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Gleissberg, Johann Ernst - Predigt am dritten Sonntag des Advents

Alle Veranstaltungen, die Du, Gott voll Liebe und Erbarmung, getroffen hast, um damit die segensreiche Erscheinung Deines eingebornen Sohnes auf Erden vorzubereiten, Du hast sie auch schon für uns getroffen; denn Dein Sohn ist als unschätzbarer Beweis Deiner heilsamen Gnade auch uns erschienen. Nie, und am wenigsten in dieser ernsten Zeit, die dem dankbaren Andenken seiner segensreichen Ankunft auf Erden vornehmlich geweiht ist, sollten wir ihrer gedenken können, ohne den Entschluß in uns zu erneuern und zu bestärken: wir wollen Dir, Vater des Lichts, zu Dank und Ehre, die guten und vollkommenen Gaben unserer theuren Religion so benützen, daß Christus durch den Glauben immer sicherer wohne in unserm Herzen, und wir, wenn der Glaube einst in Schauen verwandelt seyn wird, dann würdig mögen erfunden werden, zu stehen vor des Menschen Sohn! Lieber Vater im Himmel, segne dazu jede treue Bemühung, segne auch die gegenwärtige Stunde, wie wir Dich darum bitten in einem stillen, andächtigen Gebete.

Text Matth. 11, 2-10.

2 Da aber Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte, sandte er seiner Jünger zwei 3 und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten? 4 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin und saget Johannes wieder, was ihr sehet und höret: 5 die Blinden sehen und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Tauben hören, die Toten stehen auf und den Armen wird das Evangelium gepredigt; 6 und selig ist, der sich nicht an mir ärgert.

7 Da die hingingen, fing Jesus an, zu reden zu dem Volk von Johannes: Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her bewegt? 8 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern. 9 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, der auch mehr ist denn ein Prophet. 10 Denn dieser ist's, von dem geschrieben steht: „Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.“

Johannes, von dem der eben vernommene evangelische Abschnitt handelt, Johannes wußte im Geist, daß er es war, von dem geschrieben steht: siehe, ich sende meinen Engel vor Dir her, der Deinen Weg vor Dir bereiten soll. Darum gieng auch sein eifriges, unablässiges Bestreben dahin, den Weg zubereiten vor dem her, welchen er als den wahren Messias erkannte und bezeichnete. Keine Anstrengung war ihm zu groß, daß er sie nicht übernommen hätte, keine Gefahr zu drohend, daß er ihr nicht begegnet wäre; er scheute keinen Haß, kein Gefängniß, keinen Tod, wenn es galt, dem, der da kommen sollte, den Weg zu bereiten. Wie kam es denn aber, daß er, als er nun im Gefängniß des Herodes saß und die Werke Christi hörte, zwei seiner Jünger zu Jesu sandte und Ihn fragen ließ: bist Du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten? War ihm die Erscheinung Jesu Christi zu niedrig? Oder war ihm seine Gefangenschaft zu drückend? Oder was war es sonst, das ihn an der bereits erkannten und bezeugten Sendung Jesu wieder irre machte? Vielleicht glaubte er zwar selber noch, aber seine Jünger zweifelten, ob mit Jesu Christo der verheißene Messias wirklich erschienen sey, und vielleicht sandte er sie zu Ihm, damit sie durch Ihn selbst von ihren Zweifeln befreit würden; wie dem auch sey, Zweifel, wenn auch nur leichte, bald zu besiegende Zweifel mochten in der Seele des Lehrers oder seiner Jünger entstanden seyn; denn sonst hätte Jesus nicht so ausführlich auf Seine großen Thaten hingewiesen und gesprochen: selig ist, der sich nicht an mir ärgert! Wurden auch diese bedeutungsvollen Worte zunächst nur durch die Johannisjünger veranlaßt, so galten sie doch auch dem ganzen Volke, so gelten sie auch noch allen Menschen. Selig ist, der sich nicht an mir ärgert! so spricht der Herr auch noch zu uns und wir nehmen daher Veranlassung, jetzt mit einander zu erwägen:

Wie selig der ist, der sich nicht an Jesu Christo ärgert.

Unsere Betrachtung nimmt von selbst eine doppelte Richtung, wir haben nämlich zu erwägen:

  1. Wer sich nicht an Jesu Christo ärgert? und
  2. Wie selig ein Solcher ist.

I.

Hätten die Jünger Johannis Jesum nicht gefragt: „bist Du der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten?“ so hätte Er ihnen wohl auch nicht erwiedert: selig ist, der sich nicht an mir ärgert! Wir dürfen also wohl in Bezug auf den ersten Theil unserer Betrachtung zuvörderst sagen: derjenige ärgert sich nicht an Jesu Christo, der Ihn für den hält, der da kommen sollte. Wofür hat man Ihn denn aber zu halten? Diese Frage läßt verschiedene Antworten zu, je nachdem der Standpunkt verschieden ist, von dem aus wir die Bestimmung des Weltheilandes betrachten. Unstreitig wollte Er selbst auf die Beantwortung jener Frage hinleiten, wenn Er sprach: gehet hin und saget Johanni wieder, was ihr sehet und höret, die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Todten stehen auf und den Armen wird das Evangelium geprediget. Nach dieser eigenen Beschreibung Seines Wirkens sehen wir in Christo den, der Uebel nimmt und Güter gibt, freilich hier noch großentheils zeitliche Uebel und zeitliche Güter, aber auch ewige, und wenn wir Seine Bestimmung nur einigermaßen recht zu würdigen verstehen, erfahren wir: zeitliche Uebel und Güter um der ewigen willen, oder im Gefolge derselben. Was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Sehen wir bei Christo und Seinem Wirken vor Allem und am meisten auf das Unsichtbare, Ewige, Wahre; so behaupten wir dann: der ärgert sich nicht an Ihm, welcher Ihn hält für den, der da kommen sollte, alles wahre Uebel uns zu nehmen und alles wahre Gute uns zu geben.

Alles wahre Uebel will Jesus von uns nehmen. Gelobet sey, der da kam im Namen des Herrn! Aber was ist wahres Uebel? Nicht Blindheit, nicht Lahmheit, nicht Aussatz, nicht Taubheit, nicht Tod, nicht Armuth; diese und andere Dinge der Art sind wohl auch Uebel und zum Theil harte Uebel, aber doch immer Uebel, die, wenn Gott sie sendet, auch Güter bringen sollen, und die, wenn Gott sie auch nicht sendet, doch nicht mit jenen wahren Uebeln verwechselt werden dürfen, die weit tiefer liegen, unheilbarer sind und jedem wahrhaft Verständigen als weit furchtbarer erscheinen. Wir könnten sie geistige Blindheit, geistige Lahmheit, geistige Unreinigkeit, geistige Taubheit, geistigen Tod, geistige Armuth nennen. Doch ist diese letztere nicht zu verwechseln mit dem Zustand derer, die Jesus glücklich preist, wenn Er spricht: selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr. Wir wollen darum lieber statt geistiger Armuth geistige Armseligkeit sagen, um damit das Wesen derer zu bezeichnen, die sich über ihre geistigen Vorzüge aufblähen, gleich als hätten sie dieselben einzig in ihrer Art, und sie nur sich selbst zu verdanken. Kurz, die wahren Uebel liegen sammt und sonders in der Sünde, die in unendlich verschiedenen, bald einnehmenden. bald abstoßenden, bald freundlichen, bald schrecklichen Gestalten an dem äußern, und mehr noch an dem inwendigen Menschen haftet. Sie, die, wie sie sich auch immer schmeichlerisch und heuchlerisch geberdet, der Leute Verderben, ihr zeitliches, ihr ewiges Verderben ist, sie wollte, und will noch immer Jesus Christus hinwegnehmen mit allen ihren unglückseligen Folgen.

Und wie Er kam, alles wahre Uebel hinwegzunehmen, so kam Er auch, alles wahre Gute dagegen zu geben. Hosianna, gelobet sey der da kam, im Namen des Herrn, Hosianna in der Höhe! Auch leibliche, irdische Gaben können uns gut seyn; Reichthum, Gesundheit, das Leben sind Güter, die wir uns gerne erhalten, die wir nur ungerne verlieren, aber was sind sie gegen die innern, geistigen, himmlischen Gaben, die uns Jesus Christus darreicht, was sind sie gegen die himmlische Liebe, zu der Er uns führt, gegen den göttlichen Frieden, den Er uns gibt, gegen das ewige Leben, das Er in uns erweckt?! Kaum was der Schatten ist gegen den Körper, der Schein gegen die Wahrheit! Und Er läßt uns unsere Freude am Schein, aber Er zeigt uns gegenüber die Wahrheit; Er enthüllt uns ihre Herrlichkeit, ihre Schätze, Er bietet sich uns selbst dar als den Weg, der dahin führt, Er macht uns fähig, durch Seinen Geist aus diesem Wege zu wandeln und hier zu nehmen, was die Welt mit aller ihrer Lust, was wir selbst mit aller unserer Kraft uns nicht geben können. Er gibt uns Gottes heilsame Gnade, der Seele wahrhaftiges Leben, des Himmels ewige Seligkeit. Um solches - und was ist nicht Alles in diesem enthalten! - um solches uns zu geben, dafür hat Er gelebt und gelehrt, dafür hat Er gekämpft und geduldet, dafür ist Er gestorben und auferstanden! Ja, Er ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket, erhöhet, verherrlichet. Wer möchte Ihn, der einst auf Erden erschien zum Heil der Menschen, und der nun beim Vater die Klarheit hat, die Er hatte, ehe der Welt Grund geleget ward, wer möchte Ihn nicht für den halten, der da kommen sollte? Hat Er nicht die kühnsten Verheißungen der Propheten erfüllt, ja übertroffen?

Das können wir nun aber zugestehen, wir können behaupten: „Er war, der da kommen sollte, und wir brauchen keines andern zu warten“ und dennoch ärgern wir uns vielleicht am Ende noch an Ihm, wenn wir Seine segensreiche Erscheinung nicht recht benützen. Wer deßwegen sich nicht an Ihm ärgern will, der muß diese Seine Erscheinung auch so benützen, wie Er sie benützt haben will. Er ist freilich erschienen, um den Menschen alles wahre Uebel zu nehmen, und alles wahre Gute zu geben: aber so wenig Er ihnen jenes mit Gewalt entreißen will, so wenig will Er ihnen dieses mit Gewalt aufdrängen. Er nimmt jenes, und gibt dieses, o! so willig und gern, aber wir sollen es uns auch gern und willig nehmen und geben lassen, wir sollen für das Eine wie für das Andere Empfänglichkeit, Lust und Eifer beweisen. Wer sollte sich denn aber wahres Uebel nicht gerne hinwegnehmen lassen? fragt vielleicht mancher unter euch, meine Lieben, bei sich selbst mit Befremden. Ein Mensch, der solches nicht wollte, kommt ihm Anfangs als ein ganz unerklärlicher, höchst sonderbarer Mensch vor; aber er forsche nur weiter und er wird bald eine Menge solcher Menschen um sich her erblicken und ach! vielleicht nur zu bald sich selbst mitten unter dieser Menge! Ja, wenn es gälte, sich äußere Uebel, Krankheit, Armuth, Niedrigkeit und dergleichen mehr nehmen zu lassen, wie bereitwillig würden dann viele zum Heiland kommen; da Er sich aber damit nicht befassen mag, da Er weit größere, schwerere, unheilbarere Uebel aufheben kann und will, so bleiben sie ferne von Ihm. Es ist ihnen so oft unbehaglich, traurig und bange zu Muthe unter der Gewalt der Sünde; ihre Ketten drücken und verwunden sie bald hier, bald dort, und doch wollen sie sich diese Ketten nicht abnehmen, doch wollen sie sich von jener Gewalt nicht frei machen lassen. Ihre Sünde ist ihnen sogar lieb geworden; sie haben sich mit ihr in eine so feste und vertrauliche Verbindung eingelassen, daß es ihnen ganz schwer werden würde, von ihr zu lassen, daß es ihnen sogar vorkäme, als gienge ein Theil ihres Wesens zu Grunde, wenn sie von ihr lassen sollten, Und so bewirthen sie denn ihre bittersten Feinde, wie gute Freunde, mit dem Besten, was sie haben und fliehen den treusten Freund, der sein Bestes ihnen geben will, gleich als wäre er ein arger Feind. So läßt der Stolze nicht von seinem Stolz, der Geizige nicht von seinem Geiz, der Betrüger nicht von seinem Betrug, und so weiter, wie auch immer der Heiland in Seinem lebendigen Worte bitten, ermahnen, warnen mag!

Und wie mit dem wahren Uebel, so ist es natürlich auch mit dem wahren Gut; wenn es möglich wäre, äußere Güter, Gesundheit, Ehre, Reichthum und sofort von Christo zu erlangen, wie würde man Ihn in großen Schaaren allenthalben aufsuchen! Da Er aber andere Schätze darbietet, als die, welche Motten und Rost fressen, und denen die Diebe nachgraben, sie zu stehlen, so überhört man so oft Seine heilsamen Lehren, so verläßt man so leicht Seine ewigen Wege, so thut man lieber als wäre der Verheißene noch nicht erschienen und als hätte man eines Andern noch zu warten. Heißt das aber nicht sich an Ihn, ärgern und Sein seligmachendes Verdienst verschmähen? Ach, was hilft es denn, dann und wann von Seinen herrlichen Worten gerührt und bewegt zu werden, was hilft es denn, Seine großen Thaten dann und wann zu bewundern und zu erheben, wenn sich die Wirkungen davon nicht immer kräftiger und heilsamer an unserm innern und äußern Leben beweisen? Wenn wir Seine Erscheinung also nicht benützen, wie Er sie von uns benützt haben will, wenn wir wahres Uebel uns nicht nehmen, wahres Gut uns nicht geben lassen, dann ist Er umsonst, ja sogar zur Verdammniß uns erschienen, Er kann uns nicht zu den Seligen rechnen, die darum selig sind, dieweil sie sich nicht an Ihm ärgern. O, möchten wir doch täglich mehr in den Besitz dieser Seligkeit kommen, die so groß, so unschätzbar ist.

II.

Da wir nun betrachten wollen, wie selig der ist, der sich nicht an Christo ärgert, so haben wir, die wir wissen, wer sich an Ihm ärgert, noch zweitens zu erwägen: wie selig ein Solcher ist.

Lasset uns zu dem Ende wieder auf unser Evangelium zurücksehen und uns in die Lage des Johannes versetzen! Was mag er gefühlt haben, als seine Jünger, begeistert wohl, zu ihm zurückgekommen waren und ihm gesagt hatten, was sie hören und sehen durften! Schwer und trüb war seine Gegenwart, er saß ja unschuldig im Gefängniß; mochte ihm nicht aber das Herz ganz leicht, der Blick ganz hell werden, als er seine Jünger von den großen Thaten Christi reden hörte, als von diesen Reden alles Aergerniß an Christo aus ihrer Seele wich und es ihnen vielleicht war, als hörten sie die lieblichen, trostreichen Worte, die wir bald nach unserm Evangelium aufgezeichnet lesen: Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seyd, ich will euch erquicken; nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. Wir können uns nicht in die Lage des Johannes versetzen, ohne zu lernen: Wer sich nicht an Jesu ärgert, steht leichteren Herzens und helleren Blickes auch in einer schweren und trüben Gegenwart.

Was ihn auch drücken mag, verliert nicht jedweder Druck gar viel von seiner Qual, wenn das Herz, das ihn leidet, durch den innigen und lebendigen Glauben an Jesum Christum das klare, sichere Bewußtsein von der Vergebung seiner Sünden m sich trägt? Ein solches Herz ist leicht, denn, womit es auch die Leiden dieser Zeit, die Verunglimpfungen dieser Welt beschweren mögen, es fühlt sich ja vereint mit Gott und fragt: Ist Gott für uns, wer mag wider uns seyn? Welcher auch Seines eingebornen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat Ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken, wie sollte Er uns mit Ihm nicht die edelsten Güter des Lebens geben, Güter, die, wenn wir sie einmal besitzen, uns nimmer entrissen werden können? Daß so Vieles uns schon entrissen worden ist, daß so Manches uns noch entrissen werden kann, beschwerte unsere Herzen schon mit mancher harten Last, und verhüllte viele Augen schon in bittre Thränen. Was kann jedoch, wenn sich das Herz so beschwert fühlt, und wenn Finsterniß das Auge umgibt, was kann das beschwerte Herz eher erleichtern und das umfinsterte Auge besser erhellen als die Gewißheit, daß es auch unverlierbare Güter gibt, daß alle die Güter, die wir durch Christum Jesum gewinnen können und sollen, unverlierbar sind, daß wir diese Güter in Wahrheit gerade für die edelsten und beseligendsten zu halten haben, und daß sie oft nur auf schweren, dunkeln Wegen gefunden und behauptet werden können! Darum konnte Er die gerechtesten Ansprüche auf unsere Liebe machen, darum durfte Er auch sagen: wer Vater oder Mutter mehr lieb hat als mich, der ist mein nicht werth, wer Bruder oder Schwester mehr lieb hat, als mich, der ist meiner nicht werth.

So mochte Ihn wohl Johannes lieb haben, darum hielt er auch fest an Ihm in schwerer und trüber Gegenwart, und hoffte festen und unverzagten Muthes auf eine bessere Zukunft. Freilich sah er damals, als seine Jünger mit der trostreichen Nachricht von Jesu wieder zu ihm kamen, das Schwert des Henkers, das seinem Haupte drohte und das theure Haupt auch fällen sollte, noch nicht von ferne. Wenn er es aber auch gesehen hätte, dieses furchtbare Schwert, würde es ihn bestimmt haben, seinen Weg vom Wege Christi zu trennen? Was seyd ihr hinausgegangen zu sehen? wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet, oder was seyd ihr, hinausgegangen zu sehen? wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Nein, den wollten sie nicht sehen, den sahen sie nicht, sie sahen einen Propheten, sie sahen einen Mann, der auch mehr war als ein Prophet war, einen Mann, der mit festem und unverzagtem Muthe auf eine bessere Zukunft hoffte, wie er mit festem und unverzagtem Muthe Allem kühn entgegentrat, was diese Zukunft zu zerstören oder aufzuhalten drohte, und der solchen Muth nicht verlor, als sein Leben in die drohendste Gefahr gerieth. Mit einem solchen Muthe werden auch wir auf eine bessere Zukunft hoffen, wenn wir uns nicht an Jesu Christo ärgern, nein, Ihm vielmehr angehören und dadurch seligen Theil an Seinem ewigen Reiche haben. Wie sollte dem auch nicht so seyn? Sagte Er doch, der Kleinste im Himmelreich ist größer, denn Johannes, wie könnte uns sein fester und unverzagter Muth für die Zukunft fehlen? Ist uns nicht erschienen, worauf Er nur hoffte? ist es uns aber erschienen, was die Propheten geweissagt, sollten wir an der Erfüllung dessen zweifeln, was Er selbst verheißen hat?

Nein, wir zweifeln nicht daran, wir trauen Dir, lieber Herr, der Du sprichst: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht! Auf Dich, treuer Heiland, der Du die Wahrheit bist, auf Dich gründen wir unsere beste Hoffnung, auf Dich gründen wir uns selbst und gehen so getrost und unverzagt einer bessern Zukunft entgegen. O möchte doch durch Dich unser Herz immer leichter und ruhiger, unser Muth immer fester und unverzagter, und möchten wir so immer theilhaftiger und froher werden der Seligkeit, die Du auch uns verheißest, wenn wir uns nicht an Dir ärgern. Hilf uns dazu, damit wir mit Deiner Hülfe hingeben, was Du uns nehmen - und annehmen, was Du uns geben willst! Laß uns Dir leben, Du hast ja auch uns gelebt; laß uns Dir sterben, denn Du bist ja auch uns gestorben; laß uns die Deinen seyn, hier, wo wir Dir nur im Geiste begegnen können, und dort, wo Du uns einst vor Deinen Richterstuhl stellen wirst. O daß wir dann nicht zur Verdammniß, sondern zum ewigen Leben Dein Wort wieder hören möchten: Selig ist, der sich nicht an mir ärgert! Amen.

Quelle: http://glaubensstimme.de/doku.php?id=verzeichnisse:quellen:schmid_zew3