(1) Ein Psalm Davids, vorzusingen. Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Sie taugen nichts, und sind ein Gräuel mit ihrem Wesen; da ist keiner, der Gutes tut. (2) Der Herr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, dass er sehe, ob jemand klug sei, und nach Gott frage. (3) Aber sie sind alle abgewichen, und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. (4) Will denn der Übeltäter keiner das merken, die mein Volk fressen, dass sie sich nähren, aber den Herrn rufen sie nicht an? (5) Daselbst fürchten sie sich; aber Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten. (6) Ihr schändet des Armen Rat; aber Gott ist seine Zuversicht. (7) Ach dass die Hilfe aus Zion über Israel käme, und der Herr sein gefangenes Volk erlöste. So würde Jakob fröhlich sein, und Israel sich freuen. Wo o sitzt wohl eigentlich der Schaden unserer Zeit? Was ist die Wurzel alles Übels, das an unserem Volke nagt und an unserem Geschlechte zehrt? Wer nur auf die Oberfläche sieht, sagt: es ist die Armut; die Gewerbe liegen darnieder, die Geschäfte stocken, das Eigentum hat keinen Wert, mit reißenden Schritten nimmt die Verarmung zu. Leider, ja; aber ist das der einzige, ist das der tiefste Schaden? Wenn man heute Silbergruben und Goldadern bei uns entdeckte, so reich wie dort in Kalifornien und Australien, und wenn man eine Ernte und einen Herbst eintäte, wie wir nur wünschen können, würde unser Volk glücklicher werden? Schwerlich. Also wo fehlts? Wer tiefer blickt, sagt: Es fehlt nicht nur am Beutel, es fehlt am Herzen, es fehlt an der Tugend, an den Sitten. Zucht und Ordnung, Fleiß und Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Mäßigkeit, Treu und Redlichkeit, Demut und Geduld, diese alten Christentugenden werden immer rarer in unserer Zeit und darum gehts abwärts mit uns von Jahr zu Jahr. Leider ja wohl, so ist es. Und doch auch das ist noch nicht der letzte Grund. Woher diese sittliche Verwilderung? Warum fehlts an jeder Christentugend? Weils am Christenglauben fehlt, weil der Glaube an Gott, an Gottes Wort, an Gottes Gesetz, an Gottes Vorsehung, an Gottes Gericht immer rarer wird unter diesem Geschlechte. Also wo sitzt eigentlich der Schaden unserer Zeit? Was ist die Wurzel alles Übels, das an unserem Volke nagt und an unserem Volke zehrt? Es ist der Unglaube. Dieser Unglaube ist recht das Unglück unserer Zeit, wie er das Unglück war in allen Zeiten. In keiner Zeit hat es an Ungläubigen gefehlt. Hat nicht der Heiland selbst dem halsstarrigen Geschlechte seiner Zeit zurufen müssen voll heiliger Wehmut: Aber ihr glaubet nicht! Hat nicht Jesaias schon ausgerufen voll frommen Zorns: Aber wer glaubt unserer Predigt? Hat nicht Noah schon Spott leiden müssen von dem ungläubigen, unglückseligen Geschlechte seiner Zeit? Und was ists, worüber der fromme König David hier klagt beim Hinblick auf sein Volk, was ist das Thema unseres Psalms? Im 1. V. ists gegeben: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen, es ist kein Gott.“ Ein Klagelied über den herrschenden Unglauben**
ists, das wir hier vernehmen, an dem wir uns aufrichten und erbauen wollen. Wir haben
zunächst in seiner Torheit.
V. 1. „Die Toren sprechen in ihrem Herzen es ist kein Gott.“ Für Toren halten sich die Ungläubigen freilich nicht. Im Gegenteil, sie sind die Gescheiten, die Vernünftigen, die Aufgeklärten. Sie erklären uns für die Toren, für die Schwachköpfe, für die Einfältigen, uns, die wir an Gott glauben, zu Gott beten, Gottes Wort hören. Sie kehren den Spruch um und sagen: Die Toren sprechen in ihrem Herzen: es ist ein Gott, ein Himmel, eine Hölle, eine Ewigkeit, wir aber, wir Gescheiten, wir sind über das alles hinaus. Und doch, Gottes Wort behält Recht, diesmal wie immer: die Toren sprechen in ihrem Herzen und nur Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott.
Oder ist der kein Tor, der blind ist gegen die augenscheinlichsten Beweise, gegen die klarsten Tatsachen, der die Schöpfung kann ansehen, und doch den Schöpfer leugnen? Der berühmte Naturforscher Kirchner überführte vor 200 Jahren schon einen ungläubigen Gottesleugner seiner Bekanntschaft auf folgende Weise von seiner Torheit. Kirchner hatte an der Wand seiner Studierstube eine schöne Karte des Sternenhimmels hängen. Eines Morgens trat jener Gottesleugner zum Besuch ein, Kirchner arbeitete noch eine Zeit lang an seinem Schreibtisch fort, jener betrachtete inzwischen die Bilder an der Wand und auch die Himmelskarte und als Kirchner aufstand, fragte der Gast: Woher hast du die schöne Karte? wer hat sie gemacht? Dieser antwortete: Es hat sie niemand gemacht, es hat sie auch niemand hingehängt, sie ist von selbst an die Wand gekommen. Du scherzt, antwortet der Freund, das ist ja unmöglich. Nun aber antwortet Kirchner: Ja, wie sollte das nicht möglich sein?
Ferner, ist der nicht ein Tor, der sich selbst um den süßesten Genuss, um das edelste Gut, um den höchsten Trost betrügt im Leben, Leiden und Sterben? Nun das tut der Gottesleugner, das tut er aus purem lauterem Hochmut, denn mein Glaub ist meines Lebens Ruh, mein süßester Trost im Leben, Leiden und Sterben. Die Toren, und nur Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Mögen sie in irdischen Dingen noch so gescheit, geschickt, gewandt sein, Weltleute, Geschäftsleute, gelehrte Leute, Kriegsleute usw., - hinauszuschauen über das Irdische, Sichtbare, Vergängliche, dazu fehlt ihnen die Kraft, der Blick, das Auge, da sind sie beschränkte Köpfe und eine Frau, ein Kind sieht weiter, versteht mehr als sie; ich preise dich, Vater, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart hast, sagt Christus.
Aber nicht nur als Toren stellt David diese Gottesleugner hin, sondern auch als schlechte Leute in ihrem Wandel.
V. 2. „Sie taugen nichts und sind ein Gräuel in ihrem Wesen.“ Was ist es denn, was den Menschen, den Sünder allein tüchtig machen kann zum Guten und wohlgefällig vor Gott? Es ist der demütige Glaube, der nach oben blickt und von oben holt die Kraft zu jedem guten Werk; wer aber geflissentlich das Auge verschließt gegen das Licht von oben und das Herz verschließt gegen die Kraft von oben, kann der wohlgefällig sein vor Gott, tüchtig sein zum Guten? Nein, da gilt weiter
V. 3. „Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig, da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.“ Das nehmen sie freilich sehr übel und lassens nicht gelten. Lass mich glauben, was ich will, wenn ich nur lebe wie sichs gebührt, das ist eine gemeine Rede unter ihnen. Ja wenn nur das Leben nicht so genau zusammenhinge mit dem Glauben. Wenn sichs nur nicht so tausendfach zeigte in unserer Zeit bei einzelnen Personen wie bei ganzen Völkern, dass wo der Glaube untergraben ist, auch der Gehorsam aufhört, wo man keinen göttlichen Gesetzgeber, keinen heiligen Richter mehr fürchtet, man es auch mit Gottes Geboten immer leichter nimmt und sie immer frecher behandelt. Es bleibt dabei: wie du glaubst, so lebst du, und darum gilts auch von einem ungläubigen Geschlecht: Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig und wie sie selber nichts taugen, so verderben sie auch noch andere. Sie fressen mein Volk, dass sie sich nähren,“ so klagt der fromme König mit bitterem Schmerz; so müssen auch wir mit bitterem Schmerze klagen, wenn wir sehen, wie die Apostel des Unglaubens alles anwenden, um dem Volk, dem edlen Deutschen, auch dem lieben Württemberger Volk seine beste Kraft, sein edelstes Mark, sein heiligstes Herzblut auszusaugen, nämlich seinen Glauben, nur damit sie obenankommen und über ein schwaches Volk Herr seien, um es zu gebrauchen für ihre Plane. Denn wahrlich, wer dem Volk sein Bestes nimmt, seinen Glauben, seine Bibel, seinen Heiland, seinen Gott, der nimmt ihm mehr noch als das Geld, als das Brot, als das Blut, der saugt am Lebensmark des Volks.
Gottlob, es wird ihnen nicht gelingen; das Wort sie sollen lassen stahn. Nachdem David den Unglauben gezeichnet hat in seiner Torheit und Schlechtigkeit, so folgt nun V. 5 und 6
Schon in V. 2 hats geheißen: Der Herr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage.
Im Himmel wacht ein Auge, ein unsterbliches, allsehendes, heiliges Auge, dieses Auge schläft nicht und schlummert nicht. Schon manches freche, gottesleugnerische Auge ist im Tode gebrochen von Davids Tagen bis heute; das große heilige Auge da droben, das leuchtet noch heute so hell wie vor dreitausend Jahren. Diesem Auge entgeht nichts, es sieht alle Menschenkinder, es sieht den Frommen in seinem Kämmerlein und sieht den Gottesleugner sitzen auf der Bank, da die Spötter sitzen, es sieht die Träne im Auge des gläubigen Dulders und sieht das Lachen im Angesicht des stolzen Verächters. Du Tor magst dein Auge verschließen gegen Gott und sagen: ich sehe ihn nicht; aber er schließt darum sein Auge nicht über dir, er sieht dich.
Und er richtet dich V. 5: „Daselbst fürchten sie sich“, eigentlich: dereinst fürchten sie sich, dereinst erschrecken sie. Ja, das ist das Elend, der innere Fluch des Unglaubens: Den, den man fürchten sollte, den heiligen, lebendigen Gott, den fürchtet man nicht; aber wo nichts zu fürchten ist, da fürchtet man sich und zittert. Das bestätigt sich hundertfach an den Gottesleugnern. Ja, Gott kanns diesen recht deutlich, recht schrecklich zu fühlen geben: Ich bin noch da. Als der berüchtigte Gottesleugner und Schreckensmann in der französischen Revolution, Robespierre, zum Tode verwundet, mit blutigem zerschossenem Gesichte röchelnd auf einem Tische lag, trat unter den Neugierigen ein gemeiner Mann vom Pariser Volk zu ihm heran, betrachtete ihn lange schweigend und sagte dann: Ja, Robespierre, es gibt einen Gott! In derselben französischen Revolutionszeit, wo das Volk feierlich dekretiert hatte: es gibt keinen Gott, hielt einmal ein solcher Volksmann öffentlich eine Rede, in welcher er bewies, es gebe keinen Gott und zum Himmel emporrief: Wenn du vorhanden bist, so beweise es und schmettere deinen Donnerkeil auf mein Haupt herab. Es kam zur selbigen Stunde kein Donnerkeil. Aber vierzehn Tage nachher wurde derselbe Redner zur Guillotine geführt. Als er auf dem Schafott stand, rief eine Stimme aus dem zuschauenden Volk: jetzt fällt der Donnerkeil auf dein Haupt! Der Gottesleugner zuckte zusammen und leichenblass empfing er den Todesstreich. Ja, es ist schrecklich in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.
Aber es ist selig, dem lebendigen Gott zu vertrauen. Denn wie David sagt V. 5 und 6.: „Gott ist bei dem Geschlechte der Gerechten. Ihr schändet des Armen Rat, aber Gott ist seine Zuversicht.“
Er soll auch unsere Zuversicht bleiben. Kein Spott der Spötter, kein Zweifel des eigenen Verstandes soll uns irre machen im Glauben an ihn, den Ewiglebendigen, den Alleinheiligen, den Allgütigen und Allbarmherzigen; denn zu gewaltig tönen die Stimmen aus der Schrift, aus der Schöpfung, aus unserem eigenen Herzen heraus: Es ist ein Gott. Und wer gegen diese Stimmen gewaltsam die Ohren verstopft und das Herz verschließt, der ist nicht nur ein Tor, er ist auch ein unglücklicher Mensch.
Ach, dass doch soviel arme Seelen könnten erlöst werden aus diesen unseligen Banden des Unglaubens! Da stimmen wir auch mit ein in den
V. 7: „Ach dass die Hilfe aus Zion über Israel käme und der Herr sein gefangenes Volk erlöste. So würde Jakob fröhlich sein und Israel sich freuen.“
Dieser selbe Schluss findet sich wörtlich noch bei mehreren späteren Psalmen. Man hat vermutet, dieser Schluss sei erst später hinzugesetzt worden in der babylonischen Gefangenschaft. Damals wars der Israeliten höchster Wunsch, ihr brünstigster Seufzer, ihr höchstes Gebet, das sie wohl an jedem Psalm, an jedem Gottesdienst zum Schluss anfügten: Ach, dass die Hilfe aus Zion käme!
Es ist sehr wahrscheinlich, dass dem so ist und dass also mit diesem Schlussseufzer zunächst die Befreiung aus äußerer Gefangenschaft gemeint ist. Aber auch für Davids Zeit schon und auch für unsere Zeit noch hat dieser Wunsch seine gute, seine geistliche Bedeutung. Die traurigste Gefangenschaft ist ja die Gefangenschaft der Sünde, die betrübtesten Ketten sind die Ketten der Finsternis, das ärgste geistliche Babel, das auch heute noch steht, das ist die ungöttliche, ungläubige Welt.
Und wenn wir nun sehen, wie unser Volk, einst auch das liebe, das erwählte, das gesegnete Volk des Herrn immer tiefer verstrickt wird in diese Ketten der Finsternis, in diese Gefangenschaft des Unglaubens, dürfen, müssen wir dann nicht auch seufzen: Ach, dass die Hilfe aus Zion käme und der Herr sein gefangenes Volk erlöste. Ja, dass vom oberen Zion der beste, der mächtigste Befreier würde herabgesandt auf unser armes Volk, der heilige Geist, dass er es losmache von der Tyrannei des Unglaubens und der Ungläubigen, ja dass wieder Glaube, Gottesfurcht, Zucht und Christentum einzöge unter dem Volk des Herrn, dann würde mit einziehen auch wieder Glück und Segen, Friede und Freude, „dann würde Jakob fröhlich sein und Israel sich freuen!“
Hilf dazu, gnädiger, barmherziger, alleingewaltiger Gott. Erleuchte die finsteren Seelen, befreie die gefangenen Herzen, führe die Irrenden auf den rechten Weg, heile die Verwundeten und tröste die Betrübten. Befreie auch unsere Herzen je mehr und mehr von den letzten Ketten der Finsternis und den feinsten Banden des Unglaubens, damit wir es erfahren: Mein Glaub ist meines Lebens Ruh, und einst am Ende unseres Lebens auch das Ende des Glaubens davonbringen, der Seelen Seligkeit.
Erhalt uns Herr im wahren Glauben
Noch fernerhin bis an das End;
Lass nichts uns deine Schätze rauben,
Dein heilig Wort und Sakrament.
Erfülle deiner Christen Herzen,
O Gott, mit deinem Gnadenheil,
Und gib nach überwundnen Schmerzen
Uns droben einst das bessre Teil!
Amen.