(1) Ein Gebet Moses, des Mannes Gottes. (2) Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge worden, und die Erde, und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. (3) Der du die Menschen lässt sterben, und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder. (4) Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. (5) Du lässt sie dahin fahren wie einen Strom, und sind wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird, (6) Das da frühe blühet, und bald welk wird, und des Abends abgehauen wird, und verdorrt. (7) Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen. (8) Denn unsere Missetat stellst du vor dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht vor deinem Angesicht. (9) Darum fahren alle unsere Tage dahin, durch deinen Zorn; wir bringen unsere Jahre zu, wie ein Geschwätz. (10) Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon. (11) Wer glaubt es aber, dass du so sehr zürnst? Und wer fürchtet sich vor solchem deinem Grimm? (12) Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. (13) Herr, kehre dich doch wieder zu uns, und sei deinen Knechten gnädig. (14) Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang. (15) Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden. (16) Zeige deinen Knechten deine Werke, und deine Ehre ihren Kindern. (17) Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich, und fördere das Werk unserer Hände bei uns, ja das Werk unserer Hände wolle er fördern.
Eine uralt ehrwürdige Gestalt, die uns bisher noch nicht begegnet ist, tritt diesmal hinein in den Chor der Psalmensänger: ein Mann Gottes, der fünf Jahrhunderte vor David schon sein müdes Haupt zur Ruhe gelegt hatte; ein Mann Gottes, der statt des goldenen Königszepters den dornigen Wanderstab vierzig Jahre lang in der Hand geführt, statt der Harfe und des Psalters die steinernen Tafeln des Gesetzes sonst im Arm getragen und wenig Zeit zum Psalmensingen gefunden hat bei seinem schweren, vielgeplagten Amt. „Ein Gebet Mose, des Mannes Gottes,“ lesen wir in der Aufschrift. Und in Wahrheit, dieser Psalm selber sieht Mose nicht unähnlich; er ist so urkräftig nach seinem Inhalt, so feierlich und majestätisch nach seiner Form und Sprache, so streng ernst und fast schwermütig in seinem Ton, dass er einem Gebete Mosis, des Allergeplagtesten unter den Menschen, einem Wanderlied während des vierzigjährigen Zugs durch die Wüste, fast einem Abschiedslied jenes lebensmüden Gottesknechts ganz gleich sieht. Hinter sich ein prüfungsvolles Leben voll herber Erfahrung; um sich die Gräber unzähliger Wandergenossen, die Gottes Zorn dahingerafft; vor sich eine schwere, große Aufgabe so, vielleicht in stiller Nacht, während sein Volk um ihn schlief, auf einsamer Bergeshöhe richtet der betagte Sänger seinen Blick aufwärts über die Sterne zu dem Gott, der allein seines Volkes Zuflucht ist in dem Wechsel der Zeit, und klagt ihm sein Leid mit demütiger Beugung, aber auch mit getrostem Vertrauen. Auch für uns ist dieser schöne Psalm gesungen als ein Pilgerlied auf unserer Wanderschaft durch die Wüste dieses Lebens ins gelobte Land der Ewigkeit. Wie unzählige Mal ist es nachgesprochen worden auf Kanzeln und an Gräbern, in Hütten und in Palästen, was Mose, der Mann Gottes, hier so recht aus dem Leben heraus klagt von der Nichtigkeit und Flüchtigkeit des Menschenlebens und von der Majestät des ewigen Gottes.
Auch wir wollen uns jetzt daran erbauen und betrachten das ernste Mosislied:
Von der Ewigkeit Gottes und der Hinfälligkeit des Menschen.
Der Psalm zerfällt in drei Teile. Wir haben darin:
1) Ein Preisgebet über die Ewigkeit Gottes, V. 2-4.
2) Ein Klagegebet über die Hinfälligkeit des Menschen, V. 5-10.
3) Ein Bittgebet um göttliche Gnade und Hilfe, V. 11-17.
vernehmen wir gleich
V. 2: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge worden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Das ist ja einer von den Kernsprüchen, die schon unsere Kinder in der Schule lernen und daran wir Alten uns immer aufs Neue wieder erbauen in der Schule des Lebens und des Leidens.
„Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für.“ „Herr Gott!“ Da schwingt er gleich mit den ersten Worten über allen Wechsel der Zeit, über alle Stürme der Erde, über alle Not des Lebens und über alle Angst des Todes sich hinaus und umklammert gleichsam die Füße des ewigen, unveränderlichen, immergetreuen Gottes, der darum auch für und für, von Geschlecht zu Geschlecht die Zuflucht der Seinen und eine feste Burg der Gläubigen ist. „Du bist unsere Zuflucht für und für.“ Das konnte Moses rühmen im Rückblick auf die Geschichte des Menschengeschlechts, die hinter ihm lag von Adam bis Noah, von Noah bis Abraham, von Abraham bis Jakob, von Jakob bis Mose - keines dieser Geschlechter ließ Gott ohne die Erweisungen seiner Gnade und Treue. „Für und für.“ Das konnte Moses auch rühmen beim Rückblick auf sein eigenes Leben. Von dem Tage an, da er durch Gottes Vorsehung als ein hilfloses Knäblein aus dem Schilfwasser des Nils errettet worden war, bis er als ein lebensmüder Greis vom Berge Nebo das gelobte Land schauen und dann sein Haupt zur Ruhe legen durfte - wieviel Not und Gefahr, wieviel Kampf und Sturm hatte er mit seinem Volke durchgemacht; aber auch wieviel Wunderhilfen und Gnadenerrettungen hatte er erfahren und immer und überall war er's inne geworden: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für.“ Das darf auch heute noch die Menschheit rühmen. Ja der treue Gott, der einst Mosis Zuflucht war, der ist auch inzwischen von Geschlecht zu Geschlecht, von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Jahrtausend zu Jahrtausend die Zuflucht der Seinen geblieben, und wenn alles gewankt hat, so blieb er der Unerschütterliche, und wenn alles sich verändert hat, so blieb er der Unwandelbare. Und auch wir selber, seit wir beten können, seit wir denken können, in den harmlosen Tagen unserer Kindheit, im feurigen Drang unserer Jugend, in dem heißen Mittag des Mannesalters, am sinkenden Abend des Greisenalters, in guten und in bösen Tagen immer haben wir's erfahren: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für.“ - Und warum ist er das? Weil er der Ewige und Unveränderliche ist. Nun schildert und preist Moses den ewigen Gott, den Alten der Tage, der vor allem war. Ehe die Berge worden, diese ehrwürdigen Zeugen der Vergangenheit, deren graue Häupter seit so manchem Jahrtausend herniederschauen auf das Tun und Treiben, auf die Leiden und Freuden, auf das Leben und Sterben der Menschenkinder; ja noch mehr, ehe die Erde worden, die ja älter ist als die Berge, diese uralte Mutter alles Lebendigen; ja noch mehr, ehe die Welt worden, die ja älter ist als die Erde in ihrer jetzigen Gestalt; ehe noch eine Kreatur sich regte in der Unermesslichkeit, ist Gott schon gewesen von Ewigkeit- und so wird er auch sein zu Ewigkeit, immer ist Gott derselbe, unangetastet vom Sturm der Zeit, unberührt von der Flucht der Jahre. Bete staunend im Staub an, o Mensch, und bekenne:
Herr, dir ist niemand zu vergleichen,
Kein Lob kann deine Größ' erreichen,
Kein noch so feuriger Verstand!1)
Miss einmal, o Mensch, diese Ewigkeit Gottes an deiner eigenen Vergänglichkeit.
V. 3: „Der du die Menschen lässt sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder.“ Vor Gott wechseln die Geschlechter der Menschen, als läge zwischen Gehen und Kommen nur ein Augenblick. Jetzt lässt er ein Geschlecht aufblühen, und über ein kleines ist es wieder weggestorben, verwelkt. Jetzt ist eine Generation weggestorben, und über ein kleines steht wieder eine andere da. Dem allem schaut der ewige Gott zu, wie der Mensch den Wellen im Bache zuschaut; eine kommt, die andere geht; eine schwillt auf und dann sinkt sie wieder zurück. Er aber bleibt, wie er ist.
V. 4: „Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.“ Tausend Jahre, was dünkt das uns Menschen eine unabsehliche Zeit. Denkt euch einmal zurück um tausend Jahre; wie ganz anders sah es da auf Erden aus! Da stand von dieser unserer Stadt noch kein Stein; da stand in unserem ganzen Land kaum eine Kirche; da war noch kaum die Finsternis unserer Wälder gelichtet und in die Nacht des Heidentums der erste Schein des Evangeliums hereingefallen. Was ist in diesen tausend Jahren geschehen; wie hat sich unser Land, unser Volk, die Erde, die Menschheit verändert! Wieviel Menschengeschlechter sind da gekommen und gegangen; wieviel Frühlinge haben geblüht und sind wieder verwelkt; wieviel Blut und wieviel Tränen sind geflossen; wieviel Weltreiche sind entstanden und vergangen; wieviel Wiegen und wieviel Grabhügel wurden gefüllt; wieviel Erfindungen wurden gemacht; wie hat sich die ganze Weltgestalt verändert! Und siehe, diese tausend Jahre, sie sind vor Gott wie der gestrige Tag uns erscheint, dahingeflogen im Nu! Ja wie eine Nachtwache, wie ein paar Stunden der Nacht von einem Wächterruf zum andern! wie groß ist dieser O Gott! Wer will ihn, den Ewigen, würdig preisen; ja wer will nur in Gedanken seine Ewigkeit fassen; wir können nichts, als anbetend vor ihm in den Staub sinken und bekennen: Herr, was bist du - und was bin ich! Ja, was bin ich! Nun geht Mosis Gebet über in ein:
Wehmütig schildert er diese Hinfälligkeit:
V. 5. 6: „Du lässt sie dahin fahren wie einen Strom und sind wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird, das da frühe blühet und bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorrt.“ Unter einem dreifachen Bild stellt der Psalmist unsere Hinfälligkeit uns vor Augen. „Wie ein Strom“ fährt unser Leben dahin, bald über Klippen und Felsen, bald durch grüne Auen und Rosengebüsche aber immer gleich schnell und unaufhaltsam fliehen unsere Jahre vorüber, wie das Lied sagt:
Ohne Rast und unverweilt, Strömen gleich, o Seele, eilt
Deine kurze Lebenszeit hin ins Meer der Ewigkeit.
Wiederum wie ein Schlaf oder Traum mit seinen flüchtigen Bildern, mit seinen wesenlosen Freuden und eingebildeten Schmerzen an der Seele vorüberschwebt, so traumgleich und schattenartig schwebt unser Leben mit Freud und Leid an uns vorüber. - Und endlich wie ein Gras und eine Blume des Grases am Morgen frisch und lieblich blüht, am Mittag in der Sonnenglut das Haupt senkt und am Abend vielleicht schon unter der Sense des Mähders fällt, so blühet und verblühet unsere Jugend, unsere Schönheit, unser Leben. Denn alles Fleisch ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blume; das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen, denn des Herrn Geist bläst darein. Ach, wie oft wird uns diese Wahrheit ins Ohr gepredigt durch den Klang der Totenglocke; an wie manchem Grab sind wir das schon mit Schmerzen inne geworden: Alles Fleisch ist wie Gras! Und wie manchmal, wenn wir auf unser eigenes Leben zurückblickten, wenn ein Tag, eine Woche, ein Jahr wieder vorüber war wie ein Traum; eh wir uns besinnen konnten, haben wir's selber gestehen müssen mit einem tiefen Seufzer: Unser Leben fährt schnell dahin, als flögen wir davon! Ein Moses freilich, der hatte bei solcher Klage nicht bloß die allgemeine Sterblichkeit und Hinfälligkeit des Menschen vor Augen, sondern ein besonders großes Sterben und Strafgericht Gottes, wie etwa das Sterben der Rotte Korah, wo 250 Seelen auf einen Tag, oder das Strafgericht über die murrende Gemeine, wo 14.700 in Israel in wenigen Tagen dahinstarben, wie ja überhaupt alle, die aus Ägyptenland ausgezogen waren, bis auf zwei sterben mussten in der Wüste. Darum gibt er auch den Grund dieser Hinfälligkeit so an:
V. 7: „Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen;“ und V. 8: „Denn unsere Missetat stellst du vor dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht vor deinem Angesicht.“ Jene besondere Hinfälligkeit war eine besondere Strafe. Aber Geliebte, das gilt im Grund auch uns. Wie oft ist's auch jetzt noch die Sünde, was des Menschen Leben verkürzt und der Zorn Gottes, der eine Seele im Sturme dahinrafft durch einen bösen schnellen Tod! Wie mancher Sünder, der seine Kraft und Gesundheit in Sünden vergeudet hat, muss es auf seinem Sterbebette mit zu später Reue bekennen: Das macht dein Zorn, dass ich so vergehe, und dein Grimm, dass ich so plötzlich davon muss. Denn meine Missetat stellst du vor dich und meine Sünde, die ich selber bisher nicht erkennen wollte, ins Licht vor deinem Angesicht. Und an wie manchem frühen Grab muss man denken, wenn man's auch nicht sagen darf: Der Tod ist der Sünde Sold. Und wenn er auch nicht immer der Sold ist besonderer Sünden, wenn auch der Fromme oft hinweggerafft wird vor dem Gottlosen, so bleibt es eben doch wahr und gilt dem ganzen Menschengeschlecht wie einem Mann: Der Tod ist der Sünde Sold, und das macht Gottes Zorn, dass wir so vergehen; durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und der Tod durch die Sünde und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben. Die Sünde erst, die macht unser Leben so flüchtig und unseren Tod so bitter, wie der Apostel sagt: Der Stachel des Todes ist die Sünde, und Luther schreibt: Obgleich Pferde, Kühe und andere Tiere auch sterben, so ist doch ihr Sterben nicht der Zorn Gottes, sondern eine vergängliche Not. Aber der Menschen Tod ist ein Jammer und Zorn, weil der Mensch eine solche Kreatur ist, die dazu geschaffen, dass sie Gott gleichförmig sein sollte. Darum, fährt auch Mose fort:
V. 9: „Darum fahren alle unsere Tage dahin, durch deinen Zorn; wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz.“ Und nun abermals ein Kernspruch, zu dem die Menschheit schon viel tausendmal „ja“ geseufzt hat bis auf diesen Tag:
V. 10: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.“ Klagend im Rückblick auf die Zeit der Patriarchen und deren hohes Lebensalter spricht Moses aus: Dass über siebzig oder höchstens achtzig Jahre das durch Sünde entnervte Menschengeschlecht sein Leben nicht mehr bringe, und heutzutage, wo die Menschennatur durch die Sünde und durch die Not von mehr als drei Jahrtausenden noch mehr gealtert und heruntergekommen ist, dürfen wir ja nicht einmal mehr siebzig Jahre, sondern höchstens sechzig als die mittlere Lebensdauer des Menschen ansehen, müssen noch weiter unten bleiben und sagen: Wenn's hoch kommt, so sind es siebzig Jahre, und wenn's achtzig sind, so ist's fast ein Wunder, - „und wenn es köstlich gewesen ist, so ist's Mühe und Arbeit gewesen.“ Ja wohl, fragt nach bei den Glücklichsten auf Erden, sie werden's euch bezeugen; hört einen Salomo im Prediger, wie er beim Rückblick auf sein köstliches Leben ausruft: Siehe, es ist alles eitel und Jammer unter der Sonne. Hört einen der glücklichsten Männer unseres Jahrhunderts an, den großen Dichter Goethe, der auch weise war wie Salomo, berühmt wie Salomo, glücklich wie Salomo und alle Herrlichkeit dieser Welt geschmeckt hat wie selten ein Sterblicher, der sprach in seinem 81sten Jahre zu einem Freund und Hausgenossen: Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen, und doch wenn ich aufrichtig sein will, so muss ich sagen, alles zusammengerechnet habe ich in meinem langen Leben keine vier Wochen reines Glück und ungetrübtes Behagen genossen! Was bedürfen wir weiter Zeugnis:
Ach, wie nichtig, ach wie flüchtig
Ist der Menschen Leben!
Wie ein Nebel bald entsteht,
Und auch wieder bald vergeht,
So ist unser Leben, seht!2)
Das ist unsere Klage; aber damit wir nicht verzagen bei solcher Hinfälligkeit, stimmen wir ein auch:
Er bittet fürs erste, Gott wolle uns doch klug machen bei solcher Flüchtigkeit unserer Tage.
V. 11. 12: „Wer glaubt es aber, dass du so sehr zürnst? Und wer fürchtet sich vor solchem deinem Grimm?“ Ja wer glaubt an die Flüchtigkeit des Lebens und an die Nähe des Todes und an den Ernst der Ewigkeit! Täglich ruft uns die Totenglocke ins Ohr: Seele, Seele, es ist Zeit, Tod ist nah und Ewigkeit! Und doch leben die meisten Menschen dahin, als ob sie ewig leben sollten. Habt ihr nicht schon das Treiben der Mücken beobachtet um eine Schale Fliegengift herum? Zu Dutzenden liegen sie tot auf dem Tisch; aber die noch leben, kümmern sich nichts darum, laufen zwischen den Toten herum, stoßen daraufhin mit dem Rüssel, krabbeln dann ruhig weiter, naschen gelegentlich auch aus der Giftschale, taumeln auch und liegen auch tot bei den andern. So und um kein Haar besser machen's die Menschen, taumeln auch zwischen Gräbern umher, als ginge sie's nichts an, bis sie auch bei den Toten liegen unversehens. Da gilt's ja wohl zu bitten V. 12: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Und dazu die weitere Bitte:
V. 13. 14: „Herr, kehre dich doch wieder zu uns und sei deinen Knechten gnädig. Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.“ Gottes Gnade! Ja die gibt ewiges Leben mitten in die Zeitlichkeit herein; haben wir Gottes Gnade im Herzen, dann können wir getrost sein mitten in der Flucht unseres Lebens, ja dann können wir getrost auch dem Tod entgegensehen, denn wir wissen, deine Gnade währt ewig und in Jesu Christo hast du uns berufen zu einem ewigen Leben, zu einer Herrlichkeit, deren nicht wert sind alle Leiden dieser Zeit, und wo du uns ewig erfreuen wirst nach den Plagen dieses Lebens und uns ganz schenken, um was Moses fleht:
V. 15: „Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden.“ Inzwischen aber, weil wir nun doch auch hienieden noch unseren Beruf und unser Tagewerk haben, so wollen wir auch einstimmen in die letzte Bitte Mosis:
V. 17: „Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns, ja das Werk unserer Hände wolle er fördern.“ So flehte Moses im Hinblick auf die schwere Aufgabe, die seinem Volk noch vorbehalten war, nämlich den Einzug ins gelobte Land. So wollen auch wir bitten im Hinblick auf die Aufgaben und den Beruf, den der Herr einem jeglichen unter uns hienieden angewiesen hat. Er wolle das Werk unserer Hände fördern, dass die kurze Lebenszeit nicht ungenützt vorübergehe, sondern Früchte bringe für dieses und fürs ewige Leben. Ja Herr, mein Gott,
Steh mit deiner Kraft mir bei, dass ich meiner Pflicht getreu
Dir zum Preis und mir zum Glück nütze jeden Augenblick.
Dann vertausch ich diese Zeit ruhig mit der Ewigkeit;
Finde da vor deinem Thron meiner Arbeit Gnadenlohn! 3)
Amen.