Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 13. Capitel - 1-28.

Und der HErr redete mit Mose und Aaron, und sprach: Wenn einem Menschen an der Haut seines Fleisches etwas aufführet, oder schäbicht, oder eiterweiß wird, als wollte ein Aussatz werden an der Haut seines Fleisches: soll man ihn zum Priester Aaron führen, oder zu seiner Söhne einem unter den Priestern. Und wenn der Priester das Mal an der Haut des Fleisches siehet, daß die Haare in weiß verwandelt sind, und das Ansehen an dem Ort tiefer ist, denn die andere Haut seines Fleisches: so ists gewiß der Aussatz. Darum soll ihn der Priester besehen, und für unrein urtheilen. Wenn aber etwas eiterweiß ist an der Haut seines Fleisches, und doch das Ansehen nicht tiefer, denn die andere Haut des Fleisches, und die Haare nicht in weiß verwandelt sind: so soll der Priester denselben verschließen sieben Tage, und am siebenten Tage besehen. Ist es, daß das Mal bleibet, wie er es zuvor gesehen hat, und hat nicht weiter gefressen an der Haut: so soll ihn der Priester abermal sieben Tage verschließen. Und wenn er ihn zum andernmal am siebenten Tage besiehet, und findet, daß das Mal verschwunden ist, und nicht weiter gefressen hat an der Haut, so soll er ihn rein urtheilen, denn es ist Grind. Und er soll seine Kleider waschen, so ist er rein. Wenn aber der Grind weiter frißt in der Haut, nachdem er vom Priester besehen, und rein gesprochen ist, und wird nun zum andernmal vom Priester besehen; wenn dann da der Priester siehet, daß der Grind weiter gefressen hat in der Haut, soll er ihn unrein urtheilen, denn es ist gewiß Aussatz. Wenn ein Mal des Aussatzes am Menschen sein wird, den soll man zum Priester bringen. Wenn derselbe siehet und findet, daß es weiß aufgefahren ist an der Haut, und die Haare in weiß verwandelt, und roh Fleisch im Geschwüre ist: so ists gewiß ein alter Aussatz in der Haut seines Fleisches. Darum soll ihn der Priester unrein urtheilen, und nicht verschließen; denn er ist schon unrein. Wenn aber der Aussatz blühet in der Haut, und bedecket die ganze Haut, von dem Haupte an bis auf die Füße, alles, was dem Priester vor Augen sein mag; wenn dann der Priester besiehet, und findet, daß der Aussatz das ganze Fleisch bedecket hat: so soll er denselben rein urtheilen, dieweil es alles an ihm in weiß verwandelt ist, denn er ist rein. Ist aber rohes Fleisch da, des Tages, wenn er besehen wird, so ist er unrein. Und wenn der Priester das rohe Fleisch besiehet, soll er ihn unrein urtheilen; denn er ist unrein, und es ist gewiß Aussatz. Verkehret sich aber das rohe Fleisch wieder, und verwandelt sich in weiß, so soll er zum Priester kommen. Und wenn der Priester besiehet, und findet, daß das Mal ist in weiß verwandelt, soll er ihn rein urtheilen, denn er ist rein. Wenn in Jemandes Fleisch an der Haut eine Drüse wird, und wieder heilet; darnach an demselben Orte etwas weiß auffähret, oder röthlich eiterweiß wird, soll er vom Priester besehen werden. Wenn dann der Priester siehet, daß das Ansehen tiefer ist, denn die andere Haut, und das Mal in weiß verwandelt: so soll er ihn unrein urtheilen; denn es ist gewiß ein Aussatzmal aus der Drüse geworden. Siehet aber der Priester und findet, daß die Haare nicht weiß sind, und ist nicht tiefer, denn die andere Haut, und ist verschwunden: so soll er ihn sieben Tage verschließen. Frißt es weiter in der Haut, so soll er ihn unrein urtheilen; denn es ist gewiß ein Aussatzmal. Bleibt aber das Eiterweiß also stehen, und frißt nicht weiter, so ist es die Narbe von der Drüse, und der Priester soll ihn rein urtheilen. Wenn sich Jemand an der Haut am Feuer brennt, und das Brandmal röthlich oder weiß ist; und der Priester ihn besiehet, und findet das Haar in weiß verwandelt an dem Brandmal, und das Ansehen tiefer, denn die andere Haut: so ist gewiß Aussatz aus dem Brandmal geworden. Darum soll ihn der Priester unrein urtheilen, denn es ist ein Aussatzmal. Siehet aber der Priester, und findet, daß die Haare am Brandmal nicht in weiß verwandelt, und nicht tiefer ist, denn die andere Haut, und ist dazu verschwunden: so soll er ihn sieben Tage verschließen, und am siebenten Tage soll er ihn besehen. Hat es weiter gefressen an der Haut, so soll er ihn unrein urtheilen; denn es ist Aussatz. Ist es aber gestanden an dem Brandmal, und nicht weiter gefressen an der Haut, und ist dazu verschwunden: so ist es ein Geschwür des Brandmals. Und der Priester soll ihn rein urtheilen, denn es ist eine Narbe des Brandmals.

Unser heutiger Text handelt, wie ihr gehört habt, vom Aussatz. Das ist eine gräuliche Krankheit, die sich namentlich im Morgenlande findet, eine Krankheit so ansteckend, daß der Aussätzige von Menschen mehr gemieden wird als die Pest, so ekelhaft, daß man mit Abscheu die Augen davon abwendet. Bei einem Aussätzigen ist die Haut schneeweiß, mit Eiterbeulen bedeckt; dazwischen schimmert das wilde rohe Fleisch; das Haar ist weiß, die Stimme heiser und seine leibliche Krankheit ist in ihrer Scheußlichkeit und Ansteckung so geeignet, den Jammer und die Gräuel der Sünde uns vor Augen zu führen. Das alte Testament lehrt uns die Bestimmungen über den Aussatz, wie über die Reinigung desselben. Dabei sollen wir uns selbst erkennen in unserm Sündenwesen. Vor Gott sind wir Alle aussätzig, und es ist ein Jammer, daß der natürliche Mensch seine Sünde nicht erkennt. So verderbt und verkehrt sind wir, daß wir kein Auge haben für unser Elend. Aber der HErr muß uns Augen geben; Er gibt dann auch das Verlangen nach Heilung, und die Bitte, daß Er unser Arzt werde. Es ist durchaus nöthig, daß wir unsern Aussatz erkennen, und unser heutiges Capitel enthält ganz genaue Bestimmungen darüber, wie er zu unterscheiden ist von ähnlichen Krankheiten. Es führt vier gewisse Merkmale an: Erstens, er frißt in die Breite und in die Tiefe; zweitens, er bleicht das Haar; drittens, er bildet Eiterbeulen; viertens wächst das wilde rohe Fleisch heraus und glüht durch die Eiterbeulen. - Das sind auch die Merkmale der Sünde. Erstens: Auch sie kommt von innen heraus und verbreitet sich nach allen Seiten. Der Mensch ist in Sünden empfangen und geboren; es ist nichts Gesundes an ihm; die Sünde steckt in seinem Centrum, und dringt von da nach außen. Die Ungläubigen sagen zwar, der Mensch sei von Natur edel; die Sünde träte nur von außen in ihn hinein. Aber nein: Die ganze Natur ist vergiftet; das Gift frißt um sich, und verderbet immer mehr den Menschen. Je mehr er dieser Natur frei überlassen ist, je mehr tritt diese Verderbtheit nach außen. Zweitens: Die Sünde macht den Menschen zum Greise; sie verzehrt die Kräfte; sie schwächt, lähmt und beugt ihn vor der Zeit, und bringt ihn in ein frühes Grab; wir sehen es ja, daß die Höhe des menschlichen Lebensalters immer mehr sinkt. Der Tod ist nichts Natürliches, und durch seine Schwachheit und Krankheit ist der Mensch fortwährend in einem langsamen Sterben begriffen; die Sünde hat ihn eben all seiner Frische beraubt. Drittens: Eiter ist nichts anderes als in Stockung gerathene Säfte, und des Menschen geistige Säfte sind alle verderbet, in Stockung gerathen (Jes. 1,6). Viertens zeigt sich die Sünde in dem wilden Fleisch, was aus den Wunden wächst, in der Wildheit, Rohheit und Verworfenheit des sich selbst überlassenen Menschen. So ist also die menschliche Natur grundverderbt. - Nun ist den Priestern die Aufsicht über den Aussatz anbefohlen. Es ist eine falsche Ansicht, das sie als Aerzte dabei verfahren sollen, denn nirgends ist von Mitteln gegen den Aussatz die Rede. Diese Vorschrift zeigt uns, daß Niemand das Wesen der Sünde richtig beurtheilen kann, er sei denn ein Priester Gottes. Er hat aber sehr genau zuzusehen, ob es wirklicher Aussatz ist, oder nur den Anschein davon hat. In der großen Sorgfalt und Treue, womit der Mensch sich selbst untersucht, darin liegt eben das Wesen der Buße, und somit auch das Wesen des wahren Christenthums. Je klarer der Christ ist in der Erkenntniß und Beurtheilung seiner gänzlichen Verderbtheit, je wahrer ist sein Christenthum. Angenehm ist solche Untersuchung nicht, und dem natürlichen Menschen sehr zuwider, aber ein wahrhaft treuer Christ hat sein Auge fest auf seine eigne Sünde gerichtet, und wenn er sich so recht genau untersucht, dann kommt er sich von Tag zu Tag schlechter vor, weil er viel mehr Sünde findet, als früher. - Es war die Bestimmung des Gesetzes vom Aussatz, daß, wenn der Priester den Ausschlag auch nur als Grind erkannte, der damit Behaftete dennoch seine Kleider rein waschen sollte. Das zeigt uns, daß wir es sehr genau nehmen sollen auch mit dem Anschein der Sünde, und daß ein Christ auch den Schein meiden soll. - Nun folgt (V. 12-13) eine merkwürdige Bestimmung. Wenn der Priester sah, daß der Aussatz zum vollen Ausbruch gekommen, daß er über den ganzen Leib verbreitet war, dann sollte er den Menschen frei sprechen. Nur durfte kein rohes Fleisch durch die Wunden zu sehen sein. - Wir würden dies nicht verstehen, wenn der Aussatz nicht das Sinnbild der Sünde wäre. Wenn wir es erkennen, daß nichts Gesundes an uns ist, daß wir über und über von der Sünde überwuchert sind, dann stehen wir in der Buße und im Glauben, und dann ist uns geholfen. Siehst du aber nur hie und da eine Sünde an dir, und erkennst nicht den ganzen Aussatz, der dich bedeckt, dann bist du unrein, weil du keinen Theil hast an der im Glauben ergriffenen Erlösung. Selig kann nur werden, wer seinen verzweifelt bösen Schaden erkennt, und im Glauben die Heilung durch Christum an sich erfährt. Wie unsere Krankheit keine theilweise ist, so kann auch unsere Heilung keine theilweise sein. Wenn die Krankheit vollständig ans Licht getreten, dann kann auch die Heilung eine vollständige sein. Das rohe wilde Wesen der Sünde darf nicht durchbrechen und durchscheinen. Die ganze Natur wird damit umgewandelt. Vers 24-25 sagt uns, daß der Aussatz auch durch ein Brandmal entstehen kann; dabei mußte der Priester sehr genau zusehen, ob die Schorfnarbe abtrocknete oder flüssig ward. Die erkannte Sünde ist immer ein Brandmal im Gewissen. Wenn man auch Heilung gefunden hat, die Narben bleiben doch und schmerzen noch oft. Die Folgen unserer begangenen und vergebenen Sünden spüren wir viel, aber es schadet nichts, wenn es nur geheilte Narben sind. Nur müssen es keine Wunden sein; die offenen Sündenwunden sind Aussatz. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Schmerz der Wunden und Narben. Sind unsere Wunden nicht geheilt, dann laßt uns zu Ihm eilen, der gesagt hat: Ich bin der HErr dein Arzt. Wenn wir uns todtkrank fühlen, und uns Ihm überlassen, dann heilt Er die schwersten Wunden. - Die genaue Untersuchung unserer tödtlichen Krankheit sei unsere tägliche priesterliche Beschäftigung. Amen.