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Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 104.

(1) Lobe den Herrn, meine Seele. Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. (2) Licht ist dein Kleid, das du anhast; du breitest aus den Himmel wie einen Teppich; (3) Du wölbst es oben mit Wasser; du fährst auf den Wolken, wie auf einem Wagen und gehst auf den Fittigen des Windes; (4) Der du machst deine Engel zu Winden, und deine Diener zu Feuerflammen; (5) Der du das Erdreich gründest auf seinen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich. (6) Mit der Tiefe deckst du es, wie mit einem Kleide, und Wasser stehen über den Bergen. (7) Aber von deinem Schelten fliehen sie, von deinem Donner fahren sie dahin. (8) Die Berge gehen hoch hervor, und die Breiten sehen sich herunter, zum Ort, den du ihnen gegründet hast. (9) Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht, und müssen nicht wiederum das Erdreich bedecken. (10) Du lässt Brunnen quellen in den Gründen, dass die Wasser zwischen den Bergen hinfließen, (11) Dass alle Tiere auf dem Felde trinken, und das Wild seinen Durst lösche. (12) An demselben sitzen die Vögel des Himmels, und singen unter den Zweigen. (13) Du feuchtest die Berge von oben her; du machst das Land voll Früchte, die du schaffst. (14) Du lässt Gras wachsen für das Vieh, und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde bringst; (15) Und dass der Wein erfreue des Menschen Herz, und seine Gestalt schön werde vom Öl, und das Brot des Menschen Herz stärke; (16) Dass die Bäume des Herrn voll Safts stehen, die Zedern Libanons, die er gepflanzt hat. (17) Daselbst nisten die Vögel, und die Reiger wohnen auf den Tannen. (18) Die hohen Berge sind der Gämsen Zuflucht, und die Steinklüfte der Kaninchen. (19) Du machst den Mond, das Jahr danach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang. (20) Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere; (21) Die jungen Löwen, die da brüllen nach dem Raube, und ihre Speise suchen von Gott. (22) Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon, und legen sich in ihre Löcher. (23) So geht dann der Mensch aus an seine Arbeit, und an sein Ackerwerk, bis an den Abend. (24) Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter. (25) Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt es ohne Zahl, beide große und kleine Tiere. (26) Daselbst gehen die Schiffe; da sind Walfische, die du gemacht hast, dass sie darinnen scherzen. (27) Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gibst zu seiner Zeit. (28) Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättigt. (29) Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub. (30) Du lässt aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und erneuerst die Gestalt der Erde. (31) Die Ehre des Herrn ist ewig; der Herr hat Wohlgefallen an seinen Werken. (32) Er schaut die Erde an, so bebt sie, er rührt die Berge an, so rauchen sie. (33) Ich will dem Herrn singen, mein Leben lang, und meinen Gott loben, so lange ich bin. (34) Meine Rede müsse ihm wohlgefallen. Ich freue mich des Herrn. (35) Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden, und die Gottlosen nicht mehr sein. Lobe den Herrn, meine Seele. Halleluja.

Abermals ein lieblicher Lob- und Preispsalm, wie der vorangegangene, wiewohl aus einem andern Ton. Im vorigen Psalm wurde Gott gepriesen, wie er sich offenbart im Reich der Gnade; in diesem wird er besungen, wie er seine Herrlichkeit zeigt im Reich der Natur. Im vorigen Psalm blickte der fromme Sänger hinein in seine eigene Brust und hinein in die heilige Schrift, um da zu lesen, wie gnädig und freundlich der Herr sei. In diesem Psalm blickt er auch hinein in eine heilige Schrift, wo gar große und schöne Dinge geschrieben stehen von Gottes Allmacht, Weisheit und Güte, nämlich ins Buch der Schöpfung. Die Schöpfung ist ja auch eine große Bilderbibel, die uns predigt von einem Gott Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde. Eine Bilderbibel, worin die Sterne gleichsam die goldenen Buchstaben und alle Kreaturen die bunten Bilder sind, wo die vier Jahreszeiten als vier große, die zwölf Monate als zwölf kleine Propheten zu uns reden von der Herrlichkeit des großen Gottes, der alle Dinge erschaffen hat und erhält mit seinem allmächtigen Wort.

Auch in dieser großen Bibel zu lesen, ist schön und erbaulich; auch in der Natur Gott zu erkennen, ist fromm und christlich. „Groß sind die Werke des Herrn, wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran,“ heißt's im 111. Psalm. Und wie gern hat auch der Lehrer, dem kein Lehrer gleich, der Prediger, der gewaltig predigte und nicht wie die Schriftgelehrten, unser lieber Heiland hingewiesen auf Gottes Herrlichkeit in der Schöpfung, wie er die Vögel unter dem Himmel speist, wie er die Lilien auf dem Felde kleidet, wie er den Acker des Sämanns Früchte tragen lässt, etliches zehnfältig, etliches dreißigfältig, etliches sechzigfältig!

So wollen wir denn auch jetzt hören, wie das Werk den Meister lobt in der Schöpfung und in Andacht vernehmen: Das Lob Gottes aus der Schöpfung, wie es geschrieben steht:

  1. Im Himmel und
  2. auf Erden und
  3. widerhallen soll in des Menschen Brust.

1)

Gen Himmel erhebt der Psalmist seinen Blick, V. 1-4, und preist da den allmächtigen Gott in seiner überirdischen Majestät, in seiner himmlischen Hofhaltung.

V. 1: „Lobe den Herrn, meine Seele.“ Mit diesem ersten Griff in seine Harfe gibt David den Ton an zum ganzen Psalm; es soll wieder ein Lobpsalm werden. Und zwar ein Loblied auf die Herrlichkeit Gottes, nicht nur wie sie unsichtbar im Reich der Gnade sich offenbart in den verborgenen Tiefen der heiligen Schrift oder im stillen Grund eines begnadigten Herzens, sondern wie sie auch äußerlich sich darstellt, wie sie mit Augen geschaut werden kann. Darum sagt er weiter: „Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt.“ Und nun schildert er den König der Welt in seinem himmlischen Schmuck, in seinem überirdischen Palast:

V. 2: „Licht ist dein Kleid, das du anhast; du breitest aus den Himmel wie einen Teppich.“ Das Licht, das erstgeborene unter allen Elementen, der reinste und feinste unter allen sichtbaren Stoffen, das ist gleichsam das Kleid des unsichtbaren Gottes, der in einem Lichte wohnt, da niemand zukommen kann. Das ist gleichsam der strahlende Königsmantel, der ihn umwallt herrlicher als der purpurne und goldgestickte Mantel des höchsten Königs und Kaisers. Und der Teppich, auf dem sein Fuß wandelt, der Vorhang, der seinen Thron umgibt, das ist der blaue Himmel, besäet mit goldenen Sternen, fürwahr ein Teppich, so groß, so prächtig, so kunstreich, wie keines Menschen Hand ihn weben kann, keines Königs Fuß ihn betreten darf. Weiter wird seine königliche Hofhaltung geschildert:

V. 3:“ Du wölbst es oben mit Wasser; du fährst auf Wolken wie auf einem Wagen und gehst auf den Fittigen des Windes.“ „Du wölbst es oben mit Wasser.“ Das heißt: Auf den leichten Wolken ruht der Söller deines Palastes. Die schwebenden Gewölke über unserem Haupte, die bilden gleichsam den kristallenen Fußboden, darauf dein Himmelspalast erbaut ist, ein wunderbareres Gebäude als die Marmorsäulen, darauf die Paläste der Könige ruhen, und die Treppen von Zedernholz, darauf man emporsteigt zu ihren Gemächern. Und wenn er nun ausfährt, der himmlische Monarch, dann sind gleichsam Wolken sein Wagen, die Wolken, die am Himmel hinziehen, bald in goldener Pracht, bald in finsterer Majestät, und Winde sind seine geflügelten Rosse. Wer hat nicht schon mit frommem Schauder den Allmächtigen am Himmel hinfahren hören im Gewitter, wenn der Donner über die Wolken hinrollte wie die dröhnenden Räder eines ehernen Wagens, wenn die Blitze aus der Wolkennacht hervorschossen wie die schnellen Läufer, die seine Nähe verkünden. Denn auch eine königliche Leibwache zieht ihm voraus und hinter ihm her:

V. 4: Der du machst deine Engel zu Winden und deine Diener zu Feuerflammen.“ Oder eigentlich wörtlich nach dem Hebräischen: „Du machst Winde zu deinen Engeln und Feuerflammen zu deinen Dienern.“ Die Gewitterwinde sind gleichsam die schnellen Läufer, die deinem Wagen voranreiten, und die Blitze sind gleichsam die leuchtenden Trabanten, die neben ihm hergehen, damit alle Welt ehrfurchtsvoll vor dir sich in den Staub werfe. Das ist die Majestät Gottes im Gewitter, die selbst den rohen Heiden mit der Ahnung eines göttlichen Wesens erfüllt, und die auch noch den erleuchtetsten Christen mit Schauern einer heiligen Furcht durchschüttert; - die Majestät Gottes im Gewitter, von der eines unserer Lieder unserem Psalme nachsingt:

Wie bist du, wenn du, Gott der Götter,
Herabfährst, wenn du in dem Wetter
Einhergehst, uns so fürchterlich!
Du kommst und Wolken sind dein Wagen,
Dein Wagen donnert, willig tragen

Die Fittige des Sturmes dich.
Die Engel fliegen gleich den Winden
Vor dir voran, Herr Zebaoth!
Wie Flammen, die sich schnell entzünden,
Sind deiner Allmacht Diener, Gott!

Es ist die Majestät Gottes im Gewitter, von der auch einer unserer großen weltlichen Dichter singt: Wenn der uralte heilige Vater mit gelassener Hand aus rollenden Wolken segnende Blitze über die Erde sät, küss ich den letzten Saum seines Kleides, kindliche Schauer tief in der Brust. Aber nun vom Himmel steigt der Psalmist:

2)

Herab auf die Erde und lässt uns auch da näher noch und vertrauter die Herrlichkeit des Schöpfers in bunter Mannigfaltigkeit schauen, V. 5-32.

V. 5: Der du das Erdreich gründest auf seinen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich.“ Da senkt der begeisterte Sänger seinen Flug vom Himmel herab auf die Erde und fühlt nun festen Boden unter den Füßen, den alten, lieben Erdboden, der uns so treulich trägt, der so unerschütterlich steht seit Jahrtausenden. Wer hat diesen Erdboden gegründet auf unerschütterlichen Fundamenten? wer hält den gewaltigen Erdball, dass er frei im Luftraum schwebt und nicht ins Bodenlose stürzt? Er ist's, der Allmächtige, der alle Dinge trägt mit seinem gewaltigen Arm.

Und welche Wunder tut er nun auf der Erde? Da wird sie uns vorgestellt zuerst in ihrer rohen Urgestalt:

V. 6: „Mit der Tiefe (des Wassers) deckst du es (das Erdreich) wie mit einem Kleid und Wasser stehen über den Bergen.“ Und nun sehen wir, wie Gottes schöpferische Allmacht das Wasser sich sammeln lässt an den ihm bestimmten Örtern und scheidet zwischen Meer und trockenem Land.

V. 7-9: „Aber von deinem Schelten fliehen sie, von deinem Donner fahren sie dahin. Die Berge gehen hoch hervor und die Breiten setzen sich herunter, zum Ort, den du ihnen gegründet hast.“ Man hat treffend angemerkt, dass durch unsern ganzen Psalm die Mosaische Schöpfungsgeschichte hindurchklinge und die sechs Tagewerke der Schöpfung hindurchschimmern. Licht ist dein Kleid, das du anhast; das deutet auf das erste Tagewerk: Es werde Licht! Du breitest aus den Himmel und wölbst es oben mit Wasser; das erinnert an das zweite Tagewerk: Da machte Gott die Feste, das Firmament, den Luftraum und schied das Wasser unter der Feste, auf der Erde, von dem Wasser über der Feste, den Wolken. Mit unserem siebten Vers kommen wir ans dritte Tagewerk: Gott sprach: es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besonderen Örter, dass man das Trockene sehe. Gar schön wird das im Psalm dichterisch ausgemalt, wie vor dem Schelten Gottes, vor der Stimme seines Donners die wilden Wogen sich schäumend und brausend zurückziehen an ihren Ort und nun das feste Land mit seinen Ebenen, Hügeln und Gebirgen auftaucht aus der Flut. In der Tat, einen erhabeneren Spiegel der göttlichen Allmacht gibt es nicht, als das Meer; sei es, dass es in großartiger Ruhe still und unermesslich daliegt als ein dunkelblauer Spiegel; sei es, dass es in wilden Wogen himmelan sich türmt und schäumend an die Ufer schlägt. Wer einmal am Meeresgestade bei stürmischer See der tosenden Brandung zugeschaut hat, wie da die Wellen aus weiter Ferne schon heranrollen mit weißem, schaumigem Kamm, immer höher sich heben, immer wilder toben, je näher sie dem User kommen, am Gestade dann hochauf sich bäumen, als wollten sie die Felsen zertrümmern, und machtlos sich brechen und schäumend in sich selber zusammenstürzen, der versteht das Wort des Psalmisten: „Vor deinem Schelten fliehen sie; du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht.“ Und dann neben diesem unruhigen, beweglichen Element die Gebirge in ihrer ruhigen Majestät, mit ihren uralten, schneebedeckten Scheiteln, die unverrückt herniederschauen von Jahrtausend zu Jahrtausend welch erhabene Altäre göttlicher Allmacht stehen auch da vor unsern Blicken; welch riesenhafte Tempelhallen Gottes tun in dieser steinernen Gebirgswelt sich auf! Fürwahr, man möchte sich die Flügel eines Adlers wünschen, um so hinzuschweben über Meer, Gebirg und Flur und Gottes Herrlichkeit wiederstrahlen zu sehen mit einem Blick, bald aus dem tiefen Meeresspiegel, bald von den leuchtenden Gipfeln der Alpen. - Aber noch tiefer senkt nun der Sänger seine Flügel, er lässt sich jetzt herab ins grüne Tal, in die Schatten der Bäume und auf den bunten Blumenteppich der Wiesen.

Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut! So heißt's weiter im dritten Schöpfungstag, und so zeigt uns nun der Psalmist die Erde im bunten Schmuck ihrer Gewächse, V. 10-18. - Da führt er uns zuerst hinaus in die grüne Wildnis, ins einsame Waldtal, wo ein kristallheller Bach aus Felsen quillt und durchs Gebüsch dahinrauscht:

V. 10: „Du lässt Brunnen quellen in den Gründen, dass die Wasser zwischen den Bergen hinfließen.“ Wo das scheue Wild seinen Durst löscht, Hirsch und Reh heraustritt aus dem Dickicht:

V. 11: „Dass alle Tiere auf dem Felde trinken und das Wild seinen Durst lösche.“ Wo das mannigfaltige Lied der Vögel durch die Waldeinsamkeit klingt, wo die Nachtigall ihren süßen Gesang ertönen lässt, Amsel und Drossel schlägt zum Lobe des Schöpfers:

V. 12: „An denselben sitzen die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen.“

Und nun führt uns der Psalmist heraus ins bebaute Land und zeigt uns, wie die Erde grünt und blüht und Früchte trägt unter der Arbeit der Menschenhand durch Gottes Segen.

V. 13: Du feuchtest die Berge von oben her - durch Tau, Regen und Nebel; du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.“ Da schauen wir nun von den Bergen hernieder in eine gesegnete Ebene mit ihren Feldern, Äckern und Gärten, wo allerlei nutzbare Gewächse gedeihen unter Segen von oben, immer eines edler und kostbarer als das andere:

V. 14: „Du lässt Gras wachsen für das Vieh;“ da hören wir die Glocken der Herden, wie sie weidend sich zerstreuen über die grünen Triften; „und Saat zu Nutz der Menschen, dass du Brot aus der Erde bringest;“ da sehen wir hinein ins emsige Gewühl der Ernte, wie die goldene Halmfrucht hinsinkt unter der Sichel des Schnitters, wie der bekränzte Erntewagen hereinschwankt vom Felde.

V. 15: „Und dass der Wein erfreue des Menschen Herz und seine Gestalt schön werde vom Öl eigentlich: glänzender strahlt als vom Öl - und das Brot des Menschen Herz erfreue.“ Da versetzt uns der Psalmist ins fröhliche Getümmel der Weinlese, zeigt uns wie der gütige Schöpfer seinen Menschenkindern zum Nützlichen auch das Angenehme und Schöne schenkt, wie er nicht nur die Notdurft des Lebens uns reicht, sondern auch darüber noch, was das Leben schmückt und das Herz erfreut; wie der Mensch nicht nur da ist, um sein Leben zu verseufzen, sondern auch um sich seines Lebens zu freuen vor dem Herrn. Möchte der reiche Gott vom Himmel das auch uns wieder erfahren lassen nach einer Zeit der Not und des Mangels; möchten wir's dies Jahr wieder inne werden auch in unsern Tälern und Bergen durch ein liebliches Frühjahr: „Du lässt Gras wachsen für das Vieh;“ durch einen fruchtbaren Sommer: „Und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde bringst;“ durch einen gesegneten Herbst: „Und dass der Wein erfreue des Menschen Herz.“ Nur dass wir's nicht vergessen: Er ist's, der Allmächtige, der das alles tut und gibt; dass wir ihn darum bitten, dass wir ihm dafür danken, dass wir ihn im Auge behalten auch beim frohen Genusse seiner Gaben! Nun führt uns der Psalmist noch einmal hinaus in die wilde Natur. In die Waldeinsamkeit:

V. 16. 17: „Dass die Bäume des Herrn voll Safts stehen, die Zedern Libanons, die er gepflanzt hat. Daselbst nisten die Vögel und die Reiger wohnen auf den Tannen.“ Bäume des Herrn sind die wildwachsenden Bäume, die nicht Menschenhand, sondern nur Gottes Hand pflanzt und pflegt und als deren Königin die Zeder des Libanon prangt mit ihrem hohen schlanken Wuchs, mit ihrem edlen duftenden Holz. Und nun führt uns der Sänger noch weiter hinaus in die einsame Gebirgswelt:

V. 18: „Die hohen Berge sind der Gämsen Zuflucht und die Steinklüfte der Kaninchen.“ Überall hin, auch in die einsamsten Regionen der Schöpfung ist Leben verbreitet. Auf dem höchsten Felsengrat, wohin des kühnsten Jägers Fuß nicht klimmt, hat die flüchtige Gämse ihre Zuflucht, und noch auf den Höhen des Chimborasso, des höchsten Gebirges, wo kein Gräslein mehr grünt, sah der forschende Wanderer einen einsamen Schmetterling fliegen. Fürwahr, schon da möchten wir ausbrechen in den Ausruf der Bewunderung, den wir in einem späteren Vers lesen: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel; du hast sie alle weislich geordnet und die Erde ist voll deiner Güter.“ Aber von der Erde aufwärts lenkt nun der Psalmist unsern Blick in neue unermessliche Gebiete der Schöpfung.

V. 19: „Du machst den Mond, das Jahr danach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang.“ Siehe da das vierte Tagewerk der Schöpfung, die Lichter, die Gott an den Himmel gesetzt, dass sie scheinen auf Erden. Siehe da die goldene Sonne, die vom blauen Himmel flammt, den Tag zu erleuchten, die Erde zu erwärmen und alles, was darauf lebt und webt; siehe da den silbernen Mond, der mit seinem sanften Dämmerlicht die Nacht erheitert; siehe da die funkelnden Schar der Sterne, die am Himmelsgewölbe lodert als ein Heer von himmlischen Lampen. Fürwahr, staunen müssen wir vor dieser Sternenwelt, wenn wir auch nichts im Aug haben, als was diese Gestirne für uns sind und wie freundlich sie der Erde dienen mit ihrem Licht, und wenn wir vollends erwägen, was sie an und für sich sind: Weltkörper, so groß, ja meist noch größer als diese Erde, auch gewiss Schauplätze göttlicher Allmacht, auch ohne Zweifel Wohnplätze lebender Wesen, dann können wir nicht anders als anbetend niedersinken und bekennen: Herr, dir ist niemand zu vergleichen, kein Lob kann deine Größe erreichen, kein noch so feuriger Verstand! - Nun führt uns der Psalmist wieder auf die Erde herab und lässt uns hineinschauen in das Gewühl der lebendigen Geschöpfe auf Erden, in die Werke des fünften und sechsten Schöpfungstages. Wir sehen das Gewimmel der vierfüßigen Tiere und hören ihren König, den Löwen, wie seine furchtbare Stimme durch die Nacht hintönt:

V. 20-22: „Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da regen sich alle wilde Tiere; die jungen Löwen, die da brüllen nach Raube und ihre Speise suchen von Gott. Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon und legen sich in ihre Löcher.“ Wir sehen den Menschen, die Krone der Schöpfung, wie er des Morgens ausgeht an sein Tagewerk, wie er den Acker bestellt im Schweiße seines Angesichts, wie er am Abend fröhlich sein Geschirr auf den Rücken nimmt und heimkehrt zu Weib und Kind. Wir sehen hinab in die grünen Tiefen des Meers, in den kristallenen Palast der Fluten, wie es auch da wimmelt von Geschöpfen ohne Zahl, vom kleinsten Fischlein bis zum furchtbaren Seeungetüm:

V. 25. 26: „Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt es ohne Zahl, beide große und kleine Tiere. Daselbst gehen die Schiffe; da sind Walfische, die du gemacht hast, dass sie darinnen scherzen,“ und brechen abermals aus in den anbetenden Ruf:

V. 24: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel; du hast sie alle weislich geordnet und die Erde ist voll deiner Güter.“ Und wenn wir dann bedenken: wie er der Schöpfer ist, so ist er auch der Erhalter aller Millionen seiner Kreaturen, V. 27. 28; wie er ihnen das Leben gegeben, so kann er's ihnen auch wieder entziehen, V. 29; und auch aus dem Tode lässt er immer wieder neues Leben hervorgehen, V. 30, wie er jetzt im Frühling die Gestalt der Erde wieder verjüngt und erneuert; und von Jahrtausend zu Jahrtausend schaut er mit Wohlgefallen hernieder auf das Werk seiner Hände, V. 31, so dass es immer noch heißt wie am Schöpfungstag: Siehe, es war alles sehr gut; wenn wir bedenken, dass die Erde ehrfurchtsvoll bebt vor seiner Nähe, sollte dann nicht das Lob des Schöpfers auch

3)

Widerklingen in unserer eigenen Brust.

V. 33. 34: „Ich will dem Herrn singen, mein Leben lang, und meinen Gott loben, solange ich bin. Meine Rede müsse ihm wohlgefallen. Ich freue mich des Herrn.“ Und wenn wir erwägen, wie nichts Gottes schöne Schöpfung verunstaltet und nichts sie aus einem Gottesgarten zu einem Jammertal macht, als der Mensch mit seiner Sünde, wie der Dichter sagt: Die Welt ist vollkommen überall, wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual; sollten wir dann nicht einstimmen in den Wunsch, womit unser Psalm schließt:

V. 35: „Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden und die Gottlosen nicht mehr sein. Lobe den Herrn, meine Seele. Halleluja.“ Sollten wir uns nicht freuen auf jene Zeit, da die Erde voll sein soll der Ehre Gottes und mit Frieden bedeckt wie mit Meereswogen, und da alle Knie sich beugen vor dem lebendigen Gott und alle Kreaturen zusammen einstimmen in einen harmonischen Lobgesang: Ehre sei Gott in der Höhe! Inzwischen aber lobe den Herrn, meine Seele. Inzwischen wollen wir wenigstens, seine Gläubigen, nicht zurückbleiben hinter der unvernünftigen Kreatur, sondern unsern Gott loben mit Herzen, Mund und Händen:

Nun danket alle Gott
Mit Herzen, Mund und Händen,
Der große Dinge tut
An uns und allen Enden.

Amen.