Von der Person Dr. Martin Luthers halte ich also, daß ihn Gott der Herr nicht allein mit großen natürlichen Gaben geziert, sondern ihm auch zu einer wahren und gründlichen Gottesgelehrtheit seine Gnade überschwänglich verliehen und ihn mit den Gaben seines heiligen Geistes so reichlich ausgerüstet hat, daß er sowohl das Lehramt in großer Kraft geführt, als auch in einem freudigen Heldenglauben und beständiger Treue und Aufrichtigkeit gegen Gott und den Nächsten denen, die zu seiner Zeit gelebt, und allen Nachkommen ein ausbündiges und herrliches Exempel gegeben. .. Von seiner Reformation halte ich, daß ihn Gott wahrhaftig zu solchem großen Werk, nämlich die reine und evangelische Lehre, welche im Pabstthum verdunkelt war, wiederum ans Licht zu bringen, erweckt und gebraucht habe, also, daß einer nicht aus Gott noch von Gott gesandt sein könnte, so er eine Reformation der Kirche vorgeben wollte, welche der Reformation Luthers entgegen gesetzt wäre. Sintemal das Hauptwerk derselben darin bestanden, daß Menschenwerk, Lehre und Satzungen aufgehoben und abgethan, und hingegen Gott dem Herrn in dem ganzen Werk unserer Seligkeit alle Ehre lauterlich gegeben werden müsse, wie uns derselbe Christum Jesum gemacht hat zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. Daher ich denn auch endlich von der Lehre Luthers aufrichtig also halte und glaube, daß Luther die wahre evangelische, lautere, in Gottes Wort gegründete und apostolische Lehre geführt und auf einen solchen Grund gebaut, in welchem und keinem andern wir zu Gott kommen und selig werden können, also daß ich glaube, Luther sei in solcher Lehre selig worden, und ich auch selbst dabei zu leben und zu sterben gedenke. So hat auch Gott diesem theuren Manne eine ungemeine Gabe verliehen, den lautern apostolischen Grund der Lehre von der Rechtfertigung eines armen Sünders vor Gott vorzutragen, aus heiliger göttlicher Schrift zu beweisen und den Menschen auszulegen, daß eine wahre Kraft des heiligen Geistes darin zu erkennen ist, und ich von der Apostel Zeit her keinen zu nennen wüßte, welcher in diesem Stücke mit ihm verglichen werden könnte.
Mit diesem Bekenntnis; streitet nun keineswegs dieses, daß ich Luther nicht höher erhebe, als sichs gebührt, sondern glaube, daß er auch ein Mensch, der seinen Fehlern und Gebrechen unterworfen gewesen, gleichwie ein anderer Mensch, ob ihn wohl der Herr seiner Kirche zum Besten mit großen Gaben vor vielen andern ausgerüstet gehabt. Luther hat auch selbst niemals prätendirt, daß man höher von ihm als einem andern halten, oder glauben sollte, er habe alles vollkommen erreicht und den Nachkommen nichts zu verbessern übrig gelassen. Daher, was ich von Luthers Person, Reformation und Lehre höre oder lese, in seinen und andern Schriften, das examinire und prüfe ich nach dem Worte Gottes, auf welchen Grund uns Luther selbst gewiesen hat, und keineswegs auf seine eigene Autorität. Fände sichs denn gleich, daß auch Luther als ein Mensch irgendwo gestrauchelt, so lasse ich mich solches nicht irren, indem ich sowohl von Herzen glaube, daß Luther ein getreuer Knecht seines Gottes gewesen, dem Gott seine Fehler aus lauter Gnade und Barmherzigkeit übersehen und vergeben, als auch seine Lehre an und für sich selbst für die lautere evangelische Lehre erkenne und halte. In den Dingen aber, welche an sich selbst zum Grunde der göttlichen Lehre und des daraus fließenden Glaubens und Lebens nicht reu, als da ist die Wissenschaft der Sprachen und andere dergleichen Dinge, möchten desto leichter einige Fehler in den Schriften Luthers ohne einigen Abgang seiner Autorität erkannt werden, weil ein jeglicher sowohl seine Unvollkommenheit wird bekennen müssen als auch das Studium philologicum absonderlich in diesem Seculo viel herrlicher excoliret worden, als vorhin jemals möchte geschehen sein
Ich glaube allerdings, daß ein Jeder den lautern Grund seiner Seligkeit aus der Uebersetzung Luthers erlernen und schöpfen könne. Gleichwie Luther selbst den Geist Gottes hatte, also mochte nicht sein, daß er in seine Uebersetzung, die er mit so gutem Bedacht geschrieben, etwas setzte, welches mit dem Sinne Christi und seines Geistes stritte. So bewundere ich auch gleichfalls die großen und theuren Gaben, welche Gott Luthern, gleichwie sonst in Auslegung und Erklärung, also auch insonderheit in Uebersetzung der heiligen Schrift mildiglich verliehen, den gefaßten Verstand des Grundtextes in seinen, deutlichen, verständlichen und zugleich wohlklingenden und nachdrücklichen deutschen Worten auszudrücken…. Daß aber dieses, was ich von Hochachtung der deutschen Bibel Luthers geschrieben, mir recht von Herzen gehe, solches beweise ich auch durch Gottes Gnade mit der That selbst, indem ich dieselbe täglich in den Händen habe, und dieselbe, beides öffentlich und besonders, beides zu anderer und meiner eigenen Erbauung handele und treibe, bekenne auch frei, daß ich eben dieses für ein gewisses Kennzeichen halte, daß das Christenthum in unserer sogenannten lutherischen Kirche gar sehr und schrecklich verfallen sei, daß zwar Jedermann laut unserer evangelischen Lehre Recht und Freiheit hat, solche deutsche Bibel zu gebrauchen, aber imn leider nicht allein die Ungelehrten und sogenannten Laien, sondern auch viele Gelehrte und Lehrer selbst dieselbe mehr als zu wenig lesen und betrachten, und daher so fremd und unbewandert darin sind, daß sie wohl solche Dinge, welche mit eben denselbigen und ausdrücklichen Worten in der heiligen Schrift stehen, verwerfen und verketzern, nicht wissend, daß solche das lautere Wort Gottes sind .
Ich antworte hierauf frei und offenherzig, daß, so hoch ich auch die Uebersetzung Luthers wegen der oben angeführten Ursachen halte, dennoch dieselbe an vielen Orten mit dem Grundtext nicht übereinstimmen und gar sehr verbessert werden könne.