Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten. Ps. 32,8
Ich nahm Ephraim bey seiner Hand, und leitete ihn. (wie ein Kind). Hos. 11,3
Herr, leite mich in deiner Gerechtigkeit - in deiner Wahrheit und lehre mich; um deines Namens willen wollest du mich führen und leiten. Ps. 27,11. 25,5. 31,4.
Ohne Leiter, wer wird den Weg zum verborgenen, unbekannten, nie gesehenen Vaterlande finden? Eigne Leitung täuschet sich. Menschenleitung ist nicht ganz zu verwerfen; man kann sich aber auch nicht ganz auf sie verlassen. Ein weiser, frommer, in den Wegen Gottes erfahrner Diener Gottes kann dir wohl den Weg zeigen und dich leiten; aber wenn du bey ihm stehen bleibst, kommst du doch nicht zum Herrn; und wenn du, bey allem guten Rath und bey aller Leitung von guten Menschen, nicht noch den Herrn und seinen Geist selbst zum Führer und inwendigen Handleiter hast, und dich nicht recht an ihm fest hältst, ihm nicht gewissenhaft folgest, kommst du doch nicht zum Ziele. Der Herr ist auch so freundlich und zuvorkommend, daß er sich dir selbst anerbietet, und die köstliche Verheißung giebt Ps. 32,8 und Hos. 11,3. Er will dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst, will dich mit seinen Augen leiten, will dich bey der Hand fassen, und dich führen, daß du sicher wandelst. Willst du diese fromme, sichere Hand nicht ergreifen, nicht auf diese Augen sehen, die dich so freundlich leiten wollen? Aber, wie kann ich die Winke seiner Augen verstehen? fragst du. Er winkt dir von innen, nicht von Außen. Wenn dein Auge lauter, redlich, einfältig, nicht doppelsichtig ist; wenn du gern einkehrest in dein Herz, und den Herrn im Gebete fragen lernest, so wirst du seine Antworten und seine Winke vernehmen und verstehen lernen; wirst seine Hand spüren, wirst erfahren, was er verheißt; seine Augen werden so kräftig winken, seine verborgene Hand wird dich so mächtig anfassen, und dich leiten und führen, wie ein Vater sein Kind leitet, hebt und trägt, und es nie aus dem Auge, nie von der Hand läßt. Allein diese besondere Leitung fordert auch eine besondere Treue im innern Leben, ein wachsames Auge, ein gesammeltes, stets zu dem Herrn gerichtetes Herz; sonst übersieht man die Winke seiner Augen, und spürt nicht seine leitende Hand.
Dazu ist Christus gestorben, und auferstanden, daß er über Todte und Lebendige Herr sey. Röm. 14,9.
Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf daß auch das Leben unsers Herrn Jesu an unserm Leibe offenbar werde. 2. Kor. 4,10
Das Leiden, der Tod, das Verdienst Jesu sey nicht nur in deinem Munde, sondern auch in deinem Herzen. Der Gekreuzigte und Auferstandene will und soll dein Herr seyn; das heißt: Du sollst nicht blos Herr, Herr! zu ihm sagen, sondern, du sollst ihn als deinen Herrn erkennen, ihm folgen, ihm ergeben seyn von ganzem Herzen, Sinn und Wandel. Er starb für dich, um in dir leben zu können. Er gab sein Leben für dich, daß du dein Leben auch für ihn hingiebst, und nicht mehr dir selbst, sondern ihm lebest. Das heißt das Sterben und Leben Jesu an sich, in sich herumtragen allezeit. Es soll an dir, an deinem Sinn und Wandel offenbar werden, daß Christus für dich starb und auferstand. Es soll in die Augen fallen, daß du nicht mehr dir selbst angehörst, sondern ein Eigenthum Jesu bist; daß du dich in keinem Stücke nach dir selbst und deinem eigenen Willen, sondern ganz nur nach Jesu richtest. So wird sein Tod und Verdienst an dir zu sehen seyn, so wirst du deinen Heiland preisen an Leib und Geist.
Wenn mir angst ist, so rufe ich den Herrn an. Ps. 18,7
Du lässest mich erfahren viele und große Angst. In der Angst rief ich den Herrn an, und der Herr erhörete mich. Ps. 71,20. 118,5.
Es mag dich ängsten oder quälen, was da will, so hat es der Herr aus keiner andern Ursache über dich kommen lassen, als um dich beten und glauben zu lehren, um dich zu sich zu rufen. Jede Angst oder Noth sey dir ein Bote Gottes, der dir sagt: Nun wäre es einmal Zeit, dich von ganzem Herzen zu deinem Heilande zu wenden. Sind es deine Sünden, die dich ängsten, so sey dir diese Angst ein Brief vom Himmel, der aber versiegelt ist; öffne ihn, und erbrich das Siegel; durch anhaltendes Gebet kannst du es brechen; und dann liesest du darin geschrieben von Gottes eigner Hand, was Jes. 1,15-19 steht. Ist es ein großes Leiden, oder was immer für eine Noth, so ist es ein Denkzettel vom Herrn, der dir sagt: Rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen. Ps. 50, 45. Der Herr ängstet keine Menschenseele ohne Ursache, sondern nur aus Liebe, um sie zu ihm mit der Ruthe zu treiben, weil sie sich gewöhnlich nicht durch Liebe ziehen lassen; um sie also mit Gewalt gleichsam zu nöthigen und zu zwingen, daß sie sein Angesicht suchen und sich helfen lassen. Konnten sich die Alten trösten in ihrer Angst, konnten sie Gottes Angesicht finden, wie vielmehr wir, da uns in Christo der Schooß Gottes so weit aufgethan ist; der ja nur gekommen ist in diese Welt für Elende und Geängstete. Er, der keinen zurückstößt, der zu ihm kommt, der selbst allen ruft und freundlich bittet: kommt alle zu mir rc.
Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen. Ps. 145,18
Nahe dich zu mir, wenn ich dich anrufe, und sprich: Fürchte dich nicht! Klagl. Jer. 3,57
Wen dieser Gedanke, diese Wahrheit, daß ihm Gott, Christus nahe ist, so oft er ihn mit Ernst anruft, nicht erweckt und beseligt, was wird den beseligen? Was ist für den Menschen betrübender, seitdem Adam vom Angesichte Gottes verstoßen, aus Eden gejagt; seitdem der Cherub mit dem Flammenschwerte vor die Thüre des Paradieses gestellt wurde; was ist betrübender, seitdem Christus durch eine Wolke den Blicken seiner Jünger, und den Augen aller Erdbewohner entzogen worden ist; was ist betrübender für uns, als diese Entfernung des sichtbaren Gottes von der Erde? Unser einziger Trost bleibt daher, daß Gott und Christus dennoch nahe ist, nahe gefunden, gefühlt und im Geiste genossen werden kann, wenn wir nur mit Ernst wollen, anhaltend suchen, Leib, Seele und Geist von allem losreißen, und durch Glauben und Liebe uns in seine unsichtbare Nähe versehen. Der Herr wird uns auch gewiß, wenn wir ihn und sein Antlitz suchen, nicht erschrecken, uns nicht fürchterlich erscheinen, sondern wie Jeremias ihn bat, zu uns sprechen: Fürchte dich nicht, mein Kind! nahe dich zu mir, so nahe ich mich zu dir! O wie freundlich empfängt er die wiederkehrenden Menschenkinder! wie sehnt sich sein Herz nach uns! Wer sich eine rechte Freude machen will, wer die höchste Freude, die ein Mensch auf Erden haben kann, genießen will, der suche die Nähe Gottes und Jesu Christi. Eine höhere Seligkeit läßt sich auf Erden nicht denken, als ihn nahe haben.
Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden; daß sie alle Eins seyn, gleichwie du, Vater, in mir, und ich in dir, daß sie in uns Eins seyn - Ich in ihnen und du in mir - daß die Liebe, womit du mich liebst, sey in ihnen und ich in ihnen. Joh. 17,20-26.
Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit. Kol. 1,27
Christus hat eine Gemeinschaft und Verbindung gestiftet, die ihres gleichen nicht haben kann im Himmel und auf Erden. Der Vater in ihm, Er im Vater, und in uns; wir in ihm und in dem Vater? Was heißt das? wer erklärt das? wer begreift das? Das sollen wir wohl auch nicht, weil wir es nicht können. Aber in ihm seyn und bleiben, das sollen wir. Theil nehmen, genießen, festhalten sollen wir alles das, was er uns in uns seyn will. Was ist das? Alles, was er ist und hat, ist unser, weil er ganz unser ist. Wie niemand in den Himmel hinaufsteigen und seine Höhe messen kann, so kann niemand die Tiefe des Geheimnisses ergründen. Bemühe dich nicht darum! Wirf dich nur hinein, mit allem, was du bist und hast, und bleibe und lebe darin. Aber ist es denn auch für Jeden? auch für dich? Wenn du glaubst; so ists dir von ihm ausgebeten; so bist du wie Petrus und Johannes, Theilnehmer und Erbe; denn er bat ausdrücklich für alle, die durch das Wort der Apostel an ihn glauben würden. Glaubst du nun, so kannst du es haben. Wenn du aber doch nichts davon hast, wenn denn doch dein Herz leer, ohne Christus, ohne seine innige Gemeinschaft lebt; dann glaubst du nicht; dann hast du nur das Wörtlein, Glaube im Munde, aber die Kraft des Glaubens nicht im Herzen. Wer glaubt, der hat Alles, was Christus dem Glauben verheißen hat, wenigstens im Anbruche, im Keim. Glauben wir Ihm, so haben wir Ihn; haben wir Ihn nicht, so glauben wir Ihm nicht.
Mein Freund ist mein und ich bin sein.Hohel. 2,16. u. 6,2.
Keiner lebt sich selber - Leben wir, so leben wir dem Herrn. Röm. 14, 7.8.
Ist Er in uns - und unser, so folgt von selbst, daß wir in ihm - sein seyn müssen. Es giebt keine wahre Gemeinschaft, die nicht Alles gegenseitig mit einander theilt. Eigenheit, Selbstgesuch, Eigenliebe hebt alle Gemeinschaft auf. Wer Christum haben, ihn ganz genießen, seines Verdienstes, seiner Gnade und Inwohnung, seiner künftigen Herrlichkeit - kurz, ganz Christi theilhaftig seyn will: der muß auch ganz des Heilandes seyn, sich ganz, ohne Vorbehalt, ohne Ausnahme an ihn hingeben, und hingegeben bleiben, im Leben und im Tode, in Freuden und Leiden, ohne sich je wieder zurück zu nehmen. Viele rühmen sich Christi und seines Verdienstes; viele nehmen Christum an; aber sie geben sich nicht hin für Christus, sie behalten sich für sich selbst zurück. Christus soll nicht theilen, soll sich ihnen ganz, soll ihnen Alles hingeben; sie aber theilen, und zwar schändlich: sie geben ihm Worte, Zunge und äußern Schein, und das Herz lassen sie an der Welt, an der Sünde und ihnen selbst hängen. Das sind nur Titular-Christen; sie haben den Namen Christ; eine Einbildung vom Verdienste und von der Gemeinschaft Christi, aber Christum haben sie nicht. Christi werden sie in Ewigkeit nicht theilhaftig, so lange sie sich nicht ganz an ihn ergeben.
Und so ich im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht. Mich. 7,8.
Dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen, und Freude den frommen Herzen. Ps. 97,11.
Hier unterm Monde bleibt der Kampf zwischen Licht und Finsterniß in uns, wie außer uns. So erleuchtet du seyn magst, so mußt du doch wieder durch finstere Nächte und tiefe Dunkelheiten durchwandeln. Es wird dir oft so finster und dunkel vor deinem Geistes-Auge werden, als wenn Sonne, Mond und Sterne am Himmel deiner Seele ausgelöscht wären, als wenn sie nie wieder leuchten würden, als wenn du in ewiger Finsterniß begraben wärest, und keinen Strahl des Lichtes wieder schauen würdest. Deine Sonne, die Nähe des Herrn, wird sich so verbergen, als wenn sie dir nie geleuchtet hätte, daß du von dem Zweifel geplagt wirst, ob es nicht Traum, Täuschung - ob es denn je Tag gewesen sey in deiner Seele? Es giebt kein Licht, du hast dich betrogen, wird der Versucher sagen. Aber da mußt du harren und glauben an das unsichtbare Licht, als sähest du es. Es kommt bald wieder anders. Jede Nacht wird wieder verschlungen vom Tage. Die Sonne kann nicht unten bleiben, wenn ihre Stunde kommt, muß sie wieder herauf und ihre Bahn durchlaufen. Wenn du dir im Dunkeln nicht selbst eine Sonne, ein Licht schaffen willst; wenn du lieber auf den Herrn vertrauest und harrest, so wird er auch im Finstern dein Licht seyn, wird dich mit verborgener Hand leiten, und dir nicht das Licht und die Freude wieder aufgehen lassen, so bald es Zeit ist. Wenn also Leiden den Himmel deiner Seele trüben, und du die Sonne nicht siehest, wenn dir auch nicht Ein Sternlein leuchtet; so glaube doch, und zweifle nicht, daß Sonne und Sternlein dennoch am Himmel sind und bleiben, ob sie dir gleich durch Wolken verdeckt sind. Sie sind an demselben Orte, du magst sie sehen oder nicht. Ein guter Schiffer weiß, wie er daran ist, wo die Sonne, wo die Sterne sind, wenn ihm gleich Sturm und Wolken den Himmel bedecken. Er richtet sich eben so darnach, als wenn er sie beim klaren Himmel sieht, oder nicht fühlt. Die Hand des Herrn ist dennoch über dir, wenn sie dir gleich verborgen ist.
Herr, auf dich trauet meine Seele. Unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorüber gehe. Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meines Jammers ein Ende macht. Ps. 57,1.2
Wer, wenn er diesen ganzen Psalm durchliest, sich etwa in gleicher oder ähnlicher Lage mit David findet, da er, von Saul verfolgt, in die Höhle floh; 1. Sam. 22,1. wer von irgend einer Anfechtung und Trübsal niedergebeugt ist, der schlage denselben Weg ein, wie David: er fliehe und setze sich unter den Schatten der Flügel des Herrn, da kann er ruhig und sicher warten, bis das Wetter vorüber geht. Wo finden wir den Schatten seiner Flügel? wo breitet er sie über uns aus? wo bedecket er uns mit seinem Schutze? Ueberall, wo wir ihn suchen; wo wir ihn anrufen, wo unser Herz sich nach ihm sehnet Mitten im Gluth-Ofen und in der Hitze der Trübsal wird er uns Kühlung und Labung, wenn wir nicht erst anderswohin laufen, sondern ihn gerade da, wo er uns mit Trübsal heimsucht, aufsuchen, in unsern Herzen; denn da wird er sich gewiß finden lassen. Ich bin bey dir in der Trübsal, sagte er. Er ist uns nie näher, er ist nie leichter zu finden, als wenn er uns durch Leiden heimsucht. Fallen wir unter die Zähne der Menschen, daß sie uns wie mit Spießen und Pfeilen, mit scharfen Schwertern ihrer Zungen stechen, schlagen, zerreißen, so bleibt uns kein ander Mittel, als gerade aufzublicken zu dem, der sie über uns schickt; der kann nicht fern seyn. Sie sind nur Werkzeuge in seiner Hand. Die Hand muß so nahe als das Werkzeug seyn, weil sie es führt und regiert. Der die Trübsal anfängt, wird sie auch zu enden wissen. Indeß ist dir sein Schatten genug.
Ich lasse euch nicht als Waisen zurück, ich komme zu euch. Joh. 14,18.
Ich gehe hin, aber ich komme wieder zu euch; hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe. Joh. 14,28.
Welche heilige, herrliche Verheißungen hat uns der Heiland zurückgelassen! Wie zärtlich, freundlich, tröstlich spricht er seinen Kindern zu, indem er von der Entfernung seiner sichtbaren Gegenwart redet! Selig ist das gläubige Herz, welches den Heiland beim Wort nimmt, und sich mit der unsichtbaren Gegenwart und Nähe desselben so erfreut und tröstet, sich so daran hält, als sähe es ihn. Sollte er sich einem solchen kindlichen Gemüthe entziehen, sein theures Wort nicht halten, er, der allzeit hocherfreut war, wenn er nur ein Senfkörnlein Glauben an sein Wort erblickt hat? Sollte er sich nur gefreut haben, wenn die Leute zeitliche Hülfe, Heilungen ihrer kranken Leibesglieder von ihm in Glauben nahmen? Soll er nicht vielmehr himmlische Freude haben, wenn wir nicht nur seine Gaben, sondern Ihn im Glauben erfassen, wenn wir ihn bey dem Worte nehmen: Ich komme zu euch, ich lasse euch nicht Waisen? - wenn wir diese Verheißung nicht nur für Worte, sondern für Wahrheit halten und bewahren. Wer so sein Wort hält, hat ihn, ihn selbst.
In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen; ich gehe hin, für euch eine Stätte zu bereiten - Ich werde wieder kommen, und euch zu mir nehmen, damit ihr auch seyd, wo ich bin. Joh. 14,2.3.
O Wort des Trostes für alle Leidende und Trostlose auf Erden; wer dich im Glauben auffaßt, muß sich im Leiden freue, und in der trostlosesten Lage doch getröstet, in Unzufriedenheit zufrieden seyn. So kann nur Gottes Sohn, der Sohn der ewigen Liebe trösten. Solche Verheißungen fürs ewige Leben, wer kann sie uns geben? wer erfüllen? Darum sollst du ja allein unser ganzes Herz haben, du Stättebereiter, du Baumeister himmlischer Wohnungen, du Bote des Vaters, der uns selbst abholen und einführen wird in seine krystallnen, diamantnen Palläste. Wenn das arme, schwache Herz denkt: Wo du bist, soll auch ich seyn! und wie du bist, so herrlich, so selig, so erhaben! soll auch ich werden. Wenn das Herz dieses Wort in seinem ganzen Umfange, in seiner Höhe und Tiefe erfaßt, so vergeht es fast vor seliger, herrlicher Hoffnung. Warum willst du uns denn bey dir, so nahe, und ewig bey dir haben? Was gefällt dir an uns so sehr? Was machen wir dir für Freude? Werden wir deine Seligkeit erhöhen? Ja, wir werden deiner Liebe ein Gegenstand seyn, an dem sie sich satt lieben kann; denn kein Geschöpf bedarf so sehr deiner Liebe und Huld, als wir arme, schwache Sünder. - Wer kann den Himmel ansehen, ohne an dich, und an deine himmlische Verheißung zu denken? ohne sich dieser Verheißungen mit Entzücken zu freuen?! Himmel, du väterliches Haus! du Heimath der Jünger Jesu! wie schön bist du, wenn dich Jesu Worte uns verklären! wenn wir an die Wohnungen denken, die seine Hand für uns in dir bereitet! Wer kann sich in dieser Hinsicht satt an dir sehen - auch nur von außen? Wie muß es drinnen seyn!?
Da wir denn nun, lieben Brüder, die Freudigkeit haben zum Eingang in das Heilige durch das Blut Christi, welchen er uns zubereitet hat zum neuen und lebendigen Wege, durch den Vorhang, das ist, durch sein Fleisch; und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so lasset uns hinzugehen mit wahrhaftigem Herzen, in völligem Glauben u. s. w. Hebr. 10,19-22. Vergl. Hebr. 6, 19.20
Ja, wer mit dem Blute Christi besprenget ist, darf nun mit Freudigkeit, das ist, mit froher, kindlicher Zuversicht in das Allerheiligste, in Gottes Gemeinschaft im Geiste schon hier, und einst in den Himmel eingehen; dazu steht uns ein neuer, lebendiger Weg offen, den uns Christus durch sein Leiden, Sterben, Auferstehen und Himmelfahren geöffnet hat. Er hat den Weg gebahnt, er ist als Vorgänger vor uns eingegangen, und hat uns Weg und Thüre nicht nur offen gelassen, sondern er will uns selbst Weg und Thüre seyn; will uns nach sich ziehen an dem dreifachen und haltbaren Seile der Liebe, des Glaubens und der Hoffnung. Wenn wir uns daran fest halten, und das Seil nicht aus den Händen lassen, wird er uns unfehlbar nach sich ziehen auf dem neuen, lebendigen Wege. Wie schön drückt sich Paulus aus, da er den Weg lebendig nennt. - Warum doch? Ist nicht Christus selbst der Weg? Joh. 14,6. Ist der nicht lebendig? nicht der Weg und das Leben und die Wahrheit? Ist er nicht auch neu? Wo ist vor ihm und nach ihm ein Weg zum Himmel, zum Vater zu finden? - Freund, verlaß die alten Wege der Welt und Sünde, und wähle dir diesen neuen, lebendigen Weg. Wie gut wandelt sichs auf einem neuen - und wie leicht auf einem lebendigen Wege, der darum lebendig heißt, weil er die Wanderer selbst belebt, stärkt, wenn sie fallen, ihnen wieder aufhilft; wenn sie müde sind; ihnen neue Kräfte giebt, wenn sie abweichen oder irre gehen, sie wieder einlenket und zurückführt - der Alles allen ist, die auf ihm wandeln. Welch ein Weg? Wo ist ein Weg, wie dieser Weg? Und so wenigen wandeln auf ihm!!!
Himmelfahrt Christi
Gott fährt auf mit jauchzen, und der Herr mit hellen Posaunen. Ps. 47,6.
Er ist in die Höhe gefahren, und hat die Gefangenschaft gefangen geführt, und den Menschen Gaben gegeben. Der herunter gefahren ist, das ist derselbige, der aufgefahren ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllete. Eph. 4,8.10
Er hat uns mit versetzt ins Himmlische durch Christum. Eph. 2,6
Die Himmelfahrt Jesu erfüllte alles - Himmel und Erde mit großer Freude. Sie ist der Triumph über alle Feinde, denn er ist als das Haupt der Menschheit über alle Himmel aufgefahren; wo aber das Haupt ist, da müssen ja die Glieder auch seyn. Er wird sie alle nach sich ziehen. Das Haupt hat gesiegt, und sich durchgeschlagen; unmöglich können die Glieder zurückbleiben. Er hat die Gefangenschaft, in der wir von der Sünde und dem Teufel gefangen waren, gefangen geführt, d. h. alles, was dem Menschen Fesseln anlegte, seinen Lauf hemmte, ihn von Gott zurückhielt, hat Jesus überwunden und gefangen nehmen müssen durch sein Leiden und Sterben. Er hat den, der uns alle gefangen hielt, er hat den Kerkermeister gefangen und ins Gefängniß geworfen. Sitzt der Kerkermeister gefangen, so sind die Gefangenen frey. Er hat uns aber nicht nur von Fesseln und Gefängniß frey gemacht, nicht nur Vergebung der Sünden zuwege gebracht; sondern auch Gaben gegeben, Gaben des heiligen Geistes, daß wir uns nicht wiederum fangen lassen, sondern die Welt, den Satan und die bösen Lüste, die uns immer wieder gefangen nehmen wollen, überwinden können. Er hat uns Kraft und Flügel erworben und geschenket, daß wir uns zu ihm ins Himmlische erschwingen, uns von dem Sichtbaren ins Unsichtbare, in sein Reich, in seine Nähe, in den Himmel versetzen können.
Er führte sie hinaus nach Bethanien. Da hob er seine Hände auf, und segnete sie. Und es geschah, indem er sie segnete, schied er von ihnen, und ward in den Himmel aufgenommen. Luk. 24,50.51
Zum letzten Male wandelte der Menschen-Sohn mit seinen Jüngern auf Erden - und zwar, nach seinem geliebten Bethanien. Da, war es bestimmt, da sollte er diese Erde sichtbar verlassen, um ihr unsichtbar recht nahe seyn zu können. Zum letzten Male hob er seine heiligen Hände, ach! die durchbohrten, auf über seine Jünger, sie zu segnen. Glückliche Jünger, die ihr diese segnenden Hände über euch erblickt habt mit euren Augen! - Welch ein Segen muß das gewesen seyn! Sollte er aber nur euch, nicht auch allen Gläubigen künftiger Jahrhunderte gegolten haben? wie dort seine heilige Fürbitte, Joh. 17,20. O gewiß! Ich stelle mich einmal gerade so hin unter deine Jünger, o Herr! als sähe ich dich, deine durchbohrten Hände über mich aufheben, als ständest du noch heute da vor meinen Augen, und ergössest deine himmlischen Segnungen über mich und uns alle, die wir deinen Namen lieben und auf dich und deine Gnade hoffen. Und ich weiß gewiß, du segnest jedesmal, jetzt noch, wenn man lebendig an dich glaubt, nicht weniger als dort, da man dich sah. Denn segnen ist deine Lust, und du bist uns dazu gesendet vom Vater, uns zu segnen. Apg. 3,26. Segnend gingst du von der Erde zum Himmel; segnend blickst du gewiß immer herab auf uns, so oft wir gläubig, flehend, sehnsuchtsvoll zu dir aufblicken.
Christus ist in den Himmel eingegangen, um vor Gottes Angesicht für uns zu erscheinen. Hebr. 9,24.
Daher kann er auch selig machen immerdar, (alle) die durch ihn zu Gott nahen, da er immer lebet, und bittet für uns. Hebr. 7,25
Wir haben einen Fürsprecher beim Vater, Jesum Christum, den Gerechten. 1. Joh. 2,1.
Wie erfreulich und tröstlich! Nicht verlassen hat er uns, nicht entzogen hat er sich uns durch seinen Hingang zum Vater; sondern für uns, um unsertwillen ging er hin, für uns, um unsertwillen ist er dort. Wir haben einen Verkläger dort, einen Feind, der Tag und Nacht gegen uns spricht, alle unsre versehen und Uebertretungen im schwärzesten Lichte darstellt, und Gottes Gerechtigkeit und Rache über uns herausfordert. Offenb. 12,10. Der dabey uns auch noch verleumdet. Hiob 1,9. Zach. 3,1. Wie gut ist es daher, daß wir auch einen Freund, einen Advokaten oder Fürsprecher dort haben, und zwar einen solchen, vor dem all unsre Feinde und Ankläger verstummen müssen, weil er sie alle besiegt hat. Darum sagt er: Es ist euch gut, daß ich hingehe. Ja wohl gut, o Herr, daß wir dich dort und doch auch hier haben! Wenn wir im Gebete zu Gott nahen, soll uns ja nie entgehen, daß schon Einer für uns vor Gottes Angesicht steht, der immer lebet, nie schläft, nie schlummert, immer für uns bittet, immer selig machen kann, und will alle, die sich zu Gott nahen. Herzen erhebender Gedanke! verlaß mich nie! Der Herr kann selig machen immerdar! Der Herr bittet immer für mich! Der Herr hebt seine durchbohrten Hände auf für mich vor dem Throne des Vaters! Der Herr ist nur für dich dort, um mich zu vertreten.
Und er ward vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke entrückte ihn ihren Blicken. Apg. 1,9.
Und er fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an. Luk. 24,51.52.
Die Jünger sahen ihn am Kreuze blutend, sterbend sein Haupt neigen, begraben werden und sein Grab versiegeln. Da war ihr Glaube wohl auch ganz begraben, und wie schwer würde es ihnen geworden seyn, - zu glauben, wenn auch ein Engel zu ihnen damals gesagt hätte, dieser Jesus im Grabe, an dem keine Spur eines Lebens mehr ist, wird vor euren Augen, auf den Wolken gen Himmel fahren. Und sieh, das geschah doch, so schwer es zu glauben war. So klein und schwach damals der Glaube der Jünger Jesu war, so groß war nachher ihre Freude und Anbetung, als sie sahen, mit Augen sahen das schwer zu Glaubende. So ist es mit allen Verheißungen Gottes, so mit uns selbst; wir, die wir jetzt im Staube wandeln, sollen glauben, daß wir einst leuchten werden wie die Sterne, daß wir ihn sehen, wie er ist, und ihm gleich seyn werden. So unglaublich dies scheint, so wird es dennoch erfüllt werden. Was der Herr zusagt, das hält er gewiß, und mehr noch. Alles wird geschehen, und unsre kühnste Erwartung weit übertreffen. Wir werden beschämt dastehen, wie die Jünger, aber uns doch freuen, daß der Herr größer ist, und treuer, und wahrhaftiger, als ihn unser schwacher Glaube sich denken konnte. Wie klein war Jesus in der Krippe, wie arm, wie gering! Hernach am Kreuze, wie zerschlagen! wie verachtet! wie verworfen! wie ohnmächtig! wie erniedriget! und bald hernach am Auffahrtstage, wie groß! wie herrlich! wie mächtig! wie über Alles erhaben!- Da beteten die Jünger an; das glaub' ich, da hätte ich's auch gethan! Aber im Stalle? am Kreuze? wo alles ihm fluchte, wo alle lästerten?
Er ist in die Höhe gefahren, und hat Gaben empfangen für die Menschen, auch für die Abtrünnigen. Ps. 68,19
Gelobt sey Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allem geistigen Segen und himmlischen Gütern durch Christum. Eph. 1,3.
Er ist aufgefahren zum Vater, um in Empfang zu nehmen, was er sich durch Leiden und Sterben, durch seinen Gehorsam bis zum Tode am Kreuze verdienet hat; aber nicht nur, um sich mit Ehre und Herrlichkeit krönen zu lassen, sondern vorzüglich, um die Gaben und Gnaden, die Segnungen und Güter des Himmels, die er der Erde, den Menschen erworben hat, in Empfang zu nehmen, und auszugießen über die Erlösten. Er ging nicht in den Himmel ein, um da auszuruhen von seiner Mühe und Arbeit, viel weniger, um sich zu rächen an den gottlosen Menschen, die ihn auf Erden schmähten und kreuzigten; sondern sie mit Gnaden und Wohlthaten zu überschütten und an sich zu ziehen zu ihrer Seligkeit. Seine Herrlichkeit und Ehre, die er auf Gottes Throne genießt, ist, so groß und unermeßlich sie ist, doch nicht zu groß für ihn, daß er nicht mehr herabsehen könnte auf uns Würmer im Staube. Nein, er bleibt in ewiger Verbindung mit den Seinen auf Erden; er reicht uns seine Hand, voll Gaben und Gnaden, bis vom hohen Himmel herab, und erfüllt uns mit Segen und Heil, so oft wir Herz und Hände zu ihm erheben. Er reicht uns seine Hände herab in unsre Tiefe, um uns aus dem Schlamme der Erde hinaufzuziehen in sein Lichtreich. Er ruht nicht, bis wir alle bey ihm sind, und bis wir alle die Gaben, die er für uns - fürs künftige Leben, wie für dieses - erworben hat, in Besitz nehmen, und genießen werden. Wir sollen Alles haben, was er hat. So segnet uns der Vater durch den Sohn.
Der Herr Jesus aber - sitzet nun zur Rechten Gottes. Mark. 16,19.
Wer will verdammen? Christus - ist zur Rechten Gottes, und vertritt uns. Röm. 8,34.
Wir haben einen solchen Hohenpriester, der da sitzet zur Rechten auf dem Stuhle der Majestät im Himmel. Hebr. 8,1.
Den hat Gott erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden. Apg. 5,31
Stephanus sah ihn dort sitzen, Apg. 7,55, und wer sich im Geiste zu ihm erhebt, und ihn herzlich, gläubig anfleht, wird es erfahren, daß seine rechte Hand gewaltiglich hilft, Ps. 20,7., daß seine Rechte voller Gerechtigkeit ist, Ps. 48,11., daß seine rechte Hand alles ändern kann, Ps. 77,11., daß seine Hand stark, und hoch seine Rechte ist, Ps. 89,14. Was es heiße, zur rechten Hand Gottes sitzen, hat uns der Heiland selbst erklärt, indem er sprach: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Er regiert, ist König aller Könige, Herr aller Herren, der Allgewaltige - und dennoch unser Freund, unser Bruder, unser Fürsprecher, unser Hoherpriester, unser Heiland, der sich des Geringsten so annimmt, als wäre er der Größte. Er trägt alle als Hoherpriester auf seinem Herzen, nicht nur im Brustschildlein, wie Aaron die Kinder Israel, sondern in sein Herz und in seine Hände gegraben. Mit eben so viel Gewalt und Macht, als Liebe und Freundlichkeit herrscht er über alles, gedenkt er aller, die an ihn glauben und auf ihn trauen. Kein Menschenherz kann es fassen, welche Seligkeit, welche Gnade darin liegt, daß Jesus, Mensch wie wir, unser Blutsverwandter, und Gott über alles, erhöht zur Rechten der Majestät Gottes, unser Fürst und Heiland ist; der seine Macht und Größe nicht gebraucht, zu verderben und zu zerstören, sondern Buße und Vergebung der Sünde zu schenken denen, die ihn darum bitten.
Wenn ihr nun mit Christo auferstanden seyd, so suchet, was droben ist, wo Christus ist, der zur Rechten Gottes sitzt; was droben ist, habet im Sinn, nicht was auf Erden ist. Kol. 3,1.2.
Wer da glaubt, daß Christus für ihn in den Himmel gefahren ist, und dort für ihn zur Rechten Gottes sitze, ihn vertrete, für ihn bitte, und seiner gedenke, der beweise seinen Glauben durch einen himmlischen Sinn, durch einen Wandel im Himmel. Wo dein Schatz ist, da sey dein Herz. Ist Christus zur Rechten Gottes dein Schatz und ewiges Erbe, so sey und wandle auch dein Herz mehr dort bey ihm, als hier auf Erden, wo deine Füße wandeln. So lange du aber noch immer mehr das Irdische als das Himmlische suchst, mehr nach vergänglichen als nach ewigen Dingen trachtest; oder gar mit ganzem Herzen an der Ehre und dem Ansehen der Menschen hängst, die Lust und Freude des Fleisches für deinen Himmel hältst, so lange betrügst du dich selbst, und Wahn ist dein Glaube an Christum. Der lebendige Glaube an den zur Rechten Gottes Erhöhten läßt uns nicht an der niedrigen Erde hängen, sondern erhebt uns zu dem, an den wir glauben. Ist Christus im Himmel dein Haupt und Heiland, so mußt du, als sein Glied, auch bey ihm seyn. Bist du mit Leib und Seele ganz nur hier unten auf Erden, so ist das Glied weit vom Haupte getrennt; wie kann ein getrenntes Glied die wohlthätigen Einflüsse des Hauptes genießen. Du kannst nicht an ihn glauben, nicht an ihm hangen, ohne ihm im Geiste nahe, ohne bey ihm zu seyn, ohne dich zu ihm zu erheben. Ja, das Herz eines wahren Christen ist hier nicht zu Hause, ist bey seinem Heilande im Himmel.
Ich will euch ein neu Herz und einen neuen Geist in euch geben, und will das steinerne Herz aus eurem Fleische wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben. Ezech. 11,19.36,26.
Wenn es fehlt bey einem Menschen, (und bey welchem fehlt es nicht?) so fehlt es am Herzen. Das Herz des Menschen, oder sein Dichten und Trachten ist böse von Jugend auf. Es ist für alles Böse empfänglich, weich, um alle böse Eindrücke blitzschnell aufzunehmen; nur für Gott und göttliche Dinge gewöhnlich hart wie Stein und ohne Gefühl. Wer kann diese Härte erweichen? diesen Stein zermalmen? Der Herr hat es verheißen, er ist treu, er wird's auch thun. Trage du dein Herz nur fleißig zu ihm, setze dich den Strahlen seines erwärmenden und erweichenden Feuers der Liebe recht aus, in herzlichem, innigen Gebete, so wird, so muß sich dein Herz ändern. Alle Dinge ändern sich, wenn sie dem Feuer nahe kommen, sie schmelzen, erweichen oder verhärten, werden geläutert, gereinigt, verschönert oder verzehrt. Der Herr ist ein verzehrendes Feuer; versenkest du dich in ihm, wie der Goldschmidt das Gold in das Feuer hält, so muß, was hart ist, weich, was unrein, rein, was böse ist, verzehrt werden. Kein Mensch kann sich entschuldigen mit seinem schwachen oder harten Herzen, das er von Natur bekommen hat, seitdem der Herr so deutlich und bestimmt versprochen hat, uns ein neues Herz und einen neuen Geist zu geben, das steinerne Herz wegzunehmen und uns ein fleischernes, weiches, für seine Eindrücke und Einwirkungen empfängliches Herz zu geben. Er giebt gewiß, wenn du dir geben läßt, er nimmt gewiß das alles hinweg, wenn du es nehmen läßt.
Die Menschen wollen sich von meinem Geiste nicht strafen lassen, denn sie sind Fleisch. 1. Mos. 6,3
Dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn. Ps. 143,10
Ihr aber seyd nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnet. Röm. 8,9
Der Geist Gottes arbeitet demnach an allen Menschen, auch an den gottlosesten, wie an der ersten Welt, mit der er sich so lange bemühte, sie durch innere und äußere Zucht und Strafe wieder zurechte zu bringen suchte, bis sie ihm ganz und gar widerstanden und kein Gehör mehr gaben. Aber dann vertilgte er sie auch alle durch die Fluth. Wenn nun der Mensch Gottes Geist nicht mehr hört, so wird er ganz Fleisch, wird Thier-Mensch. - Welche Gnade ist es daher, daß sich der heilige, reine Geist Gottes mit den gefallenen Menschen so einlassen mag. Und wenn er sogar nicht aufhört, die bösen Menschen zu strafen und zu züchtigen, um sie zu retten; was wird er denen thun, die um ihn weinen, seufzen, und Tag und Nacht flehen? Mit welcher Freude wird er in ihnen wirken? mit welcher Geduld und Liebe sie tragen und führen? - Prüfe dich nun, ob du geistlich oder fleischlich bist, ob Gottes Geist nicht nur an dir arbeite, wie an der argen Welt, sondern ob er in dir wohne? ob du ihm folgest und dich von ihm auf der ebenen Bahn der Wahrheit und Gottseligkeit leiten lässest? oder ob du ihn betrübst, und mehr dem Fleische als ihm Gehör giebst? So stehst du in Gefahr, ihn ganz zu verlieren, und ganz fleischlich und thierisch zu werden.
Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Matth. 28,18.
Der Herr hat seinen Stuhl im Himmel bereitet, und sein Reich herrschet über alles. Ps. 103,19.
Des Herrn Augen schauen alle Lande, daß er stärke, die von ganzem Herzen auf ihn trauen. 2. Chron. 16,9.
Ich hebe meine Augen auf zu dir, Herr, der du im Himmel sitzest. Ps. 123,1
Wenn wir dieses mit all den köstlichen Verheißungen, die der Heiland uns vor seiner Himmelfahrt gegeben hat, zusammennehmen, so ist unser Trost und unsre Freude vollkommen. Seine Liebe und Treue, seine Gnade und Huld ist unermeßlich, wie wir aus allen seinen Verheißungen wissen; eben so ist es aber auch seine Macht und Größe, seine Gewalt und Herrschaft. Kein Zweifel, ob er wohl auch könne, darf bey uns Statt haben, so wenig als, ob er wolle. Er ist die allgenugsame, allgewaltige, allmächtige, allregierende Liebe und Güte. Wer ist ihm gleich? Wer kann wider uns seyn, wenn er für uns ist? Wer kann ihm widerstehen? Wer uns fluchen, wenn er segnet? Und so hoch er über alles erhaben ist, so schauet er doch auf den Wurm im Staube; warum nicht auch auf seine gläubigen Beter, auf fromme Herzen herab, die ihn sein Blut kosteten? Wie könnte er, der nichts übersieht, die übersehen, die sehnsuchtsvoll zu ihm aufblicken und von ganzem Herzen auf ihn trauen? O Herz, sey nur ganz, ganz auf ihn gerichtet; sein Auge verfehlt, übersieht dich nicht. Und wenn das Auge der allmächtigen Liebe auf dich schauet, was fürchtest du?
Pfingstfest.
Als nun der Pfingsttag eintrat, waren alle einmüthig versammelt. Da entstand plötzlich ein Brausen vom Himmel, als eines gewaltigen Windes, und erfüllete das ganze Haus, da sie saßen; und man sahe an ihnen Zungen zertheilet, als wären sie feurig - und wurden alle voll heiligen Geistes.u. s. w. Apostg. 2,1-3
Was wirkte hier das einmüthige Gebet der Gläubigen! Muß es nicht allemal dieselbe Wirkung haben, wenn es mit derselben Zuversicht auf die göttliche Verheißung, die für alle Beter gegeben ist, geschieht? O gewiß. Kein Gebet des Herzens bleibt ohne Pfingst-Segen. Kein Beter betet im Geiste und im Glauben, ohne mit dem heiligen Geiste und mit dem Feuer der Liebe Gottes erfüllt zu werden. Man kommt nie leer aus dem Gebete zurück, wenn anders das Gebet diesen Namen verdient. Es ist alle Tage ein Pfingsttag für dich möglich, wenn du alle Tage brünstig und innig betest um den heiligen Geist. Bist du nicht voll von dir, bist du leer von deinem eignen Geiste, und schreiet dein Herz, wie ein dürres Land um Regen, zum Himmel im Geist, so wird der heilige Geist dein Herz gewiß nicht leer lassen. Aber wo das Herz des eigenen Geistes voll ist, da kann der heilige Geist nicht hineingehen; denn der eigne Geist ist ein unreiner Geist, und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsterniß?
Der Geist Gottes giebt Zeugniß unserm Geiste, daß wir Gottes Kinder sind. Röm. 8,16.
Niemand weiß, was ist Gott ist, als der Geist Gottes - Der Geist erforschet alles, auch die Tiefen der Gottheit. 1. Kor. 2,10,11.
Verwirf mich nicht von deinem Angesichte, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Ps. 51,13.
Wir lesen wohl alle Wahrheit in der Schrift, und wissen, wenn wir gelesen oder Gottes Wort gehört haben, was uns Gott verheißen hat. Aber ob Gott gerade dich und mich gemeint habe, dir und mir dieses Versprochene geben wolle und gegeben habe, daran zweifelt unser Geist gewöhnlich und kann nicht lebendig und unzweifelhaft glauben, bis wir ein göttliches Zeugniß davon in unserm Herzen haben. Gott weiß, wie es mit dem Glauben derjenigen stehet, die ohne inneres Zeugniß des heiligen Geistes blos dem äußern Worte glauben; die nur einen historischen Glauben haben, d. h. die Sache für wahr halten und sich zueignen, ohne die Gnadenwirkungen des heiligen Geistes im Herzen zu spüren. Es ist unmöglich, daß ein solcher Glaube selig machet, weil er das alte Wesen nicht neu schaffet, und das Herz nicht wahrhaftig mit Christo vereiniget. Wenn aber der Geist Gottes meinem Geiste Zeugniß giebt, d. h. das, was im äußern Worte steht, mir auch im Herzen bezeugt und versiegelt, so weiß ich nicht nur, was in der Bibel, sondern auch, was in Gottes Vaterherzen für mich, ja für mich besonders, geschrieben steht; denn der Geist Gottes forschet die mir verborgenen Tiefen der Gottheit und bezeuget sie mir. Doch dieses Zeugniß des Geistes darf, wenn man es einmal hat, nicht wieder verloren gehen. Wenn mir Gottes Geist gestern bezeuget hat: Du bist ein Kind Gottes; so möchte ich heute auch wissen, wie ich mit Gott stehe, ob er an mir nichts auszusetzen habe; oder ich kann nicht ruhig seyn. Darum heißt es 1. Joh. 5,10. die Gläubigen haben dieses Zeugniß in sich - sie haben es nicht nur einmal gehabt. Darum bittet David: Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir! Laß ihn mir beständig, daß er mir täglich Zeugniß gebe, mich täglich deiner Huld und Gnade versichere. Wer in Christo bleibt, in dem bleibt Christus, und also auch sein Geist, wie es Christus versprochen hat Joh. 14,16.17., daß er bey euch bleibe ewiglich; denn er wird in euch wohnen, und in euch wird er seyn.
Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir. Ps. 42,1.
Da sollst du den Fels schlage, da wird Wasser heraus laufen, daß das Volk trinke. 2. Mos. 17,6.
Sie hatten keinen Durst in der Wüste; er ließ ihnen Wasser aus dem Felsen fließen. Jes. 48,21.
Der Fels war Christus. 1. Kor. 10,4.
Wer sich mit dem lauen Wasser des bloßen Wissens nicht begnügen kann, wer der löchrichten Sodbrunnen der faden Welt-Weisheit müde ist; wer nach frischem lebendigem Wasser dürstet, wie ein Hirsch in der Brunst; wer den Felsen kennt, aus dem Lebenswasser quillt; wer den Schlag an den Felsen versteht, dem wird Wasser des Lebens genug fließen in der dürren Wüste dieses Lebens; daß er und sein Volk, seine Kinder, seine Freunde und Angehörigen zu trinken haben. Hat doch der Herr seinem Volke in der Wüste so reichlich Wasser verschafft, daß sie die vierzig Jahre, die sie in der Wüste verweilten, keinen Durst leiden durften. Mußte doch ein Fels Wasser hergeben für sein Volk! War dieser Fels nicht Bild von Christus? war er nicht, wie Paulus sagt, Christus selbst? Ja, meine Lieben, wir haben diesen lebendigen Felsen unter uns und in uns; wer an ihn glaubt, von deß Leibe fließen Ströme des lebendigen Wassers. Joh. 7, 37. Dieser Fels giebt Wasser für alle durstige Herzen aller Nationen der Erde im Ueberfluß. So oft wir mit dem Stabe des gläubigen, innigen Gebetes und der kindlichen Zuversicht an sein Herz anschlagen, strömt der Strom des Lebens, Geist und Salbung, Friede und Gnade heraus und in unser durstiges Herz ein, daß wir an keinem Guten Mangel leiden. Er giebt den Geist ohne Maaß. Aber Hirt und Heerde, Prediger und Zuhörer, Lehrer und Schüler, Aeltern und Kinder, Leib und Seele müssen verschmachten und vertrocknen in der Wüste dieses Lebens, wenn sie nicht dürsten, nicht schreien nach diesem Wasser, nicht an den Felsen glauben, nicht beten im Glauben, nicht verharren im Gebete, nicht wandeln im Genusse. Laß dir dieses gesagt seyn, du, der du andere lehren, andere erziehen, führen, oder ihnen etwas leisten und seyn sollst. Laß dir zuvor selbst geben, schreie nach frischem Wasser, schlage an den Felsen, daß Wasser heraus laufe, daß dein Volk, deine Kinder, Schüler, Zuhörer, Untergebenen, oder doch dein Herz trinke. Das Herz Jesu, das jetzt im neuen Bunde schon geöffnet ist, seine Wunden, die ein offener Born sind, diese sind es, an die du mit deinem Gebete anschlagen mußt; sie sind die Quelle des lebendigen Wassers. Jesus giebt den Geist. Joh. 16,13. In seinem Namen, auf seine Fürbitte sendet ihn der Vater. Joh. 14,16.26. Das merke dir, damit du bey deinem Gebete keine Luftstreiche thust, sondern den rechten Fels, und die rechte Stelle treffest, wo unfehlbar Wasser heraus strömet, so oft du anschlägt. Schlag an den Felsen, daß dein Herz, daß dein Volk trinke. Der Fels ist Christus!
Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf; denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie sichs gebührt, sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichen Seufzern. Röm. 8,26.
Daran erkennen wir, daß er in uns bleibet, an dem Geist, den er uns gegeben hat. 1. Joh. 3,24
Wer Lust zum Gebete hat, ist gewiß nicht ohne den heiligen Geist, und also auch nicht ohne Jesus. Wo der Geist des Gebetes wohnt, wohnt Jesus und sein Vater. Es ist ein sicheres Kennzeichen einer Wohnung Gottes im Geiste, wenn man seine größte Freude daran hat, im Geiste mit Gott umzugehen und in der Nähe Jesu zu wandeln, das heißt, gerne zu beten. Denn das Gebet ist nicht blos ein Murmeln und Plappern des Mundes, sondern das wahre, heilige Gebet ist ein unaussprechliches, merke dir: ein unaussprechliches Seufzen des Geistes. So lange man beim Gebete viel sprechen kann, ist immer noch viel Eignes bey demselben nicht ganz reines, vielleicht gar fremdes, unheiliges Feuer. Aber wenn der heilige Geist die Kohlen ins Rauchfaß des Gebetes legt und Weihrauch darauf streut; so hebt uns die heilige Flamme höher, und es vergeht uns das Sprechen - man kann nicht mehr Worte finden - das Herz, der Geist sagt mehr ohne Worte vor Gott, als die Zunge lallen kann. Uebrigens will man keineswegs das mündliche Gebet verwerfen. Alles hat seine Zeit. Ich will nur sagen, wer nur mündlich beten kann, läßt den heiligen Geist noch nichts oder nicht viel gelten; kann selbst zu viel, daß er diesen göttlichen Vertreter nicht zu bedürfen glaubt.
Ihr sollt es erfahren, daß ich mitten unter Israel sey. Joel 2,27.
Wo zwey oder drey versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Matth. 18,20.
Ja, man kann es erfahren, daß er in unsrer Mitte sey, ob nur zwey, oder zweitausend beisammen sind in seinem Namen. Man kann es erfahren, wenn gleich die ganze Welt nicht nur nicht daran glaubt, sondern es als Schwärmerey verwirft und verlästert. Man kann es erfahren; das wisset ihr alle, die ihr den Heiland lieb habt von ganzem Herzen. Gott hats gesagt: Ihr sollt es erfahren, daß ich mitten unter euch bin. Also muß es möglich, muß erfahrbar seyn. Und daß es wirklich geschieht, weiß nur der, der es erfährt; denn es liegt im Herzen, und läßt sich nicht herauslegen. Es muß auch drin bleiben. Möchten wir nur dem Heilande allemal, so oft wir zusammenkommen, die Freude machen, daß er sich uns zu erfahren geben könne. Möchten wir allemal so in seinem Namen, im lebendigen Glauben und in der innigen Liebe zu seinem Namen stehen, wenn wir beisammen sind, so würde er gewiß nie fehlen; er fehlt ohnehin nicht; er fehlt nie, er kann nicht von uns abwesend seyn - wir fehlen ihm, wir nehmen seiner nicht wahr. Stehen wir aber gesammelt im Geiste, ganz zu ihm gekehrt, nur nach ihm verlangend, so werden wir seine Nähe, die immer Statt hat, gewiß wahrnehmen. Leben und freuen sich nicht Leib und Seele im lebendigen Gott, wenn Er sich wahrnehmen läßt? Ist nicht alles lebendig, kräftig, gesalbt und schön, wenn er sich in unsrer Mitte spüren läßt? Ist nicht alles todt, kalt, finster, ungenießbar, wenn er dem Herzen abgeht, wenn wir ihn nicht in und unter uns haben? Darum suche niemand bey christlichen Versammlungen etwas anderes als ihn und seine Nähe, weil alles andere Gesuch doch lauter Spreu ist, die der Wind verweht. Die schönste Predigt, das beste Buch gefällt uns nicht, und soll uns auch nicht gefallen, wenn er nicht darin gefunden wird. „Ich in eurer Mitte!“ „Ihr sollt's erfahren!“ Dabey bleibet es.
Ich will Wasser gießen auf die Durstigen, und Ströme auf die Dürren; ich will meinen Geist auf deinen Saamen gießen, Segen auf deine Nachkommen; daß sie wachsen sollen wie Gras, wie die Weiden an den Wasserbächen. Jes. 44,3.
Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Offenb. 21,6.
Ich will lebendig Wasser auf euch sprengen. Ezech. 36,25.
Wer nicht dürstet, wird nicht trinken, wenn auch Wasser im Ueberfluß quillet. So ist es auch im Geistlichen. Es fehlt nicht an lebendigem Wasser, nicht an Geistes-Ausgießung; es kann, gemäß der wahrhaftigen Verheißung Gottes, nicht daran fehlen; aber an durstigen Seelen fehlet es. Es ist zu viel Durst nach irdischen Dingen, nach Gold- und Geldregen, nach den kothigen Pfützen der Lust und fleischlichen Vergnügungen; zu viel Heißhunger nach Ehre und Ansehen der Menschen, nach Lob, Ruhm rc., wo soll der Durst nach himmlischen Gütern, nach dem Pfingst-Regen herkommen? Gott kann und will sein lebendiges Wasser nur denen geben, die darnach dürsten; die wie ein dürres, ausgetrocknetes Land, wenn es im Sommer dürre und von der Sonnenhitze alles verbrannt ist, nach Labung, nach Trost, Kraft und Leben von oben dürsten, Tag und Nacht darum gen Himmel schreien. Wer in sich selber satt ist, kann den Geist aus Gott nicht empfangen. Wer sich wohl arm und dürre fühlt, aber nicht betet, nicht ringt und anhält im Gebete, wird den Geist auch nicht, wenigstens nicht reichlich empfangen. Und ohne Geist bist du todt in Sünden. Darum dürste, bete, ringe und harre, bis der Regen kommt, bis die Brunnen der lebendigen Wasser sich aufthun; bis der Heiland sein Lebenswasser auf dich sprengt, bis er seinen Geist ausgießt auf dich und deine Nachkommen; bis du und die Deinigen grünen und wachsen, wie das Gras, wie die Weiden an Wasserbächen. So stehts geschrieben, so muß es erfüllt werden. Was der Herr in die Bibel schreiben ließ, das will und kann und wird er auch thun. Glaube, bete, ringe.
Ueber das Haus Davids und über die Bürger zu Jerusalem will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Zach. 12,10.
Schaffe in mir, o Gott, ein reines Herz, und gieb mir einen neuen gewissen Geist. Ps. 51,12.
Zum Hause Davids und zur Bürgerschaft Jerusalems gehören alle wahre Jünger Christi. Denn Christus und sein Reich ist das Haus Davids, das neue Jerusalem und dessen Bürger sind die Gläubigen, welche nur trachten nach dem, was droben ist; welche, wie David, nur flehen und beten um einen neuen gewissen Geist, um ein reines Herz. Der Herr kommt all unsern Bitten zuvor; er hat uns alles in den Mund gelegt, was wir von ihm begehren sollen; er will uns sogar selbst den Geist des Gebets geben, ohne den wir ja nicht beten können. So gütig ist der Herr, und doch ist das Vertrauen in uns so klein und schwach. Eben darum sollten wir uns ohne Aufhören getrieben fühlen, um den Geist der Gnade und des Gebets zu flehen; denn Gnade macht das Herz fest und gewiß, und der Geist allein kann uns beleben. All unser Elend kommt von unsrer Geistlosigkeit her; die Magerkeit der Seele, das sinnliche Wesen, die Leere des Herzens, wie tief soll uns all dies beugen, wie mächtig uns treiben, täglich um die Ausgießung des Geistes der Gnaden und des Gebetes zu flehen. Denn der Herr will einmal seinen Geist nur geben, wenn wir um ihn bitten, wenn wir ihn heißhungrig verlangen. Aber da die meisten alles im eignen Geiste anfangen, auch sogar das Gebet, als wenn sie des Geistes Gottes nicht bedürftig wären, so bleiben sie in ihrer Armuth und Geistesleerheit krüppelhafte Christen, die mehr wissen, als sie thun; die weiter sehen, als sie gehen wollen.
Sonntag Trinitatis (Dreieinigkeit)
Gehet hin, lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes. Matth. 28,19.
Es sind also Drey, die da zeugen im Himmel: Der Vater, das Wort und der heilige Geist, und diese Drey sind Eins. 1. Joh. 5,7
Es ist uns, Gott Lob! nicht befohlen, das Geheimniß der Dreieinigkeit zu erforschen oder zu erklären, - denn da würden wir stecken bleiben - sondern zu glauben, und zu genießen. Wir wissen genug vom Vater, vom Sohne, und vom heiligen Geiste, um ganz selig seyn zu können. Und was wir nicht wissen, würde uns wohl in unsern jetzigen Umständen, nicht seliger und nicht besser machen, wenn wir es wüßten, sonst hätte es uns Gott, der die Liebe ist, nicht verborgen. Zerbrich dir also den Kopf nicht darüber, sondern gieb dein Herz ganz dazu her, und liebe den Gott, von dem dir alle seine Worte und Werke bezeugen, daß er die Liebe ist, und ewig nur lieben kann. Wie hat dich armes Menschenkind der Vater so lieb, daß er dir seinen Sohn gab! Wie hat dich der Sohn so lieb, daß er sich selbst für dich hingab! Wie hat dich der heilige Geist so lieb, daß er dich mütterlich lehret, dir Jesum, deinen Heiland, im Herzen verkläret, dich neu schafft, und zum Kinde und Erben Gottes bildet! Wie kommst du dazu, daß der Vater und Sohn zu dir kommen und bey dir Wohnung machen wollen? Joh. 14,23. Wie hast du verdient, ein Tempel des heiligen Geistes zu seyn? 1. Kor. 6,19. Was hast du dem dreieinigen Gott zuvorgegeben, daß du in der Taufe von ihm in seine Familie aufgenommen, aller Rechte und Ansprüche seiner Kinder und Erben theilhaftig geworden? Halte inne, und bete an - liebe, glaube, hoffe, gieb dich hin! Das Geheimniß - ist schon, so weit du es verstehst, groß genug - wie wird dir seyn, wenn du einst schauen wirrst die tiefen Abgründe seiner Gnade und Liebe!
Des Todes Furcht ist auf mich gefallen. Ps. 55,5.
Christus hat durch den Tod dem die Macht genommen, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel, und erlösete die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte seyn mußten. Hebr. 2,14.15.
Jesus hat uns durch seinen Tod vom ewigen Tode, vom Tode der Seele, also auch von der Furcht dieses Todes erlöset; aber der Leib muß den Sold der Sünde bezahlen, muß sterben. Sind wir also gleich, wenn wir an Christum lebendig und wahrhaftig glauben, versiegelt mit seinem Geiste, des ewigen Lebens gewiß, weil der Herr sagt: Wer an mich glaubt, der stirbt nicht, sondern hat das ewige Leben, und wird leben, ob er gleich sterben muß dem Leibe nach; so bleibt uns doch der Durchgang durch das Todesthal übrig, und das hat nicht nur dem lieben David, sondern schon manchen großen Männern, denen man Glauben und Gottseligkeit nicht absprechen konnte, Furcht und Schrecken eingejagt, so daß sie sagen mußten, des Todes Furcht ist auf mich gefallen. Der Herr führt die Seinen, und führt sie Wege, die für sie heilsam sind; wenn Er sie führt, müssen sie es seyn. Nichts kann all das Verborgene in dem Innersten des verzagten und trotzigen Herzens so sehr aufdecken, als Todesfurcht; und wenn diese Eigenheiten durch alle andere Mittel nicht herauszubringen sind, jagt sie der Herr mit der Todesfurcht heraus, und übt eben dadurch den Glauben am allermeisten. Denn, wenn dich der Tod mit all seinen finstern und gewaltigen Waffen der Furcht und Beängstigung überfällt, wirst du und mußt du dem Tod einen Herrn suchen. Wo ist der zu finden? in Christo. Er soll dich also nur dem Leben, dem Herrn des Lebens, in die Arme jagen. Laß dich dahin jagen, oder fliehe selbst dahin, ehe du gejagt wirst.
So wollest du deinem Knechte geben ein gehorsames Herz. 1. Kön. 3,9.
Erhalte mein Herz bey dem Einigen, daß ich deinen Namen fürchte. Ps. 86,11.
Neige mein Herz nicht auf etwas Böses. Ps. 141,4.
Ich will ihnen ein Herz geben, daß sie mich kennen sollen, daß ich der Herr sey. Jer. 24,7.
Wer mit Ernst und wahrhaftig fromm und selig werden will, traut seinem eignen Herzen nicht; denn es ist ein trotzig und verzagt Ding, und zum Bösen geneigt von Jugend auf, darum bittet er um ein anderes Herz. Und der, der alles neu zu machen versprochen hat, wird am allerliebsten das Herz des Menschen erneuern und ändern, weil er gerade das Herz vom Menschen vor allem andern verlangt und in Besitz nehmen will. Er hat sich eingeladen und versprochen, in deinem Herzen Wohnung zu nehmen, Joh. 14,23. nun kann er aber ja in ein altes, verdorbenes Herz nicht kommen, nicht bleiben darin; darum muß er es sich vorher zurecht machen, wie jeder, der in eine Wohnung, in ein Haus einziehen will. Das mache dir Muth, und stärke dein Vertrauen: Er ist willig dazu, dich zu erhören, wenn du mit allen Frommen um ein neues, gehorsames Herz bittest. Seine Verheißung: Ich will es geben, ist älter als dein Gebet: Gieb mir! Er hat vor mehr als zweitausend Jahren schon verheißen, was du jetzt erst bittest. Er war schon so lange vorher bereit zu geben, ehe du verlangtest. Darum laß es dir Ernst seyn, und flehe so lange, bis du erhältst, bis du ein anderes Herz im Leibe fühlst, und dein altes nicht mehr finden kannst.