Zu der Zeit kam Johannis, der Täufer, und predigte in der Wüste des jüdischen Landes und sprach: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. (Matth. 3, 1. 2.)
Diese in den obigen Worten zusammengefasste Predigt des Täufers ist seit den Tagen Johannis nicht verstummt; es werden noch immer Boten ausgesandt, die dem Herrn den Weg bereiten sollen, und der Kern und Stern ihrer Predigt ist noch immer geblieben: tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Nur ist, seit das Himmelreich in Christo erschienen, das Wort erfüllt: der der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer denn Johannis der Täufer (Matth. 11, 11); größer sind die Boten, die selbst zu dem Reiche Jesu Christi gehören, auch in Hinsicht ihrer Predigt, in dem der erhöhte, gegenwärtige Heiland selbst durch sie redet, indem er durch ihre Verkündigung mit Feuer und Geist tauft. Aber in Bezug auf den Hauptgehalt ist die Predigt Johannis doch ein Vorbild aller Predigt, die größeren Segenswirkungen der christlichen Predigt werden wir nur erfahren, wenn wir aus ihr heraushören jenen Ruf, den schon Johannes an das Volk Israel ergehen ließ, und diesen einheitlichen Inhalt aller Predigt, uns ins Herz prägen lassen. „Tut Buße“, wird uns in jeder Predigt zugerufen, indem durch dieselbe unser Gewissen geweckt werden soll, dass es uns im Lichte des verkündigten Wortes unsere Sünde und Übertretung zum Bewusstsein bringe. Indem alle Predigt im Namen des Herrn darauf gerichtet ist, dass es durch sie ein Gefühl der Schuld, ein Schmerz über die Sünde, ein Verlangen und Sehnen, dem Fluch der Sünde zu entrinnen und zu Gott zurückzukehren, entstehe, wird das Zeugenamt Johannis des Täufers fortgeführt, ertönt immer aufs Neue der Ruf.: tut Buße. Aber gleichwie bei Johannes ist auch in der christlichen Predigt mit dem Bußrufe unauflöslich verbunden die Freudenbotschaft: das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Diese Predigt soll uns erkennen lassen, die Heilstaten Gottes, durch welche er das Himmelreich auf Erden begründet hat, sie soll uns schauen lassen den Herrn, der für uns den Eingang ins Himmelreich bereitet hat, sie soll uns spüren lassen die vergebende Gnade in Christo, durch welche wir ins Himmelreich eingeführt werden, sie soll uns erfüllen mit der Kraft dessen, der in den Schwachen mächtig ist und der uns hilft im Himmelreich nach seinem Willen zu leben. In alledem bezeugt uns die Predigt: das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Aber während Johannes als der letzte Prophet des alten Bundes auf den hinwies, der nach ihm kommen sollte, lässt uns die Predigt der neutestamentlichen Boten die Stimme des guten Hirten vernehmen, welcher spricht: siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, und welcher denen, die ihn aufnehmen, Macht gibt, Gottes Kinder zu werden (Joh. 1, 12). Darum ist Johannes der Täufer zwar nur ein Vorbild der Boten Gottes im neuen Bunde, aber seine Predigt ist und bleibt eben darin ein Vorbild aller Predigt, dass dieselbe nimmer abirren darf von den beiden Angelpunkten: schauet an die Güte und den Ernst Gottes, tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, und mit Hinweis auf dieselben die Hörer zu mahnen hat: wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.
R. K. 94. Nr. 25.