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Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 150.

(1) Halleluja. Lobt den Herrn in seinem Heiligtum; lobt ihn in der Feste seiner Macht; (2) Lobt ihn in seinen Taten; lobt ihn in seiner großen Herrlichkeit; (3) Lobt ihn mit Posaunen; lobt ihn mit Psalter und Harfen; (4) Lobt ihn mit Pauken und Reigen; lobt ihn mit Saiten und Pfeifen; (5) Lobt ihn mit hellen Zimbeln; lobt ihn mit wohlklingenden Zimbeln. (6) Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, Halleluja.

Ende gut, alles gut! Wir sind nun am Ende unseres Psalters angekommen und dies Ende heißt „Halleluja“. Nicht jeder dieser 150 Psalmen stimmt ein Halleluja an.

Es ist auch mancher Klagepsalm darunter, der mit Seufzen beginnt und mit Seufzen schließt. Es ist auch mancher Bittpsalm darunter, der um die Gnade Gottes erst fleht, auf seine Hilfe erst hofft. Es ist auch mancher Lehrpsalm darunter, der zum Vertrauen auf Gott nur ermahnt, zum Suchen des Herrn nur ermuntert. Es ist auch mancher prophetische Psalm darunter, der auf das zukünftige Heil erst vertröstet, auf den verheißenen Heiland erst hinausweist. Aber das alles ist nun vorbei, über das alles sind wir nun hinaus, alle diese Stimmen der Bitte und der Klage, der Lehre und Vermahnung, der Hoffnung und Verheißung sie lösen sich am Ende auf in das Lob des Herrn, in ein seliges Halleluja. So muss es sein und so wird es auch einst sein. Ende gut, alles gut so wird's einst auch heißen am Ende der Welt. Und alle Stimmen der Klage und des Jammers, die in dieser armen Welt fortklingen von einem Tag zum andern und von einer Nacht zur andern, von Jahr zu Jahr und von Jahrhundert zu Jahrhundert; alle Misstöne der Not und des Elends, welche jetzt noch es zu keinem vollstimmigen, ungestörten Lob Gottes kommen lassen, sie werden sich einst auflösen in ein großes, millionenstimmiges, ewiges Halleluja, darin Himmel und Erde und alle Kreatur zusammenstimmt. Die meisten vorangegangenen Psalmen tragen den Namen Davids oder irgend eines Sängers vor der Stirn; bei vielen haben wir auch die besonderen Lebensschicksale gesucht, auf welche sie gehen, die besonderen Umstände, unter denen sie gedichtet sein könnten. Dieser letzte Psalm trägt keinen menschlichen Namen mehr, deutet auf keine einzelne Person mehr, geht auch auf kein besonderes irdisches Verhältnis mehr, sondern ruft Himmel und Erde, alles was Odem hat, gleichmäßig auf zum Lobe des Herrn. So wird's einst auch sein in dem himmlischen Halleluja am Ende der Tage. Da heißt's nicht mehr bloß ein David oder Assaph, ein Paulus oder Johannes, ein Gerhard oder Tersteegen, sondern Gott alles in allen; alle Heiligen und Seligen stimmen da zusammen in einem großen volltönenden Chor. Da sind wir dann hinweg über die einzelnen Zustände und Umstände dieses Lebens, über die Verhältnisse, die uns beengten, über die Sorgen, die uns drückten, über die Feinde, die uns verfolgten, über die Verluste, die uns schmerzten, über die Zweifel, die uns beängsteten; das alles liegt dann hinter uns wie ein Traum, das alles ist dann verschwunden und vergessen, oder vielmehr überwunden, verklärt im Lichte der ewigen Allmacht, Weisheit und Liebe. Dann heißt es: Der Herr hat alles wohlgemacht; Ende gut, alles gut!

„Eia, wären wir da!“ so möchte man mit dem alten Lied ausrufen bei solcher Hoffnung. Inzwischen, bis wir durch Gottes Gnade dahin gelangen, wollen wir uns an der Hoffnung erquicken und wollen uns so in diesem Stündlein noch erbauen an dem herrlichen Schlussakkord unseres Psalters: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“

  1. Wo soll man ihn loben?
  2. Wofür soll man ihn loben?
  3. Womit soll man ihn loben?
  4. Wer soll ihn loben?

Über jede dieser Fragen bekommen wir Wink und Andeutung in unserem kurzen Psalm.

„Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“

1) Wo soll man ihn loben?

Darauf antwortet: V. 1: „Halleluja. Lobt den Herrn in seinem Heiligtum; lobt ihn in der Veste seiner Macht.“ - Warum dürften wir nicht mit vielen alten Auslegern bei dem „Heiligtum“ denken an das irdische Gotteshaus und bei der „Feste seiner Macht“ an den himmlischen Tempel Gottes?

Ja, „lobt ihn in seinem Heiligtum“ schon hienieden. Kommt aus dem Getümmel dieser Erde, kommt aus den Sorgen eures Lebens, kommt aus dem Streit der Menschen, kommt aus der Sünde der Welt, kommt fleißig zusammen hier im schönen Gotteshaus, da man hört die Stimme des Dankens, da man erzählt alle seine Wunder, sei's in einer großen Festversammlung, sei's in einer kleinen Betstundengemeinde. Es ist ja doch ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen dem Namen des Höchsten, und ein Tag in seinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend. Das haben gewiss viele unter euch schon erfahren, vielleicht manchmal etwas davon gespürt, auch wenn wir einen unserer schönen Psalmen miteinander betrachteten.

Ja, „lobt den Herrn in seinem Heiligtum.“ Und wer ihn hier in Gottes Hause gesucht und gefunden, o der nimmt dann auch ein Heiligtum mit hinaus in die Welt; dem wird auch sein Kämmerlein daheim ein Heiligtum, wo er seinen Gott loben darf in mancher seligen Stunde; dem wird auch die weite Natur zu einem Heiligtum, zu einem großen Gottestempel, wo er zum Lobe des Herrn aufgefordert wird durch Sterne wie durch Blumen, durch Sturm wie durch Sonnenschein, durch die feierliche Stille des Winters wie durch das fröhliche Leben des Sommers, durch die lieblichen Blüten des Frühlings wie durch die prangenden Früchte des Herbstes. Denn wo er geht und steht, da trägt der Fromme sein Heiligtum mit sich, bei sich, in sich; sein Herz ist ein stilles Kirchlein Gottes, ist ein geweihter Tempel des heiligen Geistes. So, Geliebte, lobt den Herrn in seinem Heiligtum hienieden, bis ihr ihn einst besser loben dürft droben. Dorthin, ins obere Heiligtum, weist uns der Psalmist, wenn er fortfährt:

„Lobt ihn in der Feste seiner Macht“, in seiner himmlischen Ehrenburg. Ein irdisches Heiligtum kann zerstört und verwüstet werden, wie der Tempel zu Jerusalem mehr als einmal. Aber die himmlische „Feste seiner Macht“, die steht unerschütterlich, hoch über den Stürmen dieser Welt, erhaben über die Angriffe der Feinde. Im irdischen Heiligtum hört man nicht immer die Stimme des Lobens und Dankens; die Kirchtüren werden geschlossen, wenn die kurze Andachtsstunde vorüber ist; ein kleines Häuflein nur findet sich oft ein zum Lobe des Herrn. Droben sind's die heiligen Engel, droben sind's die seligen Geister der vollendeten Gerechten, droben ist's eine große Schar aus allen Völkern und Heiden und Zungen, welche preisend vor Gottes Stuhle steht und dient ihm in seinem heiligen Tempel. Im irdischen Heiligtum ist's ein unvollkommenes Lob, das wir dem Herrn der Herrlichkeit bringen. Die Predigten, die von ihm zeugen; die Lieder, die wir ihm singen; die Gebete, die zu ihm aufsteigen; das alles ist Stückwerk, tut ihm nicht genug und tut uns selbst nicht genug. Wie oft sind die Worte vorhanden, aber das Herz ist nicht dabei. Wie oft wiederum ist das Herz brennend, aber es findet keine rechten Worte. Droben wird das Stückwerk aufhören, da werden wir seine Herrlichkeit mit helleren Augen schauen und mit neuen Zungen preisen. Inzwischen, während wir ihm hienieden in Schwachheit dienen, lobt ihr ihn droben in der Feste seiner Macht, ihr heiligen Engel und seligen Geister. Wir aber trösten uns und bitten ihn:

Ach nimm das arme Lob auf Erden,
Mein Gott, in allen Gnaden hin;
Im Himmel soll es besser werden,
Wann ich bei deinen Engeln bin;
Dann bring ich mit der selgen Schar
Dir tausend Halleluja dar!

Fragt aber eins:

2) Wofür soll man Gott loben?

so antwortet der Psalmist: V. 2: „Lobt ihn in seinen Taten, lobt ihn in seiner großen Herrlichkeit.“ Ja spreche doch keines: Worüber soll ich Gott loben? Mit allem in der Welt kann man eher fertig werden; eher kannst du die Körnlein des Sandes am Meer auszählen, die Sterne des Himmels ausmessen, als dass du fertig würdest mit dem Lobe Gottes und seiner Herrlichkeit. Frage doch keines: Wofür kann ich Gott loben? Ich darf ja seine Herrlichkeit nicht schauen; er wohnt ja in einem Lichte, da niemand zukommen kann. Wohl - aber tut er sich uns nicht kund in seinen Taten, in seinen Werken, in den Offenbarungen seiner Allmacht und Weisheit, seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit, seiner Güte und Gnade? „Lobt ihn in seinen Taten.“ Wer ist ein Christ und kennt nicht die großen Taten seines Gottes, die nun 1800 Jahre lang in der Gemeinde verkündigt werden, seit am Pfingstfest zuerst die Apostel in neuen Zungen die großen Taten Gottes predigten?

Die drei großen Gottestaten der Schöpfung, Erlösung und Heiligung jene Taten, in welche selbst Engel gelüstet zu schauen; jene Taten, vor welchen der Apostel Paulus bewundernd ausruft: O welch eine Tiefe des Reichtums, beide der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Wer hat des Herrn Sinn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Denn von ihm und in ihm und zu ihm find alle Dinge; ihm sei Ehre in Ewigkeit, diese großen Taten Gottes zu unserem Heil, die uns an der Krippe des Weltheilands, am Kreuze des Erlösers, am Grabe des Auferstandenen verkündigt werden, sind sie denn schon ausgeschöpft, schon ausgedacht, schon ausgepredigt, schon ausgepriesen? Erfüllen sie uns nicht mit immer neuer Anbetung, so oft wir uns andächtig drein versenken? Erwecken sie nicht zu ihrem Preis immer neue Herzen und Geister, immer neue Federn und Zungen, immer neue Harfen und Hände in der gläubigen Gemeinde von Geschlecht zu Geschlecht, von Jahrhundert zu Jahrhundert? Und du wolltest noch fragen: Wofür soll ich ihn loben?

Und dann denk an die unzähligen Taten Gottes, die sich anreihen an die großen Grundtatsachen unseres Heils und in denen derselbe Gott sich offenbart, der Allmächtige, Allweise, Allheilige, Allgerechte, Allgütige und Allbarmherzige.

Denk an Gottes Taten in der Geschichte der Völker, wie er sie an Israel getan vom Zug durch die Wüste bis zur Zerstörung Jerusalems, und wie er sie bald gnädig, bald schrecklich noch allezeit unter allen Völkern tut. Denk an Gottes Taten in der Natur, an die Wunder der Macht, die wir da täglich schauen dürfen vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang, bis in die sternhelle Nacht hinein; an die Gaben seiner Güte, die wir alljährlich empfangen dürfen vom ersten Schneeglöckchen und Veilchen im Frühling bis zur letzten Traube, die man vom Stocke schneidet, bis zur letzten Kartoffel, die man aus dem Boden gräbt im Spätjahr. Denk an Gottes Taten in deinem eigenen kleinen Leben, an die Taten seiner segnenden Güte, seiner schützenden Allmacht, seiner erziehenden Weisheit, seiner züchtigenden Gerechtigkeit, seiner verzeihenden Gnade in deinem Leben von Kindesbeinen an bis auf diese Stunde, und gewiss es wird dir nicht am Stoffe fehlen zum Lobe Gottes; auch seine alten, tausendmal besungenen Taten werden dir immer wieder neu und groß werden, und auch seine dir vorerst noch neuen, unerforschlichen, furchtbaren und schmerzlichen Taten sie werden dir allmählich zu heiligen Gottestaten werden, dass deine laute Klage zuletzt in stilles Lob sich verwandelt. So, Geliebte, lobt den Herrn „in seinen Taten“, bis ihr ihn einst loben dürft „in seiner großen Herrlichkeit“, wovon seine Taten hienieden nur ein schwacher Abglanz sind, dort, wo wir Gott schauen sollen und auch seine dunklen Taten, seine unerforschlichen Wege und unbegreiflichen Gerichte ein Lobpsalm werden sollen in unserem Munde:

Dort werd ich das im Licht erkennen,
Was ich auf Erden dunkel sah;
Das wunderbar und heilig nennen,
Was unbegreiflich hier geschah;
Dort schaut mein Geist mit Preis und Dank
Die Schickung im Zusammenhang.

Und nun - wo sind die Instrumente dazu? - wenn der Stoff so groß ist zum Lobe Gottes,

3) Wie soll man Gott loben?

Darauf antwortet:

V. 3-5: Lobt ihn mit Posaunen; lobt ihn mit Psalter und Harfen; lobt ihn mit Pauken und Reigen; lobt ihn mit Saiten und Pfeifen; lobt ihn mit hellen Zimbeln; lobt ihn mit wohlklingenden Zimbeln.“ Wie die alten Griechen in ihrer Götterlehre neun Musen hatten, davon jeder irgend eine schöne Kunst, irgend ein wohlklingendes Instrument in die Hand gegeben war, um in vollem Chor alles, was schön ist und wohllautend, darzustellen, so nennt hier der Psalmist neun Instrumente, die im Heiligtum Israels dem Lobe Gottes dienten. Da ist die mächtig hallende Posaune, womit die Feste angeblasen wurden von der Staffel des Tempels, und das königliche Saitenspiel des Psalters und der Harfe, das David so schön zu rühren verstand. Da werden genannt Pauken und Reigen, d. h. die Schellentrommel oder das Tamburin, das die Jungfrauen rührten mit Gesang und Tanz, wie Mirjam am roten Meer, Jephthas Tochter bei ihres Vaters Heimkehr, die Töchter Juda nach Davids Sieg über Goliath. Da sind Saiten und Pfeifen, die einfacheren ländlichen Instrumente, wie die Hirten bei ihren Herden drauf spielten. Da sind helle, laute Zimbeln, blecherne Becken, die aneinandergeschlagen wurden, und wieder „wohlklingende“ Zimbeln, die sanfter tönten, alle diese Instrumente sollen zusammenklingen zum Lobe des Herrn. Alle diese Instrumente, meine Lieben, haben wir bei unserem Gottesdienst vereinigt in einem, in der gewaltigen, herrlichen Orgel, die ja jeden Ton und jeden Klang darstellt vom leisen Säuseln der Harfe bis zum erschütternden Schalle des Sturmes und Donners, vom süßen Ton der Flöte bis zum schmetternden Hall der Posaune. Wie oft hat die Orgel dort auch uns schon das Herz erhoben und auf ihren gewaltigen Tönen wie auf Adlersflügeln unsere Gebete und Lieder gen Himmel getragen! Wie kann die heilige Musik eine betrübte Seele trösten, eine unruhige beschwichtigen, eine gedrückte erheben, eine träge ermuntern, eine unreine reinigen! Ja, wenn nur die Musik immer wäre, was sie nach Luther sein soll: eine Magd Gottes! Wenn nur alle die lieblichen Instrumente, welche der Mensch erfunden hat seit Jubal, dem ersten Geiger und Pfeifer; alle die schönen Melodien, welche begabte Musiker erdacht haben, seit David und Assaph; wenn sie nur auch immer auf irgend eine Weise zum Lobe Gottes, zur Erhebung der Menschen dienten. Aber wie oft frönt die Musik zumal in unsern Tagen nur der wilden Lust oder dem weichlichen Sinnenkitzel! Wie oft müssen die Flöten und Geigen unserer Tanzböden und Wirtsgärten nur dazu dienen, die Unschuld in Schlaf zu singen, die Stimme des Gewissens zu übertäuben, das Herz taumeln und trunken zu machen in üppiger Lust, wie einst die Molochspriester mit ihren wilden Instrumenten Lärm machten, damit die unseligen Eltern das Ächzen und Winseln ihrer in den glühenden Armen des Götzenbildes bratenden Kindlein nicht hören sollten. Nein, Gott zu loben, den Menschen zu erheben, dazu soll jede schöne Kunst das Ihre beitragen: die Harfe des Sängers, der Pinsel des Malers, der Meißel des Bildhauers, die Feder des Dichters. Gott zu loben, dazu hat der Schöpfer einem jeden Geschöpf, einem jeden Menschenkind seine Gabe, sein Instrument gleichsam verliehen: der eine mit seinen gewaltigen Gaben gleicht mehr einer hellen Posaune, der andere mit seinem stilleren Gemüt mehr einer zartgestimmten Harfe. Der eine mit seinem fröhlichen Herzen ist mehr aufgelegt zu Pauken und Reigen, der andere mit seinem weichen ernsten Sinn ist eher der sanften Flöte zu vergleichen. Das eine mal in frohen Stunden sind wir gestimmt zu einem lauten Halleluja, das andere mal in trüben Zeiten will uns höchstens eine Klagepsalm über die Lippen. Aber, meine Lieben, der Herr unser Gott verlangt nicht, dass wir ihn allesamt auf die gleiche Weise und dass wir ihn jederzeit in demselben Ton loben sollen. Er will nur, dass jeder seine Gaben Leibs und der Seele brauche zum Dienst und Lobe des Herrn; er will nur, dass wir unser Leid wie unsere Freude vor sein Antlitz bringen in kindlichem Vertrauen; er will nur, dass wir unsere Gaben und Kräfte, ob groß oder klein, treulich in seinem Dienste üben, und wie unser alter Ausleger Frisch sagt, dass du alles, was an dir ist, alle deine Sinnen und Gliedmaßen zu lauter Pfeifen und Orgeln, Psalter und Harfen machest, dass alles zum Lob und zur Ehre Gottes zusammenstimme. Damit es aber wohl laute, musst du Gott bitten, dass er sie selbst durch den Kraftfinger seines guten Geistes stimmen und rühren wolle zu seinem Wohlgefallen.

Was schweigt ihr denn, ihr meine Kräfte?
Auf, auf, braucht allen euren Fleiß,

Und steht munter im Geschäfte
Zu Gottes, eures Herren Preis!

Wär jeder Puls mein Leben lang
Und jeder Odem ein Gesang!

Und nun zum Schluss:

4) Wer soll Gott loben?

Darauf antwortet:

V. 6: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, Halleluja.“ Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, denn alles, was Odem hat, hat seinen Odem von ihm und in ihm und zu ihm. Alles, was Odem hat; also nicht nur der Seraph am Thron, sondern auch der Wurm im Staube, denn auch er freut sich seines Daseins durch den Schöpfer. Also nicht nur der Glückliche, sondern auch der Traurige, solang er noch einen Odem in sich hat, solang hat er noch etwas, wofür er Gott danken muss. Also nicht nur ein königlicher Prophet wie David, sondern auch ein kleines Kindlein, denn auch aus dem Munde der Unmündigen will der Herr sich sein Lob bereiten. Also nicht nur der Fromme, sondern auch der Gottlose, solang er noch einen Odem hat und eine lebendige Seele, solang kann noch etwas aus ihm werden zum Lobe der göttlichen Gnade. Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. Also auch wir alle sind geschaffen und erlöset und berufen, dass wir unsern Gott loben mit Herzen, Mund und Händen, in Leid und Freud, im Leben und Sterben, in Zeit und Ewigkeit. Auch unser letztes Lied wenn all unsere Klagepsalmen hienieden verklungen, all unsere Erdenseufzer verhaucht sind soll ein Loblied werden auf unsern Schöpfer und Erlöser, ein ewiges, seliges Halleluja.

Halleluja! Das sei denn auch das Schlusswort, mit dem ich heute diese Psalmenbetrachtungen schließe. Acht Jahre sind's dass ich in der Hospitalkirche droben - in den wöchentlichen Betstunden diese Psalmenauslegung begonnen habe. Ich danke dem Herrn, dass er mir erlaubt hat, sie unter mancherlei Wechsel von Freud und Leid bis hierher fortzuführen und heute zu beschließen. Ich danke dem Herrn für den reichen Segen der Erbauung, den ich selber daraus schöpfen durfte. Ich danke euch, Geliebte, dass ihr mich bis hierher begleitet habt. Ob noch eins da ist heute beim letzten Psalm, das einst vor bald acht Jahren beim ersten Psalm war, weiß ich nicht; wohl aber weiß ich von mehr als einem, das einst mit mir begonnen und heute nicht mit mir vollendet hat, sondern inzwischen dort hingegangen ist, wo man andere Psalmen singt, wo das ewige Halleluja klingt. Ich selbst, meine Lieben, fühle es wohl: ich bin nicht mehr so jung, nicht mehr so frisch und froh wie dazumal. Und wenn abermals acht Jahre vorbei sind, wer weiß, wo wir dann sind, ich und ihr. Aber darum soll's doch heißen, solang auch wir noch einen Odem in uns haben: Halleluja! Jetzt noch unter Kampf und Streit, in Glauben und Hoffen und einst, so Gott will, Halleluja in Sieg und Wonne, im Haben und Schauen. Dazu hilf du, getreuer Gott und Herr! Zwar bin ich viel zu wenig, Zu rühmen deinen Ruhm, Du bist der große König, Ich eine welke Blum; Jedoch weil ich gehöre Gen Zion in dein Zelt, Ist's billig, dass ich mehre Dein Lob vor aller Welt!

Halleluja! Amen.