(Gehalten am ersten Adventssonntag.)
Die Gnade unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.
Text: 2. Mose 20,17-18.
Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Hauses, Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes, noch seines Knechts, noch seiner Magd, noch seines Ochsen, noch seines Esels, noch Alles, das dein Nächster hat.
„Siehe Zion! Dein König kommt zu dir sanftmütig“ so lautet, geliebte Freunde! die heutige Adventsbotschaft. Wer seinen Jesus und sein Kommen liebt, ruft mit jubelndem Mund: „Freut Euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: freut Euch! denn siehe der Herr ist nahe!“ Wie ein Kind sich freut auf den heiligen Christ mit seinem Tannenbaum und seinen Lichtern und schönen Geschenken, so freut sich auch eine Seele auf das Wort von der Krippe, auf die Verkündigung des großen, gottseligen Geheimnisses: „Gott geoffenbart im Fleisch“; freut sich miteinzustimmen in den heiligen Lobgesang der himmlischen Heerscharen: Ehre sei Gott in der Höhe! In solch heilige Freude will der erste Advent uns ziehen. Wie stimmt nun aber das Wort unseres Textes zu diesem Freudenton? Was will die Gesetzespredigt bei dem Adventsevangelium? Was will das alte Testament, wo wir doch das neue heute so lieblich hören? Ich antworte: die Freude erhöhen, das Evangelium nicht aufheben, sondern es recht erwünscht und lieblich machen. Denn wie? hat der Advent nur einen Freudenton? Oder steht nicht neben dem Adventsevangelium die Adventsepistel? Habt Ihr ihren Ruf nicht vernommen: „die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen; so lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anziehen die Waffen des Lichts?“ Hört Ihr den Adventwächter hoch auf der Zinne, was er der Gemeinde zuruft! Adventstag ist auch ein Bußtag, ein Bußherold, der seinem Herrn eine Stätte bereiten will, die Stätte eines demütigen, bußfertigen Herzens. Darum war bei unseren Vätern die Adventszeit eine geschlossene Zeit, wo keine Lustbarkeit, kein weltlicher Klang die Seele stören durfte, die ihren Herrn fragt: „Wie soll ich dich empfangen, und wie begegn ich dir?“ Das Gesetz des HErrn aber schaffet die bußfertigen Herzen, die Adventswohnungen. Das Gesetz beleuchtet in den Geboten wie ein heller Blitz die Werke der Finsternis die wir ablegen sollen. Wir haben diese Werke der Finsternis geschaut. Welches Gebot aber ist es, das von den Werken der Finsternis uns hinabführte auch in ihre finstere Werkstätte? Kein Anderes, als das heutige: „Lass dich nicht gelüsten.“ Mit diesem letzten Gebot aus dem alten Testament stehen wir schon im neuen Testament. Ja das ist des Heilands Art, dessen wir jetzt warten, das Gesetz auszulegen, dass er wegschaut von den Händen auf das Herz; wegdeutet von den Werken auf die böse Lust, die die Mutter aller bösen Werke ist. Ist das nicht ein neutestamentliches Gebot? Ists nicht ein Adventsbußprediger der ins Innerste führt? Ja das ists. Keines unter den Geboten kann uns solchen ernsten Dienst leisten; aber auch keines weist so auf den Herrn der da kommt, keines drängt so zu dem Kind in der Krippe und zu dem Schmerzensmann auf Golgatha, als eben dies Gebot. Magst du bei jedem andern Gebot gesucht haben, dich zu entschuldigen, den Blick dieses Gebotes hältst du nicht aus - und so du an keinem gefehlt, so du Alle aus eigener Kraft erfüllt hättest, hier dies Gebot wirst dich und deine Gerechtigkeit in den Staub! es fragt dich: hat dich nie gelüstet? Wenn du für kein Gebot einen Heiland brauchtest der deine Wunden, die es dir aufgedeckt heilt - hier, für die Sünde an diesem Gebot musst du einen Herrn und Heiland haben der sie tilgt, der sie trägt am Kreuzesstamm, der sie verzehrt mit dem Feuer seines heiligen Geistes, denn sie ist die Mutter aller Sünden. So ist in doppeltem Sinn dies Gebot ein Adventsprediger der deine Sünde straft und dich zum Heiland weist. Nun dann lassen wir uns weisen und hören wir mit bangem und sehnsüchtigem Herzen die ernsten, letzten Gebote
„Lass dich nicht gelüsten“
In Christo Geliebte! Wenn man Jemanden Etwas recht Schweres zu sagen und zu gebieten hat, hebt man wohl das Schwerste auf zuletzt auf. Nach und nach legt man ihm die Last auf die Schultern bis sie auch das Schwerste tragen können. So machts unser treuer Gott auch; das Schwerste kommt zuletzt. Das liegt in den zwei letzten Geboten, die da reden von der bösen Lust, den bösen Begierden und bösen Gedanken. Sind denn Gedanken auch strafbar und sündig? Wenn man die Welt fragt, antwortet sie „nein“. Sie hat schon beim achten Gebot, wo wir vom Wort des Menschen handelten, gesagt: „Was liegt denn an einem Wort! Wort ist Wort, Wort ist Hauch, Wort ist nichts!“ Ernst hat der Herr geantwortet: „Wahrlich ich sage Euch, die Menschen müssen Rechenschaft geben am jüngsten Tag, von einem jeglichen unnützen Wort das sie geredet haben.“ Wenn man nun aber weiter geht und spricht: auch deine böse Lust, deine bösen Gedanken sind strafbar vor dem HErrn: da hält die Welt frohlockend ihr gottloses Sprichwort für einen guten Schild vor: „Ach was! Gedanken sind zollfrei, das sind nur die groben oder feinen Pietisten, die es so genau nehmen; was wird sich denn unser Herrgott auch noch um unsere Gedanken bekümmern, da hätte er viel zu tun.“ Wenn das wahr wäre, würde der Herr zweimal sagen: „Lass dich nicht gelüsten?“ Diese Gebote stehen in der Reihe der andern, sie lassen sich nicht streichen. Derselbe Herr, der da sagt: „Du sollst nicht töten“ spricht auch: „Lass dich nicht gelüsten.“ Es bleibt also dabei, dass wir es nicht schärfer nehmen, denn es der Herr gesagt; die Gedanken sind also nicht zollfrei, sondern im Gegenteil, sie sind es auf die der Herr sein Augenmerk richtet; sie sind die allerverbotenste, die allerverdächtigste Ware, nach der zu allererst in dem Zollhaus seines Gerichts gefragt wird. Der Heiland deutet in der Bergpredigt gerade von diesem Gebot aus alle Gebote, indem er überall die böse Lust, als das Sündigste an der Sünde straft. Mit diesem Gebot geht der Herr, nachdem er die Glieder unseres Leibes zurechtgewiesen hat, auf das Herz zurück. So schlägt Er den Rückweg zum ersten Gebot ein. Vom Herzen, das Ihn allein lieben soll, ist er ausgegangen und dann ging er an den Mund, dann auf die Taten - von den Taten geht er im achten Gebot auf unseren Mund und Wort zurück, und im neunten und zehnten wieder auf unser Herz. So schaut das erste und letzte Gebot aufs Herz. Der Herr schaut ja das Herz an. Drum sagt Luther: „diese letzten Gebote sind nicht für die bösen Buben in der Welt, wie Räuber, Ehebrecher und Mörder, sondern für die Frömmsten gestellt, die da wollen gelobt sein, als die wider die vorigen Gebote nichts verschulden.“ Denn hier gehe ihnen der Herr nach, hier fängt er die in dem feinsten Netz, die etwa mit dem reichen Jüngling sagen möchten von den übrigen Geboten: „das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Was fehlt mir noch?“ Hier, sagt er, hier fehlte und fehlt dir das, so fehlt dir Alles; denn dies Gebot schließt nicht nur die Gebote, sondern schließt auch alle andern in sich. Wer dies Gebot bricht, hat sie alle gebrochen. Darum fasst auch tiefsinnig der heilige Apostel Paulus alle Gebote in dies Eine zusammen, wenn er sagt: „die Sünde erkannte ich nicht ohne durch das Gesetz. Denn ich wusste nichts von der Lust, wo nicht das Gesetz gesagt hätte: Lass dich nicht gelüsten“ Röm. 7,7. Warum nimmt er nicht ein anderes Gebot zu seinem Beispiel? Gerade deshalb, weil dies Gebot das allertiefste ist und alle andern in sich schließt.
Warum aber? Erstens einmal darum, weil der Herr nicht allein äußerlich seine Gebote gehalten haben will, sondern auch innerlich. Darum kümmert sich der Mensch wenig. Wie er zufrieden sich selbst beschaut im Spiegel vor einem Ausgang unter die Menschen, wenn nur sein äußerer Anzug, sein Oberkleid, geordnet ist und schön aussieht, und nicht nach seinem Unterkleid fragt, ob es voller Flecken oder zerrissen ist; so glaubt er auch vor Gott und der Welt schön dazustehen, wenns nur äußerlich ehrbar hergeht und die Menschen ihm nichts nachsagen können; ist froh, wenn er von sich sagen kann: „er habe keinen unrechten Kreuzer in seinem Haus, und noch nie ein Kind beleidigt.“ Ob er in Gedanken gestohlen, ob er seinen Nächsten hasst, und ihm alles Böse wünscht, ob er mit seinen Augen die Ehe bricht, in seinem Herzen flucht, in seinen Herzensgedanken falsch ist, danach mag er nicht schauen. Was hat aber das für Wert? Keinen. Damit dus aber wissest, dass du nach deinen inneren Gedanken bei deinem Halten der Gebote gefragt wirst, schärfts der Herr dir hier in diesem Gebot ein: Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Hauses, noch seines Weibes rc., und der Katechismus erklärt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserem Nächsten nicht mit List nach seinem Erbe oder Haus stehen, noch mit einem Schein des Rechten an uns bringen, sondern ihm dasselbe zu behalten förderlich und dienstlich sein; auch das wir nicht sein Weib, Gesinde oder Vieh abspannen, abdringen oder abwendig machen, sondern dieselben anhalten, dass sie bleiben und tun, was sie schuldig sind.“ Nun frage dich einmal: Ist nie eine Lust nach des Nächsten Gut über dich gekommen? Ist dir nie der Gedanke aufgestiegen, warum gehts dem so gut und mir so schlimm; warum hat er mehr denn ich? Wenn der andere vorwärts kam in seiner Kunst oder Handwerk, und du bliebst zurück, kam nie der Neid dir ins Herz? Wenn dein Feind fiel, gestürzt wurde von seinem Ehrenplatz oder ein Vermögen zu Grunde ging, kam keine Schadenfreude über dich? Kamen dir nirgends arge Gedanken, wie du den und jenen überlisten könntest, wie du zwischen Freunden, zwischen Ehen, zwischen Kindern und Eltern einen Stein werfen könntest, um eines auf deine Seite zu ziehen? Wenn du des Andern Knecht oder Magd sahst, die besser waren als deine, kam dir nie der Gedanke und die Lust, sie in deinen Dienst zu ziehen? Und wenn du das Alles nicht getan hättest, sage, warst du mehr in deinen Gedanken auf des Nächsten Vorteil bedacht, als auf deinen eigenen? Hast du dem Nächsten geholfen, dass es ihm besser ginge? Wars deine Freude, des Nächsten Haus blühen zu machen? Hast du jeden Streit darin zu schlichten gesucht? Wars dein ernstliches Bestreben, dass Mann und Weib, Kinder und Gesinde in deines Nächsten Haus blieben? Die Hand aufs Herz und die andere zum Herrn! wer kann es sagen? Und doch ist ohne das Halten dieses Gebotes alle andere Gerechtigkeit befleckt; denn sie ist nur äußerliches Spinnengewebe ohne Halt; ein solcher Mensch ist mit seiner Nächstenliebe nur eine schillernde schöne Schlange, die eine schöne Haut hat, aber verborgen das Gift in sich trägt. Darum gibt die Erfüllung dieses Gebotes jeglicher Erfüllung der andern Gebote erst die Weihe.
Denn dies Gebot straft nicht etwa nur die Lust nach fremden Gut, sondern überhaupt die Lust gegen alle Gebote Gottes zu tun; es zeigt dieses Gebot, woher alle Sünde und alles Elend kommt; deckt die Quelle und den Brunnen aller Ungerechtigkeit auf. Denn siehe, ein Jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird; die Lust aber, wenn sie empfangen hat, gebiert sie die Sünde, die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod. Oder wo fühlt ihr die erste Regung, wo klopfts bei der Lockung der Welt, wo kommt das erste stille Jawort zur Sünde zum Vorschein? Hier, hier im Herzen fängts an. Durch die Augen und Ohren hinunter ins Herz geht der Funke der Sünde, und drunten weckt er ein Feuer, das still verborgen glimmt, das ist die böse Lust. Und die Lust wird stärker und die Freude, die aus der Sünde winkt, immer verführerischer, bis endlich die Tat erfolgt. Siehe Eva im Garten an. An die Lust im Herzen, tritt die Schlange mit dem: „Sollte Gott wohl gesagt haben“, und als sie ansah, dass der Baum angenehm und lustig sei, da ward die Lust bald zur Tat; sie nahm davon und aß, und reißt in ihren Fall ihren Gatten und bringt sich und ihn ums Paradies. Als in Kain die böse Lust, der Neid sich regte, ruft der Herr ihm warnend zu: „Wenn du fromm bist, so bist du angenehm; bist du aber nicht fromm, so ruht die Sünde vor der Tür.“ Und bald liegt Abel tot vor ihm. Wars nicht bei Achan so, der da spricht: „Ich sah einen köstlichen Mantel, des lüstete mich, und nahm ihn?“ Dort sieht Isabel, die Königin in Israel, Naboths Weinberg, und es lüstete sie, und siehe, sie stellt die falschen Zeugen auf und Naboth wird gerichtet und der Weinberg ist ihr. Aus der Lust wird die Tat geboren. Ja die Lust ists, die die Sünde Einem so klein vorstellt, die dem Gesetz Gottes die Spitze bricht, die den inwendigen Ankläger, dem Gewissen mit süßen Worten schmeichelt und einschläfert, bis es schweigt. Aus dem Herzen kommen die argen Gedanken, die da reifen zu argen Taten. Die Gedanken sind, wie ein alter Zeuge sagt, des Teufels Kuriere und Vorläufer, die ihm die Herberge bestellen im Herzen. Wenn keine Lust da wäre, prallten umsonst die Angriffe des bösen Feindes ab; da wäre unser Herz eine starke Festung, vor der der Feind wohl liegen und in die er seine glühende Kugeln senden könnte, aber drin wären wachsame Leute, die jeden Brand löschten, die jede Kugel mit Stücken aus dem großen Zeughaus Gottes beantworteten - aber ists so? Nein, drinnen sitzt der Verbündete, drinnen der Verräter, der jede Kugel zünden lässt, der gleich die Zugbrücken öffnet, der beim ersten Angriff die Schlüssel der Festung überreicht! Das ist die böse Lust.
Aber der Herr spricht: „Lass dich nicht gelüsten.“ Nun wer kann es? Wenn die Lust kommt, so sprich: „Ich lasse mich nicht gelüsten.“ - Ist damit Etwas gewonnen? O wer in sein Herz sieht und mit dieser bösen Lust einmal einen Kampf beginnt, wer da sagt: „Ich hasse das Böse und die Werke der Finsternis, ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen,“ der wird auf einen vielköpfigen Drachen treten. Und wenn er ein Haupt zertreten zu haben vermeint, werden hundert andere ihn angähnen; er hats mit einer Schlange zu tun, die sich durchringelt, wie man sie fassen will, die da sticht, sobald man nach ihr schlägt, die sich durchwindet in die stillsten Stunden hinein. In dem Gebet, in der heiligsten Stunde des Abendmahls wird er sie fühlen. Habt ihr nie diese Leichenschar unheiliger Gedanken aufsteigen sehen in euren Herzen? Ihr erschrakt - ihr wiest sie ab; sie kamen wieder in reizender Gestalt; ihr lieht ihnen das Ohr und sagtet: Denken darf man ja schon - und sie kamen wieder und brachten euch zu Fall.
Ich habe Jünglinge gesehen die mit Riesenkraft gegen dies Ungeheuer der Lust gekämpft; aber ich habe auch ihre Tränen gesehen, wenn sie gefallen waren, die laut bezeugten: „Ich vermag es nicht; der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.“ Ich habe Männer ringen sehen in eigener Kraft gegen die argen Gedanken, Spieler und Trunkenbolde und Ehebrecher; was sie heute verflucht, haben sie morgen getan. Ich kenne einen Mann, der ritterlich in eigener Kraft gekämpft hat, der die Schläge nicht gespart für sein Fleisch; er hat gewacht Tag und Nacht, und siehe, trostlos lässt er die Arme sinken, er ruft und mit ihm alle, die diesen Kampf versucht: „Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen das Gute fehlt mir! Das Gute das ich will, tue ich nicht und das Böse das ich nicht will, tue ich! Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes!“ Kennst du den Mann? Es ist der Apostel Paulus, das ist sein Todesseufzer unter dem Gesetz. Dahin ist er gekommen. Aber derselbe Mann ruft auch: „Ich danke Gott durch unseren Herrn Jesum Christum.“ - Was ist ihm? Wer hat ihm geholfen? Drum fragen wir:
Wenn der Apostel Paulus das ganze Gesetz einen Zuchtmeister auf Christum nennt, einen Zuchtmeister, der die ihm Untergebenen hintreibt zu Christo, um von Ihm zu lernen, von ihm sich heilen zu lassen; so treibt doch kein Gebot dies Zuchtmeisteramt so gewaltig wie dieses heutige. Denn hier an diesem Gebot wird die völlige Unfähigkeit des alten Menschen das Gesetz zu erfüllen, offenbar; denn das Gebot, statt die Lust zu töten, wetzt und macht die Lust erst recht lebendig. Hier dies letzte Gebot ist das Gebot, das aller Welt den Mund stopft und alle überführt, dass sie nicht die Gerechtigkeit haben, die vor Gott gilt, und mangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen. Es weist uns hin auf die Gerechtigkeit, die uns erworben worden ist durch unseren Herrn Jesum Christum. Wollt ihr Einen sehen, der keine böse Lust gehabt, so schaut auf Ihn. Seht Seinen Weg von Seinem Kommen bis zu Seinem Scheiden, was der Lust gefällt, - davon hat Er nichts an Sich, keine Gestalt noch Schöne, die uns gefallen hätte, Armut und Niedrigkeit, bei Ihm ist nichts der Lust verheißen, dem Satan, der zur Lust ihn reizt, bietet Er keinen verwundbaren Fleck, nur ein gewaltiges: „Hebe dich weg Satan! Es steht geschrieben, du sollst Gott deinen Herrn anbeten und Ihm allein dienen.“ Seinem Jünger, der ihn abhalten will vom Leidensweg, ruft Er zu: „Gehe hinter mich Satan, du meinst, was menschlich ist, und nicht was göttlich ist.“ Ja lauter als die steinernen Tafeln, als die gehauenen Buchstaben, predigts der gekreuzigte Herr: „Lass dich nicht gelüsten.“ Hier ist mehr denn Mose, der erwählte Ungemach mit dem Volk Gottes zu leiden, denn die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, und achtete die Schmach Christi für größeren Reichtum, denn die Schätze Ägyptens. Hier ist Jesus der ewige Sohn Gottes „der ob er wohl hätte Freude haben mögen, erduldete er das Kreuz und achtete der Schande nicht;“ die Welt und ihr Gelüsten hat ihn gekreuzigt und auch unsere Lust hat er gebüßt am Kreuzesstamm, denn hier gilt ja zu singen:
Ich, ich und meine Sünden,
Die sich wie Körnlein finden
Des Sandes an dem Meer,
Die haben dir erreget
Das Elend, das dich schläget,
Und deiner Martern großes Heer.
Dort hat Er den Fluch des Gesetzes getragen, der Allen gilt, auch denen, die da nur sündigen an einem Gebot, und hat die Handschrift getilgt, so wider uns war und der Sünde den Stachel genommen, welcher ist das Gesetz. Darum ruft der Apostel: „Ich danke Gott durch Jesum Christum“ und fährt jubelnd weiter: „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind; denn das dem Gesetz unmöglich war, das tat Gott und sandte seinen Sohn, auf dass in uns die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, erfüllt werde!“ Ja mit und in Christo wird das Gesetz von uns erfüllt. So wie jener Apostel ohne Christum rufen musste: „ich elender Mensch,“ so ruft er nun mit Ihm: „Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht, Christus.“ Denn Christus hat uns nicht etwa nur das Vorbild gegeben, wie man das Gesetz erfüllen müsse, denn das hälfe wenig, sondern er bringt mit der Vergebung der Sünden auch neues Leben, göttliche Lust in den Menschen, der von Herzen sich zu Ihm bekehrt. Er sendet seinen Geist, der uns heiligt; der das Gesetz des Herrn in unser Herz schreibt und in unseren Sinn gibt, jenes königliche Gesetz der Freiheit, das uns bindet mit den starken Banden der Liebe an unseren Gott, so dass wir nicht anders können, denn seine Gebote erfüllen. Das tut er bei denen, die nun auch wie der Apostel sagt: „nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist wandeln.“ Christi Verdienst ist kein Ruhepolster für faule Leute, sondern es treibt sie in den ernsten Kampf; es zieht der Herr uns durch sein Kreuz auch an sein Kreuz; schenkt die Kraft den alten Menschen zu kreuzigen samt den Lüsten und Begierden; die Kreuzesnägel sind: „Gottes Gebot, Christi Tod, der Verdammnis ewige Not.“ Der neue Mensch soll der Totengräber des alten werden. Durch die Lust an Ihm tötet Er die Lust an der Welt. Darum kann der Apostel uns mahnen: „lasst uns ablegen die Sünde, die uns immerdar anklebt.“ Denn mit einem Mal stirbt sie nicht; Giftwurzeln hängen fest in der Erde; über Nacht so du nicht wachst wächst die Lust. Vertilgt wird die Sünde und die böse Lust so lange wir leben nicht, denn wir sind versucht allenthalben; aber im Zaum kann sie gehalten werden. Wie Luther sagt: „Den Vögeln kannst du nicht wehren, dass sie über deinem Haupt fliegen, aber dass sie nicht die Nester hinein machen, das kannst du wehren.“ Darum kostet es täglich einen Kampf. Du wirst siegen, wenn du den großen Adventskönig in dein Herz aufnimmst; ist Er König in deinem Herzen, herrscht Er in dir, dann wird er selber den Streit führen, wie Er dir zuruft:
„Fällts euch zu schwer,
Ich geh voran,
Ich steh euch an der Seite,
Ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn,
Bin Alles in dem Streite.
Ein böser Knecht darf stille stehn,
Wenn er den Feldherrn sieht angehn.“
Darum zu Christo hin! Zu Ihm, in dem allein Heil ist. Dahin wollte ich Euch führen in diesen Predigten. Lange habe ich schweigen müssen von dem teuren, gottseligen Geheimnis unserer Erlösung. Es ist mir schwer geworden; aber der Blick auf den Mann, auf den das Gesetz weist, unseren teuren Heiland Jesum Christum, hat mich reichlich getröstet.
Am Sinai am Gesetzesberg sind wir gestanden, meine Teuren, wie war euch dort? Wie stehen wir vor dem Herrn, der da sagt: „Verflucht ist, der nicht hält alle Worte des Gesetzes, dass er danach tue? Höre Israel, der Herr dein Gott ist ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, derer die mich hassen.“ Wer will vor Ihm bestehen? Liebe Seele, willst du am Sinai bleiben? Willst du beben, wie das Volk vor Gottes Blitz und seinem Donner? Willst du denn sterben in der Wüste, wie Israels Volk? Wenn du gleich Mose der Freund Gottes wärst, du kämst doch nicht ins gelobte Land. Denn die, so unterm Gesetz sind, sind unter dem Fluch. Wo willst du hin vor dem gewaltigen Richter? Sieh von Sinais Höhen hin über die Wüste, schaust du nichts? Siehst du keine Krippe, über der die Engel dir singen: Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen? Siehst du keinen Berg, darauf ein Kreuz steht und daran einen Mann, der sein Haupt neigt und für dich ruft: „Es ist vollbracht?“ O Seele, hörst du Nichts? Welchen Berg wählst du? Sinai oder Golgatha? Dort ist Wüste und hier Kanaan, dort Mose - hier Christus, dort die steinernen Tafeln - hier das hölzerne Kreuz, dort der Richter hier der Vater, dort die Anklage - hier die Freisprechung, dort der Fluch - hier die Gnade, dort der Tod - hier das Leben, dort die Verdammnis - hier die Seligkeit! Wähle den Tod, wer ihn wählen mag! Aber ich will mit dieser Gemeinde Dein Kreuz fassen, Herr Jesu, du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, und dir lobsingen, der du die Gottlosen gerecht machst aus Gnade hier in Sünde und Schwachheit, dort in weißen Kleidern in großer Kraft - mit allen deinen erlösten Kindern lass mich singen: Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum, und Weisheit und Stärke, und Ehre und Preis und Lob von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.