Girgensohn, Thomas - Himmelfahrts-Segen.

Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi des Herrn.
(Phil. 3, 20.)

Dies Bekenntnis können die Christen nur ablegen auf Grund der Himmelfahrt ihres Heilandes; ein liebliches Sein und ein seliges Warten, wie es sich in vorstehenden Worten ausspricht, ist der Jünger Jesu Teil, seit der Herr aufgefahren ist gen Himmel. Durch die Himmelfahrt erfüllt Christus sein Wort an die Seinen: siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende; jetzt dürfen sie sich an jedem Orte, zu jeder Zeit seines Naheseins, seiner Gnade und seines Lichtes getrösten. Dem Herrn nahe zu sein bildet aber doch der beste Teil von jenem Zustande, der uns im Himmel beschieden; darum kann man in der Gemeinschaft mit Christo bezeugen: unser Wandel ist im Himmel. Bei seiner Himmelfahrt aber hat der Herr auch verhießen, dass er nun senden werde den Heiligen Geist und als der zum Himmel Erhöhte hat er den Geist gesandt, der in den Jüngern wirken sollte einen himmlischen Sinn, in ihnen ausgestalten sollte das Abbild des himmlischen Urbildes. Wo nun die Frucht des Geistes in Liebe, Freude, Friede, Geduld, Sanftmut, Keuschheit nach Gal. 5, 22 zu Tage tritt, da kann man den Herrn preisend für seine Himmelfahrt bekennen: unser Wandel ist im Himmel. Endlich ist der Herr gen Himmel gefahren, um sich zur Rechten des Vaters zu sehen, um zu herrschen über alle Dinge im Himmel und auf Erden; seine Jünger aber empfangen damit einen Segen, welcher Ähnlichkeit hat mit dem ihnen im Himmel zugedachten Lose. Wie sie dort mit Christo über alle Kreaturen herrschen sollen, so gewinnen sie schon hier durch Christi Himmelfahrt die Glaubenszuversicht, dass ihnen alles zum Besten dienen muss; dass der Herr ihr Hirt sie immer auf grüner Aue weidet und auf rechter Straße leitet und darum dürfen sie mit dem Apostel sprechen: unser Wandel ist im Himmel. Dieses liebliche Sein der Christen ist aber auf Erden vielfach getrübt, gestört und gehindert, weil sie noch das Gesetz der Sünde in sich tragen, weil sie des Kreuzes und der Züchtigung bedürfen, weil sie im Feuer der Auferstehung geläutert und bewährt werden müssen; darum verbindet sich mit dem Sein ein Warten, und wiederum ist es die Himmelfahrt des Herrn, die die Jünger zuversichtlich hoffen lässt: von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, des Herrn. Wenn der Herr unser Haupt durch die Himmelfahrt zu seiner Herrlichkeit eingegangen ist, so liegt darin die Bürgschaft, dass er wiederkommen werde, um seine Glieder nach sich zu ziehen in die Herrlichkeit. Obgleich die Jünger Jesu auch auf Erden mit ihrem Herrn verbunden sind, so sind sie von demselben doch in vieler Hinsicht getrennt, er ist im Himmel, sie im Leibe des Todes, er in der Vollkommenheit, sie im Stückwerk, sie wandeln im Glauben und nicht im Schauen; darum wallen sie nach 2. Kor. 5, 6, dieweil sie im Leibe wandeln, dem Herrn; wenn sie aber dennoch hinzufügen können: wir sind aber getrost allezeit, so gründet sich diese Zuversicht auf die Himmelfahrt des Herrn, durch welche er uns nahe getreten ist, begonnen hat uns zu sich zu ziehen und uns daher auch die Bürgschaft gibt, dass er das gute Werk, das er angefangen, vollenden werde. Das aber wird geschehen, wenn der Herr in Herrlichkeit erscheinen wird, so dass die Seinen von da an ihn sehen, ihm gleich sein, eines neuen Himmels und einer neuen Erde sich freuen werden. Ein Himmelfahrtssegen ist's demnach, dass wir vom Himmel warten dürfen des Heilandes Jesu Christi, des Herrn, dass wir dem Herrn außer dem Dankgebet dafür, dass er gekommen ist, immer aufs Neue die hoffnungsvolle Bitte darbringen können: ja, komm Herr Jesu.

R. K. 95. Nr. 19.