Mitten unter Deinen Schmerzen
Sieht dein sanfter Blick herab,
auf den Freund, der deinem Herzen,
Jesu, neues Leiden gab!
Da noch zeigt sich dein Gemüte,
Reich an göttlich großer Güte.
Du vergissest eignen Schmerz;
Für den Schwachen sorgt dein Herz.
Deinem Freunde bin ich ähnlich,
Ach, erbarm auch meiner dich!
Sieh, ich fleh' zu dir so ähnlich,
Stärke, leite, bessre mich!,
Stets auf deinem Pfad zu wandeln,,
Liebevoll wie du, zu handeln,
Bis zum Tod dir treu zu sein,
Lebend und im Tode dein!
Text: Joh. 18, V. 15-18. und 25-27.
Simon Petrus aber folgte Jesu nach: und ein anderer Jünger. Derselbige Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesu hinein in des Hohenpriesters Palast. Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da ging der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, hinaus und redete mit der Türhüterin und führte Petrum hinein. Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petro: Bist du nicht auch dieses Menschen Jünger einer? Er sprach: ich bin es nicht. Es standen aber da die Knechte und Diener und hatten ein Kohlfeuer gemacht; denn es war kalt und wärmten sich; Petrus aber stand bei ihnen und wärmte sich. Da sprachen sie zu ihm: Bist du nicht auch seiner Jünger einer? Er leugnete aber und sprach: Ich bin es nicht. Spricht des Hohenpriesters Knechte, einer, ein Gefreundter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm? - Da verleugnete Petrus abermal, und alsbald krähte der Hahn.
Schon einmal haben wir dem Jünger des Herrn, der uns durch seinen Feuereifer so teuer, durch seinen Fall so beklagenswert, durch seine Reue so liebenswürdig erscheint, unsere ganze Aufmerksamkeit gewidmet. Die Äußerungen desselben an jenem feierlichen Vorabend, da Jesus seinen Jüngern erklärte; dass sie ihm dahin nicht folgen könnten, wohin er ginge und das allzu große Selbstvertrauen, dass er damit an den Tag legte, haben wir mit einem prüfenden Blick in uns selbst beherzigt. Heute sehen wir den Augenblick seines Falls eintreten, sehen; wie ihn mit der steigenden Gefahr der Mut verlässt und er endlich seinen Herrn verleugnet. Statt ihn zu verdammen, lasst uns erkennen, wie häufig noch immer Christus auf manichfache Weise verleugnet wird, und wie so viele, nicht nur von Furcht getrieben und aus menschlicher Schwäche, sondern selbst mit frecher Schamlosigkeit, unausgesetzt, und ohne, wie Petrus, Reue über ihre Tat zu fühlen, der Gemeinschaft mit ihm sich entziehen.
Viele verleugnen den Herrn. Es geschieht dies dadurch, dass sie
Eine traurige Wahrheit und doch ist es so. Alle, die wir uns Christen nennen, sind auf seinen Namen getauft. Wir alle wurden schon in den ersten Jahren unsers Lebens seinem Schutz geweiht, und auf ihn, als das Vorbild alles Guten, hingewiesen. Längere Zeit hindurch wurden wir alle in seinem heiligen Wort unterrichtet und mit den Beweggründen, welche Liebe und Gehorsam gegen ihn erheischen, vertraut gemacht. Uns allen erschien endlich der hochfeierliche Tag, wo wir selbst am Altar, im Angesichte des Allwissenden, gelobten, ihn uns zum Führer durch das Leben zu erwählen, ihm nachzufolgen, ihm zu vertrauen, in ihm nur Heil und Frieden zu suchen. Klar erkannten wir, es sei in keinem andern Namen Heil und sei kein anderer Name gegeben, in welchem wir selig werden sollen, als der Name Jesus Christus, und feierlich versprachen wir dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens, dem, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, treu zu sein. Aber wie wenige von allen sind dieses heiligen Bund, der damals übernommenen Pflichten eingedenk geblieben? - Wie viele erkannten den Weg des Friedens nicht, verließen den rechten Pfad und gingen irre! - Nun hat es ferner keinen Wert für sie, dass sie in die Gemeinschaft mit dem Erlöser aufgenommen, dem Allliebenden auf ewig an das Herz gelegt sind. - Sie haben diese heilige Verbindung vergessen. Das Andenken an die Feststunde des Lebens, wo sie selbst das Gelübde ewiger Treue gegen Gott ihren Herrn und Heiland aussprachen und eintraten in die Zahl der erwachsenen Christen und Teil nahmen an dem Mahl seiner Gnade und Liebe, ist entflohen, und, dass sie vielleicht in jenen ergreifenden Augenblicken Tränen der Rührung geweint, mit tiefer Reue über ihre Schwachheit im Guten vor ihm erfüllt waren, ihm feurige Gelübde, heilige Entschließungen aussprachen; es ist alles ihrem Gedächtnis entwichen und die Welt mit ihrer Lust hat den Namen ihres Erlösers aus den Herzen getilgt. Tausende haben seiner vergessen und so manche, welche vielleicht einst kindlich vor ihm sich scheuten und zu ihm sich hingezogen fühlten, haben ihn - obwohl er nie aufhörte, mit seiner Liebe an ihnen sich zu verherrlichen, um sie ahnen zu lassen, dass nur bei ihm Ruhe und Frieden und nicht im wirren Treiben und Tun der Welt, in ihrer vergänglichen Herrlichkeit zu finden sei - nicht nur vergessen, sie scheinen oft gleichsam eine Ehre darein zu setzen, laut zu erklären, dass sie durch ihn sich nicht gebunden fühlen, dass der Name eines Christen für sie keine besondere Bedeutung habe.
Wohl fühlen wir, dass ein solches Vergessen des Herrn nicht einmal in Vergleich gesetzt werden könne mit jener Verleugnung des Petrus; denn bei ihm zeigt sich uns menschliche Schwäche und hier die verworfenste Frechheit. Aber vielleicht liefert unsere Zeit keine Belege zu dem Gesagten? Vielleicht stehen diese Behauptungen im Widerspruch mit der Wirklichkeit? Und, wer sollte nicht die Erfahrung gemacht. haben, dass ihrer leider nur zu viele sind, die frech sich rühmen, es gelte ihnen gleich, in welcher Religion sie erzogen wären. Die frei erklären, dass sie ohne Zaudern ihren Glauben mit einem andern vertauschen würden, dass sie, was ihnen einst Weisheit zu sein dünkte, in das Reich des Aberglaubens verwiesen haben und dass sie es der Gemeinheit und Unwissenheit überlassen, Stärke und Trost außer sich zu suchen; die überall ihre Verachtung gegen alles, was göttlich und heilig ist, zur Schau stellen, ja dies wohl selbst zum Gegenstand ihres Spottes machen, und denen jede Pflicht wichtiger ist, als die, deren Erfüllung ihr Glaube erheischt? Sie sind von dem Glauben abgetreten und hängen an den verführerischen Geistern und den Lehren der Teufel.
Ach so viele verleugnen Christum. Fänden wir indessen auch weniger, die seiner ganz vergessen, wie groß ist nicht die Zahl derer, die, wenn sie ihn auch eine Zeit lang im Herzen tragen, doch abfallen in der Stunde der Versuchung? - Wie wenig sind ihrer, die ihn bekennen vor den Menschen!
Wie viele schämen sich seines Namens vor andern, und verleugnen ihn dadurch! Wer mich frei, öffentlich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater, sagt Christus, und gerade dieses freie, öffentliche Bekennen vor den Menschen wird uns oft so sehr schwer. Wie den Jünger des Herrn die Furcht, vor den Feinden seines Meisters, die Furcht gleiches Schicksal mit seinem Herrn erdulden zu müssen, zum Abfall trieb, so verleugnen wir oft Christum, um der Gefahr, verlacht oder für allzu fromm gehalten zu werden, auszuweichen. Oder heißt das nicht sich seiner schämen und somit ihn verleugnen, wenn du in Gegenwart des Religions-Verächters, in Gegenwart des Vornehmeren, aus keinem andern Grund von deiner frommen Sitte in Gemeinschaft mit den Deinigen zu beten, abstehst, als weil du weißt, dass ihm deine fromme Sitte gleichgültig oder gar lächerlich ist, und du entweder von ihm verhöhnt oder ihm missfällig zu werden fürchtest? - Heißt das nicht Christum verleugnen, wenn du am Tag des Herrn durch den Verächter des öffentlichen Gottesdienstes aus keinem andern Grund dich abhalten lässt, im Haus Gottes Erbauung zu suchen, wo du sie doch außerdem zu suchen pflegst, als weil du den Spott über deine Frömmigkeit scheust? - Heißt das nicht Christum verleugnen, wenn du vor dem Angeseheneren, an Stand und Rang über dir Stehenden, der Christum verachtet, aus Bangigkeit, dessen Gunst zu verlieren, dich sorgfältig bemühst, es nicht merken zu lassen, dass du ihn liebst? Heißt das nicht Christum verleugnen, wenn Du in elende Witzeleien, in Scherze, die das Heilige zum Gegenstand des Gespöttes machen, mit einstimmst, um nicht für unfrei und allzu gewissenhaft gehalten zu werden? Heißt das nicht Christum verleugnen, wenn du aus Besorgnis, dir einen Gegner zu schaffen, der glaubensleeren Rede des andern, obwohl sie gegen deine innerste Überzeugung ist, Beifall gibst? Heißt das nicht Christum verleugnen, wenn wir auch nur schweigen, wo er gelästert wird, wenn wir verstummen, wo die heilige Wahrheit verhöhnt wird, wenn wir stille zusehen, wo gegen seine heilige Vorschrift gehandelt wird, wo ein, seinem Geiste ganz entgegengesetztes Treiben statt findet? - Heißt das nicht Christum verleugnen, wenn wir bei dem allen ruhig uns verhalten, statt dass wir nicht aufhören sollten, es laut zu missbilligen, zu tadeln, und uns nicht zu bequemen, allen alles sein zu wollen? -
Einen ungestümen Eifer, ein unzeitiges Besssernwollen, eine derbe Begegnung verlangt unsere Liebe zu Jesu nicht - aber sie schließt auch den verachtungswürdigen Sinn aus, der nicht kalt und nicht warm, mit dem Lasterhaften zum Lasterhaften, mit dem Spötter über alles, was heilig ist, zum Spötter, mit dem Verächter der Wahrheit, zum Verächter derselben wird, - Sie will, dass wir mit Ernst und Bescheidenheit, aber auch mit Freimütigkeit und Redlichkeit seiner Sache das Wort führen und es vor der Welt kein Hehl haben, dass wir unsers Lebens höchstes Glück darein setzen, Christen zu heißen und zu sein; dass wir überzeugt sind, es sei kein anderer Name und werde in keinem anderen Namen Heil gefunden, als in dem Namen Jesu Christi. So du mit deinem Mund bekennst Jesum, dass er der Herr sei, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du selig; denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht und so man mit dem Mund bekennt, so wird man selig.
Mangel an feuriger Liebe zu ihm, Mangel an Festigkeit in dem Glauben an ihn ist es, weshalb so viele den Herrn verleugnen, der sie erkauft hat, und führen über sich selbst eine schnelle Verdammnis, wenn sie ihn auch nicht gerade verachten. Beispiele aber, die die bisherigen Bemerkungen unterstützen könnten, finden wir zahllose im Leben, in der Hütte und im Palast, unter Geringen und Vornehmen. Aber es schämen sich nicht nur Viele seiner und verleugnen ihn dadurch; nicht selten ist das ganze Leben der Menschen eine fortgesetzte Verleumdung ihres Herrn,
sie wandeln seiner unwürdig, sie sprechen durch die Tat seinem Willen Hohn und beweisen, dass sie nicht sein Eigentum sind. Und gerade in dieser Weise gleichen wir wohl alle am meisten seinem Jünger, der ihn verleugnet und sind, ach schon so oft, weit tiefer als jener gesunken.
Lieben wir den Herrn innig, dann muss auch unser ganzes Leben ihm gehören, dann wirken wir, weil der Tag ist da, mit unermüdetem Eifer, mit hoher Freudigkeit für seine Sache, wo er uns hinstellte; dann achten wir den Beifall der Welt gering, in der Überzeugung, dass, wenn wir nur ihn haben, wir nichts nach Himmel und nach Erde zu fragen brauchen. Dann heiligen wir uns ihm zu einem Opfer, das da heilig und Gott wohlgefällig ist; dann überwinden wir mit ihm die Leidenschaft; unterdrücken mit ihm die sündlichen Begierden, verlangen nur nach dem Frieden, den er gibt, nach der Beseligung, die durch ihn uns wird. Dann beugt uns kein Sturm und keine Last drückt uns völlig nieder. Wohl haben wir Angst in der Welt, aber wir vertrauen der Hilfe dessen, der die Welt überwunden hat. - Und ist das, meine Freunde, ist das unser Sinn und unser Tun?
Wenn wir, verdrossen in unserm Beruf, träge sind Gutes zu wirken, so viel in unserer Kraft steht, verleugnen wir da nicht den Herrn, der sein hohes Werk mutig vollbrachte und dem wir nachzufolgen berufen sind? - Wenn wir immer wieder lieblos urteilen, lieblos nur an uns selbst denken, lieblos Unfrieden stiften, lieblos Rache und Zorn im Herzen beherbergen, verleugnen wir dann nicht unsern Herrn und Meister, der die Liebe war und aus Liebe für uns am Stamme des Kreuzes blutete? - Wenn wir immer wieder unseren besseren Vorsätzen untreu werden, jetzt einer sündlichen Neigung folgen, jetzt die Begierde nicht unterdrücken, bald unmäßig, bald unkeusch, bald ungerecht, bald leichtsinnig handeln, verleugnen wir dann nicht unsern Erlöser, der auch uns mit seinem teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben erkauft hat, zu einem Volk, das da heilig und gerecht sei in den Werken? - Wenn wir bei kleinen Unfällen mürrisch, durch getäuschte Hoffnungen zaghaft, durch Trübsal trostlos werden - verleugnen wir dann nicht unsern Herrn, der uns einen allliebenden Vater in Gott gegeben, der uns gelehrt hat, im Gebete Hilfe zu suchen und der uns in jedem Kampf überwinden und in jedem Streite siegen helfen will, ja der uns selbst durch den Tod zur Herrlichkeit einer bessern Welt führt und uns die Auferstehung und das Leben geworden ist?
Haltet diese Fragen euch selbst vor, prüfet, was euch davon angeht! Ach, wer von uns sollte nicht tief beschämt erkennen: auch ich habe ihn zahllos oft verleugnet, verleugne ihn noch immer. Sie sagen, sie erkennen Gott, aber mit den Werken verleugnen sie es, sintemal sie sind, an welchen Gott Gräuel hat und gehorchen nicht und sind zu allem guten Werk untüchtig. Sie haben den Schein eines gottseligen Wesens. aber seine Kraft verleugnen sie.
Herr, vergib uns, dass wir so oft aus Schwachheit dich durch Wort und Tat verleugnen! Gib du selbst uns Kraft, dich frei öffentlich vor den Menschen zu bekennen, damit auch du uns bekennen mögest vor Deinem himmlischen Vater! Amen.