Evang. Joh. 16, 16 - 22.
Ueber ein Kleines rc.
Das heutige Evangelium ist aus der Abschiedsrede Jesu an Seine Jünger genommen, die Er vor Seinem Leiden und Sterben an sie hielt, und womit Er sie auf dasselbe vorbereiten wollte, daß sie sich nicht ärgern sollten. Sie sollten vorauswissen, daß Sein Leiden nicht unvorhergesehen und unvermuthet komme, sondern vorherbedacht und freiwillig sey; daß Er nicht blindlings in den Tod hineinlaufe, sondern aus eigner Wahl und freiem Willen sich dazu anschicke - und dann, daß es nicht zum Schaden und Verderben, sondern zum Heil und zur Verherrlichung gereichen werde. Darum sagte Er:
Ueber ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen; denn ich gehe zum Vater. Jesus sprach dieses im Hinblick auf Seinen Tod und Seine Auferstehung, kurz vor Seinem Leiden, auf dem Wege zum Oelberg, oder beim Passamahl, da also Ihm das Leiden und der Tod sehr nahe war, und Er also sagen wollte, über ein Kleines, bald, bald, nach wenigen Stunden werdet ihr mich nicht mehr sehen, indem ich gefangen genommen, zum Tode verdammt, gekreuzigt und begraben werde; aber über ein Kleines nach drei Tagen, werdet ihr mich wiedersehen, indem ich dann auserstehen und euch wiedererscheinen werde. Kein Mensch sieht sein Leiden so vorher, wie Er vorhersah, was Er leiden würde. Wir würden es nicht ertragen können, und uns kaum dazu hergeben, wenn wir es vorherwüßten, wie schwer das Kreuz drückt. Er mußte daher nur um so mehr leiden und schon zum voraus fühlen und tragen, was da kommen würde. Bei jedem Schritte und Athemzug lag die Last des Kreuzes auf Ihm, und Er nahm es immer und trug es aus Liebe zu uns und zu unserm Heil. Freilich sah Er auch ebenso die Herrlichkeit darnach; aber wir wissen, wie das menschliche Gemüth unter dem Druck der Leiden und Aengsten die Herrlichkeit, die darauf folgt, nicht so fassen und sich nicht so derselben freuen kann, als es wohl sollte. Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu seyn; erst hernach bringt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit. Hebr. 12. Das sehen wir auch beim Heilande, es war Ihm bange, Er schwitzte Blut vor Angst und zitterte und zagte, obwohl Er wußte, Er werde herrlich auferstehen nach drei Tagen. Er mußte deßungeachtet alle Bitterkeit de? Leiden und des Todes fühlen, wie ein anderer Mensch, und Seine Seele war betrübt bis zum Tode - nach Seinem eignen Bekenntniß. O es lag schwer auf Seiner Seele, da Er sagte: Ueber ein Kleines werdet ihr mich nicht mehr sehen - O es machte Ihm bange, was da über ein Kleines, nach wenigen Stunden über Ihn kommen würde; es war Ihm, als wäre es schon da; Er trug es schon auf Seinem Herzen. Das hätten die Jünger wohl verstehen sollen, denn Er hat es ihnen ja schon oft gesagt: Des Menschen Sohn geht hinauf nach Jerusalem, und dort wird Er gefangen, gebunden, verspottet, gegeißelt und gekreuzigt werden; aber am dritten Tage wieder auferstehen. Dennoch heißt es:
Da sprachen etliche Seiner Jünger unter einander: Was ist das, daß Er sagt zu uns: Ueber ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen, und ich gehe zum Vater. Damit verrathen und bekennen die armen Jünger ihren Unverstand, ihre Unwissenheit und Geistlosigkeit. Drei Jahre wandeln sie mit Ihm, und verstehen Ihn nicht, so klar und deutlich Er spricht, und so oft Er es ihnen schon gesagt hat. Aber von Leiden und Sterben, Schmach und Spott wollten sie nichts hören; dazu hatten sie keine Lust, darum wollten sie es nicht verstehen. Herrlichkeit, Größe, Ehre und Ansehn, im herrlichen Messias-Reiche Sein Nächster und Größter zu seyn, steckte ihnen in Kopf und Herz. Wer das im Herzen hat, versteht das Wort vom Kreuze auch heute noch nicht. So kurz Er die Leidenszeit und das Nichtsehen angab, und nach drei Tagen schon wieder aufzustehen, und sie wieder zu sehen versprach, so konnten sie sich doch nicht darein finden, und sich nicht dazu verstehen. Denn das war es eigentlich. Sie verstanden es gewiß, aber sie wollten sich nicht dazu verstehen, weil es ganz gegen ihren Sinn und ihre Erwartung war.
Das Wort: und ich gehe zum Vater, war ihnen vollends ungenießbar und unverdaulich; obwohl Er ihnen gesagt: Es ist euch gut, daß ich hingehe; sonst kommt der Tröster nicht zu euch; wenn ich aber hingehe, will ich ihn euch senden, der wird euch in alle Wahrheit führen - auch in das Wort vom Kreuz. O wie nothwendig ist also der heilige Geist, wenn man dieses Wort von Jesu Leiden und Tod recht fassen und annehmen soll. Wie versteht man doch so gar nichts von Jesu, wenn der heilige Geist uns nicht erleuchtet. Das sieht man nicht nur an den Jüngern hier, sondern alle Tage an Allen, die durch eigne Vernunft und Kraft an Jesum glauben wollen. Die Jünger wollten den Heiland nicht zum Vater gehen lassen, um Ihn nicht aus den Augen zu verlieren, und nicht an Ihn glauben zu müssen. Das konnten sie sich noch nicht denken, wie sie ohne Seine sichtbare Gegenwart an Ihn glauben, Ihn doch nahe haben, und durch Ihn selig werden könnten.
Darum dachten sie: Wie kann Er denn zum Vater gehn, und uns verlassen? Vom heiligen Geist und der unsichtbaren Gegenwart Jesu hatten sie noch keinen Begriff. Darum sprachen sie: Was ist das, daß Er sagt: Ueber ein Kleines? Wir wissen nicht, was Er redet. Das Kleine, das Kleine! Das Nichtsehen, das Leiden - das geht ihnen im Kopfe um, und sie können's nicht zurecht legen. Was sind alle Leiden dieser Zeit, als ein Kleines gegen jene Herrlichkeit, die an uns soll offenbar werden. Und doch geht es den Menschen nicht ein. Drei Tage Leiden gegen eine Ewigkeit der Freuden ist ja doch ein Kleines - ein sehr Kleines, das gar nicht zu rechnen ist.
Da nun Jesus merkte, daß sie Ihn fragen wollten, sprach Er zu ihnen: Davon fraget ihr unter einander, daß ich gesagt habe: Ueber ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen. Nun erbarmte Er sich über ihren Unverstand, und wollte ihnen aus dem Traume helfen, denn es war ihnen, als träumte ihnen, da sie auf einmal von Leiden und Sterben hören mußten, und sie glaubten, es gehe auf lauter Himmel zu. Der Heiland nahm aber nichts zurück, widerrief nicht, sondern verstärkte es mehr, und sagte ihnen deutlich heraus: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig seyn, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Es geht nichts davon ab, es muß schon so seyn, des Menschen Sohn muß leiden, und also in Seine Herrlichkeit eingehen. Und wer mein Jünger seyn will, der muß sich darein ergeben, muß mit leiden, muß mein Kreuz auf sich nehmen, sich selbst verläugnen - muß den Kelch trinken, den ich trinke, und mit der Taufe getauft werden, womit ich getauft werde. Für jetzt zwar, lieben Jünger, werdet ihr nicht mit gegeißelt und gekreuzigt werden, sondern bloß weinen und heulen und traurig seyn. Aber das müßt ihr, ihr möget wollen oder nicht. Ihr müßt sehen und Augenzeugen seyn, wie und was euer Meister leidet, und was es Ihn kostet, daß die Welt erlöset wird, um hernach davon Zeugniß geben zu können, und aller Welt zu sagen, was ihr gesehen und gehöret habt.
Das haben sie nicht geglaubt und erwartet bei Jesu, daß die Welt sich freuen und triumphiren sollte, sie aber traurig seyn und heulen müßten. Das meint auch Keiner, der erst zu Jesu gekommen ist, und die Hochzeits-Tage bei Ihm hat, daß es sich so wenden, und Er noch so leiden, die Welt aber sich freuen und jauchzen sollte. - In den ersten Gnadentagen wird man von dem Lamm getragen, aber endlich muß man wagen, selber seinen Gang zu gehn. Manchmal geht's durch Dornen und Hecken; darum bleibt man doch nicht stecken, denn das meiste ist der Schrecken, nichts als Sieg steht im Panier.„
Die Welt hat noch denselben Sinn; sie freut sich allemal, so oft Christus in den Seinen geschmäht, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt wird; und alle Frommen trauern dabei. Aber sie sollen nicht vergessen des Trostes, den der Herr giebt: Eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden - über ein Kleines. Die gottlose Freude der Welt kann nicht lange dauern, weil sie keinen Grund und Wahrheit hat; so wie das Leiden der Christen auch nicht ewig, sondern nur kurze Zeit anhält, aber ihre Freude wird ewig seyn. Wie die Traurigkeit der Gläubigen in ewige Freude und Herrlichkeit verwandelt wird, so wird die Freude der Welt über das Leiden und die Schmach der Christen in ewiges Heulen und Zähnklappen sich verkehren. Darum ist es besser, mit Christo und den Frommen hier leiden und verschmäht werden, als sich mit der Welt freuen und Andre verfolgen.
Wie der Heiland Sein Leiden voraussah und sagte, so sah Er auch voraus die Traurigkeit und das Weinen und Heulen der Seinigen und sagte es ihnen auch vorher. Er trug Sein und Seiner Jünger Leiden auf Seinem Herzen. Er weiß auch, was wir zu leiden haben, und trägt es auf Seinem Herzen, kann uns stärken und trösten, und thut es auch, wenn wir Ihm vertrauen und unsere Herzen vor Ihm ausschütten. Das Wort Jesu: ihr werdet weinen und heulen und die Welt wird sich freuen, wird immer wahr bleiben und erfüllt werden, so lange Jünger Jesu auf Erden sind; aber auch das: eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Sehen wir das erste erfüllet, so soll es uns Pfand seyn der Erfüllung auch des zweiten. Die Traurigkeit der Zeit soll uns nur vorbereiten und tüchtig und empfänglich machen der Freuden der Ewigkeit. Je mehr Leiden hier, desto mehr Freuden dort; je größere Leiden hier, desto herrlichere Freuden dort. Der Heiland giebt ein Gleichniß:
Ein Weib, wenn sie gebieret, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, daß ein Mensch zur Welt geboren ist. Alles wird mit Schmerzen geboren, keine Geburt ohne Wehen, in diesem Leben. Wie sollte die einzig wahre Geburt zum ewigen Leben ohne Wehen und Schmerzen vor sich gehen! Jeder Freude gehen Schmerzen voran: ohne Kreuz keine Krone; ohne Kampf kein Sieg - ohne Traurigkeit keine Freude; ohne Anfechtung und Leiden keine Seligkeit. Was ist die größte Freude und der größte Gewinn für Mütter, als Kinder. Aber was kostet das, bis diese Freude ihnen wird. Es geht auf Leben und Tod; die Angst, der Schmerz ist unbeschreiblich - doch die Mutter ringt und erringt es; sie duldet Alles, strengt sich mit aller Kraft, ja über Kräfte an, um zur Freude zu gelangen, um sich an dem neugebornen Kinde zu weiden, um Mutter zu werden, und doch weiß sie nicht, was aus diesem Kinde werden wird, ob ihr zur Freude oder zum Herzeleid, wenn sie alle Mühe der Erziehung und Pflege daran gewendet hat. Dennoch freut sie sich, und vergißt allen Schmerz; es ist ihr nicht zu viel, nicht zu theuer. Sie unterzieht sich gern wiederum und wiederum den Schmerzen und der Angst, um wiederum und wiederum Mutter zu werden, und wiederum dieselbe Freude sich so theuer zu erkaufen - mit Gefahr des Lebens. Und jeder leidenschaftliche Mensch, was leidet er, was opfert er, um seine Zwecke zu erreichen, um sich eine eingebildete kurze Freude oder Lust zu verschaffen - Der Geizige, der Wollüstige, der Ehrsüchtige, der Eitle, der Rachsüchtige - was wagen sie, was unternehmen sie, was lassen sie sich kosten, um ihre Begierden zu befriedigen, und einen Traum von Freude und Lust sich zu verschaffen! Und die reinste Freude und höchste Seligkeit sollten wir ohne Mühe, ohne Leiden erringen wollen! Die Geburt zum ewigen Leben, die Wiedergeburt von oben herab aus Gott und Seinem Geist sollte ohne Wehen und Schmerzen vor sich gehen? Nein, das mußten Alle erfahren, die vom Tode zum Leben durchgedrungen sind. Es geht durch die enge Thür, wo die alte Schlangenhaut abgestreift, der alte Mensch ausgezogen wird. So mußten die Jünger durch Schmerzen wiedergeboren werden, so mußte Paulus, nachdem ihm der Herr auf dem Wege nach Damaskus erschienen war, drei Tage dort schmachten, konnte nicht essen und nicht trinken, betete und rang, bis Ananias kam und ihm die Hände auflegte; da war er neugeboren. So hat er nachher an die schon bekehrten Galater geschrieben: „Meine Kinder! die ich abermal mit Schmerzen gebare.“ Und wer muß nicht bekennen, daß, wenn er ja ein inneres Leben hat, daß er durch heiße Leiden und schwere Kampfe, durch Traurigkeit und Angst, wie eine Gebärende dazu gelangt ist? Wer das sich nicht gefallen läßt, darin nicht aushält, und nicht durchdringt, der wird nicht wiedergeboren, kommt nicht zum Leben und zur Freude des Lebens aus Gott - er bleibt ein Todter, oder wird eine Mißgeburt - er kommt nicht zum Frieden. Niemand wird gekrönt, er kämpfe denn recht; wenn wir mit leiden, werden wir auch mit leben und herrschen. Nicht, als ob wir's dadurch verdienten oder verdienen müßten, nein, so wenig, als die Mutter durch ihre Wehen es verdient, sondern es für Gnade und Gottes Geschenk achtet, wenn sie ein lebendiges Kind zur Welt bringt, und sie selbst mit dem Leben durchkommt. Aber es ist Bedingniß, es ist Gesetz der Natur, Gottes - es muß so seyn. So auch im Reiche Gottes - ohne Trübsal können wir nicht in das Reich Gottes eingehen, und ohne Leiden nicht selig werden, obwohl es ewig unverdiente Gnade bleibt, wenn wir die Seligkeit und das ewige Leben erlangen, denn nicht unsere, sondern Seine Leiden haben es uns erworben. Nun wendet der Heiland das Gleichniß auf Seine Jünger an, und sagt:
Und ihr habt auch jetzt Traurigkeit, aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen. Tröstet Er nicht Seine Jünger, wie ein Vater oder eine zärtliche Mutter ihre Kindlein tröstet, und verheißt ihnen in ihrer Traurigkeit die größte Freude des Wiedersehens, und ewige Wonne? - Und wie bald ist das erfüllt worden; nach drei Tagen hieß es: „Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen.“ Da hieß es: „Brannte nicht unser Herz, da Er auf dem Wege mit uns redete?“ Und wie lange schon freuen sie sich jetzt in dem Himmel vor Seinem Angesichte - sie, die eine so kurze Zeit um Ihn trauerten und weinten! Wir sehen Ihn gar nicht äußerlich, und müßten daher zeitlebens traurig seyn, wenn das innere Sehen mit Glaubensaugen nicht wäre - denn Er kann sich fühlbar genug offenbaren auch ungesehn. Doch auch dieses haben wir nicht immer, Er verbirgt sich oft, und entzieht Seine innere Nahe und Seinen Frieden, womit Er sich den Herzen zu genießen und mehr als zu schauen giebt, und da trauern wir. Da lasset uns aber auch des Trostes nicht vergessen, den Er uns, wie den Jüngern gegeben hat, und der so gut für uns im Buche steht, als Er ihn den trauernden Jüngern mündlich gab: „Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll - wenn das Glaubensleben ein Ende hat - Niemand von euch nehmen. Das küßt man Ihm vom Munde weg, und nimmt es, und hält es fest, auf daß man sich zur Zeit der Noth und Traurigkeit, wenn Er sich hinter den Vorhang verbirgt, trösten kann. - Drum wünsch ich mir, so lang ich hier abwesend von Ihm walle, daß mir meine Zuversicht zu Ihm nie entfalle! Denn wenn ich wein um's Seligseyn in Seiner lieben Nähe, ist's schon immer ein Beweis, daß Er vor mir stehe.“ Die Traurigkeit um Ihn ist eine göttliche, herrliche, köstliche, besser, als alle Freude und Lust der Welt, denn sie ist Pfand und Tiegel, daß Er unser Herz ebenso erfreuen wird mit Seiner Nähe, als es um Ihn traurig ist und weint. Selig sind solche Trauernden, denn sie sollen getröstet werden. Er steht solchen Trauernden so nahe, als den trauernden Jüngern nach Emmaus, die auch die Köpfe um Ihn hingen, und Er wandelte in ihrer Mitte. Aber wie bald brannte ihnen das Herz, ohne zu wissen, daß Er es ist.
Ach wer nur immer bei Tag und Nacht
Sein zu genießen recht wär bedacht,
Der hätt ohne Ende von Glück zu sagen,
Und Leib und Seele müßt immer fragen:
Wer ist wie Du?
Barmherzig, gnädig, geduldig seyn,
Uns täglich reichlich die Schuld verzeih'n,
Heilen, stillen, trösten, erfreu'n und segnen,
Und unsrer Seele als Freund begegnen
Ist Deine Lust.
Ach gieb an Deinem kostbaren Heil
Uns alle Tage vollkommnen Theil,
Und laß unsere Seele sich stets anschicken,
Aus Noth und Liebe nach Dir zu blicken
Ohn Unterlaß.
Und wenn wir trauern, so tröst uns bald.
Mit Deiner blutigen Todsgestalt,
Ja, die laß uns immer vor Augen schweben.
Und Dein wahrhaftiges in uns leben
Zu sehen seyn!\
Und an demselbigen Tage werdet ihr mich nichts mehr fragen. Warum nicht mehr? Da werden sie es wohl selbst verstehen und erfahren, besitzen und genießen - weil sie Ihn haben und Sein Geist in ihnen wohnt, die Salbung, die allerlei lehret, so daß sie nicht bedürfen, daß sie Jemand lehre. 1 Joh. 2, 27. Er gab ihnen ja den Geist und giebt ihn noch allen Seinen Jüngern, den Geist, der in alle Wahrheit leitet, an Alles erinnert, Jesum verklärt, und an Seiner Statt bei uns bleibt ewiglich. Ehe man Jesum hat, hat man viel zu fragen, und wird doch nicht klug , und gelehrt, aber - O welch ein Licht bricht in's Gesicht, wenn Er im Herzen funkelt, Er, der's schönste Morgenroth wie der Tag verdunkelt!“ - Da fragt man nicht mehr; da schauet man das Licht im Lichte - man hat und genießt; man liebt und thut. Darum ist ja nichts Besseres, als um des Heilands willen eine kurze Zeit traurig seyn - und wenn's bis an den jüngsten Tag seyn müßte - Seele, laß dir's nicht zu lange seyn - aber es dauert nicht so lange. Er kann selber nicht so lange warten; Er kommt viel früher. - Siehe, ich komme bald;„ sagt Er - darum harre noch ein wenig; ein Augenblick bringt alles Leid und Traurigseyn wieder ein, und man ist so selig, daß auch's Gebein darüber fröhlich und dankbar wird.
Trauern müssen wir ja immer, und wie? wenn wir Ihn nicht haben könnten und erwarten dürften, wenn Er nicht sich uns zu nahen verheißen hatte. Aber nun, da wir um Ihn trauern dürfen, Ihn erwarten dürfen, und gewiß wissen, Er kommt, Er ist schon da, wir sehen Ihn nur nicht, die Augen sind uns gehalten - oft ist es eine große Gnade und Seligkeit, um seinen Heiland verlegen seyn! denn man hat Ihn, wo man um Ihn weint. Amen.