Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand. Gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen.
Kann der Herr, der Heiland,, nicht eben so über viele Christen klagen, wie David über seine Nachbarn: Mein ist bei ihnen vergessen im Herzen, wie eines Toten, (Psalm 31,13.) der längst aus den Augen und aus dem Sinne ist. Ja, vielen ist er so wenig erinnerlich als einer, der vor 1800 Jahren gestorben ist, und den sie nie gekannt haben. Da heißt es denn auch: Im Tode gedenket man deiner nicht! (Psalm 6,6.) Wenn kein Leben aus Gott, sondern der Tod im Herzen ist, so gedenket das Herz nicht an seinen Erlöser; kann es auch nicht. Aber wo der Herr im Herzen lebt, da lebt auch sein Andenken; da denkt man nicht nur an ihn, da lebt man in ihm, da ist das Herz voll Freude über ihn; da schaut es sein holdes Angesicht, da spürt es seine Nähe, ist entzückt darüber, vergisst aller andern Dinge, und spricht zu ihm: Ich halte dich, ich will dich nicht lassen. (Hohel. 3,4.) Ist der Morgenstern aufgegangen im Herzen, so strahlt er immer so ins Auge, dass man seiner nicht mehr vergessen kann; denn er leuchtet Nacht und Tag, und geht niemals unter, wenn wir nicht selbst das Auge von ihm abwenden, oder uns Sand in das Auge werfen; wenn wir unser Gemüt von Dingen rein bewahren, die den Blick auf ihn verdunkeln und den Himmel der Seele trüben. Wer ernstlich reines Herzens und selig in ihm sein will, der weiß wohl auch, dass er ihn nicht einen Augenblick entbehren kann; der wagt keinen Schritt ohne ihn, weil er selbst gerade zu gehen und im Geleise zu bleiben so wenig vermag, als ein Kind, das jetzt erst geboren ist. Und wer kann leiden ohne ihn? Je mehr also Leiden auf uns zudringen, desto mehr sollen wir ihn festhalten und nicht lassen; denn jedes Kreuzchen zerdrückt uns und macht uns ganz unglückselig, wenn er nicht in uns ist und die Schwachen stärkt, die Sinkenden aufrichtet, die Verwundeten heilt, die Betrübten tröstet? O meine liebe Seele! halte ihn, und lass ihn nicht, denn ohne ihn ist all dein Glück dahin.
Gehe hin zur Ameise, du Fauler, siehe ihre Weise an und lerne; ob sie wohl keinen Fürsten, noch Hauptmann, noch Herrn hat, bereitet sie doch ihr Brot im Sommer, und sammelt ihre Speise in der Ernte. rc.
Das ist eine Ermahnung zum Fleiß und zur Tätigkeit im Zeitlichen, zur Erwerbung seines eignen Brotes, die allerdings sehr notwendig und empfehlenswert ist, weil diese Tiere alle Menschen durch ihre Emsigkeit beschämen. Sollen wir aber in dieser irdischen Beziehung von ihnen lernen, warum nicht vielmehr in geistlicher Hinsicht. Die ganze Lebensweise der Bienen ist ein Bild eines wahren Gläubigen. Sie holen ihren Saft, woraus sie Honig und Wachs, angenehme und nützliche Dinge, und zugleich ihre Wohnungen bereiten, auf den Blumen des Feldes, wo sie sich so tief wie möglich in den Kelch der Blume hineinsenken, und heraussaugen, so viel sie tragen können. Dem Christen ist Gottes Wort und Christi Kreuz der lieblichste, süßeste und reichste Blumengarten, in dem er sich bald auf diese, bald auf jene Blume setzt, und auch so tief wie möglich in den Kelch der Leiden und des Kreuzes Jesu sich einsenkt, und Saft und Kraft herauszieht, es in sich durch Gebet und Übung bereitet, zu seiner und anderer Erbauung und Seligkeit, so dass seine Worte und Werke nicht nur freundlich, süß und lieblich, sondern auch nützlich, segnend und heilbringend sind. Er schafft Freude und Nutzen um sich her. Wer durch die Betrachtung des Wortes Gottes und durch sein Verweilen beim Kreuze Christi mit Segen und Kraft so erfüllt wird, als die Biene reichbeladen von den Blumen zurückkehrt, der wird ein Segen des Landes, in dem er wohnt, ein Licht derer, die ihn umgeben. Die Anhänglichkeit der Bienen an ihren König, ist nicht weniger erfreulich für das Christenherz, das ohne Christum nicht leben und nicht bestehen kann, das ihm überall nachfolgt, und nur bleibt, wo er bleibt. Besonders nachahmungswürdig ist aber ihr verborgenes Wirken, wobei sie durchaus von keinem Auge wollen gesehen sein, als von ihrem Könige. Sie sind unermüdet geschäftig und decken es sorgfältig zu, verbauen alle Fensterchen und Öffnungen, durch die man sie beobachten will. So will der Christ selbst seine Linke nicht wissen lassen, was seine Rechte tut. Es ist ihm genug, dass es der weiß, der ins Verborgene sieht. Er stellt seine Werke nicht zur Schau aus, und tut das Gute nicht, um vor den Menschen gesehen zu werden. Die Biene spinnt auch nicht aus sich selbst heraus, wie die Spinne; sie sucht, was Gott gegeben hat. So sucht der Christ nichts in sich selbst, sondern da, wo der rechte Saft zu finden ist, in Christi Wort und der Gemeinschaft seiner Leiden.
Allein der Herr macht das Herz gewiss (fest.) Wie das Feuer Silber … so prüfet der Herr die Herzen. Sprüche 17,3.
Mancher glaubt, wenn er den Herrn sucht, und gefunden zu haben meint, nun soll alles gut und glücklich gehen, kein Leiden, kein Trübsal dürfe sich ihm mehr nahen. Aber eben deswegen muss Trübsal und Angst über ihn kommen, weil er nicht rein den Herrn, sondern gute Tage bei ihm gesucht hat. Eben deswegen muss sein Herz in die Hitze der Trübsal und Not hinein, wie Silber und Gold ins Feuer, um die Schlacken der Nebenabsichten oder der Selbstsucht wegzuschmelzen und auszubrennen, um das Herz gewiss, und fest, rein und lauter zu machen. Wenn aber nun Not und Unglück, Trübsal und Angst einen solchen halbherzigen Sucher des Herrn heimsuchen, so denkt er, oder die Welt sagt es ihm ins Ohr: Was hast du nun davon; denn nun hat dich der Herr gesucht und gefunden; nun prüft und läutert er dein Herz und bereitet ist, dass du ihn mit ganzem Herzen suchest und auch finden mögest.