, und zur Verkümmerung des Einzelnen ausschlagen. Nein, Dein Glaube ist ein verkümmerter und kranker, wenn ihn nicht durchglüht das Feuer heiliger Liebe, wenn er nicht verwachsen ist mit der gesamten, christlichen Kirche, die vor uns war, die mit uns lebt, und die nach uns sein wird.

Doch achten wir näher auf die Beschaffenheit dieser Gemeinde der Gläubigen nach Maßgabe unseres Textes. Die Häuser der Israeliten mochten an Gestalt und Ansehen sehr verschieden sein, die einen groß und reich, die andern niedrig und arm; das tat's nicht, sie gehörten doch einem Bunde, denn in allen wurde drinnen das Lamm genossen, alle waren draußen gezeichnet mit demselben Zeichen. So tun es auch die christlichen Formen nicht; nicht die Übereinstimmung in Gebräuchen, Übungen, Anordnungen, nicht die Einheit der Sprachen, der Zungen. Nein, nein! Der Glaube an Christi Blut und Gerechtigkeit im Innern, im Herzen, ist es, der die Scheidewand aufrichtet auch zwischen Israel und Ägypten im Neuen Bunde, und wo dieser der rechte lebendige ist, da hat er auch sein von ihm unzertrennliches, bestimmtes und gemeinsames Bekenntnis nach außen.

Vergegenwärtigen wir uns ferner die Israeliten in ihren Häusern. Sie alle umstanden das Osterlamm reisefertig; ihre Lenden umgürtet, Schuhe an ihren Füßen, Stäbe in ihren Händen und aßen, als die da hinwegeilen. Wohl will's ihnen zuweilen bange werden, wenn sie die Fittige des Todesengels rauschen hören, und das Wehklagen der Ägypter vernehmen, aber sie gedenken des Zeichens vor ihren Türen, und sie harren in Geduld des Zeichens zum Aufbruch. Auch darin gleichen ihnen die Gläubigen. Der Bruch mit der Sünde und dem Reiche der Welt ist geschehen, rein und entschieden; sie sind Pilgrimme und Fremdlinge, haben hier keine bleibende Stätte, stellen sich der Welt nicht gleich, wundern sich nicht, wenn sie von der Welt verkannt, geschmäht, verachtet werden, sondern suchen das Zukünftige. Darum begürten sie, wie Petrus sagt, ihr Gemüt, sind nüchtern und wachsam, sehen ihre Hoffnung ganz auf die Gnade, und warten, wenn auch oft in Kleinglauben und Verzagtheit, der Stunde, da Gott der Herr sie rufen wird. Wechseln auch die Zustände ihres innern Lebens mannigfach, gehe es auch über Berg und Thal, durch gute und böse Stunden und Lage, dennoch sprechen sie - bleibe ich stets bei dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat, und nimmst mich endlich mit Ehren an. Das worauf sie allein und immer wieder vertrauen, es ist die Verschonungsgnade in Christi Blut, und so lange sie daran halten, können sie unbesorgt sein, denn diese Gnade rettet vor Gottes Gericht und vor der Strafe der Sünde, diese Gnade bringt sie durch in das ewige Leben.

Ist Christi Blut und Gerechtigkeit mein einziger Schmuck, mein Ehrenkleid, - so kann ich auch vor Gott bestehn, und zu der Himmelsfreud eingehn.

Hören wir aus unsrem Text, was die Verschonungsgnade bewirkt.

Und das Blut soll euer Zeichen sein an den Häusern, darinnen ihr seid. Warum? Auf dass, wenn ich das Blut sehe, ich vor euch übergehe. Wir wissen's, Gott der Herr hat sich aufgemacht Ägypten zu richten. Der Reichtum der göttlichen Güte, Geduld und Langmut, der sie zur Buße leiten sollte, hat Pharao und sein Volk sicher gemacht, aber nun müssen sie offenbar werden vor seinem Richterstuhle; er will ansehen ihre Erstgeburt und sie verderben. Ein furchtbares Sehen des Heiligen und Gerechten! Aber in Israel will der Herr nicht sehen auf die Erstgeburt, ob sie auch den Tod verdiene. Er will ansehen das Blut; das ist das Einzige worauf sein Auge sich richten. will. Wo er nur dies sieht, will er nichts Anderes sehen, und will vorübergehen. Vorübergehen soll das strafende Gericht, vorüber der Verderber mit seinem Schwert, vorüber der Tod mit seinen Schrecken. Heil und Leben, Ruhe und Frieden soll in Israels Häusern herrschen. Ein rettendes Sehen des Heiligen; ein wunderbares Gericht der Erbarmung und Verschonung! Was anders bildet es uns vor, als die Neutestamentliche Verschonungsgnade vor Gottes Zorn und Gericht hier in der Zeit und dort in der Ewigkeit.

Christus unser Herr, das Neutestamentliche Passahlamm, ist, wie er selbst sagt, gekommen in die Welt zum Gericht; er ist gesetzt zum Stein des Anstoßes dem Ungläubigen, zum Fels des Heils dem Gläubigen; jenem ein Geruch des Todes zum Tode, diesem ein Geruch des Lebens zum Leben. Wer an ihn glaubt, wessen Schmuck und Ehrenkleid Christi Blut und Gerechtigkeit ist, der kann auch vor Gott bestehn, der kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Wie? ist denn der Gläubige ohne Sünde, so dass Gott, dessen Augen sind wie Feuerflammen und der ins Herz schaut, an ihm nichts Verdammliches findet? Ruht der Verkläger? Schweigt das Gesetz? Nein; das eben ist die Verschonungsgnade, dass Gott nicht auf unsere Würdigkeit, sondern auf Christi Verdienst sieht, und vorüber geht, wenn er uns mit dem Zeichen bezeichnet findet. Mag der Verkläger auftreten, mag das Gesetz wider uns zeugen; das wonach Gott fragt, es ist der zur Gerechtigkeit Christi sich bekennende, bußfertige Glaube. Wo der ist, da geht das Gericht an uns vorüber, da können wir freudig und zuversichtlich vor Gott bestehen. Aber, sagst Du, mein Herz wird oft geängstet von Zweifeln an Gottes Wort, ich habe keine rechte Freudigkeit, in meinem Fleische wohnt nichts Gutes, Versuchungen und Anfechtungen zum Unglauben suchen mich heim, der Glaube ist schwach, es fehlt mir an der rechten Demut, an der wahren Liebe und Treue; bin auch ich gebunden in das Bündlein der Lebendigen, und werde ich auch bestehen? Lieber, blicke doch auf Israel. Wie verschieden, wie wechselnd mögen auch da die Herzenszustände gewesen sein. Die Einen mutig und getrost, die Andern kleingläubig und verzagt; diese danken freudig im Blick auf ihren Erstgeborenen, jene schwanken besorgt und mit Tränen in den Augen zwischen Furcht und Hoffnung. Dennoch werden sie alle errettet; denn der Herr sieht nicht auf sie, sondern auf das Osterlamm und dessen Blut, das sie bekennen. Darum sei getrost, und hüte Dich nur, dass diese Gedanken Dich nicht abbringen von dem Glauben an Christi Gerechtigkeit, als den alleinigen Grund Deiner Verschonung im Gerichte Gottes.

Doch jene ägyptische Nacht, sie ist nicht bloß ein Vorbild jener Nacht, die auf Golgatha entstand, als die Wetterwolken göttlichen Gerichts sich über den Erstgebornen Gottes entluden, sie weist nicht bloß hin auf die Nächte der Buße und Bekehrung, da wir wiedergeboren wurden zum Glauben und entnommen dem Gericht; sie weissagt uns vielmehr auch jene Mitternachtsstunde, da der Herr kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters wie ein Dieb in der Nacht, zum letzten Mal zu richten den Erdkreis, das Endurteil zu sprechen über alles Fleisch, und die Einen zu strafen mit ewigem Tod, die Andern aber eingehn zu lassen in das ewige Leben. So wie dies Gericht nur das zusammenfassende und beschließende aller vorhergegangenen, durch die Weltgeschichte sich hindurchziehenden Gerichte sein wird, so wird auch dies mit seinen Schrecken an uns nur dann vorübergehen, wenn Gott der Herr uns gezeichnet sieht mit dem gnadenvollen Zeichen der Verschonung. Auch da will er nicht auf unsere Würdigkeit, sondern auf das Verdienst und die Gerechtigkeit unseres Bürgen sehen. Wenn wir hier im Glauben Christum bekannt haben, so wird er auch uns in Gnaden vor seinem himmlischen Vater als die Seinen bekennen; und so gewiss wir in diesem Schmuck vor Gott bestehen sollen, so gewiss gibt es kein andres Mittel dem Gericht zu entrinnen, als die Gerechtigkeit durch den Glauben an Christi Verdienst, und die darauf allein sehende Verschonungsgnade Gottes.

Die aber dem Gericht entnommen, sind, die sind auch befreit von den Strafen der Sünde; ihrer wartet Leben und Seligkeit. Christi Blut und Gerechtigkeit macht, dass ich kann vor Gott bestehn, und zu der Himmelsfreud eingehn.

„Der Herr sprach zu Israel: das Blut soll euer Zeichen sein an den Häusern, darinnen ihr seid, auf dass, wenn ich das Blut sehe, ich vor euch übergehe, und euch nicht die Plage widerfahre, die euch verderbe, wenn ich Ägyptenland schlage.“ Und Ägypten widerfuhr die Plage, alle seine Erstgeburt wurde erschlagen, so dass Pharao endlich das Volk Israel ausziehen ließ aus seinem Lande. In derselben Nacht, da der Verderber an Israel vorüberging, schlug auch die Stunde seiner allendlichen Befreiung. Nun hieß es „ihr werdet stille sein und der Herr wird für euch streiten.“ Führe auch der Weg durch die Wüste, setze auch Pharao ihnen nach mit seinem Heer; das Meer muss eine Bahn bereiten, die Felsen müssen Wasser, die Wüste Speise geben, die Mauern Jerichos müssen fallen und Israel nimmt Besitz vom gelobten Land, vom verheißenen Erbe. So erfährt es auch die Gemeinde der Gläubigen. Ein seliges Volk, verschont durch des Lammes Blut, lebt es aus Glauben in Glauben, von Gnade zu Gnade, bis es zum Schauen gelangt und eingeht in des Herrn Freude.

Zwar geht auch der Weg der Gläubigen um ihrer Sünde willen durch eine Wüste, durch viele Trübsale, Anfechtungen, Läuterungen und Kämpfe; aber wenn sie Glauben halten, so führt sie der Herr wunderbarlich zum seligen Ziel. Die Wasser der Trübsal müssen sich teilen; die Feinde, die innern und äußern, müssen erliegen, und wenn der letzte Feind, der Tod, durch den Sieg des Lammes überwunden ist, so treten sie ein in das verheißene Erbteil der Kinder Gottes, von dem der Seher des Neuen Bundes sagt: Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen; und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen, siehe es ist Alles neu geworden. Und die Gemeinde der Gläubigen, angetan mit dem weißen Kleide der Gerechtigkeit Christi, wird niederfallen und anbeten den, der allein sie gegründet, sie erhalten, sie vollendet hat; und mit ihr vereint wird alle Kreatur Lob und Preis und Ehre sagen dem Lamme, das erwürgt ist, und der beseligenden Verschonungsgnade des dreieinigen Gottes.

Geliebte in dem Herrn! Viele von Israel, die dem Verderben Ägyptens entronnen sind, gingen nicht ein zur verheißenen Ruhe, und verloren sie darum, dass sie nicht glaubten. Aber noch ist eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes. O lasst uns fürchten, dass wir die Verheißung nicht versäumen, einzugehen in diese letzte Ruhe, auf dass keiner dahinten bleibe. Wir haben einen so barmherzigen Hohenpriester, der da Mitleiden hat mit unserer Schwachheit; darum lasst uns halten am Glauben und am Bekenntnis; lasst uns hinzutreten mit Freudigkeit zum Gnadenstuhle, auf dass auch wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe Not sein wird. Wir sind, die wir einst ferne waren, nahe geworden durch das Blut Jesu Christi, und erlöst von unsrem eiteln Wandel, nicht mit vergänglichem Gold und Silber, sondern mit dem heiligen und teuren Blute Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes; darum lasst uns wandeln wachsam und betend, treu unsrer Berufung, auf dass wir allezeit erfunden werden stehend in der Gnade und im Glauben; auf dass wir, wenn unser letztes Stündlein schlägt, unser Haupt in die Arme der rettenden und beseligenden Verschonungsgnade legen können, und dass noch unser letztes Bekenntnis sei:

Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid;
Macht, dass ich kann vor Gott bestehn
Und zu der Himmelsfreud eingehn. Amen.